Die kompetitive Szene ist in Multiplayer-Spielen kaum noch wegzudenken. Der Partyspaß von damals kann zwar noch in unzähligen kleinen Indie-Games bewundert werden, große Multiplayer-Titel legen ihren Fokus hingegen hauptsächlich auf den sportlichen Wettbewerb. Denn immer mehr Spieler scheinen die Mechaniken eines Spiels zu verinnerlichen, um sich darin zu beweisen. Auf der CAGGTUS habe ich mir die E-Sport-Szene von »Fifa 23«, »Landwirtschafts-Simulator 2022« und »Super Smash Bros. Ultimate« angeschaut und die Top-Spieler interviewt.


FIFA 23

Der Fifa-Profi Marcel Fitzek war mein erster Gesprächspartner. Ich als gelegentlicher Fußballzuschauer, wollte von ihm wissen, welche Unterschiede es zwischen dem realen und dem virtuellen Rasensport gibt:

»Der offensichtliche Unterschied ist natürlich, dass man sich nicht aktiv auf dem Feld befindet. Man bewegt sich nicht auf diese Art und Weise, wie man es auf dem analogen Rasen macht. Dafür ist die Intensität, die man an Konzentration und Disziplin an der Konsole hat, auch sehr ertüchtigend und fordernd. Und wenn ich dann ein finales Weltmeisterschaftsturnier bestreite, gehe ich danach auch duschen, weil ich dann durchgeschwitzt bin. Denn es ist eine andere Art der Anstrengung.«

Einigen Spielern fehlen die frischen Impulse in den jährlich veröffentlichten Fifa-Spielen. Ich wollte von Marcel wissen, ob er als Profi-Sportler sich noch Verbesserungen wünscht:

»Das ist auch ein Unterschied zum analogen Fußball, der immer gleich bleibt – bis auf ein paar taktische Änderungen. Und bei Fifa ändert sich teilweise etwas durch das Spiel. Deshalb muss man sich den Spielmechaniken immer wieder anpassen. Kleinigkeiten ändern sich gelegentlich sogar wöchentlich. Letztes Jahr war es so, dass man mit kleinen, wendigen Spielern mehr machen konnte. Dieses Jahr kann man große Spieler mit einer robusten Statur besser nutzen. Das macht das Ganze auch herausfordernder. Ansonsten wäre ein Zuschauermodus eventuell interessant, um den virtuellen Sport mehr in die Gesellschaft zu bringen.«

Der reale Fußball ist leider auch für Ausschreitungen bekannt. In den Stadien lassen sich häufig körperliche sowie verbale Auseinandersetzungen von Fans und Spielern beobachten. Wie sieht es auf dem virtuellen Rasen aus? Marcel meinte dazu:

»Eine emotionale Reaktion hört man schon über den Voice-Chat, wenn irgendetwas nicht funktioniert und jemand gefrustet ist. Aber das artet nicht in irgendwelchen Ausschreitungen aus, die nicht mehr zu kontrollieren sind. Technik oder Tische könnten manchmal kaputtgehen. Das hört man ab und zu. Emotionen sind halt auch wichtig. Man muss halt nur gucken, dass sie nicht Überhand nehmen.«

Es gibt also klare Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen dem virtuellen und dem realen Fußball. Zum Abschluss wollte ich noch wissen, was Fifa als E-Sport-Titel von anderen kompetitiven Spielen abhebt:

»Wir haben andere E-Sport-Games, wie »Counter-Strike« oder »League of Legends«, die es in der Realität nicht gibt. Es gibt nichts Vergleichbares. Bei Fifa erkennt man den klassischen Fußball. Und ich finde die Bindung zu den Vereinen interessant, die dem Fußball nahe sind. Da hast du schon eine Fanbase. Gehen wir in die Bundesliga: Dort gibt es tausende, Millionen von Fans, die schon eine Verbindung zu dem Verein haben. Die Vereine können Fans besser einbinden und dazu einladen, ein digitales Team zu formen, weil sie dem Verein sehr nahestehen.«


Landwirtschafts-Simulator 2022

Ein Spiel, das ich weder mit Vereinen noch mit Sport verbinden würde, wäre der Farming Simulator. Es sieht für mich eher nach einer virtuellen Abbildung von Agrarwirtschaft aus. Doch auf der CAGGTUS haben wettbewerbsfähige Teams in einem Turnier gezeigt, wer die dicksten Kartoffeln hat.

Ich habe mit den Gewinnern des Turniers – JayKay (Jendrik Kluge), Beatmaster (Hanno Meier) und Paul (Paul Kümmerer) – von der Honig Gäng gesprochen und wollte wissen, was den Farming Simulator als E-Sport-Spiel ausmacht.

Beatmaster: »Es hat grundlegend nichts mit dem normalen Farming Simulator zu tun, weil das Spiel ziemlich entschleunigend wirkt. Hier geht es darum, möglichst effizient und schnell zu spielen. Man muss eine bessere Taktik haben als der Gegner. Das ist das Grundprinzip von der Farming Simulator League.«

Die sportlichen Tugenden sind also auch in einem LandwirtschaftsSimulator präsent. Doch was unterscheidet das Spiel von anderen E-Sport-Disziplinen? »JayKay« meinte dazu:

»Wir haben auch eine vorgebende Zeit, in der gearbeitet wird. Aber das Spielziel unterscheidet sich sehr. Verglichen mit beispielsweise einem Shooter ist die Geschwindigkeit relativ niedrig. Aber wenn es darauf ankommt, müssen die Reaktionen wahnsinnig schnell sein. Du musst genau wissen, was du wann machst. Es ist ein sehr taktisches Spiel.«

Damit konnte ich die Landwirtschaft aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachten. Doch wie interessant wirken diese Taktiken für den Zuschauer?

Beatmaster: »Für den Zuschauer wird es interessant, wenn verschiedene Taktiken gespielt werden. Es gibt Taktiken, wo man versucht, viele Ballen zu produzieren oder man fokussiert sich auf das Dreschen, um einen großen Kornertrag zu erzielen. Und für den Zuschauer wird es dann spannend, wenn er sieht, wie weit das eine Team vorne und das andere Team zurück liegt? Wie sind die aktuellen Standings? Spannend wird es vor allem in den letzten Minuten, wenn es darum geht, viele Punkte zu machen und dann auf die finale Ziellinie zuzufahren.«

JayKay: »Für den Zuschauer ist es auch noch interessant zu sehen, wenn einige Teams mit dem Teleskoplader die Ballen direkt in die Scheune hineinwerfen. Sieht immer wunderbar cool aus, obwohl es nicht viel bringt.«

Es Klingt  so, als würden sowohl die Spieler, als auch die Zuschauer ihre Freude mit dem Wettkampf haben. Ich wollte von der Honig Gäng noch einmal wissen, ob es irgendwelche Verbesserungen im Spiel geben sollte?

JayKay: »Es wäre natürlich immer schön, wenn neue Sachen kommen, sodass man sich wieder neue Taktiken überlegen kann – mit neuen Fahrzeugen. Vielleicht auch kürzere, knackigere Spiele. In den 15 Minuten sind vor allem die ersten fünf Minuten doch eher langweilig. Aber ich denke, da sitzen die Leute dran und machen uns ein noch aufregendes Spiel.«


Super Smash Bros. Ultimate

Auf der CAGGTUS gab es ebenfalls ein Super Smash Bros.-Turnier zu bestaunen. Darauf habe ich mich persönlich am meisten gefreut. Denn Super Smash Bros. ist für mich ein ansehnlicher E-Sport-Titel, der viel Übersicht für den neutralen Zuschauer bietet. Wir sehen lediglich einen einzelnen Bildausschnitt, auf dem sich zwei Kontrahenten duellieren. Die vielseitigen Charaktere und Moves im Spiel sind überaus beeindruckend. Besonders, wenn sie von Profis angewandt werden. Ich habe mit Yano (Jannik Barberi) geredet, der sich am Samstagabend für die Finals qualifiziert hat.

Er konnte sich in einem spannenden Match gegen Fani (Axel Schoenitz) durchsetzen. In der letzten Runde entschied ein kleiner Patzer über Sieg oder Niederlage. Yano hat mir erzählt, wie es sich anfühlt, wenn der letzte Schlag sitzen muss:

»Man ist sich komplett im Klaren, wenn ich genau jetzt einen dreckigen Fehler mache und einen Move abbekomme, dann war es das für mich. Ich habe es gut gemacht, auch wenn der letzte Upsmash von mir richtig schlecht war. Ich hatte nur Glück, dass Fani in dem Augenblick gepatzt hat, aber das gehört auch dazu.«

Als Yano mit dem entscheidenden Schlag das Match für sich entscheiden konnte, stürzte sich die Fangemeinde auf ihn. Zu seinem befreienden Sieg meinte er:

»Ich weiß jetzt, dass es vorbei ist. Ich weiß nicht, wie viele Leute von der Menge auf mich gesprungen sind. Aber es ist halt krass, wie sehr sich Leute für einen freuen können. Ich habe gar nicht damit gerechnet, soweit zu kommen. Für den morgigen Tag erwarte ich nicht viel und wenn ich ausscheide, dann ist es halt so.«


Am Sonntag habe ich mir die Finals angeschaut. Yano war bereits in der Vorrunde ausgeschieden und daher nicht mehr auf der großen Bühne zu sehen. Sein Mitstreiter drybie (Edoardo Pala) war in der ersten Finalrunde vertreten.

Vor seinem ersten Match konnte »drybie« mir etwas zu seinen Vorbereitungen erzählen:

»Ich bin natürlich etwas nervös, aber die Turniere davor haben mich schon auf stressige Situationen vorbereitet. Deswegen bin ich gut darauf eingestellt. Und ich liebe es, gegen die besten Spieler Deutschlands und auch der Schweiz zu spielen und mich gegen sie beweisen zu können. Ich bin zwar eher der Underdog hier, aber ich werde mein Bestes geben, um mich für die finale Phase qualifizieren zu können. Und dann versuchen, so viel wie möglich nach Hause zu bringen.«


An diesem Abend haben aber nicht nur die Spieler ihr Bestes gegeben, sondern auch die gesprächsfreudigen Moderatoren. Ich wollte von ihnen wissen, warum sie sich für eine Moderation für das Spiel »Super Smash Bros. Ultimate« entschieden haben?

yung aegi: »Bei dem Turnier ist die Produktion super. Ich habe sehr viel Spaß beim Moderieren, denn die Menge hat ebenso Spaß. Es ist viel positive Energie mit dabei.«

Spezilist: »Ich bin ziemlich neu in der Smash-Szene. Es ist toll, neue Leute kennenzulernen. Die Messe und Produktion sind ebenfalls super. Und dann kann man der Community auch gerne wieder etwas zurückgeben.«

Sportsendungen greifen immer auf Moderationen zurück. Wie unterscheidet sich die Super Smash Bros.-Moderation von anderen Sportarten?

yung aegi: »Ich persönlich bin ein großer Fußballfan. Fußball ist eher ein Mannschaftssport. Man muss mehr den Moment erfassen. Aber in Smash muss man noch mehr Hintergrundwissen mit einbringen. Man muss den Zuschauern noch viel erklären. Denn nicht jeder hat eine Idee davon, was in Smash gerade passiert. Das ist auch der grundlegende Unterschied im E-Sport. Aber ich denke, dass beides sehr ähnlich ist, wenn man das große Ganze betrachtet.«

Eylem: »Ich würde auch sagen, dass es viele Ähnlichkeiten gibt. Mir ist aber aufgefallen, dass im Fußball nur ab und zu etwas von den Kommentatoren kommt, während bei uns durchgängig geredet wird. Weil wir den Zuschauern auch sehr viel erklären und Hintergrundinformationen liefern.«

yung aegi: »Dadurch, dass wir alles selber auf die Beine gestellt haben, hat Smash immer einen etwas härteren Weg gehabt als andere E-Sport-Titel. Nintendo ist nicht allzu involviert in der E-Sport-Szene. Allerdings sehen wir eine klare Tendenz nach oben. Wir haben sehr viel Content, der produziert und geschaut wird. Obwohl das Spiel von 2018 ist, kommen immer wieder neue Leute auf Turniere.«

Es treten also immer mehr Zuschauer und auch Spieler dem Kampf bei. Doch was können die Moderatoren beitragen, um die Szene zusätzlich zu stärken?

Eylem: »Dadurch, dass die Leute uns als Kommentatoren ein bisschen kennen, werden wir von ihnen auch angesprochen. Wir wurden auch schon vor Ort gefragt: Was ist das eigentlich? Was macht ihr da? Und dann können wir auch direkt Informationen verbreiten. Man ist ein Vertreter geworden. Und es ist schön, eine solche Aufgabe zu übernehmen.«


Mich haben sie als Zuschauer auf jeden Fall gewonnen. Ich habe mir an dem Messetag auch die restlichen Endrundenspiele angeschaut. Bis zum großen Finale, in dem sich der Spieler Tarik (Tarik Fayazi) als Gewinner durchsetzen konnte. Ich wollte von ihm wissen, welche Strategien für den Sieg ausschlaggebend waren? »Tarik« meinte, dass der Charakterwechsel von großer Bedeutung war:

»Die Konstellation Kazuya gegen Steve ist nicht wirklich vorteilhaft. Ich mag es gerne Sephiroth zu spielen. Und ich habe ihn dann auch gewählt, weil er ein gutes Matchup gegen Steve hat. Meine Strategie war es dann, einfach selbst Spaß zu haben. Dann werde ich nicht frustriert und kann spielen, wie ich es will. Und wenn es funktioniert ­– perfekt.«

Meine letzte Frage hat sich auf die Verbesserungen von Super Smash Bros. als E-Sport-Titel bezogen. Tarik antwortete mir:

»Der Publisher-Support mit Nintendo. Ich weiß nicht, ob das machbar ist. Aber Smash existiert schon sehr lange und es wird auch nicht pleitegehen. Andere große E-Sport-Organisationen rein zu bekommen wäre aber schon super.«

Die Basis für den E-Sport ist also vorhanden. Die mediale Aufmerksamkeit und Unterstützung müsste nur noch größer werden, um mit analogen Sportarten eventuell gleichzuziehen. Es bleibt abzuwarten, ob es einem bestimmten Videospiel gelingen wird.

Ich habe zum Abschluss gegen einen Smash-Profi aus Österreich gespielt, der bereits in der Qualifizierungsrunde ausgeschieden ist. Das Match war ziemlich schnell vorbei. Ich konnte kaum Schaden austeilen und wusste teilweise nicht, was mich getroffen hat. Aus mir wird also kein E-Sportler, aber ein Zuschauer bleibe ich weiterhin. [dg]


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Quelle Bilder: Dennis Gerecke (Fotos von der Veranstaltung)