Heute werfe ich einen Blick auf ein Magazin der 90er, das bei vielen, die es in ihrer Jugend gelesen haben, Kultstatus besitzt: Die LIMIT aus dem Ehapa-Verlag. Wobei „Jugend“ vermutlich schon zu weit gegriffen und „Kindheit“ zutreffender ist. Denn wie alt war eigentlich die Leserschaft der LIMIT? Vermutlich so alt wie ich damals, als die Zeitschrift mich begeisterte: zwischen 8 und 11 also? Ich komme später noch einmal drauf zurück.
Das „Männermagazin für Grundschüler“
Daneben gilt: Die LIMIT war ein Magazin für Jungs, das lässt sich klar so sagen. Ein schneller Blick genügt und man sieht, dass inhaltlich fast alles abgedeckt wird, was im Geschlechterverständnis der 90er Jahre vor allem bei Jungen für leuchtende Augen sorgte: Fußball, Basketball und Motorsport! Martial-Arts- und Action-Filme! Kampfflugzeuge! Wrestling! Gefährliche Tiere! Die Webseite DerLeser.net nennt die Limit sehr treffend ein „Männermagazin für Grundschüler“.
Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht auch Mädchen gab, die sich für solche Themen interessierten und die LIMIT lasen. Das beweisen schon die Einsendungen auf der Leserpostseite und bei den Witzen („Es lohnt sich, denn für jeden abgedruckten Witz zahlen wir zehn Mark“). Auf 15 männliche Vornamen kommen dort immerhin zwei weibliche. Trotzdem besteht kein Zweifel, dass Jungs die intendierte Zielgruppe der Macher beim Ehapa-Verlag waren, und dass die Magazininhalte auch in der Praxis vor allem Jungen ansprachen. (Aber auch über diese Dinge wird später noch einmal zu sprechen sein.)
Ein Videospiele-Magazin ist die LIMIT indes nicht. Warum also die Diskussion auf SPIELKRITIK.com? Gerade deshalb. Zum einen besitzt die LIMIT nämlich sehr wohl auch einen Videospiele-Teil, wenn auch nur einen sehr kleinen (was sich später ändern sollte, aber dazu zum gegebenen Zeitpunkt mehr). Zum anderen denke ich, dass es interessant sein könnte, einmal zu schauen, wie fachfremde Jugendmagazine das Medium Videospiele in den 1990er Jahren rezipierten.
In den letzten Jahren lässt sich ein schnell wachsendes Interesse an alten Spielezeitschriften feststellen, was ich sehr wichtig finde. Die Geschichte digitaler Spiele umfasst eben nicht nur die Spiele selbst, sondern auch die Geschichte ihrer Rezeption. Doch während die ehemaligen Platzhirsche gern und häufig „durchgeblättert“ werden und eine mittlerweile sehr weitreichende Archivierung in digitaler Form erfahren haben, fliegt die vorhandene Spiele-Berichterstattung in anderen Magazinen unter dem Radar.
Ich möchte also einmal schauen: Wie und worüber berichtet die LIMIT in Bezug auf Video- und Computerspiele? Und wie verändert sich diese Berichterstattung im Verlauf der Jahre, in denen ich selbst ein eifriger Leser des Heftes war?
Meine erste LIMIT: Nr. 8/96
Meine erste Ausgabe der LIMIT war die Nr. 8/96, erschienen am 31. Juli 1996. Ich war damals noch nicht ganz neun Jahre alt und somit etwas jünger als die mutmaßliche Zielgruppe des Magazins, die offenbar bei den Neunjährigen ansetzte. Wie ich zum Magazin kam, weiß ich nicht mehr. Ich war aber vorher schon ein regelmäßiger Leser des Micky-Maus-Magazins, das ebenfalls im Ehapa-Verlag erschien und in gewisser Hinsicht als „Muttermagazin“ der LIMIT gelten konnte. Mit der wollte der Ehapa-Verlag „Jungen erreichen, die andere Titel wie das Micky-Maus-Magazin nicht lasen“, so der Wikipedia-Eintrag zum Heft. Disney-Comics spielten trotzdem auch in der LIMIT eine prominente Rolle und auf der Titelseite prangte der Schriftzug „Disney“.
Die LIMIT erschien zum Zeitpunkt meines Erstkontaktes bereits seit etwas mehr als vier Jahren und befand sich nun im fünften Jahrgang. Man konnte also sagen, dass das Magazin eine gewisse Reife erreicht hatte. Es war kein Neuling am Kiosk und erzielte, ebenfalls laut Wikipedia, eine Auflage von 260.000 Stück je Ausgabe, was auch damals ganz schön stattlich war. Trotzdem muss die Publikation wohl irgendwann geschwächelt haben: Nicht ganz zwei Jahre nach dem Beginn meiner persönlichen Stammleserschaft erlebte das Magazin ein umfassendes (und ambitioniertes) Redesign, was allerdings nichts daran änderte, dass die LIMIT ein paar Monate später, zum Jahreswechsel 98/99 eingestellt wurde. Davon sind wir im August 1996 aber noch weit entfernt…


Schauen wir uns die Titelseite an, so ist von Videospielen nichts zu sehen: Stattdessen prangt Tom Cruise auf dem Cover, der laut Aussage der LIMIT „cooler als James Bond“ sei. Filme sowie Sport erscheinen als die dominierenden Themen des Magazins. Dieser Eindruck bestätigt sich bei einem Blick auf das Inhaltsverzeichnis, das der Form nach eine Dreiteilung vornimmt: In „Action!“, „Comics!“ und „Abenteuer!“ – immer mit Ausrufezeichen! – werden die Heftinhalte untergliedert.
Die Kategorie „Comics!“ spricht für sich, doch die Logik hinter der Zuordnung der Artikel in die Kategorien „Action!“ und „Abenteuer!“ will sich mir auf Anhieb nicht erschließen: Warum wird „Mission: Impossible“ der Kategorie „Abenteuer!“ zugeordnet, während andere Filme unter „Action!“ firmieren? Ebenso die „Sport-Pannen“, mit „verrückten Fotos“, während alle anderen Sport-Artikel ebenfalls unter „Action!“ zu finden sind? Etwas aus der Reihe fällt der Artikel über Flugzeugträger. Er ist der einzige redaktionelle Artikel, der nicht in die beiden Themenfelder Film bzw. Kino oder Sport fällt. Seine Einordnung unter „Abenteuer!“ scheint mir immerhin nachvollziehbar.
Ganz links unten in der Ecke versteckt sich schließlich noch eine Übersicht der festen Rubriken, und dort findet sich auch ein erstes Indiz auf Gaming-Content: „Powerplay“. Blättern wir also auf Seite 80.
Im Wertungshimmel
Dort erwartet den Leser oder die Leserin eine Doppelseite mit nicht weniger als 12(!) Kritiken zu aktuellen Spielen. Auf Anhieb fällt mir auf: Ein Großteil davon ist mir noch nicht einmal dem Namen nach bekannt – und das, obwohl sie in den Augen der LIMIT alle(!) ziemlich super sind: Selbst das Schlusslicht, „Baku Baku“ für den Sega Saturn, kommt mit einer Spielspaß-Wertung von stattlichen 87 Prozent davon. Der „Tip des Monats“, Die Siedler 2, darf sich gar über eine „perfekte“ Wertung von 100 Prozent freuen. Und auch Toshinden 2 schneidet mit 96 Prozent rekordverdächtig ab.
Die einzelnen Texte sind kaum der Rede wert, was auch daran liegt, dass die meisten der Mini-Kritiken mit fünf bis sechs (Halb-)Sätzen auskommen müssen. Logisch, dass das für mehr als rudimentäre Spielbeschreibungen nicht ausreicht, und manche der Kritiken unfreiwillig komisch geraten. Schaut man genauer hin, fällt außerdem auf, dass auch das Lektorat mehr Sorgfalt hätte vertragen können. Gewisse Stilblüten lassen sich mit dem akuten Platzmangel erklären, die mitunter abenteuerliche Zeichensetzung allerdings nicht. Bei der Wertung für „Elisabeth“ fehlt das Wörtchen „Spielspaß“ und ganz generell hinterlässt die Doppelseite einen ausgesprochen hemdsärmeligen Eindruck, während der Rest des Heftes sehr viel professioneller wirkt.


Die Frage, die ich mir mit meiner Medienkompetenz von heute stelle, die lautet: Wer hat diese Texte geschrieben, und (von wem) wurden die Spiele tatsächlich getestet? Selbst wenn man berücksichtigt, dass die einzelnen Kritiken ultrakurz sind, scheint es mir unrealistisch, dass eine Mini-Redaktion ohne dedizierten Spiele-Schwerpunkt innerhalb eines Monats alle 12(!) Spiele auch nur anspielen könnte – oder würde, wenn als Lohn der Arbeit gerade einmal eine Doppelseite herausspringt. Das Impressum gibt hier ebenfalls keine Auskunft.
Ich vermute daher, dass die Spieletests entweder von extern kamen – immerhin erschien im Ehapa-Verlag zur selben Zeit auch die dedizierte Computerzeitschrift Fun Online. Denkbar ist auch, dass die LIMIT Infos und Urteile einfach copywriting-mäßig aus anderen Publikationen adaptierte. (In jedem Fall vermute ich, das zumindest zwei Autoren an der Doppelseite beteiligt waren, von denen einer die Publisher-Angabe am Ende der einzelnen Kurzkritiken mit einem Punkt abschloss und der andere nicht.)
Die Doppelseite ist aber nicht das Einzige, was die LIMIT zum Thema Computerspiele vorzuweisen hat. Auf der nächsten Seite geht es bunt weiter: Mit Cheats, mit Leser-Charts, mit einer Controller-Neuheit und mit Internetadressen und Hotlines relevanter Spiele-Publisher. Und mit dem „letzten Heuler“, in dem die Redaktion(?) zeigt, dass sie doch zu Kritik fähig ist und dem PC-Titel „Tomcat Alley“ einen Kurz-Verriss spendiert.
Höchst rätselhaft ist allerdings das nebenstehende Artwork samt Beschreibung. Da heißt es nämlich: „Au Backe! Nichts wie weg!! Wir hätten Arnie Schwarzenegger doch nicht an ‚Tomcat Alley‘ heranlassen sollen. Jetzt sind ihm alle Sicherungen durchgebrannt und er ist wütend“. Bebildert ist das Ganze aber nicht etwa mit einem wütenden Schwarzenegger, sondern mit … Fulgore aus dem Prügelspiel „Killer Instinct“. Warum?
Formal gehört auch noch die darauffolgende Seite zur Rubrik „Powerplay“, auf der jedoch keine Spiele, sondern VHS-Neuerscheinungen vorgestellt werden. Der „Tip des Monats“ ist dort die Jurassic-Park-Parodie „Chicken Park“, von der ich nie zuvor gehört hatte und die laut IMDb komplett misslungen ist. Mich dünkt, das Kriterium für die Kür zum „Tip des Monats“ ist auch hier in der Tatsache zu suchen, dass die LIMIT einige Exemplare zu verlosen hatte… Beim „Test“ von Die Siedler 2 ist das nämlich genauso.


Das soll es erst einmal gewesen sein für die Premierenfolge dieser kleinen Reihe. Im September möchte ich einen Blick auf die nachfolgende Ausgabe Nr. 9/96 werfen. Schreibt mir gern in den Kommentarbereich, wie euch dieser Trip in die 90er gefallen hat und welche Aspekte der LIMIT eurer Meinung nach Aufmerksamkeit verdient hätten – neben dem Videospieleteil, versteht sich. [sk]
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