Eigentlich sollte Advance Wars 1+2: Re-Boot Camp am 8. April 2022 in den Handel kommen. Ein von WayForward entwickeltes Remake der ersten beiden Teile der Advance-Wars-Reihe, die ursprünglich Anfang der 2000er für den Game Boy Advance erschienen sind. Als Publisher fungierte damals wie heute Nintendo. Der aber gab am 9. März 2022 bekannt, die Veröffentlichung des Rundenstrategiespiels auf unbestimmte Zeit zu verschieben – „in light of recent world events“, womit natürlich der Krieg in der Ukraine gemeint ist. Und Advance Wars ist – das kann man ruhig so sagen, denn auf wenige Spiele passt der Begriff so gut – ein „Kriegsspiel“.
Ich finde Nintendos Entscheidung nachvollziehbar und richtig. Als eine Form der Rücksichtnahme den Ereignissen in der Ukraine gegenüber, aber auch mit Blick auf den Schutz der Marke. Denn auch wenn Advance Wars zu „klein“ sein dürfte, um eine nennenswerte Kontroverse auszulösen, so hätte der wirtschaftliche Erfolg des Remakes unter den aktuellen Ereignissen womöglich gelitten.
Der Spielspaß sowieso. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie bei einigen Spielern die „fear of missing out“ im Konflikt gestanden hätte mit dem Unbehagen, das der Spielinhalt möglicherweise bereitet.
Denn so abstrahiert die Darstellungen in Advance Wars auch sind, so beginnt seine Erzählung doch damit, dass eine Nation von einer anderen überfallen wird. Die visuelle Gestaltung des Aggressors weist einige klar erkennbare Bezüge zu Russland auf (obschon sich bald herausstellt, dass eine andere, bösere Fraktion die Fäden zieht). Auf der spielmechanischen Ebene steht in Advance Wars, mehr als in den meisten Strategiespielen, das fortwährende Ringen um zu erobernde Städte im Mittelpunkt – auch das eine möglicherweise unbehagliche Parallele zur Situation in der Ukraine.
So zeigt sich wieder einmal, dass eine sinnvolle Antwort auf die Frage, wann und wie ein Spiel „politisch“ ist, nicht pauschal erfolgen kann, sondern von den soziokulturellen Umständen abhängt, unter denen es rezipiert wird.

Die Verschiebung von Advance Wars 1+2: Re-Boot Camp erinnert aber auch daran, wie chaotisch die Veröffentlichungsgeschichte der Reihe ist. Nicht nur, dass das Remake eigentlich schon im letzten Dezember hätte erscheinen sollen, und nicht nur, dass bereits der Europa-Release des GBA-Originals aus Rücksichtnahme auf realweltliches Geschehen verschoben wurde (der Grund damals: die Terroranschläge des 11. September). Nein, die Reihe hat auch unabhängig von solchen zeitgeschichtlichen Hindernissen eine ungewöhnlich verworrene Veröffentlichungshistorie, die vielen Spielern hierzulande gar nicht bekannt sein dürfte.
Und weil ich in Kürze eine Artikelreihe zum Heimkonsolen-Spin-off Battalion Wars bei SPIELKRITIK veröffentlichen möchte, dachte ich mir, lasse ich die Geschichte der Reihe doch einmal Revue passieren. Morgen geht’s los! [sk]