Tony Hawk ist einer aus einer Reihe von Sport-Superstars, die mir möglicherweise fremd wären, wenn sie nicht einer Videospielreihe ihren Namen geliehen hätten. Weil Tony Hawk das allerdings getan hat und er deshalb auch zur Videospiel-Ikone wurde, durfte ich ihn sogar schon einmal live erleben: Am 23. August 2007 auf der Games Convention in Leipzig gab eine „Kostprobe seines Könnens“. Die Show, in der neben bzw. vor Tony Hawk noch andere Skater auftraten, zog vermutlich mehr Besucher auf einmal in die zentrale Glashalle als irgendwann sonst. Auch wenn ich so weit vom Geschehen entfernt stand, dass der Herr in der Halfpipe ebenso gut Eddie the Eagle hätte sein können – ich war dabei, es war ein Erlebnis.
Ich selbst habe leider nur unscharfe Analog-Fotos vom Aufritt, aber bei YouTube gibt es dankenswerterweise auch einige Video-Aufnahmen:
Diese Geschichte aber nur am Rande.
Dass Tony Hawk unter Gamern einen höheren Stellenwert genießt als andere Sportspiel-Namenspaten, liegt sicherlich auch daran, dass der gute Herr kein Fachidiot ist, der außer Skateboarden nichts kann, sondern auch ein begeisterter Gamer, der schon vor dem Start der nach ihm benannten Reihe mit dem Videospiel-Kosmos vertraut war. Er nahm das Medium ernst und sorgte selbst dafür, dass der im Juni 1999 von ihm erstmals ausgeführte „900“ es auf den letzten Drücker ins erste Spiel schaffte. Hawks genuinen Bezug zum Medium sieht man aber auch schön an der Anekdote, die ich hier erzählen möchte, und auf die ich jüngst stieß, als ich mich für einen Artikel eingehender mit einer gewissen Retro-Konsole beschäftigte.
Tony Hawk als Videokünstler
Ende 1987 erschien in Japan eine Konsole, die sich PC Engine nannte und im Land der aufgehenden Sonne ein großer Erfolg wurde. Das Gerät aus dem Hause Hudson Soft und NEC schaffte es als TurboGrafx-16 auch in die USA, konnte dort aber nicht an die Erfolge im Heimatland anknüpfen (eine offizielle Veröffentlichung in Europa bliebt deshalb aus). Zu den Besonderheiten der PC Engine bzw. des TurboGrafx-16 gehörte, dass bereits 1988 ein CD-ROM-Zusatzlaufwerk erschien, was die Konsole zur ersten Plattform überhaupt machte, auf der Spiele auf CD(!) erschienen. In der späteren Modellvariante mit dem Namen TurboDuo aus dem Jahr 1991 war das CD-ROM-Laufwerk dann bereits fest integriert.
Als eines der besten Spiele für das CD-ROM-Laufwerk bzw. das TurboDuo gilt das 1993er Shoot’em-Up „Lords of Thunder“, das ich selbst erst kürzlich spielen durfte (via Wii-U-Virtual-Console) und das mich auch heute noch begeisterte. Neben der Tatsache, ein spielerisch tadelloses und grafisch beeindruckendes – das TurboGrafx-16 besaß gerade einmal eine 8-Bit-CPU – Shmup zu sein, war das Alleinstellungsmerkmal das Spiels der treibende Metal-Soundtrack, der von CD abgespielt wird.
Doch was hat das alles mit Tony Hawk zu tun? Zur Veröffentlichung von Lords of Thunder im Jahr 1993 erschien ein Werbevideo auf VHS-Kassette, das kostenfrei angefordert werden konnte. Entsprechende Coupons fanden sich etwa im amerikanischen Videospielemagazin EGM. Vor einigen Jahren wurde die 7-minütige Promo bei YouTube hochgeladen (siehe weiter unten).
Ein Jahr später (2017) bestätigte Tony Hawk auf Nachfrage bei Twitter höchstpersönlich, dass er es war, der das Video seinerzeit bearbeitet (also vermutlich geschnitten) habe!
Das Video ist wirklich sehenswert, kurzweilig und stellenweise ziemlich witzig – und nach konventionellem Beginn angenehm selbstironisch, wenn vermeintlich zufällige Leute von der Straße gefragt werden, was sie von Lords of Thunder halten: „It’s my favorite game. In fact, ever since my baby’s been born, that’s all I do.“
Gut gefällt mir auch, wie konsequent das Video die ethnische Vielfalt in Los Angeles abbildet, statt Videospiele als exklusive Domäne weißer Jungs zu präsentieren!
Schaut euch das Video hier an:
Es wird außerdem gemutmaßt, dass Tony Hawk damals bei Turbo Technologies Inc. auch für die Hotline zum TurboGrafx-16 gearbeitet habe – was meines Wissens, anders als die Urheberschaft des Videos, aber nicht offiziell bestätigt wurde.
In jedem Fall gilt: Tony der Habicht, ein Mann mit vielen Talenten und, so aus der Distanz betrachtet, ein ziemlich cooler Typ. [sk]
Mehr zu ähnlichen Themen bei SPIELKRITIK:
- Impressionen: Games Convention 2008 – Foto-Retrospektive
- Das Maskottchen aus der Prähistorie: BONK (aka. PC Genjin aka. B.C. Kid)
- Klassiker der Print-Reklame #01: THQs „GameBoys.“ (1999)
Quelle Titelbild: Collage aus KI-generierten Bildern, Stable Diffusion
Videospiel-Trivia, die mir tatsächlich unbekannt war. Auf der Games Convention 2007 war ich übrigends auch. Tony Hawk hatte ich damals aber leider verpasst.
LikeGefällt 1 Person
Ich war auch erstaunt, dass das Ganze nicht bekannter ist. Bevor ich den Text geschrieben habe, habe ich erst einmal geschaut, ob nicht schon unzählige Seiten darüber berichtet haben, aber nein, da gab’s nicht viel. Vermutlich sind das TurboGrafx-16 bzw. Lords of Thunder einfach zu obskur, als dass die Mehrheit der Spieler mit der Geschichte etwas anfangen könnte. Und um die Tony-Hawk-Reihe war es bis zur Neuauflage von Pro Skater 1+2 ja auch lange still. :)
Danke für deinen Kommentar!
LikeLike