Liebe Leserinnen und Leser,
alles hat ein Ende – auch der Quest-Log. Nach exakt drei Jahren und 36 Ausgaben ist es an der Zeit, einen zumindest teilweisen Schlussstrich unter diese Rubrik zu ziehen. Der Quest-Log entpuppte sich fast von Beginn an als sehr viel zeitaufwändiger, als wir uns das vorgestellt hatten, und erreichte in letzter Zeit nicht mehr das Leserinteresse, das anfangs noch gegeben war.
Dass wir dennoch so lange am Format festgelanden haben, liegt daran, dass mir die einzelnen Unterrubriken des Quest-Log doch ziemlich am Herz liegen und ich mit den Inhalten, insbesondere den Kommentaren im Meinungskasten, sehr zufrieden war. Das Backtracking haben wir bereits vor einem Jahr als separate Rubrik ausgegliedert, und auch das Format des Meinungskastens soll nicht ganz verschwinden. Und unsere „Inventories“? Dazu in naher Zukunft mehr – ich will ja nicht SPOILERN.
Mit dieser preisverdächtigen Überleitung sind wir bei unserem vorerst letzten Thema des Monats angekommen:
„Spoilerwarnung! Wie viel darf von einem Spiel gespoilert werden?“
Ein letztes Mal leistet uns dabei ein geschätzer Freund des Hauses Gesellschaft und ich freue mich, zum Abschluss noch einmal jemanden begrüßen zu dürfen, der zuvor noch nicht bei SPIELKRITIK zu sehen bzw. zu lesen war. Benjamin Gildemeister ist nicht nur deshalb einer meiner Lieblingsautoren, weil er immer mal wieder (auch) über alte Nintendo-Spiele schreibt. Und sehenswerte YouTube-Videos macht er auch!
Damit genug der Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß mit dem letzten Quest-Log in der altbekannten Form. We will be back! [sk]
INVENTORY: Die aktuellen Favoriten der Redaktion
Sylvio @spielkritik
Spielt: Shadow Warrior 3, Chicken Police: Paint it Red, Battalion Wars, Mass Effect 2: Legendary Edition
Liest: Seit Donnerstagmorgen *nicht mehr* Tom Clancy: Gnadenlos.
Schaut: BBC World News, Aus dem Nichts
Hört: Iggy Pop: Post Pop Depression
Und sonst? Hat derzeit die Vormittage sturmfrei und darf sie ungestört spielend verbringen.
Pascal @pascalthehoff
Spielt: Elden Ring, Gran Turismo 7, Horizon Forbidden West, ANNO: Mutationem, Aquamarine
Liest: Oksana Sabuschko: Planet Wermut, Kim Hye-Jin: Die Tochter, Neal Stephenson: Snow Crash
Schaut: Nightmare Alley, Turning Red, The Sparks Brothers, The French Dispatch, Scrubs
Hört: Charlotte Adigéry & Bolis Popul, Stromae, Cécile McLorin Salvant, Sparks, Talking Heads
Und sonst? Ist aktuell im Post-Elden-Ring-Hangover: Jedes Spiel, das er unmittelbar nach Elden Ring spielt, wirkt fad. Genau das hatte er 2015 schon nach Bloodborne…
Jessica @JessicaKathmann
Spielt: In Sound Mind
Liest: Jesper Juul: Die Kunst des Scheiterns, Jörg Noller: Theorien des Bösen
Schaut: Chihiros Reise ins Zauberland
Hört: Nichts Bestimmtes.
Und sonst? Ist beim Einkaufen wieder ein bisschen eskaliert und hat daher kürzlich über 40 Jungpflanzen ein neues Zuhause auf dem Balkon gegeben.
Dennis @VG_Analyse
Spielt: Elden Ring, PUBG: Battlegrounds
Liest: Sebastian Fitzek: Das Geschenk
Schaut: The Batman, The Dark Knight, Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb
Hört: Seine YouTube-Music-Playlist
Und sonst? Hat seine Videoprojekte vorerst abgeschlossen und kann jetzt hoffentlich wieder mehr Videospiele spielen.
Freund des Hauses: Benjamin @bgildemeister
Spielt: Kentucky Route Zero, The Last of Us Part II, Wunderling
Liest: Watchmen
Schaut: The Expanse, Girls
Hört: Andrew Bird, The National
Und sonst? Zerlegt Bäume umringt von Hühnern und hat sich gerade einen Kühlschrank ins Wohnzimmer gestellt.
MEINUNGSKASTEN: Spoilerwarnung! Wie viel darf von einem Spiel gespoilert werden?
Dennis meint:
Im Allgemeinen ist der Spoileraufschrei bei Videospielen leiser als bei Filmen. Außer bei Spielen mit Storyfokus. Dann darf absolut nichts über die Handlung gesagt oder gezeigt werden. Ich kann mich noch an die Veröffentlichung von The Last of Us Part II erinnern. Die Pre- und Reviews haben selbst die kleinsten Handlungsverläufe verschwiegen, nur damit das Spiel mit seiner Plotwendung zu Beginn überraschen kann. Naughty Dog hat dafür umso mehr Gameplay-Elemente enthüllt, die ich gerne erst in meinem eigenen Durchlauf gesehen hätte. Denn die spielerischen Feinheiten haben mich persönlich mehr überzeugt als die durchaus spannende, aber aufgesetzte Geschichte. Der Moment mit den scharfsinnigen Spürhunden war deshalb weniger überraschend. Ich konnte mich an die Spielvorschau zurückerinnern und sofort auf die Spielsituation einstellen. Dass Joel am Spielanfang stirbt, wurde mir ebenfalls vorab mitgeteilt. Meiner Spielerfahrung hat es aber deutlich weniger geschadet.
Benjamin meint:
Spoiler! Sensibles Thema in wenigen Worten. Klar ist: Spoiler sind für viele ein dickes Ding. Die zahlreichen Diskussionen, was ein Spoiler ist, sind jedoch müßig: Es ist ein Spoiler, wenn die betroffene Person das so empfindet. Doch ich fühle mich hier zur Ehrlichkeit aufgefordert und kann nicht verhehlen, dass ich Spoilerangst nicht immer ernst nehme. Sie wird bisweilen benutzt als Auszeichnung der unverfälschten Wahrhaftigkeit. Als ob sich keine eigene Meinung bilden lasse, wenn schon eine andere gehört wurde. Als ob man das Spiel nicht mehr genießen könnte. Was für eine Illusion! Jedes Spielerlebnis basiert auf Vorannahmen, sonst würde man das Spiel kaum spielen. Auch für mich macht es einen Unterschied, ob ich arglos in ein Spiel einsteige oder nicht. Aber es macht keinen Spaß, in den leidenschaftlichen Diskurs zu gehen, wenn überall Tretminen liegen. Natürlich werde ich nicht verraten, was mich selbst kalt erwischt hat, doch Vollsperrung zeugt für mich von einem Mangel an Souveränität.
Sylvio meint:
Ich habe schon während der GameCube-Ära aufgehört, Reviews von Spielen zu lesen, bei denen mir klar war, dass ich sie kaufen werde. Nicht, weil diese Reviews „harte Spoiler“ enthalten hätten, sondern wegen der Kleinteiligkeit der Informationen. Das nahm spätestens dann überhand, als die Berichterstattung sich ins Internet verlagerte, wo ihr Umfang keine Grenzen mehr kannte. Zunehmend hatte ich das Gefühl, zu vieles vorab zu erfahren, um noch überrascht zu werden und zu staunen. Ich muss aber nicht alle Items eines neuen Zelda vorab schon kennenlernen, solange ich nur weiß, dass das Spiel gut ist. In den vergangenen Jahren ist die Sensibilität für Spoiler bis hin zur Hysterie gestiegen, aber noch immer sind damit vor allem Story-Spoiler gemeint, während (viele) Kritikerinnen und Spieler offenbar der Meinung sind, dass man Einzelheiten der Spielmechanik uneingeschränkt offenlegen darf – oder sogar sollte. Im Zweifel lasse ich mich von der aber lieber überraschen als von unverändert formelhaften Erzählungen.
Logbucheintrag Ende. Ende April melden wir uns in etwas vereinfachter Form wieder. Bis dahin!
Beitragsbild dieses Quest-Logs: Metro 2033 Redux (4A Games & Deep Silver, 2014). Sehr stark nachbearbeitet.
Nach wie vor ein interessantes Thema.
Mir kommt es jedoch so vor, als werden Spoiler erst ungefähr ab der 6. Konsolengeneration als etwas rein negatives wahrgenommen.
Ich kann mich z.B. an eine Zeitschrift erinnern, in der „die besten Momente und Bosse“ aus Resident Evil 2 damals im Review explizit in einer Box präsentiert wurden. Heute wäre das eine absolute Sünde. Da stellt sich mir die Frage, ob sich nicht die Wahnehmung und die Herangehensweise an Videospiele generell im Laufe der Zeit geändert hat. Werden Videospiele heute eher wie Filme wahrgenommen? Das Spoilern von Bossen usw. hat tatsächlich eher neugierig auf das Spiel gemacht. Letztendlich ging es nicht darum die Bosse zu sehen, sondern die Kämpfe selbst zu bestreiten. Immerhin ist es ein VideoSPIEL. Vielleicht ist im Laufe der Jahre durch Let’s Plays und Streams unsere Wahrnehmung eher in Richtung VIDEOspiel gerutscht.
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Danke für den Kommentar, Rainer!
Der historische Vergleich ist auf jeden Fall spannend, genauso wie die Frage, ob Spiele heute eher wie Filme wahrgenommen werden.
Für Letzteres spricht m.E., dass Spiele heute in vielen Fällen viel mehr wie Filme sind. Gerade die großen AAA-Blockbuster überraschen im Spielverlauf doch selten mit ihrem Gameplay – das vielmehr schon sehr früh im Spiel in Gänze ausgebreitet wird – versuchen aber, eine zumindest leidlich überraschende Handlung zu bieten, wobei sie sich oft sehr an Hollywood-Filmen orientieren.
Gleichzeitig ist es allerdings so, dass auch bei Filmen die Angst vor Spoilern ein vergleichsweise junges Phänomen ist. Ich hatte dazu vor Kurzem schon einmal einen lesenswerten Artikel bei Lesenswert verlinkt: https://geschichtedergegenwart.ch/spoiler-phobie-die-kurze-geschichte-eines-neuen-phaenomens/
Stellt man Filmgeschichte und Spielgeschichte nebeneinander, sieht man, dass die negative Wahrnehmung von Spoilern tatsächlich nur um einige Jahre zeitversetzt einsetzte. Also entweder ist die Angst einfach übergeschwappt (vom, was Erzählungen angeht, nach wie vor dominierenden Medium), oder Spiele wurden einfach mehr wie Filme (oder zumindest so empfunden).
Liegt es aber vielleicht auch daran, dass Spiele leichter geworden sind? Es war früher keine Selbstverständlichkeit, ein Spiel tatsächlich durchzuspielen. Heute oftmals schon. Es ergibt sich fast von selbst. Das „Erlebnis“, das beim Spielen dominiert, ist deshalb ein anderes geworden. Wo früher das mühsame Bewältigen einer Herausforderung für Nervenkitzel und Befriedigung sorgte, braucht es heute mehr als damals das Drumherum aus Präsentation und Story, um dem Spieler das Gefühl zu vermitteln, dass er etwas Aufregendes erlebt.
Und das passt ja zu der von dir beschriebenen Verschiebung. Ergo: Nicht der Bosskampf als solcher bleibt in Erinnerung (weil der Sieger längst feststeht). Sondern der nachfolgende Storytwist oder was auch immer. Und wenigsten den möchte man sich „aus eigener Kraft erarbeitet“ haben.
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