Die Karibik! Wir schreiben das Jahr 1561, mitten im Zeitalter der Entdeckungen. Azurblaues Meer. Weiße Strände. Der Geruch von Rum. Piraten! Mit anderen Worten: Das perfekte Setting für eine urdeutsche Wirtschaftssimulation.
Ein Beitrag aus der Reihe Reingestreamt: Speed-Dating mit der PS3-Bibliothek.
»Port Royale 3« ist eine mutmaßlich komplexe und augenscheinlich ziemlich kleinteilige Wirtschaftssimulation. Es sollte klar sein, dass ein solches Spiel nicht in ein bis zwei Stunden erschlossen werden kann, meinem Anspiellimit für diese Rubrik. Die tatsächliche Qualität solcher Spiele lässt sich in der Regel erst nach vielen Spielstunden beurteilen, wenn sich zeigt, ob das Balancing stimmt und das Mikromanagement beherrschbar bleibt. Was ich allerdings beurteilen kann, das ist der Spieleinstieg: Lässt mich dieser Vertreter eines Genres, das ich in den letzten 20 Jahren nur selten gespielt habe, einen Zugang finden oder erschlägt er mich mit Komplexität? Und was zeichnet eigentlich ein gutes Tutorial aus?
Mein erster Eindruck war der, dass das Tutorial von »Port Royale 3« chaotisch ist, redundant und überladen. Es kommt nämlich in dreierlei Gestalt daher. Zum einen spricht von der oberen rechten Bildecke ein grässlich animierter Berater zu mir, mit exakt der Stimme, die man in einer bundesdeutschen Wirtschaftssimulation erwartet. Gleichzeitig wird mir ein bildschirmfüllendes Textfenster angezeigt, in dem grob dasselbe steht, was der Berater mir sagt, aber eben auch nur grob. Man kann das Gesprochene also nicht eins zu eins mitlesen. Und drittens darf ich mit einem Klick auf die Dreiecks-Taste ein Video aufrufen, das endlich auch visualisiert, was ich tun muss, um das Missionsziel zu erfüllen. Meine erste Reaktion: Hätte man diese drei Darstellungsformen nicht einfach zusammenlegen können?
Doch im Verlauf meiner beiden Spielstunden erkannte ich, dass die Dreiteilung auch ihre Vorzüge hat: Der vertonte Berater konzentriert sich auf das Wesentliche, statt minutenlang zu labern. Er ist Teil der historischen Metapher und gibt mir eine erste, im Wesentlichen intradiegetische Einführung in die Aufgabe, die ich als nächstes zu bewältigen habe. Seine Erläuterungen stellen die Verbindung zwischen meinem momentanen Spielziel und der Hintergrundgeschichte her.
Die Textbox ist weitaus informativer. Sie erklärt meine Aufgabe und die dahinterstehende Spielmechanik im Detail und zeigt mir übersichtlich und mit einiger Genauigkeit, was ich tun (und lassen) soll. In der Tat wäre es vermutlich nur ermüdend, wenn der Berater den gesamten Text laut vorlesen würde, wie das bei einigen Genre-Kollegen der Fall ist. So darf ich mein Lesetempo selbst bestimmen, ohne von einem zu schnellen – oder zu langsamen – Sprecher gestört zu werden.
Einige wichtige Informationen bleibt mir aber auch die Textbox schuldig. Und zwar die praktische Umsetzung der Zielvorgaben: die Tastenbelegung und die Bedienung der Menüs, die Icons und die Platzierung von Gebäuden. Diese Dinge erfahre ich erst durch die Videos, allerdings sehr anschaulich. Obwohl der Sprecher sich Zeit nimmt, sind die Filme nicht unangenehm lang. Die Erklärungen sind auf den Punkt, da mir die erzählerische Rahmung und Grundlagen der Spielmechanik an anderer Stelle bereits nahegebracht wurden.
Und wo wir schon bei Interface und Bedienung sind: »Port Royale 3« ist auffällig gut auf die Konsole zugeschnitten; da können sich noch zehn Jahre später viele Titel eine Scheibe von abschneiden.
Schön ist auch, dass ich das auf diese Weise Erlernte eigenverantwortlich umsetzen darf. »Port Royale 3« ist kein Spiel, das mir vorschreibt, dass ich genau jetzt dieses Icon anzuklicken habe und dieses Gebäude an exakt dieser vorgegebenen Stelle errichten muss, wie manche anderen Genre-Vertreter das tun. Tutorials, die einem das Denken auf diese Weise abnehmen – und damit jede Möglichkeit eines Fehlers ausschließen – sind nach meiner Erfahrung nicht sehr nachhaltig und stellen dem Verinnerlichen des Gezeigten eher ein Bein.
Stattdessen genieße ich schon früh im Spiel ein großes Maß an Freiheit. Ich werde nach der ersten erfolgreichen Umsetzung einer Spielmechanik nicht sofort mit dem nächsten Feature konfrontiert, sondern darf das Erlernte so lange ich will wiederholen. Ich kann, wenn ich das möchte, aber auch andere Spielmechaniken ausprobieren, die mir eigentlich noch gar nicht beigebracht wurden. Kurz gesagt: »Port Royale 3« bevormundet mich nicht. Es bringt mir bei, was ich wissen muss, und lässt mich dann machen.
Das hat zur Folge, dass ich bereits sehr früh im Spiel das Gefühl habe, Herr meines Schicksals und für meinen Spielerfolg selbst verantwortlich zu sein, statt Klick für Klick nachgespielt zu haben, was die Entwickler sich ausgedacht haben.
Statt, wie befürchtet, überfordert zu sein und kein Land zu sehen – harhar – erscheint mir »Port Royale 3« nach zwei Spielstunden fast schon etwas zu simplistisch, beinahe anspruchslos. Das mag aber daran liegen, dass ich bislang nur ein Bruchteil der Spielmechaniken kennengelernt habe und ich meinen Spielfortschritt so schnell bzw. so langsam wählen darf, wie es mir beliebt. Ich kann mir vorstellen, dass erfahrenere Spieler den Einstieg als zu gemächlich empfinden könnten – aber die können ja ihre eigenen Kritiken schreiben, die dann mir nicht weiterhelfen. [sk]
Reingestreamt-Fazit: »Port Royale 3« überrascht mich mit seiner Zugänglichkeit und seiner tadellosen Anpassung an die Konsole. Ob das Gameplay auch dann noch Spaß macht, wenn es erst einmal komplexer wird, wird sich zeigen müssen. Ich umarme das selbstbestimmte Tempo und werde mit dieser Güterslohisierung der Karibik auf jeden Fall noch einige Stunden verbringen.
(Einen Extrapunkt in der Kategorie Erkenntniswert gab es dafür, dass ich durch »Port Royale 3« endlich lerne, welche Städte wo in der Karibik liegen.)
- Spielspaß: ♥♥♥♡♡
- Zugänglichkeit: ♥♥♥♥♡
- Fortsetzungswahrscheinlichkeit: ♥♥♥♥♡
- Erkenntniswert: ♥♥♥♥♡
Port Royale 3
Gaming Minds / Kalypso Media, 2012
Gespielt auf PlayStation 3 (via PS Now). Auch für Xbox 360 und Windows.