Letzten Donnerstag wurde in Leipzig zum zweiten Mal der Games Innovation Award Saxony – kurz GIAS – verliehen. Wie schon 2021 führte der Journalist Marcus Richter durch den Abend. Diesmal allerdings vor Publikum. Anders als im letzten Jahr konnte der Veranstaltung diesmal auch vor Ort in Leipzig beigewohnt werden, was im Vorjahr noch an der Corona-Lage scheiterte. Sogar an eine Aftershow-Party hatte man gedacht, ganz wie es sich für eine anständige Award-Verleihung gehört.


Liebend gern wäre ich selbst vor Ort dabei gewesen, doch leider standen dem andere Verpflichtungen im Wege. Ich muss also erneut aus der Distanz berichten und auf die Aufzeichnung der Preisverleihung bei Twitch zurückgreifen, zu finden unter diesem Link.

Mit einer Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden wird einem auch in diesem Jahr einiges an Sitzfleisch abverlangt. Zum Vergleich: Selbst die für ihre Länge berüchtigten amerikanischen Game Awards dauern „nur“ gut eine Stunde länger, haben aber ein entsprechend reichhaltiges Drumherum zu bieten. Damit lässt sich der GIAS natürlich nicht vergleichen. Aber das ist es ja gerade: Es ist eben „nur“ der Games Innovation Award Saxony. Und so sehr ich die dahinterstehenden Kosten und Mühen auch schätze, so muss ich doch sagen, dass Laufzeit und Relevanz – oder auch nur Unterhaltungswert – hier nicht im allerbesten Verhältnis zueinander stehen.

Davon einmal abgesehen wirkte die Show aber auch in diesem Jahr professionell organisiert und produziert. Das Einzige, was mir negativ aufgefallen ist: dass während der Einspieler mit den Pitches der EntwicklerInnen Bild und Ton nicht vollständig synchron laufen, was das merkwürdige Gefühl erzeugt, dass die Stimme nicht zum Sprechenden gehört.

Hinter der Verleihung stehen erneut der Verband Games & XR Mitteldeutschland e.V. sowie der Freistaat Sachsen. Die offizielle Website findet ihr hier. Meine persönlichen Gedanken zur Sinnhaftigkeit eines regionalen Spiele-Awards könnt ihr gern in meinem Beitrag zur Verleihung im letzten Jahr nachlesen. Die gelten nämlich so auch weiterhin.


Nachspiel

Lassen wir die Zeit seit der letzten Verleihung kurz Revue passieren. Viele der Spiele, die im Dezember 2021 unter den Nominierten bzw. Preisträgern waren, konnten mein Kollege Dennis und ich auf der letzten Langen Nacht der Computerspiele selbst anspielen. Dabei konnte ich zumindest bei mir den Effekt feststellen, dass ich Spiele, die ich einige Monate zuvor beim GIAS gesehen hatte, auf Anhieb anziehend fand, weil ich sie eben schon „kannte“ bzw. wiedererkannte, und ihnen aufgrund der vorangegangenen Nominierungen eine gewisse Qualität zusprach, während ich anderenfalls vielleicht einfach weitergegangen wäre.

Mindestens ein Spiel, das 2021 noch eher unscheinbar unter den Nominierten weilte und keinen ersten Preis gewinnen konnte (das ich mir aber schon damals notierte), entwickelte sich in den vergangenen Monaten zu einem echten Indie-Überraschungshit: Dome Keeper (damals noch unter dem Titel Dome Romantik). Das kleine Roguelike-Bergbauspiel im Pixel-Look ist das Werk eines Zwei-Personen-Teams aus Dresden und inzwischen erschienen. Es erhielt international Aufmerksamkeit, eine Nominierung bei den Steam Awards, und konnte kurz nach seiner Veröffentlichung bereits eine Million US-Dollar umsetzen.

Es ist also absolut nicht ausgeschlossen, dass auch die mehrheitlich sehr kleinen Produktionen, die beim GIAS nominiert sind, ziemlich hohe Wellen schlagen können. Schauen wir uns also an, wer in diesem Jahr nominiert war und gewinnen konnte.


Eins noch…

Beim Reglement gab es ein paar Änderungen. So waren in der Königsklasse „Bestes Spiel“ nicht mehr wie im Vorjahr fünf Spiele normiert, sondern lediglich drei – wie in den anderen Kategorien auch.

Neu war außerdem, dass ein Titel nicht gleichzeitig als „Bestes Spiel“ und als „Best Newcomer“ nominiert sein konnte. Hier galt also „entweder oder“, was meines Erachtens sinnvoll ist – um Dopplungen zu vermeiden, aber auch um vergleichsweise geschliffene Produktionen mit Chancen auf den Hauptpreis nicht ins selbe Rennen zu schicken wie Prototypen und Demos. Doppel-Normierungen mit anderen den Kategorien waren grundsätzlich möglich, blieben allerdings auch dieses Jahr die Ausnahme.

Die Art der Entscheidungsfindung in der Kategorie „Bestes Spiel“ wurde ebenfalls an die anderen Kategorien angeglichen: Ergab sich die Platzierung im letzten Jahr noch zu gleichen Teilen aus dem Jury-Voting und einem öffentlichen Voting des Publikums, so wurde auf ein Publikumsvoting diesmal verzichtet – wohl auch weil es im letzten Jahr ein paar kleinere Kontroversen gab, die sogar in den Kommentarbereich unter meinem damaligen Artikel rüberschwappten. Somit war auch der Preis für das „Beste Spiel“ in diesem Jahr ein reiner Jury-Preis.


Die Preisträger

Bestes Spiel

Unter den drei Nominierten in der Kategorie „Bestes Spiel“ war mit „Gezeichnet – Unsere Flucht 1945“ auch ein Titel, der bereits im letzten Jahr nominiert war, damals allerdings in der Kategorie „Bestes Serious Game“. In der Königsklasse reichte es nun aber nur für den dritten Platz, während der Kartenspiel-Mobile-Game-Hybrid „Houston, we have a Dolphin!“ Platz 2 belegte.

Der erste Platz ging schließlich an „Townframe“, einem Spiel des Solo-Entwicklers Patrick Eckardt aus Grimma. Nach Einschätzung der Jury sei Townframe, dass „sich dem Thema des Zurückkehrens und nostalgischen Erinnerns“ widme, „herzerwärmend“, „ungewöhnlich kreativ” und “zum Verlieben gemütlich“.

Etwas konkreter ausgedrückt, handelt es sich um ein Puzzlespiel mit einem Hauch Städtebau, in dem es gilt, idyllische Städtchen auf Basis der Erinnerungen ihrer Bewohner nachzubauen. Klingt immer noch abstrakt, aber ein Blick auf die Steam-Page dürfte einen ziemlich guten Eindruck vom Spielprinzip vermitteln.

  1. Platz: Townframe (Patrick Eckardt; Grimma)
  2. Platz: Houston, we have a Dolphin! (HYBR Games GmbH; Dresden)
  3. Platz: Gezeichnet – Unsere Flucht 1945 (PandaBee Studios UG; Leipzig)

Beste Innovation

Das gerade schon geehrte „Townframe“ konnte außerdem in der Kategorie „Beste Innovation“ abräumen. Zeichnet sich hier der nächste kleine Indie-Hit aus Sachsen ab? Erinnerungen an populäre Spiele wie „Dorfromantik“ und „Townscaper“ werden wach. Das Gameplay allerdings ist komplett anders, daher der Erfolg in dieser Kategorie.

Der zweite Platz ging an „Omaze“, was schon deshalb cool ist, weil es sich dabei um ein Spiel für kultigen Playdate-Handheld handelt. Mehr Infos dazu hier. Auf Platz 3 folgt „Red Tether“, von dem man sich leicht ein eigenes Bild machen kann, da es bereits erhältlich ist.

  1. Platz: Townframe (Patrick Eckardt; Grimma)
  2. Platz: OMAZE (Gregory Kogos; Leipzig)
  3. Platz: Red Tether (Sleeper Games; Leipzig)

Bestes Serious Game

Mit der Kategorie „Bestes Serious Game“ bewegen wir uns in ein Territorium, bei dem manche Gamer die Nase rümpfen, auch wenn es in diesem Bereich in den letzten Jahren mit „Through the Darkest of Times“ einen Achtungserfolg aus Deutschland gab. An den könnte das weiter oben schon erwähnte „Gezeichnet – Unsere Flucht 1945“ anknüpfen, das ebenfalls ein historisches Thema verhandelt und (nach einem dritten Platz im letzten Jahr) den Preis als „Bestes Serious Game“ beim zweiten Anlauf mitnehmen konnte. Auf den weiteren Plätzen folgen „Mission to Mars“ und „Digestible“.

  1. Platz: Gezeichnet – Unsere Flucht 1945 (PandaBee Studios UG; Leipzig)
  2. Platz: Mission to Mars (MDR next; Leipzig)
  3. Platz: Digestible (Jonas Heinke; Leipzig)

Beste Gamification

In der Kategorie „Beste Gamification“ gewinnt „Museum Ex Machina – Digitale Begegnungen“, gefolgt von „TRACING REMEMBRANCE“ und „KERAMIK.UM: Das Spiel“. Spannende Projekte, sicherlich, aber nicht gerade mein Metier.

  1. Platz: Museum Ex Machina – Digitale Begegnungen (OVRLAB GmbH; Leipzig)
  2. Platz: TRACING REMEMBRANCE (Theater der Jungen Welt; Leipzig)
  3. Platz: KERAMIK.UM: Das Spiel (Perdix Creations UG;
    Halle)

Best Newcomer

Für den durchschnittlichen Gamer wieder interessant(er) wird es in der Kategorie „Best Newcomer“, in der ein Titel normiert war, den ich selbst seit einiger Zeit verfolge. Das Point-&-Click-Adventure „Casebook 1899 – The Leipzig Murders“ kleidet ein altbekanntes Genre in ein genuin sächsisches Setting. Beim GIAS reichte es trotz Lokalkolorit jedoch nur für Platz 2.

Der erste Platz ging an ein anderes Point-and-Click-Adventure – eine schwedisch-sächsische Koproduktion mit dem Titel „A Trail of Ooze“. Komplettiert wird das Trio der Newcomer von „Spooky Bodies“ auf Platz 3.

  1. Platz: A Trail of Ooze (Insanto Studios; Forshaga)
  2. Platz: Casebook 1899 – The Leipzig Murders (Homo Narrans Studio; Leipzig)
  3. Platz: Spooky Bodies (Hero Saplings; Mittweida)

Ehrenpreis
  • René Meyer

Die Kategorie „Ehrenpreis“ nimmt eine Sonderstellung ein, kommt ohne eine öffentliche Nominierungsliste aus, und ist auf den ersten Blick neu. Auf den zweiten Blick allerdings nicht: Im letzten Jahr nannte sich die Kategorie noch „Persönlichkeit des Jahres“, was aber Einschränkungen mit sich brachte, die bereits mit dem damaligen Gewinner – „Das Team der Langen Nacht der Computerspiele“ deutlich wurden.

Mit der Umbenennung sollen fortan auch „Projekte“ und „Initiativen“ mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet werden können, wie es im letzten Jahr faktisch schon geschah. Eine gute Idee. Allerdings ging der Preis in diesem Jahr tatsächlich an eine „Persönlichkeit“, und zwar an den Journalisten und Tausendsassa René Meyer, der einigen sicherlich ein Begriff ist. Herzlichen Glückwunsch!


Fazit

Ich freue mich, dass der GIAS keine Eintagsfliege geblieben ist und regionalen Spielen auch in diesem Jahr das Quäntchen zusätzliche Sichtbarkeit verleiht, das den Unterschied machen kann. Und, ganz subjektiv gesprochen, der mir als Games-Blogger aufzeigt, welche Spiele eigentlich in meiner unmittelbaren Umgebung in Entwicklung sind, von denen ich unter anderen Umständen vielleicht gar nicht wüsste. Ich freue mich schon jetzt auf das eine oder andere Wiedersehen auf der nächsten Langen Nacht der Computerspiele!

Ob unter den Nominierten auch in diesem Jahr ein Spiel ist, dass sich zu einem Hit entwickelt, wird sich zeigen müssen. Die ganz große Begeisterung konnte bei mir keiner der Titel auslösen, aber das Potential dafür ist bei einigen Spielen definitiv da. Es würde mich nicht überraschen, wenn man von „Townframe“ nächstes Jahr wieder hören wird, auch außerhalb von Sachsen, oder wenn sich um „Gezeichnet – Unsere Flucht 1945“ spannende Diskussionen entwickeln. „Casebook 1899 – The Leipzig Murders“ hatte ich ja ohnehin auf meiner Liste. Es tut sich also was – zum Positiven! [sk]