„When someone really loves a character, they like to sketch them in their notebooks, right? That’s why we gave Kirby a simple circular design, so anyone could draw him.“

Satoru Iwata, 1993


Letzte Woche haben wir uns angesehen, wie Pablo Picasso den wandelbarsten Staubsauger der Videospiel-Welt interpretiert hat. Oder hätte. Nach Meinung einer KI, die Texteingaben in Bilder verwandelt.

Heute wollen wir den Blick auf einen Landsmann und Zeitgenossen Picassos werfen, der ihm in Sachen Einfluss und Bekanntheit in (fast) nichts nachsteht: Salvador Dalí.

Das ist schon deshalb naheliegend, weil der Name des KI-Modells, das uns hier mit immer neuen Kreationen versorgt, ein Portmanteau aus dem Namen des niedlichen Pixar-Roboters WALL-E und eben Salvador Dalí ist: DALL-E, korrekter DALL-E Mini, und seit Kurzem offiziell Craiyon.

Den Kreationen der KI wird gerne nachgesagt, ziemlich „surreal“ zu sein. Dann sollte sie den Dalí doch hinkriegen. Doch erst ein paar Worte zum Künstler. Bildung muss sein.


Dalí, mit vollem Namen Salvador Domingo Felipe Jacinto Dalí i Domènech, Marquess of Dalí of Púbol, erblickte 1904 in Katalonien das Licht der iberischen Sonne. Am Ort seiner Geburt starb er auch, und zwar im Jahre 1989. Dalí war somit über Jahrzehnte seines Schaffens hinweg ein Zeitgenosse Picassos, war jedoch – auch und vor allem abseits seines künstlerischen Schaffens im engeren Sinne – die ungleich kontroverse Persönlichkeit.

Seine mannigfaltigen künstlerischen Betätigungen auch nur zusammenzufassen, würde den Rahmen eines Kurzporträts sprengen. Dalí ist zwar nicht der Begründer, mit Sicherheit aber der bekannteste Vertreter der Stilrichtung des Surrealismus. Er darf zur eher überschaubaren Zahl von Malern des 20. Jahrhunderts gezählt werden, die nicht nur Kunstinteressierten ein Begriff sind. Dabei beschränkte sich sein künstlerisches Schaffen nicht auf Gemälde, sondern drückte sich genauso sehr in seinen zahlreichen Skulpturen sowie in einigen Filmen aus.

Bereits 1931, nur zwei Jahre, nachdem er sich den Surrealisten zugewandt hatte, schuf er mit „Die Beständigkeit der Erinnerung“ (engl. The Persistence of Memory, katalanisch La persistència de la memòria) eines der, wenn nicht das bekannteste Werk des Surrealismus (das mit gerade einmal 24 mal 33 Zentimeter übrigens bemerkenswert klein ist). Wer anhand des Titels noch kein Bild vor Augen hat, der weiß vermutlich Bescheid, wenn ich nur „schmelzende Uhren“ sage. Passt ja auch zum Wetter, und wurde oft parodiert, zum Beispiel von den Simpsons.

Surrealismus, das bedeutet wörtlich so viel wie „über dem Realismus“. Seine Gegenstände bzw. Merkmale sind das Traumhafte, Unbewusste, Absurde und Phantastische. Die Ursprünge des Surrealismus liegen unter anderem im Dadaismus, aber auch und gerade im Falle von Dalí in der von Sigmund Freud begründeten Psychoanalyse. Dalí verehrte Freud (was nicht auf Gegenseitigkeit beruhte) und hatte 1938 Gelegenheit, sein Idol persönlich zu treffen. „That boy looks like a fanatic“, soll Freud bei diesem Treffen über Dalí gesagt haben, was der Künstler als Kompliment auffasste.

In jedem Fall ist festzuhalten, dass Dalís Werke keinen „Nonsens“ darstellen, wie ein uninformierter Betrachter möglicherweise annehmen könnte. Dem überwiegenden Teil seiner Kunst liegt eine große Ernsthaftigkeit zugrunde, und seine Bilder setzen sich mit komplexen psychologischen und (vor allem später) religiösen Themen und Konzepten auseinander.

Hmm… Traumhaftes und Phantastisches also. Wenn es doch einen Videospiel-Helden gäbe, der buchstäblich im „Dreamland“ zu Hause ist… Oh, natürlich, Kirby! Ist er nicht zum Dahinschmelzen süß?


Gleich bei meinen ersten Anlauf, den Dall-E den Dalí machen zu lassen, erhielt ich einige hervorragende Ergebnisse, auf denen Dalís surrealistischer Stil ebenso klar erkennbar ist wie ein, obschon verfremdeter, Kirby.

Im Vergleich zum KI-Picasso, der Kirby mit wenigen Ausnahmen „pink“ darstellte, sticht bei den Interpretationen des KI-Dalís die vergleichsweise große Anzahl an farblichen Variationen hervor. Gerade die beiden blauen Varianten entpuppen sich als ausdrucksstark und sind auch sonst bemerkenswert. Ihnen gegenüber stehen die weniger bildfüllenden, klassisch rosafarbenen Darstellungen, die Kirby oftmals ohne Gesicht oder aber mit nur einem Auge zeigen.

Den neun Bildern gemeinsam ist die karge und trockene, unwirklich klare und kontrastreiche Landschaft, die den Hintergrund von vielen Bildern Dalís bildet. Kirby selbst gerät zum haushohen Koloss: Eine massige, mitunter bedrohlich wirkende Monstrosität. Ein wandernder Verschlinger, maßlos und ohne Form, der ein sonnenverbranntes Land heimsucht. Ein regelrechter Nightmare in Dreamland.

Bemerkenswert ist Kirbys Mimik. Mit wenigen Ausnahmen war Picassos Kirby der bekannte fröhlich-freudige, mitunter großäugig staunende Liebling aller Kinder. Bei Dalí entgleiten ihm die Züge. Auf keinem der neun Bilder erscheint Kirby glücklich. Gleichzeitig überstrahlen Dalís schmelzende Uhren die tatsächliche Vielfalt der Stile und Motive des Malers. Auf quasi allen KI-Kreationen scheint auch Kirby dahinzuschmelzen oder wirkt zumindest weich und geleeartig (und weniger ballonhaft als auf offiziellen Darstellungen). Ganz aus der Reihe fällt das Porträt Dalís, mit ikonischem Schnurrbart, der dort wie im Zwiegespräch mit einem kleinen Kirby erscheint.

Nachfolgend noch ein paar alternative Generationen, auch diesmal unkommentiert:


Schließlich habe ich auch im Falle von Dalí versucht, Kirby in das berühmteste seiner Gemälde zu versetzen, in The Persistence of Memory also, die schmelzenden Uhren. Das gelang erstaunlich leicht, erzeugte aber – vielleicht gerade deshalb – keine allzu spektakulären Ergebnisse. Dall-E bildete einfach nur die schmelzenden Uhren nach, und platzierte Kirby, gleichermaßen schmelzend, in ihrer Mitte. Im Allgemeinen sieht Kirby auf diesen Bilder enttäuschend normal aus. Auch ein zweiter Versuch, mit anders formuliertem Prompt, brachte keine kreativeren Ergebnisse zutage.

Nächste Woche gibt’s eine neue Folge. Wünscht ihr euch einen bestimmten Künstler? Sagt’s im Kommentarbereich. [sk]