Letztes Jahr gab es meine 100 Spiele des Jahres 2021, davor die 106 Spiele des Jahres 2020 und noch weitere paar Monate davor meine 500 Spiele der 2010er. Nach diesem Exzess der letzten Jahre verschwammen in meinem Kopf hunderte Games ineinander. Die immer gleichen Muster und Trends moderner Spiele ermüdeten mich und mein Hirn brauchte 2022 ein wenig Abstand von Bildschirm und Controller. Also verschob es meine Obsession von Games auf Bücher.

Da ich, kompulsiv veranlagt wie ich bin, (*checks Goodreads*) gleich 84 Bücher in mein Jahr 2022 quetschen musste, war daneben nur Platz für schlanke 65 neue Spiele. Das Schöne daran: Ich habe viele großartige Spiele entdeckt, die mit kompakter Länge sogar zwischen einen großen Lesestapel passen. Besonders zum oberen Ende der Liste findet ihr also viele tolle Häppchen-Games für ein oder zwei Abende… und Elden Ring.

Das Negative: Wer viele gute Romane liest, merkt, wie flach Games thematisch häufig bleiben, wie schwer sie sich tun, gute menschliche Geschichten zu erzählen und wie lange sie teilweise im Kreis rennen, ohne zum Punkt zu kommen. Am besten gefielen mir im Kontrastprogramm also die Spiele, die entweder auf gänzlich andere Qualitäten setzen, ihre Themen in wunderbar games-eigener Form vermitteln oder schlicht ein möglichst hohes literarisches Niveau nachahmen – wobei letztere Sorte Spiel ihre ganz eigenen Probleme für mich offenbarte.

Bevor es losgeht, wie immer noch kurz die Regeln: Die Liste beinhaltet sämtliche im Jahr 2022 erschienenen Spiele, die ich ausgiebig genug gespielt habe, um einen Eindruck ihrer Stärken und Schwächen zu bekommen. (Remaster, Ports und Wiederveröffentlichungen sind wie immer ausgeschlossen.) Viel Spaß beim Lesen!


65. Metal: Hellsinger

Ich bin ja ungern Gatekeeper. Aber Steam Reviews, die den Soundtrack von Metal: Hellsinger als besten Metal beschreiben, den sie seit Jahren gehört haben… Es gibt also doch Menschen, die Kutte tragen und CDU wählen. Die Musik hier funktioniert nicht einmal im Sinne des Spiels. Bei einem Metal-Rhythmusspiel nahm ich an, die Musik würde zumindest hin und wieder ein paar Haken schlagen. Stattdessen gibt es Vier-Viertel-Schlagerbeats mit einem Verständnis von Metal-Kultur, bei dem sogar Jack Blacks Sicht aufs Genre weniger cringe wirkt.


64. Shredders

Trendsport-Games-Nostalgie in allen Ehren, aber was ist das bitte? So viel zum Versprechen, es kämen nur hochwertige Games in den Xbox Game Pass. Weder das Spiel, das SSX-Fans verdient haben, noch so abgefahren witzig wie aktuell Skate-3-Steezus auf TikTok.


63. Anno: Mutationem

Ist Orientalismus im Cyberpunk okay, wenn das Spiel aus Fernost kommt? Flache Kitschtexte und unausgegorene Action. Anno: Mutationem beweist, dass auch retro-stilisierte Optik Grafikblenden kann. Denn mehr als schöne Pixel stecken hier nicht drin.


62. Aquamarine

Wunderschöne Optik im Stil frankophoner Pulp-Science-Fiction. Leider ist Aquamarine nicht einmal das beste Weltraum-U-Boot-Spiel 2022. Eignet sich aber sicher hervorragend als Schlafmittelersatz.


61. Pokémon Legends Arceus

Zum ersten Mal vom Pfad abgewichen, sofort verirrt. Fand ich das exzessive Pokémon-Fangen bereits in Let’s Go Pikachu und Evoli aus ethischer Sicht unangenehm und dadurch unmotivierend, errichtet Legends Arceus eine Skinner-Box in Wolkenkratzerhöhe. Schade, da hier an sich viele gute Ideen drinstecken. An dieser Stelle: Ob Pokémon Violett es besser macht, kann ich in dieser Liste noch nicht sagen, da ich Violett bisher noch nicht gespielt habe. (Aber natürlich day one gekauft, I’m part of the problem.)


60. Triangle Strategy

So sexy ich Ästhetik und Strategie-Gameplay auch finde; selbst die krassesten 5D-Schach-Rundenschlachten würden mich nicht dazu kriegen, diese Dialoge zu ertragen. Für den Alltag zu sperrig und für abends zu einschläfernd.


59. Ghostwire: Tokyo

Ich muss Ubisoft echt mal in Schutz nehmen. So viel Hate sie für ihre Open-World-Formel kriegen, so ist sie zumindest stets eine Pille, die Spaß bereitet – wenn man denn bereit ist, sie zu schlucken. Ghostwire: Tokyo treibt Sammelwahn und generische Quests in einer leblosen Welt auf eine absurde Spitze. Und wer denkt, japanisches Action-Gamedesign würde den Tag retten: nein. Sogar Assassin’s Creed 1 hat ein spaßigeres Kampfsystem als diese ätherische Erbsenkanone.


58. Tinykin

Soll ich auch dieses Jahr erneut meine fundamentalen Kritiken an modernen 3D-Platformern ausrollen? Wird langsam langweilig – genau wie Style-over-Substance-Spiele wie Tinykin. Sammelobjekte in großen Levels allein machen keinen guten Platformer.


57. Ghost Song

Auch in einem Meer aus Metroidvanias möchte ich neuen Genre-Vertretern noch eine Chance geben. Doch so hübsch es auch sein mag, wird bei Ghost Song schnell klar: Leveldesign, Movement, Pacing der Progression… Hier greifen viele Elemente nicht ideal ineinander.


56. Vampire Survivors

Können wir endlich aufhören, „Suchtfaktor“ als Qualitätsmerkmal für Spiele zu verwenden? Was andere Games – wie z.B. Elden Ring – als „suchterregend“ erscheinen lässt, ist dort aufrichtige Neugier und Motivation. Vampire Survivors hingegen ist eine manipulative Fassade und taugt bestenfalls als Fingerübung beim Podcast hören. Aber come on, dann geht doch lieber mit Kopfhörern spazieren.


55. A Plague Tale: Requiem

Der zweite Teil dieser Reihe ist ein Musterbeispiel dafür, wie Spiele von einer kürzeren Dauer profitieren. Praktisch dasselbe Spiel wie der Vorgänger (mit einem deutlich schwächeren Einstieg), aber knapp doppelt so lang. Ein durchschnittliches Steak wird ungenießbar, wenn beim Kauen der Kiefer ermüdet.


54. Reptrails

Ein Plague Inc. für Verschwörungstheorien. Es erreicht jedoch nicht die mechanische Vielfalt und Finesse dieses Vorbilds. Tatsächlich ist Reptrails sogar arg reduktiv. Es eignet sich weder als spielerisch aufregende Simulation, noch als Weltuntergangs-Sandbox oder als akkurate Darstellung der Verbreitung von Verschwörungsmythen. Der spielerische Lehrauftrag funktioniert in simpelster Form. Doch sogar Grundschulkindern kann man einen tieferen Einstieg in dieses Thema zutrauen.


53. Bayonetta 3

Die mit Abstand größte Enttäuschung der letzten Jahre. Platinum hat eine der großen Actionspielreihen frontal vor einen einstürzenden Wolkenkratzer gefahren. Kampfsystem und Gegnerdesign sind so überfrachtet, dass sie die Essenz der Vorgänger nahezu vollständig aus den Augen verlieren. Und ja, die Storys der Vorgänger waren konfus, doch leisteten sie einen wichtigen Beitrag zur Ästhetik und Tonalität der Reihe. All das geht im maximalistisch generischen Multiverse-Malstrom verloren – inklusive der Persönlichkeit einer der coolsten Videospiel-Protagonistinnen. Absolut unerklärlich, wie Bayonetta 3 so geworden ist.


52. Nobody Saves the World

Wie Vampire Survivors besteht auch Nobody Saves the World vor allem aus vielen sich füllenden Balken. Doch macht dieses Spiel keinen Hehl daraus und bietet obendrein noch ein Mü spielerische Tiefe. Dennoch: Hamsterrad bleibt Hamsterrad.


51. The Mortuary Assistant

Bin ich zu abgehärtet oder ist das Spiel doch unterschwellig zu janky, um mich zu gruseln? Scheinbar sind sogar prozedural generierte Jumpscares zu artifiziell, wenn ich mich in ständiger Erwartung vorbeugend vom Spiel dissoziiere. The Mortuary Assistant taugt als rappeliger Bestattungssimulator, doch das ist keine Fantasie, die ich je virtuell ausleben wollte.


50. Ooblets

Eine weitere kleine Enttäuschung für mich, weil sich die Vorfreude über sechs Jahre aufgebaut hat. Look & Feel schienen voll mein Ding zu sein, driften im Kontext 2022 aber doch zu sehr in Cutie-Millennial-Cringe. Die Gameplay-Prämisse mit Farming und Dance-offs klang ebenso quirlig, funktioniert aber besser als witzige Anekdote denn als fesselndes RPG.


49. Sonic Frontiers

Ich habe mir Sonic Frontiers gekauft, nachdem ich auf YouTube den ersten Bosskampf mit der abgefahrenen Musik gehört habe. Witzig ist daran: So weit kam ich in meinem eigenen Anlauf gar nicht. Vorher langweilte mich die strunzgenerische Open World mit ihren kontextlos schwebenden Mobile-Elementen in den Schlaf. Schade auch, dass die übliche floaty Sonic-Physik überkorrigiert wurde und nun keinerlei Momentum mehr vermittelt.


48. Spark the Electric Jester 3

Okay, arbeiten wir das auch direkt ab. Praktisch ein Indie-3D-Sonic – hoch gelobt in Fan-Kreisen! Wenn mich auch das hier völlig kalt lässt, liegt die Vermutung nahe, dass ich moderne Sonic-Spiele generell einfach nicht mehr mag.


47. The Callisto Protocol

Bombastisch inszeniert, aber sowohl thematisch als auch erzählerisch ein ausgelatschter Schuh. Ich weiß zu schätzen, dass das Team nicht einfach Dead Space rekreieren wollte. Doch während Survival-Horror häufig chaotisch und unberechenbar ist, rückt der repetitive und unausgegorene Nahkampffokus in Callisto Protocol diese Werte in ein verschwommenes Licht. Engere Nähe zu den Gegnern bedarf häufig präzisere Mechaniken – insbesondere in Spielen mit hoher Fallhöhe und begrenzten Ressourcen.


46. Luckitown

Tower Defense ist in seiner langsamen, aber stetigen Eskalation ein unfehlbar einladendes Genre. Es muss sein Versprechen dann nur noch durch die nötige Zugänglichkeit einhalten. Luckitown gelingt das nett und kurzweilig: Simple Regeln, originelle Würfelmechanik, übersichtliche und charmante Optik. Perfekt für einige Runden, fesselt aber kaum auf Dauer.


45. Rogue Legacy 2

Ich weiß nicht, was mich dazu bewogen hat, 2022 dieses peak 2013 Roguelite zu spielen. Rogue Legacy 2 ist ebenso gut wie der Erstling, fügt aber wenig Signifikantes hinzu. Neben Hades, Dead Cells und Co. wirkt es antiquiert.


44. Chinatown Detective Agency

Starke Idee, originelles globales Jetsetting. Leider spielerisch einschläfernd, ohne starke Erzählung, die das ausgleicht. Seltsam auch, dass Geldmanagement so wichtig ist, wenn Geldknappheit nie eine Sorge ist.


43. Lunistice

Wenn schon bestenfalls durchschnittliches 3D-Platforming, dann doch bitte hübsch und kompakt. Das bunte Low-Poly-Spiel lässt sich angenehm in einer kurzen Sitzung ohne Höhen und Tiefen wegspielen.


42. Please Fix the Road

Dieses entspannte Puzzle Game ist wunderschön visuell überfrachtet. Die Puzzles selbst sind konzeptionell funktional, aber kein multidimensionaler Geniestreich. Demnach bleibt die gemütliche Ästhetik als größter Reiz; sie erschwert aber noch weiter die Übersicht der Rätsel.


41. Pill Baby

In weniger als zwei Stunden schrammt Pill Baby mehr pikante gesellschaftliche Themen als die PR großer Publisher in den letzten zehn Jahren. Das konnte in dieser Dichte gar nicht gut gehen. Die linke Kritik an Arbeitskultur, Fremdenfeindlichkeit und Generationenkonflikt bleibt äußerst oberflächlich und wird von den mittelmäßigen Action-Passagen nur noch weiter verdrängt. Respekt aber für den Versuch.


40. Shovel Knight Dig

Auch wenn es nicht von Yacht Club selbst entwickelt wird, steht Shovel Knight für simple Formeln mit tighten Mechaniken. Absolut kompetent und solide, aber im Jahr 2022 wirklich kaum mehr als „ein weiteres Roguelike“.


39. Mario Strikers Battle League Football

Der seltsame Versuch, Mario Football zu FIFA-fizieren und oberflächlich eSports-fähig zu machen. So glücklich ich bin, dass die Reihe nach 15 Jahren endlich einen Nachfolger bekommen hat – das reduzierte GameCube-Original ohne Feature Creep bleibt weiterhin die beste Iteration der Formel. Außerdem: Insgesamt 10 spielbare Charaktere bei jeweils 8 aktiven Charakteren pro Runde? In jedem Match rennen Klone über den Platz. Battle League Football führt den Trend zum Launch flachbrüstiger Mario-Sportspiele fort.


38. Kapital: Sparks of Revolution

Ein Aufbaustrategiespiel, dem politische Agenda wichtiger ist als ausbalanciertes Gameplay. Definitiv die richtige Priorisierung für ein Alleinstellungsmerkmal! Das Spiel eignet sich ideal als spielerischer Einstieg in die Theorien des Marxismus. Konstanter Klassenkampf eignet sich aber nur bedingt für ein befriedigendes Aufbauspiel mit Planbarkeit und Vorwärtsmoment. Das ist ludonarrativ konsequent, senkt aber insgesamt die Halbwertszeit.


37. Faith: The Unholy Trinity

Dieser Gothic-Horror-Trip im Atari-Stil ist der ultimative Beweis, dass Grusel auch ohne Fotorealismus funktioniert. Mit der Unzuverlässigkeit eines körnigen VHS-Tapes und bewussten inszenatorischen Leerstellen zieht Faith binnen Minuten in den Bann. Stetige Verwirrung und eine gewisse Widerspenstigkeit sind Kern dieser Formel. Doch ist Faith so kryptisch und feindselig, dass ich schnell frustriert und gelangweilt auf der Stelle trat.


36. Dorfromantik

Bekannt für seine Zen-Kapazitäten ist Dorfromantik mir mehr auch nicht wert. Ja, es ist sehr entspannend und schön – das müssen Spiele auch erst einmal schaffen. Doch auch wenn Entschleunigung der Punkt ist, hat Dorfromantik zu wenige mechanische Ankerpunkte. Nach 15 Minuten beginnt die Routine und die Beine werden unruhig.


35. Scorn

Warum verspüren Spiele immer den Drang, Action-Elemente als Geschmacksverstärker einzubauen? Vor allem, wenn die Action so abgrundtief unausgereift ist. Die „Schusswaffen“ in Scorn gehören zum frustrierendsten Turbo-Jank, den ich lange gesehen habe. Die faszinierend abstoßenden Vibes schultern das tonnenschwere Gewicht halbwegs, sind aber selbst „nur“ die Replik eines bekannten Künstlerstils auf sehr hohem Niveau.


34. Jack Move

Dass Jack Move so hoch steht, zeigt, wie dringend wir als Gesellschaft kürzere JRPGs benötigen. In unter 10 Stunden beinhaltet Jack Move alles, was ein JRPG ausmacht – sogar einige grindy Längen! Jenseits dieser Struktur bietet Jack Move wenig Herausragendes, beweist aber über die gesamte Länge gutes spielerisches und narratives Handwerk nach Blaupause.


33. Hazelnut Hex

Ein sehr spezifischer Shmup-Fix: Hazelnut Hex eignet sich allein aufgrund seiner riesigen Sprites samt unpräziser Hitboxen kaum für perfekte 1CC-Highscore-Jagden. Als Ausgleich taucht es die einzigartig reizüberflutende Ikonographie eines Bullethell-Shooters in kunterbunte Farben und zauberhafte Animationen. Ideal, um einmal auf easy mode mit 50 Continues durchzurasen. Style over substance at its best!


32. Hyper Demon

Gleich noch ein Spiel, das ich nie auch nur ansatzweise meistern werde, aber hypnotisierend schön finde. Tatsächlich habe ich Hyper Demon sogar nach 15 Minuten refunded (ups), da meine Maus-und-Tastatur-unerfahrenen Hände nicht ansatzweise mit der erforderlichen Geschwindigkeit und Präzision zurechtkamen. Doch was ein maximalistisches audiovisuelles Kunstwerk! Und selbst oberflächlich ist erkennbar, wie ausgeklügelt die Mechaniken sind.


31. Kirby’s Dream Buffet

Die Kirby-Marke musste mal wieder für ein Experiment herhalten. Diesmal wurde sie mit den physikbasierten Wettrennen aus Fall Guys gekreuzt. Erreicht das Ganze die Perfektion des Vorbilds? Natürlich nicht. Ist dieses Kirby-Spinoff dennoch mal wieder erstaunlich ausgereift und… naja, sehr süß eben (buchstäblich)? Ihr könnt die Antwort einem vor Kalorien aufgeblasenen Kirby-Ballon an den Lippen ablesen.


30. God of War Ragnarök

God of War Ragnarök mag immer wieder Highlight-Momente haben, doch seine Zwischenräume sind ausgelutschte Cinematic-Experience-Formel ohne starke Identität oder Substanz. Die Creative-Writing-101-Stärken unterhalten, wären in anderen Medien aber höchstens Mittelmaß. Der forcierte One-Shot macht unterdessen die vielen Längen noch zäher, statt einfach schnell zum nächsten Highlight zu cutten. Gleichzeitig steckt in God of War so viel Budget und Hochglanz, dass ich es trotz dieser Kritik kaum tiefer einstufen kann. Echten Fortschritt erreichen wir mit solchen Zugeständnissen aber nie.


29. Stray

Selten hat ein Spiel so sehr vom irrationalen Millennial-Katzen-Hype profitiert. Sogar ich muss sagen: Ist schon cute. Die tierischen Animationen und Perspektiven sind definitiv der Star dieser ansonsten generischen, mal wieder gehörig orientalistisch angehauchten Cyberpunk-Welt. Zum Glück entspricht auch die Spiellänge der Aufmerksamkeitsspanne einer Katze, wodurch Stray zu einem schönen Knäuel wird.


28. Ten

Präzisionsplattformer sind ein tough sell. Das Genre beruht auf dem Vertrauen, Level so vorzufinden, dass sie maximale Herausforderung bei fairer, anschwellender Lernkurve bieten. Schwierig also, das im großen Stil auszubalancieren. Dann doch lieber im kleinen Rahmen bleiben – so wie Ten. Schwere Kost, die aber  schnell verdaut ist.


27. Hell Pie

Trotz grenzdebilem Humor ist Hell Pie einer der besseren Indie-3D-Platformer der letzten Jahre. Dynamische, schwungvolle Mechaniken treffen auf Level, die angenehm zwischen Challenge-Schlauch und Collectathon wechseln. Sogar der Humor – so cringe, wie er teils ist – ist zumindest raffinierte Skatologie. (Genau wie Skatologie nur ein raffinierter Begriff für „Pipi-Kacka-Humor“ ist.)


26. Xenoblade Chronicles 3

Die ersten sechs Stunden von Xenoblade Chronicles 3 gehören zum Stärksten, das die Reihe zu bieten hat. Sie sind einer der bestgetakteten langen JRPG-Einstiege aller Zeiten. Unglaublich, dass danach umso stärker die gewohnte Genre-Behäbigkeit kickt. Ebenso beeindruckend ist, wie sich Xenoblade Chronicles 3 trotz offensichtlicher technischer Limitationen wie ein Spiel aus dem Jahr 2022 anfühlt. Zeitgemäßes UI, praktische Quality-of-Life-Features und konkurrenzlose Cutscenes übertönen den ächzenden Switch-Lüfter.


25. Hyperbolica

Kein gutes Spiel, aber ein beeindruckendes visuelles und technologisches Experiment. Hyperbolica erschafft eine surreale, nicht-euklidische Welt. Das heißt: Die Realität richtet sich stets nach der subjektiven Perspektive der Spielfigur. Linien sind nie parallel, Horizonte gebogen und Objekte schrumpfen und wachsen, je nach eigener Entfernung. Spielerisch macht Hyperbolica wenig mit dieser Perspektivmagie. Doch allein, den Trip in VR zu erkunden, ist ein Erlebnis.


24. Norco

Wenn ich ein Point-and-Click-Adventure so hoch platziere… dann muss es schon echt gut sein, oder? Das US-Südstaaten-Cyberpunk-Setting ist ein Brett in Sachen Schmutz und Oppression. Industrielle, technologische Ausbeutung ohne die übliche hyper-metropolische Kulisse. Zäh ist Norco dennoch (point-and-click eben), aber wenn mehr Cyberpunk-Spiele dieselbe Originalität beweisen würden, wären die letzten drei Jahre deutlich aufregender gewesen.


23. About an Elf

Diese Visual Novel setzt ohne Kompromisse auf peak videogamey writing. About an Elf hat keinerlei literarischen Anspruch und umarmt die geradezu dadaistische Natur insbesondere früherer Videospiele. Seine hemmungslose Verspieltheit macht es so unberechenbar, dass jede Textbox zur Wundertüte wird. Mit wunderschöner plastischer Optik und gänzlich ohne Plot fesselt About an Elf mehr als viele andere Visual Novels, die sich deutlich verkrampfter bemühen, zu beeindrucken.


22. Splatoon 3

Diesen Text kann ich ganz kurzhalten: Es ist wie Splatoon 2, aber die Lobbys sind wieder voll. Woomie!


21. Patrick’s Parabox

Schieberätsel sind wie Shakespeare oder die Beatles: Egal wie durchgekaut – es gibt stets wen, der noch neues zum Diskurs beitragen kann. Ästhetisch trocken, doch maximal verschachtelt ist Patrick’s Parabox ein Puzzle-Experiment, das voll aufgeht. Dass der Kopf nach spätestens 15 Minuten qualmt, ist ein unvermeidbarer Nebeneffekt, der das visuell dröge Spiel inhärent unattraktiv macht. Dass es dennoch fesselt, spricht für seine Genialität.


20. How Fish is Made

So dicker Subtext ist nur verdaulich, wenn der Text selbst kompakt bleibt. Symbolisch aufgeladen schwimmt das Unterschwellige an der Oberfläche. Die philosophische Interpretation ist Teil des Spielerischen. Eine Ebene höher wirkt der surreale Trip voller augenscheinlich simpler reflektierender Fragen auch alleinstehend.


19. Tunic

Weniger als alte Zelda-Titel erweckt Tunic das Gefühl, wie es war, alte Zelda-Titel zu spielen. Neben der Hingabe zur haptischen Erfahrung ist Tunic ein mehr als solides Zelda-like mit einigen Längen zum Ende. Die oft gelobten Handbuch-Mechaniken und Überraschungen spielen eine weniger große Rolle als erwartet, machen Tunic aber dennoch einzigartig, wenn sie auftreten. Die kondensierte Nostalgie des ästhetischen Gesamtbilds weckt einzigartige Emotionen.


18. Will Die Alone

In sehr kurzer Zeit und mit sehr wenig Text weckt Will Die Alone starke Gefühle. Ohne viel Anlauf verwandeln die empathischen Hooks selbst simpelste spielerische Entscheidungen zu magenumdrehenden Momenten. Will Die Alone beweist, dass gutes Game-Writing auch in 40 Minuten statt 40 Stunden möglich ist.


17. Producer (2021)

Ein Cyberpunk-Spiel mit hemmungslos nihilistischer und dezent surrealer Veranlagung. Audiovisuell reduziert, aber meisterhaft pointiert erzählt Producer (2021) eine gesellschaftspessimistische Geschichte, die ich länger als die zwei Stunden Spielzeit kaum hätte aushalten können.


16. Immortality

Ist Immortality endlich der Gipfel des Klischees „Wäre besser als Film denn als Spiel“? Häufig als Vorwurf verwendet, ist es in diesem Fall die offene Intention, die auf ganzer Linie aufgeht. Eine erfrischend andere rezeptive Erfahrung und ungewöhnliche Art, spielerisch mit dem Medium Film zu interagieren. Neben dem Neuheitsfaktor verliert sich Immortality sehr schnell in seiner eigenen Ziellosigkeit. Minimal mehr Führung hätte Wunder gewirkt.


15. Rollerdrome

Die wilde Formel „Tony Hawk meets Doom“ geht hier besser auf, als ich es Rollerdrome vor Selbstanfassen je zugetraut hätte. Purer kinetischer Spaß mit dem idealen Maß Micromanagement von Momentum, Munition, Score und Widersachern.


14. Cursed to Golf

Ein wilder Hybrid aus 2D-Platforming-Adventure und Golfspiel. Physik und Komplexität treffen den goldenen Punkt zwischen Tiefe und Zugänglichkeit. Abgefahrene Items und Mechaniken verleihen Cursed to Golf die nötige Würze. Als Roguelike, das es eigentlich ist, wird das langsame, methodische Golfspiel schnell frustrierend. Doch das Speichersystem lässt sich so leicht austricksen, dass Cursed to Golf im Handumdrehen zu einer motivierenden und einzigartigen Level-nach-Level-Kampagne wird. Seltsam aber, hier überhaupt den Roguelike-Versuch gewagt zu haben.


13. Dome Keeper

Dome Keeper macht das Aufrüsten der Tower Defense zu einem Höhlenabenteuer im Stil von SteamWorld Dig. So umgeht es elegant die Genre-Schwächen fehlender Mittelbarkeit und zu vieler Passivität zwischen Entscheidungen. Das DIY-Tunnelsystem liefert genau den richtigen Grad an Druck und Micromanagement in beklemmender Atmosphäre. Ein echter Underdog-Tipp.


12. Horizon Forbidden West

Wie schon den Vorgänger liebe ich Forbidden West nicht für seine offene Welt, sondern für sein actionreiches, expressives Kampfsystem, das unter westlichen Spielen seinesgleichen sucht. Der Nachfolger hält dieses Niveau, ohne es signifikant zu verbessern. Die Story leidet spürbar darunter, dass der massive Exposition-Dump zum Ende des ersten Teils das Highlight dessen Erzählung war – und diese Wendung ist nun auserzählt. Gutes Handwerk mit einigen starken Momenten bietet die Geschichte aber weiterhin.


11. Kirby and the Forgotten Land

Das 3D-Kirby-Spiel, auf das mehr Leute als man dächte seit Jahrzehnten gewartet haben. Und im ersten Anlauf ein Volltreffer. Mit einer Eleganz, als hätte das Studio seit dem N64 nichts anderes entwickelt, vertieft The Forgotten Land (buchstäblich) die großen Stärken der vorherigen Ableger: Erkundung, Flow, Expressivität und – last, but definitely not least – die vielleicht charmanteste audiovisuelle Entität des Videospielkosmos.


10. Iron Lung

Manchmal gibt es sie noch: einzigartige Spielkonzepte, die ohne übermäßige Abstraktion realitätsnahe Situationen interaktiv umsetzen. Mit rostigen Hebeln steuern wir ein U-Boot durch ein außerirdisches Blutmeer. Iron Lung ist so reduziert, dass das gesamte Spiel auf den wenigen Anzeigen und Bedienelementen des U-Boots stattfindet. Dass die Außenwelt nie zu sehen ist, erhöht den kosmischen Horror. Spielerisch originell, dauerhaft spannend, atmosphärisch dicht – und kaum eine Stunde lang. Sprich: Kein Grund, Iron Lung nicht selbst auszuprobieren.


9. Hardspace: Shipbreaker

Für Kritik an ausbeuterischer Lohnarbeit ist Hardspace: Shipbreaker beinahe zu befriedigend und aufregend. Im luftleeren Raum erreicht die Simulation den perfekten federleichten Zen-Pegel, nach dem jedes Spiel dieser Art strebt. Wie wenige andere Spiele holt Hardspace: Shipbreaker alles aus der Bewegungsfreiheit auf drei Achsen. Es ist zwar viel zu lang, um das Ende der Story zu sehen, aber für eine Erzählung über moderne Sklavenarbeit im arbeitsrechtlich schwammig regulierten Weltraum ist endloses Schuften nur konsequent.


8. Pentiment

Pentiment zieht sofort in den erlesenen Kanon der Spiele ein, deren Writing mit Literatur mithalten kann. Auch als RPG zeigt es mehr Entscheidungs- und Interaktionstiefe, als auf den ersten Blick deutlich ist. Es ist eine beeindruckende Zeitkapsel für eine Epoche und Region, die nicht nur in Spielen, sondern in der gesamten Popkultur selten mit so viel Hingabe abgebildet werden. Eigentlich ein klarer GOTY-Anwärter; doch leidet Pentiment unter derselben Schwäche wie viele Spiele seiner engen Nische: Interaktion und (zugegeben atemberaubende) Präsentation wiegen nicht auf, dass wir hier ein verkapptes Buch, zerstückelt in tausend Textboxen, am TV-Bildschirm lesen. Ein fundamentales, sicherlich auch subjektives Problem, für das mir keine Pauschallösung einfällt. Denn besser als Pentiment kann reines Game-Writing –also Text selbst ohne den Aspekt der Interaktion – kaum sein. Doch perfektes Writing allein macht noch kein perfektes Spiel.


7. Gran Turismo 7

Wenn Forza über die letzten Jahre eines gezeigt hat, dann, dass ich ein Rennspiel will, das nicht alles mit dem goldenen Löffel serviert. Gran Turismo 7 ist so energisch, stilvoll und aufrichtig begeistert von Autokultur, dass es sogar mich als Verkehrswende-Verfechter mitreißt. Dabei zwingt es dazu, sich genauer mit Fahrphysik und Kurvenoptimierung auseinanderzusetzen, als die meisten anderen Rennspiele es Casuals aufdrängen. Der wahre Gamechanger ist der DualSense-Controller, der das Fahrgefühl haptisch vermittelt. Allein durch den höheren Widerstand in den Pedalen fährt man automatisch bedachter, besser und hat mehr Wertschätzung für mechanische Details.


6. Card Shark

Auf traditionelle Kartenspiele reagiere ich mit traumatischen Abwehrreflexen, doch Card Shark ist zum Glück ganz anders als der Schein. Ohne taktieren, bluffen oder überhaupt die Regeln kennen zu müssen, gamifiziert es klassischen Spielkartenbetrug. Das alles gerahmt in einem wunderschönen, spätaristokratischen Frankreich, in dem die Kartentricks ein kleines Adelsdrama vorantreiben. Card Shark ist eines der seltenen mechanisch völlig einzigartigen Spiele. Das macht dann auch das dauerhafte sanfte Handholding verschmerzbar.


5. Citizen Sleeper

Quasi das Anti-Pentiment. Denn Citizen Sleeper brilliert ebenfalls durch eine starke Erzählung und ein starkes Setting. Doch die einzelnen Dialoge sind hier geradezu zweitrangig. Jeder Erzählstrang trägt stattdessen primär dazu bei, die oppressive Grundstimmung zu färben, die sich auch spielerisch niederschlägt. Das hektische, aber methodische Gameplay sorgt mit seinem Würfelsystem für das nötige Gefühl der Unsicherheit. Mit minimalen Mitteln zeichnet Citizen Sleeper ein eindrucksvolles dystopisches Bild. Ein Kunststück in Sachen erzählerischer Effizienz.


4. Elden Ring

Dass 70% aller Spieler*innen nach 70% Spielfortschritt keinen Bock mehr auf Elden Ring hatten – so geil es bis dahin auch gewesen sein mag – ist zum Glück mittlerweile Konsens. Bei seiner immensen Größe beweist Elden Ring eine beeindruckende qualitative Dichte, die erst nach 60 Stunden langsam bröckelt. Ebenso erschlagend wie der Maßstab der Welt sind die frustrierend unausgewogenen Bosse, die immens unter der Laissez-faire-Struktur leiden. Auf der Kehrseite kitzelt die Welt allein durch ihre monumentalen Ausmaße und ihren spätromantischen Zauber einzigartige Emotionen hervor. Trotz oder gerade wegen aller Höhen und Tiefen ist Elden Ring eine unvergessliche Reise, die unendlich viele Geschichten schreibt.


3. Neon White

Ein Spiel, bei dem ich 90 Prozent der kitschigen Textboxen geskippt habe, schafft es dennoch auf Platz 3. Maximaler Cyber-Kitsch ist auch die Ästhetik des restlichen Spiels, trifft dort aber voll ins Neonweiße. Ebenso überdreht ist das Gameplay, das das einzige Versprechen einlöst, das noch fantastischer ist als „Fühle dich wie Spider-Man“ – und zwar: „Fühle dich wie ein Speedrunner.“ Mit Atomwaage, Winkelschleifer und Lasermessgerät bietet Neon White Movement, Leveldesign und mechanische Synergien par excellence. Der Rausch blendet so sehr, wie der Titel es verspricht.


2. Signalis

So what, dass Signalis spielerisch ein 100%-iger Cocktail aus Resident Evil 1 und Silent Hill 1 ist? Eine so kompetente Hommage haben diese Spiele seit den 90ern nicht gesehen und es war bitter nötig! Dazu das unverbrauchte und bittersüße totalitäre Setting in einer deutsch gefärbten Weltraumdiktatur. Ein meisterhaft markant inszenierter Albtraum voller szenischer und philosophischer Dunkelstellen. Es fällt schwer, sich loszureißen, bevor der Spuk vorbei ist. Die 100 Think-Pieces auf YouTube sind das inoffizielle Post-Game.


1. Sephonie

Sephonie erzählt eine brennend aktuelle Geschichte voller Vergangenheit. Die drei Figuren aus Taiwan, Japan und den USA, deren kulturelle und nationale Geschichte wir aus intimer Perspektive kennenlernen, bekämpfen neben ihren inneren Konflikten den Verfall des Planeten. Dabei knüpfen sie kognitive Verbindungen mit der Natur, die als einzige Rettung dient. Spielerisch setzt Sephonie diese Verbindungen mit einem idealen Grad an Abstraktion in Arcade-Puzzles um. Die Biografien der Charaktere hingegen sind in den Kulissen der Platforming-Levels erfahrbar. Sephonie ist die seltene Art Spiel, die tiefgründige Materie in eine unverhohlen verspielte Form gießt: Arcade-Puzzles und 3D-Platforming in verworrenen vertikalen Welten. Die Platforming-Mechaniken sind physikalisch unkonventionell, dafür aber umso ambitionierter und gleichzeitig ohne Überhang auf den Punkt gebracht. Wallruns und Air Dashes ohne Sicherheitsnetze und unsichtbare Fäden. Der latente DIY-Charme, der das Studio auszeichnet, täuscht nicht darüber hinweg, dass Sephonie nicht nur erzählerisch, sondern auch mechanisch zu den aufregendsten 3D-Platformern der letzten Jahre zählt.


Falls euch das noch nicht genug Liste war, gibt es hier noch meine Top 500 Games der 2010er, meine Liste der 106 Spiele des Jahres 2020 und meine 100 Spiele des Jahres 2021[pg]

Quelle Screenshots: Promomaterial