„Eine Dark-Souls-Fortsetzung, nur mit Open-World“ – so wurde Elden Ring in Previews und Foren häufig beschrieben. Nach der umjubelten Veröffentlichung wurde vielen Spielern jedoch klar, dass die Entwickler von From Software mehr als nur eine gewöhnliche Open-World offerieren. Ihre Open-World-Interpretation ist ein komplexes Weltenpuzzle, das den Kern der Dark-Souls-Reihe bewahrt.


Eine Welt wird aufgedeckt

Wäre »Elden Ring« ein gewöhnliches Open-World-Spiel, könnte ich jetzt über die grenzenlose spielerische Freiheit schreiben. Doch From Software grenzt meine Bewegungsfreiheit weitestgehend ein. Ich kann weder durch die gesamte Welt reiten, noch jedes Areal nach Lust und Laune betreten. Mein Erkundungsdrang wird dadurch allerdings nicht abgemildert, sondern zusätzlich verschärft.

Die clever platzierten Levelgrenzen sorgen dafür, dass ich den richtigen Pfad ausfindig machen muss. Dieser verbindet die logisch verknüpften Levelabschnitte miteinander: Um auf ein Plateau zu gelangen, werden zwei Schlüsselfragmente benötigt, die einen Aufzug aktivieren. Oder gelange ich durch einen geheimen Tunnel am Rande eines Canyons ebenfalls nach oben? »Elden Ring« knüpft an das durchdacht verschachtelte Leveldesign aus dem ersten »Dark Souls« an. Die Spielwelt ist ein Puzzle, das gelöst werden will – nur eben mit wesentlich mehr Puzzleteilen als in den Vorgängern.

Um aus den einzelnen Teilen ein Gesamtbild zu formen, muss ich mich zunächst in der Spielwelt genau umschauen. Eine monumentale Burgfestung oder ein imposanter Baum stechen im Hintergrund hervor und dienen gleichzeitig als Reisezielpunkte. Die grafische Darstellung ist dabei extrem vielseitig. Sie gestaltet sich angenehm für das Auge und wirkt niemals überladen. Die üblichen Quest-Marker gibt es im Spiel glücklicherweise nicht; stattdessen kann ich mich anhand hervorstechender Umgebungsdetails orientieren.

Zwar sind einige Landschaftsdetails wie Gras- und Felstexturen etwas schlicht, und auch technisch hängt die Optik in der aktuellen Konsolengeneration einigen Spielen hinterher. Aber »Elden Ring« inszeniert eben keinen texturdetaillierten Grafikporno, sondern eine spielerische Auseinandersetzung mit der Spielwelt. Ich reite nicht durch die Gegend, nur um mich an den optischen Besonderheiten aufzugeilen. Denn die Levelarchitektur ist mehr als nur ein visuelles Blendwerk: So ziemlich jede Hintergrundumgebung offenbart aus nächster Nähe ein begehbares Areal, auf dem es etwas Interessantes zu entdecken gibt – darunter vielfältige Gegner- und Waffentypen.


Eine alte Ansammlung wird neu zusammengesetzt

Im Großen und Ganzen setzt From Software auf bekannte Spielelemente aus ihren früheren Spielen: Schwerter, Äxte, Bögen und Zauberstäbe handhaben sich genauso wie in »Dark Souls« 1 bis 3. Die zahlreichen Gegner sorgen ebenfalls für ein Déjà-vu-Erlebnis. Bereits mein erster Open-World-Kampf gegen den mächtigen Hellebarden-Reiter erinnert mich an den ersten Boss aus »Sekiro: Shadows Die Twice«. Danach begegne ich einem Riesen; seine Angriffsmuster gleichen sich fast eins zu eins mit den Angriffen des Riesenfürsten aus »Dark Souls II«. Selbst der neu hinzukommende Schildblock – mit dem die Haltung der Gegner durchbrochen werden kann – erinnert mich an das Kampfsystem aus »Sekiro«. So fühlt sich »Elden Ring« an wie eine Ideensammlung aus allen bekannten Soulsbourne-Titeln.

Doch obwohl ich die einzelnen Motive schon zuvor gesehen habe, ist das Gesamtbild ein anderes. Denn durch den frischen Spielaufbau müssen die Puzzleteile völlig neu zusammengesetzt werden. Es ist beispielsweise nicht möglich, die Spielfigur gleich von Beginn an hochzuleveln. Bis zum ersten Aufstieg zwingt mich das Spiel erst einmal, seine Welt zu erkunden. Hier entdecke ich zahlreiche Katakomben, die sowohl eine kleine Herausforderung als auch einen Boss bereithalten. Als Belohnung gibt es Waffen und Zauber, die deutlich seltener als in anderen Souls-Ablegern in der Spielwelt frei herumliegen. From Software hat mit »Elden Ring« zwar nichts neu geschaffen, das Bekannte aber gekonnt umgestaltet. 

Besonders überwältigend sind aber die komplexen Legacy Dungeons mit ihrer verschachtelten Levelarchitektur: Schloss Sturmschleier und die Hauptstadt Leyndell gehören zu den Höhepunkten der Soulsbourne-Reihe. Sie zu erkunden und ihre verwinkelten Pfade miteinander zu verknüpfen hat mich erfüllt. Jeder entdeckte Raum gleicht einem aufgedeckten Puzzleteil – mit jeder aufgeschlossenen Tür und jedem aktivierten Fahrstuhl füge ich die Teile zusammen. Manchmal fehlt nur ein Verbindungspfad, um das Level komplett abzuschließen und das Puzzle zu vollenden. Die Momente, in denen ich diesen fehlenden Pfad und damit das letzte fehlende Puzzleteil finde, sind besonders überwältigend. So entdecke ich an einem anderen Ort später einen Geheimgang, der mich in das alte Areal zurückführt. Die Wiederkehr ist eine sensationelle Offenbarung, die mich motiviert alle Teile der Weltkarte aufzudecken.

Mit jedem abgeschlossenen Dungeon liegt ein weiteres vervollständigtes Teilmotiv vor mir, das ich mit der riesigen Open-World zusammenpuzzle. In ihr lassen sich aber nicht nur Pfade miteinander verbinden, sondern auch interessante Geschichten erkennen. Bestimmte Umgebungsdetails schildern eindrucksvolle Vorkommnisse innerhalb der Spielwelt: Tanzende untote Dorfweiber, Erz abbauende Minenarbeiter und riesige umherwandernde Steinschildkröten sorgen für ein imposantes Reiseabenteuer. Auch die Gegner sind sinnvoll im Geschehen integriert: Bewaffnete Soldaten verteidigen Burgeingänge oder geleiten Karawanen zu ihren Zielpunkten, gefräßige Hunde laben sich an Leichen, und magieträchtige Pilger streifen durch die weite Landschaft.


Eine goldene Reise mit einigen Rostflecken

Trotz der vielen Besonderheiten fehlt es »Elden Ring« an spielerischen Höhepunkten. Fast überall in der Welt herrscht Tod und Verderben. Die wenigen Lebewesen, die mich nicht angreifen, schütten Beute und Erfahrungspunkte aus. Darum ist es verdammt lohnenswert, auch sie niederzustrecken. Alle weiteren Gegner müssen ebenfalls mit Hau-Drauf-Angriffen besiegt werden. Dadurch gestalten sich die Kämpfe etwas einseitig – wenngleich die Palette der Kampfstrategien extrem breit ist.

Dabei hat From Software mit ihrem Vorgängerspiel »Sekiro« bewiesen, dass es auch anders geht. Dort hat mich eine Riesenschlange durch einen Canyon gejagt – ohne jeglichen Zweikampf. Ein spannendes Katz-und Mausspiel, das ich in einem Video auf YouTube zusammengefasst habe. Die Bossduelle in »Elden Ring« können dagegen nur minimal überraschen. Dabei hätten Überraschungen das Spiel wunderbar abgerundet. Vor allem weil die Gegner eine ziemlich unausgeglichene Herausforderung darstellen.

From Software hat einst mit dem ersten »Dark Souls« ein schweres, aber faires Spiel geschaffen. Auch ich habe mich durch die ehrfürchtige Welt von Anor Londo gekämpft. Bei den knackigen Bossen spürte ich ein Erfolgsgefühl, sobald sie besiegt waren. Ein solches Gefühl wollte bei mir in »Elden Ring« nicht aufkommen. Denn der Schwierigkeitsgrad ist in vielen Situationen blödsinnig. In den Katakomben zum Beispiel wird die Katzenstatue vom Zwischenboss zum einfachen Zwischengegner degradiert. Dabei ist sie mit ihren mächtigen Angriffen oft herausfordernder als einige der tatsächlichen Zwischenbosse, die mich anschließend erwarten.

Die Erfahrungspunkte verteilen sich ebenfalls ziemlich merkwürdig. Einige schwache Gegner geben mehr Erfahrung her als ein starker Widersacher. Und auch die Hauptbosse sind wandelnde Roulettetische. Manch ein Kraftklotz schießt unendlich viele Attacken gleichzeitig auf mich. Ein anderer Boss lässt sich mit einfachem Button-Mashing problemlos besiegen. Und manchmal trifft sogar beides zu. Ich hatte gegen den Endboss zuerst keine Chance. Er ist mir ständig entwischt und hat permanent großflächige Angriffe heraufbeschworen, denen kaum auszuweichen war. Nach einigen gescheiterten Versuchen, habe ich ihn gleich zu Kampfbeginn mit Magie-Eisangriffen attackiert, sodass er keine einzige Attacke auf mich abfeuern konnte. Der Kampf war vorbei, bevor ich überhaupt einen Kampf wahrnehmen konnte. Das unglaubliche Erfolgsgefühl aus der Souls-Reihe verkommt in »Elden Ring« oft zu einer unbefriedigenden Ernüchterung.     

Dennoch habe ich den unehrenhaften Kampf bevorzugt, da sich das Abenteuer sonst noch mehr in die Länge zieht, als es das ohnehin schon tut. Ich wollte wirklich alle Gebiete entdecken und damit mein Puzzle vollständig komplettieren. Die vielen Tode haben mich eher gestört, da das Spiel mit seinem enormen Umfang sich selbst übertrumpft. Gegen Ende wurde meine Freude am Vervollständigen des Puzzles zudem etwas ausgebremst. Denn die Motive ähneln sich: Es gibt Gegnerwiederholungen und repetitive Höhlenbesuche. Nach 100 Spielstunden wurde das Zusammenlegen der Teile zunehmend mühselig. Trotzdem hat die Mühe sich gelohnt. Denn das Gesamtbild sieht überwältigend aus.

»Elden Ring« vereint gelungene Features aus allen Soulsbourne-Spielen zu einem großartigen Werk. Damit bekommen Neulinge das komplette Souls-Erlebnis in einem Spiel und Kenner der Serie ein neu arrangiertes Abenteuer. Ich persönliche habe die Soulsbourne-Formel genossen und würde mir nun einen Neuanfang von den Entwicklern wünschen, bevor ihr grandioses Spielkonzept in die Monotonie abdriftet. Die Open-World des Spiels lässt kaum Wünsche offen. Eine Fortsetzung wäre für mich nur schwer vorstellbar. »Elden Ring« ist nicht From Softwares Goldkrone, aber ein goldener Abschluss der Souls-Reihe. [dg]


Elden Ring
From Software / Bandai Namco Entertainment
Erstveröffentlichung: 25. Februar 2022
Gespielt auf PC. Auch für PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series.
Producer: Yuzo Kojima
Directors: Hidetaka Miyazaki & Yui Tanimura

Bilder: Eigene Screenshots aus den PC-Fassungen von Elden Ring und Dark Souls II.


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