Rekapitulieren wir: Die Ursprünge der Reihe, die wir hierzulande als Advance Wars kennen, reichen zurück bis in das Jahr 1988 auf dem Famicom. 1991 erschien ein Ableger für den Game Boy; danach wurde es für einige Jahre still um das Kriegsspiel. Erst 1998 erhielt das Original mit Super Famicom Wars einen Nachfolger. Parallel dazu wurde die Serie auch auf dem Game Boy wiederbelebt, allerdings nicht von Intelligent Systems und Nintendo – sondern von Hudson Soft. Die veröffentlichten 1997 eine verbesserte Version des Game-Boy-Erstlings und 1998 eine Fortsetzung (erstmals auch für den Game Boy Color).
Im Anschluss werkelten Hudson Soft an einem ambitionierten dritten Teil, der das Gameplay runderneuern und erstmals auch Online-Gaming ermöglichen sollte. Dazu nutzte das Spiel den japanexklusiven und relativ erfolglosen „Mobile Adapter GB“, mit dem sich Game Boy Color und Game Boy Advance mit einem Mobiltelefon verbinden ließen. Doch obwohl die Veröffentlichung von Game Boy Wars 3 bis zum Spätsommer 2001 auf sich warten lassen sollte, handelte es sich weiter um ein Spiel für den Game Boy Color. Dabei war der Game Boy Advance zu diesem Zeitpunkt schon ein halbes Jahr lang in Japan erhältlich.




Und nun wird es kurios. Während nämlich in Japan Game Boy Wars 3 aus dem Hause Hudson Soft in den Startlöchern stand, arbeiteten zeitgleich (und erstmals seit dem 1998er Super Famicom Wars) auch Intelligent Systems an einem neuen Teil der Reihe. Der kam – unter dem Namen Advance Wars – am 10. September 2001 in Nordamerika in die Geschäfte und im darauffolgenden Januar auch in Europa. Und in Japan? Da erschien er lange gar nicht: Zwar war die Entwicklung des Spiels im Sommer 2001 abgeschlossen. Weil es aber nicht mit dem im August erschienenen Game Boy Wars 3 konkurrieren sollte (ein Konkurrenzverhältnis, das außerhalb Japans nicht existierte), legte Nintendo den japanischen Veröffentlichungstermin auf den 12. Oktober. So weit, so nachvollziehbar.
Nun kam es allerdings so, dass der US-amerikanische Veröffentlichungstermin sich im Nachhinein als unglücklich entpuppte: Der 10. September 2001 – einigen ist es vielleicht schon aufgefallen – ist der Tag unmittelbar vor den Terroranschlägen des 11. September. Die gingen auch an anderen Spielen nicht spurlos vorbei, konnten an der bereits erfolgten Veröffentlichung in den USA aber nichts mehr ändern. In Europa hingegen wurde der Release auf den Januar verschoben. Explizit so begründet hat Nintendo hat diese Verschiebung meines Wissens nie, aber es gilt wohl als gesichert, dass die Anschläge des 11. September der Grund für das Zögern waren. Doch während Nintendo of Europe den Release am 11. Januar über die Bühne brachte, bekam Game Boy Wars Advance – wie das Spiel in Japan hätte heißen sollen – im Heimatland seiner Macher keinen neuen Termin.
Seltsamerweise erschien aber auch der direkte Nachfolger Advance Wars 2: Black Hole Rising zunächst nicht in Japan, nachdem er im Sommer 2003 in den USA und im Herbst in Europa in den Handel gekommen war. Eine serieneigene Konkurrenz stand der Veröffentlichung diesmal nicht im Wege und auch der Irakkrieg (der am 01. Mai 2003 offiziell für „beendet“ erklärt worden war) war zumindest für die Veröffentlichung im Westen kein Hindernis. Es lässt sich daher nur spekulieren, dass Nintendo von einer Veröffentlichung in Japan aus dem Grund absah, weil dort der Vorgänger noch nicht erschienen war.












Um die Geschichte abzuschließen: Im November 2004 erschienen sowohl Advance Wars als auch sein Nachfolger endlich auch in Japan, als Doppelpack mit dem zweckdienlichen Titel Game Boy Wars Advance 1+2. Diese Form der Veröffentlichung erklärt auch, warum die spätere Wiederveröffentlichung auf der Virtual Console der Wii U in Japan ebenfalls als Compilation erfolgte, während Interessenten in Nordamerika und Europa beide Spiele einzeln kaufen (und deshalb doppelt so viel zahlen) mussten, was bei einigen Spielern für Unmut sorgte. In Japan waren die beiden Titel schlichtweg nie separat erschienen.
Dass die Spiele mit so großer Verspätung überhaupt noch in Japan veröffentlicht wurden, liegt vielleicht auch daran, dass Nintendo mit der Reihe noch einiges vorhatte. Intelligent Systems arbeiteten zu diesem Zeitpunkt nämlich schon am Nachfolger, der 2005 nicht länger für den Game Boy Advance erschien, sondern zur ersten Generation der Spiele für den Nintendo DS zählte. Daher auch der Name: Advance Wars: Dual Strike. Und, oh Wunder, diesmal klappte es auch mit dem Japan-Release, der, datiert auf den 23. Juni, allen anderen Ländern sogar um ein paar Monate voraus war. Zum ersten Mal überhaupt erschien ein Teil der Reihe somit nahezu zeitgleich in Japan und im Westen. (Lediglich Australien musste aus irgendeinem Grund bis März 2006 warten.)
Irritierenderweise trägt das Spiel in Japan den Titel Famicom Wars DS, statt an die japanische Betitelung der Game-Boy-Reihe (einschließlich des direkten Vorgängers) anzuknüpfen. Im Rest der Welt sollte das Wörtchen Advance Bestandteil des Titels bleiben (ungeachtet der Tatsache, dass die Plattform nun ja gar nicht mehr der Game Boy Advance war).
Was gibt es über das Spiel selbst zu sagen? Nun, Advance Wars: Dual Strike macht ausgiebigen Gebrauch vom Doppelbildschirm des Nintendo DS, unterscheidet sich ansonsten aber nur marginal von seinem Vorgänger. Der größte Unterschied ist der, dass es nun auch Tag Battles gibt, in denen jedem Spieler gleich zwei Kommandanten, genannt COs, zur Verfügung stehen, zwischen denen am Ende einer Runde gewechselt werden darf. Damit erhöht sich auch die Zahl der in einem Kampf zur Verfügung stehenden „CO Powers“, also der Spezialfähigkeiten der einzelnen Kommandanten.
Existierte im originalen Advance Wars nur je eine CO Power, kamen mit Advance Wars 2 die stärkeren „Super CO Powers“ hinzu, die gerade im Mehrspielermodus ganz neue taktische Möglichkeiten eröffneten. Auch in Dual Strike hat jeder Kommandant eine gewöhnliche und eine Super CO Power, was bedeutet, dass bei zwei Kommandanten pro Spieler nicht weniger als vier unterschiedliche CO Powers zur Verfügung stehen. Sind die Power-Leisten beider Kommandanten vollständig gefüllt, lassen sich ihre jeweiligen Super CO Powers mit dem titelgebenden „Dual Strike“ gleichzeitig einsetzen.
Doch ganz ehrlich: Das war vielleicht zu viel des Guten. Dual Strike war immer noch ein Top-Spiel, das einen Wertungsschnitt von 90 Prozent vorweisen kann, verkaufte sich aber schlechter als seine Vorgänger und hinterließ den Eindruck, dass der Zenit der Reihe so langsam überschritten war. Eine vergebene Chance war sicher auch, dass das Spiel die Nintendo Wi-Fi Connection nicht nutzte, die kurz darauf, im November 2005, startete. So ist die bis heute einzige Möglichkeit, das klassische Advance-Wars-Gameplay online zu erleben, das Fan-Projekt Advance Wars by Web, das seit 2004(!) die Stellung hält und seit 2017 sogar wieder aktiv weiterentwickelt wird.
Nintendo selbst führte die Reihe in zwei unterschiedliche Richtungen weiter. In Form eines Spin-offs kehrte sie zurück auf die Heimkonsole, während sie auf dem Nintendo DS eine Art Reboot erfuhr. Aber dazu mehr im nächsten Teil dieser Retrospektive. [sk]