Es ließe sich verkraften, wenn der letzte Teil der klassischen »God of War«-Reihe einfach nur ein mittelmäßiges Spiel wäre. Doch »Ascension« ist mehr und zugleich sehr viel weniger als das. Es ist ein unsympathisches, ein unangenehmes, ein ekelerregendes Spiel – so argumentierte ich im ersten Teil dieser Kritik. Unter anderem erwähnte ich, wie »God of War: Ascension« es schaffte, mich regelrecht anzuwidern, mir Wut und Unbehagen zu bereiten – sei es durch sein Art-Design, durch halbgare Neuerungen oder durch sein Desinteresse am längst schon auserzählten Antihelden Kratos.


III. Es ist hässlich, also muss es böse sein

Doch das größte Unbehagen bereite(te)n mir die Gewaltdarstellungen. Ist das überraschend? Die Reihe zeichnete sich stets durch überbordende Gewaltdarstellungen aus; das ist natürlich richtig. Gerade in »God of War III« gingen diese Darstellungen stellenweise ziemlich weit und erreichten eine Intensität, die in den anderen Serienteilen schon allein durch die Limitierungen der jeweiligen Hardware (PS2 und PSP) unmöglich war. Man denke an die regelrechte Hinrichtung von Hermes. Doch selbst dort, und auch nirgendwo sonst – in keinem der fünf Vorgänger von »Ascension« – empfand ich die dargestellte Gewalt als abstoßend oder unpassend. Stets war sie im Kontext der Erzählung sinnhaft, war so schockierend wie sie kathartisch war. Sie war eben kein Selbstzweck, sondern hatte etwas Reinigendes – etwas Pures.

Sei es, im gerade genannten Fall, das überhebliche Verhalten des Schönlings Hermes oder die Erzählung im Großen, im Verlauf derer Kratos aus gutem Grund jeglichen Respekt von den Göttern des Olymp verliert. Und stets bediente sie eine Ästhetik, mit der ich mich arrangieren konnte, ja die ich in ihrer stählernen »in your face«-Attitüde sogar sehr schätzte. Natürlich war es eine Freude, einem Zyklopen das einzige Auge aus der Augenhöhle zu reißen oder einen Minotauros mit seinem eigenen Horn zu erdolchen. Kratos war der Gott des Krieges und Zorn und Brutalität seine zweiten und dritten Vornamen.

Dass den Gewaltdarstellungen in »Ascension« eine nachvollziehbare narrative Rahmung fehlt, ließe sich vermutlich noch verschmerzen. Es ist verständlich, dass eine Franchise wie diese nicht so leicht die Rolle rückwärts machen und sich eines Markenzeichens nicht so einfach entledigen kann, auch wenn es vor dem Hintergrund der Gesamthandlung wenig Sinn ergibt, die Gewaltspirale gerade in diesem Prequel(!) auf Anschlag zu drehen. Viel schwerer wiegt, welchen Weg »Ascension« wählt, um auf die Gewaltdarstellungen seiner Vorgänger vermeintlich noch eins draufzusetzen. Nicht Brutalität, sondern Ekel ist der neue Gestaltungsgrundsatz; doch abstoßend ist noch nicht einmal das Ekelige selbst, als vielmehr der Umstand, dass »Ascension« auf Ekel setzt, um seine Gewaltdarstellungen noch eine Spur provokanter zu gestalten.

Da quellen Gehirne und Eingeweihte aus den Körpern, dort kriecht Ungeziefern aus dem Frauenbusen, hier ist das Blut mehr schwarz als rot und sirupdick. »Ascension« ergötzt sich an entstellten, deformierten, kranken Körpern und meint, auf diesem Wege die Gewaltdarstellung auf ein neues Level treiben zu können, zu schockieren, wo sich mit roher Gewalt allein nicht länger schockieren lässt. Der ausschlaggebende Unterschied zwischen den Gewaltdarstellungen in »Ascension« und »God of War III« ist somit kein quantitativer, sondern ein qualitativer. Nicht die Intensität der Gewalt stößt ab, sondern ihre Bedeutungslosigkeit, der bloße Selbstzweck und die absolute Leere dahinter. Hatte die Gewalt in den Vorgängern eine kathartische, reinigende Funktion, so gleicht »Ascension« einem dicken, schwarzen Ölfilm, der zähflüssig aus dem Fernseher tropft, den man abwaschen möchte, und der doch immer klebriger an den Händen des Spielers haftet.


IV. Nach Form und Inhalt wertlos

Dass »Ascension«, wie zuvor erwähnt, so schrecklich mittelmäßig ist, ist bei alledem der Todesstoß. Es fehlt ihm die Qualität, die mich sagen ließe: »Das ist Kunst, die darf das! Die Drastik der Gewaltdarstellungen dient einem höheren, künstlerischen Zweck!« Nein, »God of War: Ascension« ist, das muss ich so deutlich sagen, Schund, nichts als Schund – »nach Form und Inhalt wertlos«, um eine Definition aus den 50er Jahren der DDR aus der Schublade zu holen.

»Ascension« holtert und poltert, tost und faucht, und kann dabei nicht verdecken, dass es rein gar nichts zu sagen hat; es ist ein Spiel mit Attitüde, aber ohne jede Botschaft, ohne ästhetischen Wert, ohne Idee. Es hat sich seine Grenzüberschreitungen und die Abscheulichkeiten, die es auf den Bildschirm klatscht, mit keiner Zeile seines Codes verdient, und findet weder Botschaft noch Ästhetik, im Rahmen derer seine Gewalt und seine Vulgarität erträglich – weil Kunst – würden.

»God of War: Ascension« überschreitet die Linie des guten Geschmacks – und ich sage nicht, dass es diese Linie nicht überschreiten dürfe. Doch glaube ich nicht, dass es sich, oder irgendwem, einen Gefallen damit getan hat, oder dass dies der Kurs ist, den die Reihe hätte einschlagen sollen. »God of War« war immer schon eine Familiengeschichte, doch die Wärme, die Kratos’ Wirken bei allem Hass immer auch begleitete, fehlt diesem Part der Reihe völlig. Auch Zorn kann warm, auch Wut kann menschlich sein, und eine der Stärken der »God of War«-Reihe war, dass sie einen Mann zum Helden hatte, der eben kein strahlender Held ist, sondern einen, der seinen Willen, seinen Antrieb, aus denjenigen Schattenseiten der menschlichen Natur zieht, die wir lieber verdrängen möchten – Gier, Selbstsucht, Rachegelüste – die so aber existieren, die wirkmächtig sind, wie Menschen wie Kratos existieren und wirkmächtig sind.


Kratos war mehr und war zugleich weniger, war ein größerer und ein geringer Mensch als der Mann, die Frau, vor dem Bildschirm. Er war Vorbild wie Warnung – lange bevor subtilere Facetten seiner Persönlichkeit in den Vordergrund gestellt und für das veränderte Massenpublikum der Generation PS4 runtergedummt wurden. Doch er war niemand, der andere verachtete aufgrund von Äußerlichkeiten – Frauen weil sie Frauen, Hässliche weil sie hässlich waren. Der arrogante Götterbote Hermes wird auf entwürdigende Weise hingerichtet; die anatomisch abstoßende Clotho hingegen – die Kratos im Wege steht, ohne inhärent feindselig zu sein – stirbt eines sauberen Todes. Kratos’ Verachtung für seine Gegenüber begründete sich einst durch deren verderbliche Taten. In »God of War: Ascension« genügt im Zweifel eine etwas unglücklichere Physiognomie.

Es ist vermutlich auch kein Zufall, dass »Ascension« der bis dahin einzige Teil der Reihe war, der ein anderes Markenzeichen der Serie, die stets sehr kreativ umgesetzte Sexszene, vermissen lässt. Es passt zu einem Spiel, das ohne Liebe ist, dass sogar Begierde und primitivste, roheste Ausdrucksformen sexuellen Verlangens in dieser finsteren Gedankenwelt keinen Platz mehr finden. Auch wenn die notorisch selektiven Interpretationen einiger »progressiver« Journalisten anderes behaupten: Kratos war nie ein Frauenhasser und »God of War« nie ein misogynes Spiel. »Ascension« schon.

Durfte die bis dahin programmatische Reduzierung und Objektifizierung der meisten Frauenfiguren als Ausdruck der Persönlichkeitszeichnung und der damit verbundenen männlichen Fantasien (und Ängste) stehen – was immer einen Teil der Faszination ausmachte – sind die Fantasien, die »God of War: Ascension« bedient, bestenfalls die Fantasien eines Wahnsinnigen. Anders als seine Vorgänger erscheint dieser Teil der Reihe durchdrungen von einer kaum noch unterschwelligen Misogynie. Weibliche und weiblich konnotierte Körper werden nicht länger als Objekte einer natürlichen maskulinen Begierde in Szene gesetzt, sondern als ekelerregende Abscheulichkeiten, die es gar nicht anders verdient haben, als geschunden und zerfetzt zu werden.

Der »Spaß« blieb mir dabei im Halse stecken, und nie fühlte ich mich in der Rolle von Kratos so erbärmlich und klein. Santa Monicas einstmals messerscharfe Macht- und Rachefantasie bekommt so nicht nur Risse, sondern stürzt regelrecht in sich zusammen. Das macht – auch – als möglicherweise intendierte Charakter-Entlarvung keinen Sinn, aus dem einfachen Grund, dass »Ascension« ein Prequel ist – und kein Quasi-Reboot-Sequel wie das »God of War«, das 2018 folgte und das den Mythos Kratos durchaus auf erfrischende Weise dekonstruierte.


Negative Energien ziehen sich durch alle Fasern dieses Spiels und das Resultat erfüllt mich – der sich in den Rest der Serie geradezu verliebt hat, als er ihn im Jahre 2020 endlich nachgeholt hat! – mit einer Abscheu, die ich so, vermutlich, noch bei keinem anderen Spiel empfunden habe.

»God of War: Ascension« hat eine dunkle Seele. Es ist ein böses Spiel – aus allen falschen Gründen. [sk]


Mehr zu ähnlichen Themen bei SPIELKRITIK: