„When someone really loves a character, they like to sketch them in their notebooks, right? That’s why we gave Kirby a simple circular design, so anyone could draw him.“

Satoru Iwata, 1993


Kirby-Fans haben diese Anekdote sicher schon einmal gehört. Kirby sei deshalb so einfach gestaltet, damit buchstäblich jedes Kind ihn zeichnen könne. Dieser Gestaltungsgrundsatz ist umso vernünftiger, als Kirby immer schon vor allem junge Spieler ansprechen sollte. Als Glücksgriff entpuppte sich dabei auch seine untypische und deshalb umso charakteristischere rosa Färbung – die Kirby-Schöpfer Masahiro Sakurai gegen seine überraschten Kollegen erst einmal durchsetzen musste.

Kirby’s Heimkonsolen-Premiere – das 1993er Kirby’s Adventure auf dem NES – beginnt sogar mit einer leicht verständlichen, animierten Kirby-Malanleitung:

„First you draw a circle,
Then you dot the eyes.
Add a great big smile
And presto, it’s Kirby!“

– Kirby’s Adventure (1993), Opening


Satoru Iwata sagte aber auch: „Kirby has quite a simple form, but it’s precisely because of that simplicity that he’s so hard to draw right! Everyone here draws him differently.“

„Everbody draws him differently“, soso. Hmm. Da fragt man sich doch: Wie hätten wohl einige der berühmtesten Maler der Kunstgeschichte den rosa Edelknödel porträtiert?

Dank der KI-Anwendung Dall-E Mini lässt sich das ganz einfach herausfinden. Diese Browser-Variante des professionellen KI-Modells Dall-E wandelt textliche Beschreibungen in Bilder um – mit teilweise kuriosen, aber auch ästhetisch ansprechenden und unerwartet kreativen Ergebnissen. Das KI-Modell hat seine Grenzen, ist aber beeindruckend gut darin, verschiedene visuelle Stile zu imitieren und Dinge und Personen in ungewohnte, wenn nicht unmögliche Kontext zu setzen.

Und weil die Anwendung schon so manche kuriosen Schöpfungen hervorgebracht hat, erfreut sie sich seit einigen Tagen in den sozialen Medien, etwa bei Twitter, großer Beliebtheit. Auf Bitte von OpenAI, den Entwicklern des ursprünglichen Dall-E, wurde Dall-E Mini am am 19. Juni offiziell in Craiyon umbenannt, dürfte im Augenblick aber unter dem alten Namen noch bekannter sein.

Und wenn jedes Kind Kirby zeichnen kann – dann sollte eine KI unter Rückgriff auf die Stile großer Maler das doch erst recht können, oder?


Beginnen wir mit Pablo Picasso. Der wohl bekannteste Maler des 20. Jahrhunderts kam 1881 in Malaga, Spanien zur Welt und starb fast 100 Jahre später in Mougins, Frankreich. Gemeinsam mit dem Franzosen Georges Braque gilt Pablo Picasso als Begründer des Kubismus. Sein vergleichsweise frühes, den Kubismus vorbereitendes Gemälde Les Demoiselles d’Avignon (1907) gilt als ein Wendepunkt in der Geschichte der abendländischen Malerei und ist neben Guernica (1937) Picassos bekanntestes Werk.

Das wohl populärste wiederkehrende Merkmal eines Teils der Werke Picassos und des Kubismus im Allgemeinen ist die Illusion simultaner Perspektive. Dieser Eindruck wird dadurch erreicht, dass in den Gemälden nicht festgelegt war, von welcher Seite ein Objekt betrachtet wird und aus welcher Richtung das Licht kommt. Das hat zur Folge, dass unterschiedliche Ansichten der dargestellten Körper – Gegenstände oder Personen – gleichzeitig hervortreten. Die damit einhergehende Betonung der Form und der Rückgriff auf einfache geometrische Formen verleihen Picassos kubistischen Darstellungen eine bis dahin unbekannte Art von Körperlichkeit.

Doch wie hätte der Ausnahmekünstler Kirby gemalt? Picassos Interpretationen des rosa Edelknödels waren die ersten, die ich mit Dall-E Mini generierte, und sie entpuppten sich auf Anhieb als einige der besten. Die runde Kugelform Kirbys und die von der KI aufgegriffene kubistische Formensprache Picassos erscheinen wie das sprichwörtliche „match made in heaven“. Sowohl Kirby als auch der Stil Picassos* sind klar erkennbar und ein paar der Kreationen, etwa links oben und rechts unten, sind ästhetisch sehr ansprechend, ausdrucksstark und dynamisch.

*Es ist natürlich unmöglich, bei Picasso von „einem“ Stil zu sprechen, da er diesen in seiner langen Karriere immer wieder veränderte und weiterentwickelte. In den Kreationen der KI überwiegt jedoch klar die kubistische Phase – mit Ausnahmen, etwa dem Bild in der Mitte rechts, das Anklänge an Picassos Blaue Periode aufweist.

Hier zeige ich euch noch drei weitere Ergebnisse, deren kritische Beurteilung euch überlassen sein soll:


Beim Schreiben dieses Beitrags habe ich mir dann gedacht, dass Kirbys Rundungen sich doch wunderbar in die pink-dominierte Körper-Collage von Les Demoiselles d’Avignon einfügen würden. Leider ließ sich Dall-E zu diesem Crossover nur schwer überreden. Die besten Ergebnisse ließen sich noch mit dem Prompt „Kirby in the style of Les Demoiselles d’Avignon“ erreichen, der bei drei Versuchen zumindest jeweils ein Bild ausspruckte, auf dem Kirby erkennbar war. Die sehen dann auch gar nicht mal so schlecht aus. Auf allen anderen Bildern war Picassos Gemälde sehr viel dominanter.

Erst mit dem Prompt „Nintendo’s Kirby and Les Demoiselles d’Avignon“ konnte ich die KI dazu bringen, Kirby stärker zu gewichten. Dabei treten zwar Picassos junge Damen ungewollt stark in den Hintergrund, aber die grundlegende Bildkomposition des Originals wird in einigen Fällen ganz gut nachempfunden. Auch sind ein paar wirklich schöne, spannende Ergebnisse dabei. Mitte unten und Mitte rechts haben das gewisse Etwas und lassen abermals Picassos Blaue Periode anklingen. Mitte oben und oben rechts bestechen durch ihre Klarheit. Das Bild rechts unten erinnert an das Nintendo-DS-Gewusel Kirby Mass Attack. Dicht an Picassos Original ist das Bild in der Mitte, wo die KI es schaffte, die fünf nackten Damen durch fünf nackte Kirbys zu ersetzen.

Dennoch: Ein echtes Nebeneinander der jungen Damen und des Edelknödels konnte ich Dall-E Mini bislang nicht entlocken. Aber vielleicht hat einer von euch ja mehr Glück?

In der nächsten Folge betrachten wir Kirby durch die Augen und die Pinselstriche eines anderen großen Künstlers. Und falls euch dieser Beitrag gefallen hat: Lasst doch einen Like da und empfehlt ihn weiter.

In diesem Sinne… [sk]

„Well some people try to pick up girls
And get called assholes
This never happened to Pablo Picasso
He could walk down your street
And girls could not resist his stare and
So Pablo Picasso was never called an asshole“

– Modern Lovers: Pablo Picasso (1976)