Nach den 500 Spielen der 2010er und den 106 Spielen des Jahres 2020 hatte ich mir vorgenommen, eine Pause zu machen. Ich wollte Spiele 2021 weniger systematisch abarbeiten und massenhaft konsumieren. Schließlich würde 2021 das Jahr sein, in dem wir alle frisch geimpft und hungrig nach sozialer Interaktion so richtig leben würden! So ganz analog. Da 2021 außerhalb der warmen Monate dann doch wieder von Discord-Parties und Einsamkeit geprägt war, sah ich erneut den leichtesten Ausweg darin, diese düstere Zeit in Spielen zu ertränken – in so vielen wie möglich. (Tatsächlich habe ich noch mehr als 100 neue Spiele angespielt – aber nicht alle genug, um sie zu kritisieren.)

Spiele am Ende des Jahres zu bewerten und tagebuch-ähnlich zu archivieren, gibt diesem zwanghaften Konsum einen Funken Sinn. Denn tatsächlich freue ich mich riesig, welche Resonanz meine absurden Listicles vor allem auf Twitter genießen. Deshalb mache ich hier gar keine Versprechen, 2022 nun wirklich keine GOTY-Liste mehr zu machen – am Ende gibt es ja doch wieder eine.

Es gilt wie immer: In der Liste sind nur Neuerscheinungen des Jahres 2021. Keine Remaster, keine Re-Releases, keine Ports. Und – natürlich – ist die Liste stark beeinflusst von meinem Geschmack. Have fun!


100. Narita Boy

Die offene 2D-Welt ist durch etliche Türen auf der Z-Achse in verschiedene Ebenen geschichtet und dadurch schon nach wenigen Minuten undurchblickbar. Sprich: Die Türen führen nicht, wie üblich aus den Seiten der Räume, sondern in die Tiefe – wie in Kirby-Spielen oder Super Mario World. In dieser Größenordnung ergibt die Architektur vorne und hinten keinen Sinn. Die kryptischen Dialoge der NPCs und die peinliche 80s-Ästhetik sind der Todesstoß.

99. Astrodogs

Lo-Fi-3D-Grafik? Cool! Hunde in Raumschiffen, also buchstäbliche Dog Fights!? Wie whack! Aber diese Steuerung… Haben die Hunde getrunken? Oder schießen sie nur ins Leere, weil in jedem Level Chaos über sie hereinbricht, wie es jedes N64 in die Knie gezwungen hätte? 

98. Cris Tales

Es scheint schwierig, die Formel der alten Paper-Mario-Spiele zu kopieren. Cris Tales scheitert noch grandioser daran als das solide Bug Fables. Lahme Charaktere, unerträgliches Gelaber und eine Kernmechanik (die Zeitreise per Splitscreen), die so heuchlerisch ist wie wenige andere hochtrabende Konzepte.

97. World of Shadows

Ein Apple-Arcade-exklusives Spiel von Platinum Games, das sich visuell an Okami orientiert. Klingt super, spielt sich deutlich besser als erwartet… aber seien wir ehrlich: Trotz meines Willens, Lanzen für Mobile Games zu brechen, leidet die Platinum-Action zu sehr unter den Input-Limitationen der Plattform sowie der forcierten Pick-up-and-Play-Struktur, die Repetition forciert.

96. The Longest Road on Earth

Ein Spiel mit einem Film zu vergleichen und ihm damit seine Spielhaftigkeit abzusprechen, ist die unterste Schublade der Spielkritik. Dennoch frage ich: Wie viel können wir hier noch reduzieren? Minimale Interaktion, grobkörnige Pixelgrafik, keine Schrift, keine Dialoge – der Kern ist die begleitende Musik mit Gesang. Unsere Handlungen sind belanglos, aber gleichzeitig so spezifisch, dass ein Druck auf die A-Taste ihnen nicht gerecht wird. Vielleicht wäre fünfminütiges, tatenloses Starren in einer U-Bahn kontemplativ stimulierend, gäbe es sowas wie ein Präsenzgefühl. Eventuell würden dann auch die Alltagsgeschichten faszinieren, deren oberflächliche Botschaft über „das Leben ist belanglos und deprimierend“ kaum hinausgeht.

95. Garden Story

Meine Entscheidung, Garden Story zu kaufen, war zu sehr davon geprägt, dass ich dort eine süße kleine Traube sein darf. Garden Story ist ein Hamsterrad generischer Botengänge mit deplatzierten Souls-like-Kampfelementen (!?). Dass Garden Story selbst bei High-End-PC-Grafikkarten (angeblich aus stilistischen Gründen) auf 30 fps limitiert ist und auf der Switch Schlieren am Display zieht, ist der Dolchstoß für den Rest Wohlfühlcharme.

94. Lake

Lake verfehlt haarscharf das „so bad, it’s good“. Schwer zu glauben, dass echte Menschen und keine Text-KI diese Dialoge verfasst haben. Das Konzept „Repräsentation des idyllischen amerikanischen Kleinstadtalltags“ hat Potenzial, verklebt aber in austauschbaren Klischees. Möglicherweise, weil das niederländische Team nicht qualifiziert war, über dieses Setting zu schreiben (auch in Bezug auf glaubwürdige englischsprachige Alltagsinteraktion).

93. Haru to Shura

Wenn dein Spiel visuell eine Stufe überm Atari 2600 liegt, schreibt du mich mit deinen Texten besser an die Wand. Haru to Shura ist ein weiteres minimalistisches 2D-Narrative-Adventure, das #schwereThemen behandelt. Suizid, Krebs- und psychische Erkrankungen abstrahiert durch Traumwelten und religiöse Konzepte. Wie viel Haru to Shura in seiner winzigen Kulisse vollbringt, ist beachtlich. In knapp zwei Stunden sehen wir nur eine Hand voll Bildausschnitte. Doch selbst die kurze Spieldauer wirkt durch nutzlose Sammelaufgaben und endloses Hin-und-Her-Gerenne hoffnungslos aufgebläht.

92. Tender: Creature Comforts

Die äußerst limitierten Fake-Dialoge mit Aliens im Tinder-Abklatsch sind der fehlgeleitete Versuch, Oberflächlichkeit und unerwartete Nähe in Dating-App-Kommunikation zu replizieren. Die überzeugende Präsentation der App sowie ihre Echtzeit-Push-Nachrichten lassen eine Ausführung erhoffen, die dem vielversprechenden Konzept gerecht wird. Letztlich machte mir das Peu-à-peu-Prinzip noch weniger Lust, belanglosen Smalltalk mit Aliens zu führen.

91. Oddworld Soulstorm

Lange mied ich die Oddworld-Reihe, weil ich Charakterdesign und Welt so abstoßend fand. Erst jetzt merkte ich: It’s not a bug, it’s a feature! Ich respektiere den Old-School-Ansatz des neuesten Ablegers, hatte aber schnell genug von den schleppenden Stealth-Passagen, deren pingelige Steuerung mich ständig zu Checkpoints zurückwarf, die zwar nur wenige Meter aber gefühlt mehrere Stunden zurücklagen. Die Hälfte des Stealth besteht – ganz 1990s – aus untätigem Lungern.

90. Bravely Default II

Die niedrige Platzierung potenzierte sich mit der enormen Zeit, die dieses erzkonservative JRPG aus meinem Leben stahl. Natürlich habe ich Bravely Default II nicht durchgespielt – nicht einmal zu Hälfte. Trotzdem bereue ich jede der mehr als zwanzig Stunden, die ich in diese seelenlose Blaupause eines Old-School-Rollenspiels gesteckt habe.

89. Aliens: Fireteam Elite

Eine dogmatische Platzierung, da ich das Spiel nur wenige Stunden gespielt habe: So gelungen Aliens (sprich: der zweite Alien-Film) als Alternative zum Horror-Ansatz des Originals ist – die Trivialisierung der Gefahr in James Camerons Film ist nichts gegen das Massaker, das die Menschen in Aliens: Fireteam Elite an den Xenomorphs anrichten. Das natürliche Ergebnis, wenn man das Alien-Franchise über den denkbar generischsten Squad-PvE-Shooter stülpt.

88. Maquette

Ein vielversprechendes Konzept, das sich in Trailern gut verkauft: Die Spielwelt beinhaltet fortwährend kleinere Miniaturen ihrer selbst. Wie ist es möglich, auf so einer Basis sämtliche Puzzles in den Sand zu setzen? Die Romanze, die im Hintergrund plätschert, versucht zumindest, etwas Profundes zu sagen, wirkt aber aufgesetzt.

87. Outriders

Das stark geskriptete Intro ließ Großes hoffen: Menschheit am Rande ihrer Existenz, mit wankender Hoffnung in eine neue Heimat. Soweit nichts, was Literatur nicht hundertmal erzählt hätte, aber meine Erwartungen einer interaktiven Erstkolonialisierung à la Xenoblade Chronicles X waren geweckt. Dann, nach einer Stunde Spielzeit: Zeitsprung in eine abstruse Welt voller Banden, Kulte, Magie und Völkerkrieg im Endstadium. Sehr viel Chaos, sehr viele Videospiel-Klischees. Nur allzu passend für den generischen Games-as-a-Service-Shooter, als der Outriders sich entpuppt.

86. The Legend of Tianding

The Legend of Tianding basiert auf der wahren Geschichte eines (entschuldigt die Simplifizierung) taiwanesischen Robin Hood des frühen 20. Jahrhunderts. Das Konzept ist lobenswert und frisch, die Comic-Zwischensequenzen geradezu luxuriös. Doch ist mir das Leben zu kurz für mittelmäßige 2D-Beat-em-Ups. Im Vergleich zu Guacamelee ist das Gameplay B-Ware und wirkt in seinem simplifizierten „Ich kloppe einfach alles nieder“ nicht wie die passende Ergänzung der Geschichte dieser realen Heldenfigur.

85. Dodgeball Academia

Dodgeball Academia hält die Sport-RPG-Fackel hoch, ist aber zu charmant für sein eigenes Gut. Es übernimmt alle Elemente, die mich an der heutigen Pokémon-Reihe stören: Leeres Zuckerwatte-Geschwätz, ein gutes „Kampfsystem“ (in diesem Fall Völkerball), das in zu vielen anspruchslosen Kämpfen ausbrennt und eine „Ich will der Beste sein“-Prämisse, die das Ende vorwegnimmt. Manche mögen das als Komfort-Features sehen, und darin ist Dodgeball Academia auch hervorragend. Doch die strikte Trennung von Gequassel, Erkundung und Gefecht ist eine Versäumnis. Der Mix von Sport und RPG gelang etwa Golf Story organischer.

84. Splitgate

Splitgates einziger Fehler war, im selben Jahr wie Halo Infinite zu erscheinen. Wäre die Portalmechanik (ja, Portale wie in: Portal-Gun) nicht nur etwas für High-Level-Play, hätte Splitgate sich besser abheben können. Für sich genommen war es im Internet-Konsens bereits vor Halo Infinite nur ein (überaus beeindruckendes) Halo-Fanprojekt.

83. The Artful Escape

Meterweit in seinem eigenen Hintern vergraben und voller fragwürdiger Plattitüden zur Selbstfindung. Und dann bin da noch ich, der Grinch, der Douglas Adams‘ Art von Humor nur ein bisschen lustig findet. Hübsch ist es ja; für drei Minuten macht es sogar Spaß, mit der Gitarre durch die Gegend zu klampfen. Der Rest ist Simon Says.

82. Gnosia

Among Us als Roguelike für Singleplayer… Geht das? Ja, vielleicht, aber nicht so. Da die Dialoge, bedingt durchs Roguelike-Konzept, zufallsgeneriert sein müssen, wirkt Gnosia von vorne bis hinten inkohärent. Den Gesprächen fehlt jegliche Menschlichkeit. Die bröckelnde Spachtelmasse dieser Risse ist der Fokus auf Charakter-Building mit Level-Ups und Zahlen. Among Us‘ größter Reiz – das Überlisten durch Kommunikation – geht verloren, wenn eine Excel-Tabelle die Überzeugungskraft entscheidet.

81. Paradise Lost

Mit alternativer Geschichte, in der die Nazis den zweiten Weltkrieg gewannen, lässt sich in Spielen noch viel mehr anstellen, als Wolfenstein bisher versucht hat – vor allem mit Setting in Mittel- und Osteuropa. Doch gibt die plätschernde Erzählung dieses Walking Simulators wenig zurück, das dem tonnenschweren historischen Unterbau gerecht wird.

80. Fight Knight

Das Punch-Out-inspirierte Kampfsystem hievt den First-Person-Dungeon-Crawler, ein antiquiertes und in seiner Darstellung traditionell unübersichtliches Genre, aus dem Scheintod. Die lächerliche Random-Encounter-Rate gepaart mit dem (nicht vorhandenen) Checkpoint-System treibt den Puls gleich wieder gen Null. Schade, dass der schreiend grelle Artstyle mit sexy Lo-Fi-Texturen – das wahre Highlight des Spiels – bei Fight Knight so verschenkt ist.

79. Genesis Noir

Zauberhafte Neuinterpretation expressionistischer Kunstströmungen aus der goldenen Ära des Jazz. Gepaart mit dem fabelhaften Soundtrack, der Cool Jazz und Modal Jazz der 1950er in sphärische Ebenen hievt, konnte doch kaum etwas schief gehen, oder? Die existenzielle Abhandlung der Geschichte der gesamten Galaxie in Verbindung mit einem schnöden Mordversuch findet nirgendwo so recht ihren Halt. Genesis Noir ist ein audiovisuelles Feuerwerk, das zwischen den Highlights einzuschlafen droht.

78. Ender Lilies

Beim Spielen hätte ich nie erwartet, dass Ender Lilies in dieser Liste so tief rutschen würde. Doch trotz des absolut soliden Metroidvania-Gameplays mit Souls-like-Kampfsystem… Ihr merkt schon an diesen beiden Buzzwords, wie austauschbar das Ganze ist. Auch ästhetisch pendelt Ender Lilies zwischen ausdrucksstark und unausgereift. Ich respektiere Ender Lilies, aber es langweilt mich.

77. Kena: Bridge of Spirits

Für Kena bemühe ich die berühmte Abstufung von Pixar zu Dreamworks. Oder läge ein Minions-Vergleich näher? Genauso handwerklich sauber und belanglos wie der Look ist auch das Gameplay. Dass dieses Action-Adventure vielen traditionellen Konventionen folgt, ist willkommen. Auch versucht Kena zumindest, das meiste aus seinen Mechaniken herauszuholen. Unterm Strich wirkt aber alles – vom gewichtlosen Kampfsystem bis zur müden esoterischen Erzählung – austauschbar und charakterlos.

76. Scarlet Nexus

Einfach ein sexy Spiel. Sexy Look, sexy Kampfsystem, Anime-Cyberpunk geht immer. Ein ganzer Duden wirrer Fremdwörter verbirgt irgendwo eine halbwegs originelle Handlung, würden die schablonenhaften Anime-Figuren nicht so generisch herausstechen. Als kurzes Platinum-Games-ähnliches Action-Abenteuer hätte Scarlet Nexus wunderbar funktioniert. Als JRPG voller Lore, gezwungenem Smalltalk, leerer Dungeons und mehreren Handlungssträngen leider kaum.

75. Far Cry 6

Von Beginn an hatte ich nicht die Absicht, Far Cry 6 tatsächlich durchzuspielen. (Ubisoft-Plus-Abo macht’s möglich.) Doch die Geschichte über Revolution und Bürgerkrieg verzerrte das Erbe Fidel Castros sogar noch plumper und einseitiger als erwartet. Die Flora der karibischen Insel ist so hübsch, ich wäre gern stundenlang wandern gegangen. Meine letzte Amtshandlung im Spiel war, mit einem Panzer einen Berg zu erklimmen und von dort mit dessen Kanone eine ganze Basis präzise wegzusnipern. Anschließend sind mein Panzer und ich die Klippen hinuntergekullert und beim Aufprall explodiert. Da wusste ich, aufregender kann es nicht mehr werden.

74. Lost in Random

Ich schätze die Werte, für die Lost in Random steht: Unschuldiges Action-Adventure im Stile der GameCube-Ära, Tim Burton’scher Light-Horror, kindgerechter Klassenkampf. Jedoch ist Lost in Random so träge, dass der Graus, es über mehrere Stunden zu spielen, größer ist als der Graus, sich in noch ein weiteres Deckbuilder-System einfuchsen zu müssen.

73. Riders Republic

Auch wenn es das schwächere Spiel ist, habe ich mehr Respekt vor Riders Republic als vor der x-ten Wiederverwertung der Forza-Horizon-Reihe. Beide Spiele teilen sich ihre peinliche Tonalität und toxische Positivität. Die Fahrzeuge allerdings – Mountainbike, Snowboard/Ski und Jet-Pack – bringen im Alleingang frischen Wind. Der Nervenkitzel eines Downhill-Mountainbike-Rennens aus der Ego-Perspektive ist atemberaubend, funktioniert aber nur für sich allein – nicht im überflüssigen Open-World-Multiplayer-Service-Gesamtkonzept.

72. Escape from Naraka

Escape from Naraka hätte das Potenzial zu einem der coolsten PS1-Revival-Platformer. Kreatives Leveldesign, anspruchsvoll ab dem ersten Level. Das südasiatische, mythologische Setting voller hinduistischer Ikonographie mitsamt entsprechendem Soundtrack ist ebenfalls ein Klischee der 90er – diesmal aber authentisch von einem indonesischen Studio umgesetzt. Und dann wählte dieses Studio eine First-Person-Ansicht für ihren Trial-and-Error-Platformer. Durch eben dieses Trial-and-Error sowie die behäbige Physik kommt am Ende – First-Person oder nicht – nie so richtig Schwung auf.

71. Balan Wonderworld

So schnell mir Balan Wonderworld auf die Nerven ging, so sehr respektiere ich es für seine radikale Designphilosophie und seinen Mut, keinen Gedanken an moderne Konventionen zu verschenken. Näher werden wir überambitionierten B-Games der sechsten Konsolengeneration nicht mehr kommen. Zumindest habe ich Balan Wonderworld früh genug abgebrochen, um seine Ecken und Kanten in wohliger Erinnerung zu behalten.

70. Recompile

Cyberspace-Settings sind voll mein Ding… bis ich drin bin und merke, dass alles gleich aussieht. Nicht so praktisch in einem verwinkelten 3D-Metroidvania. Welt-, Level-, Puzzle- und Gegnerdesign hinken den riesigen Ambitionen hinterher. Auch die Steuerung ist bei weitem zu wabbelig und gewichtlos für die Art Bewegung, die Recompile erfordert. Der Gesamteindruck ist unausgegoren, aber irgendwo muss die Indie-3D-Metroidvania-Strömung ja anfangen.

69. Industria

Hätte Industria nach seinem ersten Gebiet aufgehört, stünde es vielleicht höher in der Liste. Welch mieser Teaser, mit einem DDR-Mauerfall-Setting zu locken und kaum fünfzehn Minuten nach Einstieg in ein fiktives Steampunk-Setting zu wechseln. Wer die Entwicklungsgeschichte kennt, weiß, was für ein beeindruckendes Werk Industria gemessen an seiner Teamgröße ist. Dennoch täuscht das nicht darüber hinweg, dass sogar ein ähnliches spielerisches Konzept im realen (oder alternativ-realen) DDR-Kontext besser funktioniert hätte als im Rahmen dieser Half-Life-Hommage. Da Realität in Actionspielen noch immer unterrepräsentiert ist – insbesondere europäische – wäre Industria durch weniger Fantasie paradoxerweise einzigartiger gewesen.

68. Forza Horizon 5

Das „beste Open-World-Rennspiel aller Zeiten“, zum fünften Mal in weniger als zehn Jahren recycelt. Im Eifer, die ultimative Autofantasie zu schaffen, büßt die Reihe mit jedem neuen Ableger mehr Einzigartigkeit und Charakter ein. Der sanfte Rausch ohne Schlaglöcher bietet Befriedigung für ein Stündchen pro Abend… bis wir aufwachen und merken, dass es bessere Zeitvertreibe gibt, als schnörkellose Rennen zu fahren und verzweifelt die Radiostationen zu zappen, in denen zwei Songs der Foo Fighters noch zur Speerspitze des gewagten Geschmacks gehören.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

67. Jett: The Far Shore

Großen Respekt an die meisterhaft inszenierte Eröffnung dieses Sci-Fi-Kunstwerks, das kurz danach zunehmend weniger kunstvoll wird. Nach der ersten Stunde ufert die stilsichere Inszenierung in einem wabbeligen Sammelfest, das ungelenk zwischen Abstraktion und knallhartem Realismus wackelt. Der dauerhafte Hintergrunddialog, gepaart mit einer Fantasiesprache, die unsere Augen permanent auf kleine Untertitel zieht, lenkt bei der komplexen Bedienung des Raumschiffs so sehr ab, dass allein dieser Aspekt Jett für mich unnahbar machte.

66. Spookware

Das beste an WarioWare war schon immer das Stakkato verschiedener Microgames. Das schlimmste an WarioWare waren schon immer die nicht-überspringbaren Cutscenes und Dialoge. Wieso bläst Spookware also ausrechnet letztere überproportional auf? Für Unterhaltung sind die Light-Horror-Geschichten und ihre kleinen Hubs nicht flott und originell genug; für mehr fehlt die Tiefe. Die Microgames selbst, die höchstens fünf Prozent der Spielzeit einnehmen, sind originell, aber dadurch auch deutlich unzugänglicher und Trial-and-Error-lastiger als die in WarioWare.

65. Death’s Door

Wie schon Kena: Bridge of Spirits ist Death’s Door ein Kritiker*innenliebling, der vor allem dadurch glänzt, so wenig wie möglich anzuecken. Ein mittelmäßiges 2D-Zelda mit Souls-like-Kämpfen von der Stange ohne nennenswerte Highlights. Wenngleich viele den visuellen Stil loben, finde ich Death’s Door nicht einmal hübsch genug, um die restliche Belanglosigkeit auszugleichen. Denn auch die Optik wirkt an vielen Stellen zu generisch und glattgeleckt.

64. Chasing Static

Der subtile Grusel dieses Abenteuers in Wales entsteht vor allem durchs düstere Lo-Fi-Design und die übergreifende Tonalität. Die Geschichte selbst besteht aus Klischees über außerirdische Substanzen, Kommunikation mit verstorbenen Geliebten und driftet dann holprig in ein Vater-Sohn-Drama ohne ausreichende Herleitung ab. Der formlose unsichtbare Schrecken aus dem All (der uns nichts anhaben kann) schreit danach, stärker mit der titelgebenden Mechanik zu arbeiten: Das Radiogerät, mit dem wir statische Wellen jagen, dient ausschließlich als Radar für Lore-Schnipsel und vereinzelte Schlüsselgegenstände.

63. Minute of Islands

Bei wenigen Spielen dieser Liste haben mich die Längen so geärgert wie beim wunderschönen Minute of Islands. Das vierstündige Abenteuer braucht eine gewisse Zähe, damit die ambitionierte Geschichte rund um anstrengende Selbstaufopferung aufgeht. Doch bei genauer Reflektion ist die Fallhöhe dieses 2D-Walking-Simulators so flach wie mein Puls, als mir beim Spielen die Augen zufielen.

62. Deathloop

Das Katz-und-Maus-Spiel mit Zeitschleife ist eine schwache Trumpfkarte für den Ausgleich der Redundanz zu vorherigen Arkane-Spielen, die insgesamt fokussierter waren. In der Maus-Rolle gaukelt Deathloop tiefe, komplexe Investigation der Spielwelt vor. Im Chaos dieser Welt sind rigide Wegmarker fast unabdinglich und ruinieren gleichzeitig das Gros der Autonomie. Die Gegenposition der Jägerin erfordert tiefes Wissen der Spielwelt und Mechaniken, um zu halbwegs aufregenden Gefechten zu führen. In der Theorie sind Gefechte zwischen Deathloop-Profis adrenalinschwangeres 4D-Schach. Dieser Idealfall erfordert eine unverhältnismäßige Hingabe zum Spiel, das mehr als genug Strategien enthält, die tiefe Auseinandersetzung nicht voraussetzen.

61. Record of Lodoss War: Deedlit in Wonder Labyrinth

Schon Touhou Luna Nights begeisterte mich 2020 als grundsolides Metroidvania, mit dessen Anime-Kosmos ich absolut gar nichts anfangen konnte. Dass dieses Spiel mit noch seltsamerem Titel vom selben Team kommt, ist auf den ersten Blick deutlich. Diesmal habe ich gar nicht erst versucht, die Textboxen zu verstehen und einfach nur die wenig innovative, aber handwerklich hochwertige Retro-Action genossen.

60. Kaze and the Wild Masks

Hätte dieses Team die Lizenz für Donkey Kong Country bekommen, hätten sie einfach nur ein paar Sprites austauschen müssen und zack, da wäre das Retro-DKC-Revival. In mechanischer Finesse steht Kaze and the Wild Masks dem SNES-Vorbild in wenig nach. Doch fehlt hier die enorme Kreativität, die in herausragenden Platformern für Abwechslung sorgt. Insgesamt ist Kaze einer der besseren Throwback-Titel, erinnert aber auch daran, wieso die Klassiker eben die Klassiker sind.

59. Persona 5 Strikers

Nur die Persona-Reihe schafft es, ein Dynasty-Warriors-Spin-Off mit Stunden voller Dialoge aufzublasen. Tatsächlich liefert Persona 5 Strikers die mit Abstand beste Musou-Geschichte (niedrige Messlatte) und Persona-Spin-Off-Geschichte (ebenfalls ziemlich niedrig). Während alltägliches Geplänkel im originalen Persona 5 die sinnvolle Ergänzung zum JRPG-Worldbuilding war, ist das Verhältnis zwischen hartem Plot und Quasselei bei Strikers unausgeglichener. Das Kampfsystem, bzw. die Musou-Schlachten, passen unerwartet gut zur Persona-Basis; sie bringen aber auch die üblichen Musou-Schwächen wie viel zu lange HP-Leisten mit sich.

58. Townscaper

Kleine Stadtlandschaften aus dem Nichts zu kreieren ist nicht nur haptisch befriedigend, sondern auch kreativ stimulierend. Wie niedrigschwellig dieser kreative Anspruch ist, ist die große Stärke von Townscaper. Wie ein LEGO-Bauwerk, das einmal aufgebaut nur noch ästhetischen Wert besitzt, hat auch Townscaper eine äußerst geringe Halbwertzeit, die zusätzlich leidet, weil wir unser virtuelles Bauwerk nicht im Regal ausstellen können.

57. Teocida

Die sexualisierte okkulte Symbolik ist eine ästhetisch herausragende Tapete für (zumindest relativ gesehen) deutlich weniger gewagte 2D-Puzzle- und Präzisions-Platformer-Mechaniken. Die Undurchschaubarkeit, die sich quer durchs Spiel zieht, prägt die dichte Atmosphäre, macht Teocida aber an wichtigen Stellen unnahbar. Besonders die Hub-Puzzles, deren Rätsel daraus besteht, die Regeln, nicht die Lösung zu erraten, verloren mich immer wieder.

56. Emily is Away <3

Wie schon bei den Vorgängern bleibt die größte Stärke die Illusion einer interaktiven Online-Kommunikationserfahrung. Die Quasi-Visual-Novel im Vordergrund bleibt nach wie vor – im positiven wie im negativen Sinn – alltäglich. Mehr als in anderen Spielen dieser Art fällt auf, dass reine Online-Kommunikation die Lücken der komplett ausgesparten Real-Life-Interaktionen zwischen Charakteren nicht füllen kann. Dennoch verbrachte ich gerne Zeit im fürs Spiel aufbereiteten Fake-YouTube mit Memes und Musikvideos von 2008.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

55. Say No! More

Das Spielprinzip ist simpel, die Botschaft übermäßig simplifiziert. Dennoch behält Say No! More die Faszination eines quirligen Kurzfilms (der natürlich trotzdem Spielfilmlänge hat, weil Videospiele andere Maßstäbe kennen). Die einzige spielerische Expressivität besteht darin, zu entscheiden, auf welche Weise wir Mitarbeitenden und Vorgesetzten NEIN entgegenbrüllen. Ob wir sie vorher auslachen, eine Reaktion antäuschen… Die Qualität der Texte, die alle nur den einen (guten) Zweck propagieren, trägt kaum über mehr als eine Stunde. Schnell ist klar, was Say No! More sagen möchte; das Wie ist nur noch in den Höhepunkten interessant. Doch jede halbwegs originelle Kritik an Corporate Culture ist für mich ein Plus in der Medienlandschaft.

54. Hitman 3

Nach meiner Platzierung von Forza Horizon 5 traue ich mich dasselbe bei Hitman 3: Hohes Niveau, aber immer dasselbe. Ja, Hitman 3 versucht sogar, zu innovieren – zum Beispiel in seiner Detektivmission im englischen Anwesen. Je mehr Experimente die Hitman-Reihe jedoch wagt, desto deutlicher wird mir, wie rigide die jeweiligen Gerüste in diesem sehr komplexen Wald aus Gerüsten sind. Seit Teil 1 spüre ich eine haptische Distanz zwischen mir und Agent 47, die größer ist als bei den meisten anderen Spielcharakteren, die ein simpleres Aktionsportfolio besitzen. Die Magie der Reihe nutzt sich für mich so zunehmend ab.

53. ExoOne

Auf dem Papier sollte ExoOne mir herausragend gefallen: eine einsame Weltraumreise in naher Zukunft auf komplett absurden Planeten fernab jedweder realistischer Erkenntnisse. Obendrein komplett gewaltfrei, aber dennoch expressiv in der rasanten, ballistischen Fortbewegung, die so außerirdisch scheint, dass es sie so in kaum einem anderen Spiel bisher gegeben hat. Trägt das Ganze aber über die gesamte Spieldauer mit ihrem nur äußerst spärlichen Storyfutter? ExoOne ist so Zen, dass ich mehrmals dabei eingeschlafen bin.

52. The Medium

Was ein deutlich runderes Projekt hätte werden können, strauchelt an den typischen Schwächen des Studios: Zu wenig dramaturgische Dynamik selbst über kurze Spielzeit, gepaart mit einem Tick zu viel Abstraktion der behandelten Themen, die das Ganze unnahbar macht. Bis aufs bloße Vorhandensein bestimmter Sujets (Holocaust, Kindesmisshandlung) bleibt am Ende wenig hängen. Der Verzicht auf gewaltvolle Mechaniken in einem AA(A)-Horrorspiel ist lobenswert. Selten habe ich ein paar Kämpfe, die den Brei auflockern, jedoch so vermisst wie zwischen diesen behäbigen Rätseln, Schleich- und Laufpassagen. Die rettenden Faktoren sind das exzellente audiovisuelle Design, die dadurch entstehende Atmosphäre und das unverbrauchte polnische Setting.

51. Demon Turf

Endlich ein moderner 3D-Platformer, der Marios Seitwärtssprung kennt! 3D-Mario ist ein gutes Stichwort, denn erneut wird (durch ein Negativbeispiel) deutlich, wie absurd gut Super Mario 64 sein Handling vor 25 Jahren im ersten Anlauf getroffen hat. Demon Turf ist einer der besseren Versuche, erreicht aber genau so wenig die Mario-Dynamik wie nahezu alle anderen 3D-Platformer der letzten 15 Jahre. Wie in vielen anderen Fällen dient der Doppelsprung als Krücke für mittelmäßige Physik und raubt so die Spannung. Die vielen schwebenden Gebilde und Plattformen riechen sehr nach Levelbaukasten; immerhin entstehen so aber knackigere Herausforderungen. Charakter hat Demon Turf dennoch… auch wenn der nervigste Soundtrack seit Yoshi’s New Island dazuzählt.

50. Tales of Arise

Gemessen an den Stunden, die Tales of Arise fordert, ist es der ärgerlichste mittelmäßige Zeitfresser dieser Liste. Dabei fing es vielversprechend an: Eine JRPG-Story, die sich ausnahmsweise traut – wenn auch simplifiziert – über Probleme der realen Welt zu reden; das mit Abstand beste Kampfsystem der Reihe, das sogar in der zweiten Spielhälfte nur ein bisschen langweilig wird. Doch dann bricht das Kartenhaus nach dreißig Stunden in sich zusammen und offenbart, dass der schleppende Rest von Tales of Arise doch nur ein weiteres JRPG ist, in dem Rassismus, Faschismus und alle anderen -ismen in einer Gottheit wurzeln. Rückblickend untergräbt dieser Twist ein Spiel, dessen hanebüchene Klischee-Dialoge und -Charaktere auf dem Rücken des Plots über sich hinauswuchsen.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

49. WarioWare: Get it Together!

WarioWare ist eine der meistunterschätzten und genialsten Spielereihen auf diesem Planeten. Dieser Basis allein ist zu danken, dass auch der neueste Ableger in der Mitte dieser Liste rangiert. Das absurd-ästhetische Feuerwerk ist heute homogenisierter als noch vor 15 Jahren, büßt aber kaum Charme ein. Stil und Spielkonzept sind so wild und einzigartig wie eh und je. Doch vor allem letzteres strauchelt aufgrund einiger fundamentaler Entscheidungen des neuesten Ablegers. Der Ansatz, mehr als ein Dutzend Charaktere zum „Cursor“ der Mikrospiele zu machen, funktioniert im Singleplayer noch halbwegs, mangelt aber an der haptischen Eingängigkeit der Wii- und DS-Ableger sowie der radikalen Simplizität des Originals. Während im Singleplayer bereits Chaos entsteht, sorgt das enigmatische Verhalten der einzelnen Charakter-Cursor für unüberwindbare Lernhürden in spontanen Multiplayer-Sessions mit Unerfahrenen. Chaos war immer Teil der Formel, jedoch nicht auf einer Makroebene. Es ist unfassbar, dass das Original auf dem GameCube bis heute der einzige Ableger der Reihe mit anständigem Multiplayer-Modus ist.

48. Cyber Shadow

Es ist eines dieser Spiele: Knallharte 2D-Action mit rasantem Gehüpfe, Geschlitze und Geballer. Cyber Shadow schwankt insbesondere in der zweiten Hälfte zunehmend ins Territorium des Frusts. Da die Erfahrung bis dorthin aber so packend und rund war, dass es mich überraschte, wieso Cyber Shadow nicht langsam den Deckel zumacht, ärgerte ich mich nur wenig, vor dieser Schwierigkeitswand stehenzubleiben.

47. Knockout City

Die Umsetzung von Völkerball als Arena-Shooter ist so perfekt umgesetzt, fühlt sich so organisch an, dass ich bis heute an Knockout City denke. Schnell hatte ich beim ersten Spielen jedoch das Gefühl, ein erstes Plateau der schnörkellosen Mechaniken erreicht zu haben. Dies, gepaart mit dem intensiven Dauerschweiß der stressigen Gefechte (und vielleicht einigen Sportunterricht-Flashbacks), sorgte dafür, dass ich mich seit Launch nicht überwinden konnte, Knockout City noch einmal zu starten.

46. Resident Evil Village

Resident Evil VIII lebt von seinen Highlight-Momenten. In seinen Talfahrten ist RE8 ein durchschnittlicher Survival-Shooter, der nie so geölt von der Hand geht wie wir es von der Reihe gewohnt sind. Insbesondere nach dem göttlichen Level-Design des Resident Evil 2 Remakes fällt auf, wie sehr RE8 nach Minimalprinzip arbeitet. Wie schon RE7 biedert es sich etlichen Horror-Trends der letzten Jahre an und erliegt dem Stress, am selben Abend auf mehreren Feiern zu tanzen.

45. Unpacking

Hinter der Feelgood-Fassade verbirgt sich überraschend effektives Storytelling darüber, wie verschiedene Wohnsituationen das Leben der Protagonistin beeinflussen. Die Kernmechanik – das Auspacken von Umzugskartons – ist originell und leidet einzig darunter, dass Umzüge auch per Mausklick zäh sind. Die narrativen Nuancen sind zu verstreut, um die Mühen der späteren Großimmobilien zu rechtfertigen.

44. Overboard

Das zweite „Among Us, aber für Singleplayer“ dieser Liste. Overboard ist deutlich weniger experimentell als Gnosia. Die circa viertelstündige Zeitschleife, in der wir versuchen, mit dem Mord des eigenen Gatten durchzukommen, zeigt aber, dass weniger in diesem Fall mehr ist. Die Navigation des Kreuzfahrtschiffs, geschicktes Zeitmanagement und klassische Multiple-Choice-Dialoge machen Overboard zur packenden interaktiven Agatha-Christie-Hommage. Ungeschoren davonzukommen ist etwas zu einfach und sogar im ersten Anlauf keine große Herausforderung. Andere Charaktere gegeneinander auszuspielen, um den perfekten Mord zu schaffen, offenbart jedoch Komplexität.

43. Mighty Goose

Wie schon bei Cyber Shadow: Was konservativ aussieht, erfordert viel Perfektion im Detail, um so rund zu funktionieren. Dieses 2D-Run-and-Gun setzt dabei weniger auf überbordende Herausforderungen als auf geradlinigen Spielfluss mit Vorwärtsmoment, das binnen zwei Stunden im Finale gipfelt. Die Gans als Protagonist riecht nach stumpfem Meme-Humor, funktioniert aber im absurden Gesamtkontext.

42. UnearthU

Eine experimentelle Wellness-App zur Persönlichkeitsoptimierung, die im Verlauf der siebentägigen Anwendungsphase ihre eigenen Werte unterwandert. Ein Highlight ist der Recycling-Look, komplett aus frei verfügbaren digitalen Assets. Kern des Spiels ist die Fake-KI, die in Gesprächen mit uns ihre menschlichen Wurzeln erkennt. Sie merkt auch, dass Selbstoptimierung nach Plan ein menschlich unrealistisches Konstrukt ist. Solides Konzept, schwankende Umsetzung – auch formbedingt. UnearthU fordert täglich zehn Minuten für die Wellness-Erfahrung. Doch ist das Gros der App – Atemübungen, Motivationsfilmchen und Co. – unausgegoren und oberflächlich. Am Ende stand ich mit dem Smartphone an der Rossmann-Kasse las im Turbo die existenziellen Botschaften, die unerwartet aufkeimten. Dieser Trojanisches-Pferd-Ansatz ist das Faszinierendste an UnearthU.

41. Ghosts n‘ Goblins Resurrection

Wenige Spiele replizieren so beachtenswert die Stärken knallharter Retro-Action. Jeder Abschnitt, jeder Kampf scheint in Millimeterarbeit gemeißelt, für den perfekten Mittelweg zwischen Fairness und Verzweiflung. Jenseits des schieren Überwindens dieser Herausforderungen fehlt mir die Motivation, die extremen Mühen auf mich zu nehmen. Wenig Katharsis, kein „gorgeous view“. Die Level sind dauerhaft gut designt, bieten in ihrer Konsequenz aber wenig Luft zum Aufatmen.

40. The Invisible Hand

Sieht aus wie eine unangenehm überkomplizierte Wirtschaftssimulation, ist aber eine absichtlich(!) unangenehm überkomplizierte Geschichte über den Alltag an der Börse. Mit vier In-Game-Monitoren, etlichen Kurven, Tickern und Balken bietet The Invisible Hand mehr Reizüberflutung als jeder reale „Fake-it-til-you-make-it“-Büro-Job. Die virtuellen Vorgesetzten und Mitarbeitenden sind nicht nur völlig in ihrer Karriere gefangen, sondern auch menschliche Müllsäcke. Klingt furchtbar? Funktioniert aber, weil das Spiel geskriptet durch seine Absurditäten schleust und Tutorials exakt so viel Zeit einräumt, dass stets ein Mü Überforderung bleibt.

39. Everhood

Der schwarzlastige, minimalistische Pixelstil, die Kämpfe mit Quick-Time-Events und die eigensinnige Tonalität schreien regelrecht Undertale. Dass der Rhythmus der Musikduelle das Abfeuern der Projektile definiert – nicht den Ausweich-Rhythmus – verhindert tanzenden Input am Controller. Musik und Muster der Kämpfe vermitteln erfolgreich die Persönlichkeit des jeweiligen Gegenübers. Der zentrale moralische Twist, am Ende sämtliche NPCs töten zu müssen, ist keine Entscheidung. Mangels alternativer Optionen (das Spiel zu beenden ausgenommen) verfehlt Everhood das Gewicht der Autonomie eines Undertale.

38. Stonefly

Bis auf den atemberaubenden Look ist nur Weniges an Stonefly wahrlich herausragend. Doch ist es eine Kunst für sich, die Seele eines simplen PS2-Action-Adventures mit so vielen subtilen eigenen Ideen anzureichern, dass sie auch im Jahr 2021 frisch scheint. Die zurückhaltende, aber herzliche Geschichte über eine Tochter, die mit den Erwartungen ihres Vaters auf gleich mehreren Ebenen im Konflikt steht, vollendet dieses unscheinbare Werk.

37. Olija

Viele jüngere 2D-Spiele versuchen, das Gefühl von Präsenz, die Illusion einer echten Welt von AAA-Abenteuern zu adaptieren. Wenige schaffen es so gut wie Olija, solche Immersion nicht durch mehr Lore und Text, sondern durch kohärentes, holistisches Design zu erzeugen. Dass Olija nicht nur als minimalistische Kolonialgeschichte, sondern auch als saubere 2D-Action funktioniert, gibt dem Kleinod den letzten Schliff.

36. New Pokémon Snap

Als Kind der 90er werde ich ewig mit Pokémon indoktriniert sein. Ein Glück, dass die größte popkulturelle Franchise der Welt mehr als genug Anlaufstellen abseits der strauchelnden Hauptreihe bietet. New Pokémon Snap präsentiert die Kreaturen so detailliert und liebevoll wie kein Spiel zuvor. New Pokémon Snap ist abnormal süß, tiefenentspannt und weiß, diese Muskeln spielen zu lassen. Einzig der Versuch, die berüchtigt kurze Spielzeit des N64-Originals aufzuplustern, streckt unnötig die übergreifende Struktur.

35. The Good Life

The Good Life glänzt mit ähnlichen Stärken wie Animal Crossing: herzliche Charaktere, entspannte Vibes und süße Tiere. Es verschweigt dabei allerdings nicht, wie unmöglich es ist, als junger Mensch den Kapitalismus zu schultern. Die Dialoge treffen den idealen Grad zwischen Absurdität und Satire. Der Life-Sim-Aspekt nimmt sich im Verlauf zu ernst und kollidiert mit dem prähistorisch primitiven Quest-Design. Die stupiden Sammelaufgaben haben einen unschuldigen Charme – zumindest eingangs. Doch ergibt Grind als narratives Vehikel ein Spiel, das ebenso anstrengend ist wie der moderne Alltag, den es kritisiert.

34. The Gunk

Neben der üppig modellierten Flora des Planeten glänzt The Gunk mit seiner mitreißenden Geschichte über zwei Space Scavenger. Das latent eintönige Action-Adventure profitiert immens vom dauerhaften Wortwechsel zwischen den Charakteren, der ihre Beziehung in Höhen und Tiefen lenkt. Auf einem mit mysteriösem Schleim überzogenen Planeten finden die beiden eine vergessene Zivilisation. Aus dem Zwiespalt ihrer Verantwortung gegenüber diesem Planeten, seiner Natur und Kultur, aber auch ihrer eigenen gesundheitlichen und finanziellen Unversehrtheit entsteht ein glaubwürdiger emotionaler Konflikt.

33. Ratchet & Clank: Rift Apart

Die oberflächliche Formvollendung führte fast zu einem noch höheren Platz… bis ich merkte, dass bei aller haptischen und kinetischen Befriedigung wenig hängenblieb, das einen tieferen Eindruck hinterließ. Rift Apart ist die Definition von Popcorn-Kino, dessen Zucker bis in die Schultertasten des DualSense dringt. Dass ein Blockbuster dieser Art so familienfreundlich daherkommt, ist erfrischend genug, dass Ratchet & Clank als Überlebende einer vergangenen Ära zumindest in dieser Hinsicht herausstechen.

32. Bowser’s Fury

Bowser’s Fury als gewagt kurzes 3D-Mario finde ich auf dem Papier großartig. Die Reihe probiert in diesem kleinen Rahmen unkonventionelle Ideen, die als Blockbuster kaum den Pitch überstanden hätten. Doch wird deutlich, dass die Kompaktheit auch Charakter kostet. Spielerisch exzellent, doch weitestgehend entseelt ist Bowser’s Fury das Anti-Mario-Sunshine.

31. Loop Hero

Das geniale Konzept ist seine eigene Nemesis. So suchterregend und hypnotisierend die Schleife zu Beginn ist, so schnell wird Loop Hero zur Tretmühle. Dass es als buchstäblicher Selbstläufer – etwas Routine vorausgesetzt – im frühen Run-Verlauf nur wenig Hirnschmalz erfordert, rückt das Hamsterrad ins Rampenlicht. Viel Negatives, das dank der Eleganz des Grundkonzepts weniger ins Gewicht fällt.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

30. The Vale: Shadow of the Crown

Ein Action-RPG, das komplett ohne Bild auskommt und für Sehbeeinträchtigte somit uneingeschränkt genießbar ist. Dass und wie es dies schafft, ist für Unbeeinträchtigte in vieler Hinsicht spannender als das Ergebnis. Eine interaktive Annäherung daran, wie es sich anfühlt, ohne Augenlicht zu leben, bietet The Vale nur bedingt. Dafür nimmt es uns zu viele Aufgaben ab. Audiobasiertes Laufen sowie (unglaubwürdig) simple, audiobasierte Schwertkämpfe bilden das Gros der Interaktion. Dass The Vale trotz des Gefühls eines vollwertigen Spiels einige Kompromisse eingehen muss, dürfte auch den Limitationen der Eingabegeräte geschuldet sein.

29. Chicory: A Colorful Tale

Chicory brilliert nicht wegen, sondern trotz seiner experimentellen Pinselmechanik. Das dauerhafte Farbeklecksen verpasste mir nach kurzer Zeit einen Tennisarm und fungiert in der Praxis zu häufig als glorifizierter Cursor oder abstrahiert unnötig simpelste Fähigkeiten. Trotz überkomplizierter Werkzeuge schafft Chicory eines der besseren Zelda-likes mit erbauender Geschichte übers Hochstapler-Syndrom im Weltuntergangsmaßstab.

28. Sable

Feine Linien, satte Farbflächen, Animationen, die Regeln gleichmäßiger Framerate elegant ignorieren – Sable ist visuelle Meisterklasse. Das Open-World-Coming-of-Age-Abenteuer zügelt Motoren, Schritte und Textboxen in einen samtigen Flüsterton, der die Reise melancholisch färbt. Keine Gewalt, keine dramatischen Risiken außer der Unsicherheit der eigenen Selbstfindung. Dass die Quests im konventionellen Sinne eher alltäglich und belanglos sind, führt dazu, dass viele Stärken von Sable erst rückblickend deutlich werden.

27. Cruis’n Blast

Arcade-Racer dieser Gattung suchen wir heute mit der Lupe. Spätestens nach dem turmhohen Sprung von einer Klippe, unter der ein Flugzeugparkplatz im Erdboden versinkt, während Dinosaurier mit UFOs wettlaufen, wird klar: Hier geht es buchstäblich um mehr als Autorennen. Bei all dem Irsinn bleibt Cruis’n Blast ein mehr als kompetenter Fun-Racer mit angenehmer Lernkurve, die etwas zu sehr auf Snake-Drifting à la Mario Kart DS thront. Das Gesamtwerk ist deutlich geschliffener, als die ungezügelte Kreativität, die Cruis’n Blast förmlich zu sprengen droht, vermuten lässt.

26. Adios

Allein die minimalistische Bescheidenheit – gewonnen aus der unscheinbar komplexen Verwebung sämtlicher Elemente – vermittelt prägnant die Kernbotschaft der Geschichte: „Ich will raus aus diesem kriminellen Geschäft; wenn ihr mich dafür umbringt, was juckt mich das?“ Die Gegenseite präsentiert ihr Argument mit solch höflicher Unaufdringlichkeit, dass Adios zu einem stillen Schlagabtausch zweier Philosophien über den Wert und den Schmerz des Lebens verkommt. Die Krux ist, dass in diesem eleganten Minimalismus die Interaktivität in den Hintergrund tritt. Verstärkt eingesetzt hätte diese Adios von einer nachdenklichen Erzählung in ein wahrlich großartiges Videospiel verwandeln können.

25. The Eternal Cylinder

Der schiere Anblick des titelgebenden unendlichen Zylinders riecht nach Ikonografie für die Ewigkeit. Die feurig glühende Walze, die – wie überdimensioniertes Geschenkpapier – eine gesamte Welt aufrollt, zerquetscht und in sich begräbt… Atemberaubend. So unaufhaltsam dieser Zylinder rollt, liegt der Ausweg nicht im Kampf, sondern in der Flucht. Das größte Potential verschenkt The Eternal Cylinder dabei, den Zylinder immer wieder anzuhalten, statt uns dauerhaft nach vorne zu treiben und eine Welt kontinuierlicher Verzweiflung zu schaffen. Das Survival-Gameplay und seine flexible Evolution abstruser Kreaturen ist auch in sich originell genug, um durchs Spiel zu tragen. Immer wieder gibt es Höhepunkte, deren reine Bildgewalt den Atem stocken lässt.

24. Guardians of the Galaxy

Es gibt keine Mission in Guardians of the Galaxy, die nicht zu lang ist. 90 Prozent der Kämpfe – so solide das Kampfsystem auch ist – sind Füllmaterial. Doch genau diese Längen fungieren als Leinwand für die irrwitzig unterhaltsamen Dialoge. Guardians of the Galaxy hält über 18 Stunden nie die Klappe und kommt damit durch. Das meterdicke Skript übertrumpft die tatsächlichen Guardians-Filme in jeglicher Hinsicht. Zur Mitte verlieren sich die Dialoge kurzzeitig in überzogenem Streit und kindischen Neckereien. Die zweite Spielhälfte bügelt diesen Ausbruch mit ungeahntem emotionalem Feingefühl aus.

23. Nix Umbra

Endlose Beklemmung in einem pechschwarzen Wald. Die einzige Lichtquelle: Ein Schwert, das auf wenige Sekunden begrenzt leuchtet. Schemenhafte Totenköpfe und andere düstere Kreaturen sorgen für permanenten Verfolgungswahn. Wie viel Nix Umbra mit seinen Mitteln erreicht – noch dazu in Runs, die selten mehr als fünf Minuten dauern – macht es zum kurzweiligen Horror-Geheimtipp voller Geheimnisse.

22. Before Your Eyes

Jacob Geller sagte, Before Your Eyes fühle sich an wie die Kulmination jahrelanger Evolution des Konzepts „Augenblinzeln als Eingabemethode“. Es implementiert unseren Lidschlag nicht nur natürlich, sondern auch symbolträchtig in seine Geschichte über die Vergänglichkeit des Lebens. Diese profitiert von der mechanischen Symbolträchtigkeit und hat mich zumindest am selben Abend noch beim Einschlafen beschäftigt. Die Form heiligt die andernfalls formelhafte Substanz.

21. Axiom Verge 2

Axiom Verge 2 konnte nur in zwei Richtungen gehen: Belangloser Nachzügler in einem zunehmend überfluteten Trend? Oder Klassenbester, der das ursprüngliche Konzept perfektioniert? Axiom Verge 2 tendiert zu Letzterem, bleibt aber experimentierfreudig. Es setzt seinen Fokus fernab der Action und ertränkt uns derartig in spannenden Erkundungsmechaniken, dass ein Milliliter mehr das Haus niedergerissen hätte. Axiom Verge 2 ist überbordend; vor allem die Akklimatisierung mit der Parallelwelt erfordert Gedanken-Flic-Flacs. Doch es beweist auch, wie viele neue Ideen für 2D-Metroidvanias noch existieren. Wir kennen sie eben nur noch nicht.

20. Eastward

Wenige Spiele replizieren so souverän das Gefühl, das die großen SNES-Klassiker damals bei Kindern ausgelöst haben – mit zauberhafter moderner Pixelart, die diesen Effekt in die Gegenwart trägt. Die Spielwelt zwischen Dystopie und Postapokalypse verpasst Klassenkampf und Naturkatastrophen eine magische, naive Färbung. Das häufig ausartende Geplänkel ist emblematisch für den Charme von Eastward, saugt aber den Wind aus den Segeln. Eastward ist dann packend, wenn es Dialoge nuanciert einstreut und die Vaterfigur-Mädchen-Kombi von einem Zelda-Mini-Dungeon in den nächsten schickt. Das passiert häufiger, je länger die Charaktere in einer Stadt verweilen – je besser also das aktuelle Szenerio etabliert ist, weil ellenlange Dialoge bereits Vorarbeit geleistet haben.

19. The Chameleon

Der Kontext legt die Messlatte. The Chameleon ist kaum zwei Stunden lang, liefert in diesem Rahmen jedoch den Vertical Slice dessen, was ein vollwertiges Videospiel braucht. Bündige Level- und Charakterprogression, effektive wortlose Dramaturgie, packende visuelle Inszenierung – endlich kopiert ein Spiel die richtigen Elemente des mutmaßlichen Vorbilds Kino: Essenzielle Elemente und Stärken wohl portioniert in Spielfilmlänge zu pressen.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

18. Boomerang X

Boomerang X ist eines der wenigen Spiele, die mich 2021 noch rein mechanisch vollends begeisterten. Die Highspeed-Wurfstern-Shooter-Action, bei der im späteren Spielverlauf kein Fuß mehr auf dem Boden bleibt, war ein Rausch sondergleichen. Die Fortbewegung, allein durch Teleport zum fliegenden Bumerang, ist ein Genuss und funktioniert aus dem Stegreif. Ab einem gewissen Punkt sind WASD komplett überflüssig. Dass Boomerang X nach zwei Stunden kontinuierlicher Eskalation den Schlussstrich zieht, führt dazu, dass es keinen Leerlauf durch Wiederholung gibt.

17. Critters for Sale

Die albtraumhaften Vibes dieser dadaistischen Visual Novel, die quer durch Kulturen und Geschichte zappt, trägt die Handschrift der nihilistischen Ecken des gegenwärtigen Internets. Als Spiel brilliert Critters for Sale weniger durch gewiefte Interaktivität als durch seine distinkt spiel-eigene monochrome Lo-Fi-Ästhetik, die das Gefühl retro-futuristischer Entfremdung unterstreicht.

16. Inscryption

Allein der erste Part ist so stark, dass er für sich allein als verheißungsvolles Kartenspiel mit überraschenden Extras überzeugen könnte. Der Cocktail danach überzeugt vor allem als Versuch aus Prinzip sowie als ästhetisches Experiment. Sogar der bemühte Humor funktioniert als eine der besseren Aneignungen des Konzepts Creepypasta.

15. Shin Megami Tensei V

Shin Megami Tensei V ist ein besserer 3D-Platformer als die meisten modernen 3D-Platformer. Es ist das erste JRPG, das mittels komplexer vertikaler Levelarchitektur annähernd den Wiedererkennungswert eines Dark Souls erreicht. Wie in Dark Souls forciert der Schwierigkeitsgrad auch hier die gründliche Auseinandersetzung mit der Welt und verleiht ihr damit Bedeutung. Über allem thront der einzigartige düstere Stil der Reihe. Dass Plot und Dialoge ein Schattendasein fristen, ist für mich neben den vielen erzählerisch enttäuschenden JRPGs eher Vorteil als Makel.

14. Solar Ash

Seit Sonic Adventure 2 haben Schwebeschuhe und Rail-Grinding nicht mehr so viel Spaß gemacht. In seinem ersten 3D-Anlauf trifft das Studio die perfekte Bewegungsphysik auf den Kopf. Hyper Light Drifters Mystik trifft die ehrfurchterregende Statur von Shadow of the Colossus. Dabei bleibt Solar Ash angenehm niedrigschwellig, fast simpel. Die Faszination liegt im Spielgefühl und überzeugt durch dessen Brillanz umso mehr.

13. Metroid Dread

Metroid Dread zeigt, dass das Urgestein auch im heute überfluteten Genre starke – wenn auch wenige neue – Impulse setzen kann. Action und Steuerungsgefühl sind besser als je zuvor – die Spielwelt selbst lenkt uns subtil und raffiniert, beinhaltet aber viel heiße Luft, sobald die kühlen EMMI-Räume geleert sind. Als zwanzig Jahre verspätete Fortsetzung zur Hauptreihe setzt Metroid Dread auf die Art Science-Fantasy-Chozo-Lore, die das narrative Gerüst der Reihe nach Metroid Fusion verwässert hat. In diesem Fall so weit, dass vorherige Spiele rückwirkend erzählerisches Gewicht verlieren.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

12. Nuts

Starke, gewaltfreie Spielkonzepte, die weder in formelhafte Puzzles ausarten, sind noch immer Mangelware. Nuts präsentiert ein besonders unverbrauchtes Konzept, das in vereinfachter Form den Alltag und die Aufgaben einer Fährtenleserin für Wildtierüberwachung einfängt. Expressive Farben schaffen eine Naturidylle, die wir vor einem großen Bauprojekt retten. Detektivische Beweisfotos der Eichhörnchenpfade sollen das Naturschutzgebiet rechtfertigen.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

11. It Takes Two

Hat sich je ein Spiel so ins eigene Bein geschossen wie It Takes Two und seine völlig weltfremde, toxische Geschichte über ein Ehepaar, das auf fragwürdige Weise Harmonie wiedererlangt? Unter dieser holprigen, problematischen Erzählung verbirgt sich eine kreative Wundertüte, die wie kaum ein anderes Spiel eine wahnwitzige Fülle abwechslungsreicher Level und immer wieder neuer Koop-Mechaniken über uns ergießt. It Takes Two gehört zum einen Prozent der Spiele, die kontinuierlich so unterhaltsam und überraschend sind, dass ich traurig war, den Abspann zu sehen.

10. Halo Infinite

Wer hätte gedacht, dass Open-World-Shooter so grandios sein können, sofern sie sich ein wenig zügeln und die Schießereien tatsächlich Spaß machen? Halo Infinite verfeinert Waffen- und Gegnerdesign im Detail, sodass die Gefechte auf höheren Schwierigkeitsgraden einem Doom Eternal in nichts nachstehen. Der Enterhaken überwindet nach ein paar Upgrades buchstäblich die vertikalen Levelgrenzen. Und dann ist da noch der Multiplayer. Der beste seit Halo 3, mit ungebrochener Dynamik, dem bisher aufregendsten Set vielseitiger Waffen und selbstbewusster Austerität im traditionsreichen Gesamtkonzept.

9. Black Book

Russische Mystik und Folklore mit Atmosphäre so dicht wie der Nebel über den Baumkronen. Die Spannung zwischen Christentum, völkischen Legenden und anderen Glaubenskonstrukten schafft eine faszinierende Welt mit Wurzeln im bodenständigen Dorfleben des Russlands der Zarenzeit. Black Book belohnt Lore-Wissen sogar in Dialogen mit EXP – nicht, dass ich diesen Anreiz gebraucht hätte. Zudem ist Black Book endlich mal ein Kartenspiel ohne Roguelike-Ansatz… und dann stapeln sich die Mechaniken im Verlauf der langen Kampagne, bis sie mir über den Kopf wachsen.

8. Psychonauts 2

Psychonauts 2 beeindruckte mich mit seiner schieren Formvollendung. Es riecht an allen Ecken wie ein Wunschkind, dessen hingabevolles Team es über Jahre genährt hat. Die Analogien zu psychischen Problemen, die den bildhaften Arealen und metaphorischen Mechaniken innewohnt, verleihen diesem 3D-Platformer genre-unübliche Tiefe. Das Platforming selbst ist ähnlich undynamisch wie die Versuche jüngerer Indie-Projekte, genießt aber die Gnade kreativer Levelarchitektur, die häufig Querschläger einstreut.

7. Unsighted

Häufig als Metroidvania bezeichnet (wieso!?), ist Unsighted eines der besten 2D-Zelda-Likes – besser als die meisten 2D-Zelda-Spiele es selbst sind. Das Zeitlimit zur Extinktion allen Lebens garantiert nicht nur eine knackige Spielerfahrung ohne Fett; sie verleiht dem Ganzen den profunden Unterbau, der ein überdurchschnittliches Indie-Retro-Revival zu einem Gesamtwerk verwandelt, das sich hinreichend von seinen Wurzeln emanzipiert.

6. The Forgotten City

The Forgotten City spielt die goldene Regel der Ethik von vorne bis hinten durch. Nebenbei reflektiert es die chronologischen Nachbarschaften der Zivilisationsgeschichte. Die narrative Komplexität, die The Forgotten City innewohnt, hätte die Grenzen der Zugänglichkeit auf dem Papier sprengen sollen. Der Mittelweg zwischen Autonomie und strikten Hilfestellungen umgeht dieses Problem und bleibt in der Kritik zu wenig gelobt. Die spielerische Zugänglichkeit verschafft den Dialogen Luft zum Atmen und eröffnet nicht zuletzt die intellektuellen Werte einer breiten Masse.

5. Silicon Dreams

Der Topos „Androiden, die von Menschen nicht unterscheidbar sind“ wurde selten so geschickt und ganzheitlich, aber dennoch kompakt beleuchtet. Was nach langweiliger Wall-of-Text anmutet, steht den ethischen Dilemmata eines Papers, Please in nichts nach, ergänzt aber die zusätzliche Ebene, dass nicht nur die Subjekte, über die wir urteilen, sondern auch unser eigener Protagonist keine Menschen sind. Dadurch eröffnet das Spiel sachliche Perspektiven – lässt aber die Frage offen, wie angemessen diese Sachlichkeit angesichts der ausgereiften künstlichen Intelligenz und Emotionalität ist. Das Abwägen geschäftlicher Pflicht und Revolution ist ein Ritt auf Messer Schneide, der – wenn auch nicht Zeile für Zeile – mit großer Sci-Fi-Literatur mithalten kann.

4. Psycholonials

Die überspitzte, aber nicht gänzlich unglaubwürdige Geschichte einer depressiven, linksradikalen Influencerin, die den Status quo des weltweiten Kapitalismus und Imperialismus zerschmettert. Die dilettantisch-expressiven Zeichnungen sind so DIY wie die Revolution, die Psycholonials konzipiert. Trotz greller Obertöne zeigt vor allem die zweite Hälfte glaubwürdige Entgleisungen eines globalen Umsturzes im Zeitalter des Internets. Psycholonials schert sich nicht um formalistische Regeln des Erzählens. Durch den Bezug auf brandaktuelle Phänomene wie COVID-19 und mangels Respekts vor Markenrechten oder prominenten Namen und Gesichtern ist Psycholonials so unmittelbar relevant wie nur wenige andere Spiele. Mangels jeglicher Interaktivität ist Psycholonials weniger Spiel als gewagte Literatur, die ihren rappeligen Dilettantismus umarmt.

3. Mundaun

Mundaun kniet mit allen Vieren im kulturellen Kontext eines abgelegenen Örtchens in den Schweizer Alpen. Die Dialoge in der nahezu ausgestorbenen Regionalsprache Rätoromanisch, der Horror zwischen Kriegstrauma und folkloristischen Strohkreaturen, die Berge und die Wolkendecke, die den Fluchtweg verwehren… Wenige Spiele, die in der realen Welt verwurzelt sind, wirken so aus einem Guss, sehen so einzigartig aus und schaffen es obendrein, eine unterrepräsentierte Kultur digital zu verewigen.

Mehr zum Spiel im vollständigen Artikel.

2. Returnal

Dass Returnal das bisher prunkvollste Roguelike ist – vom sagenhaften Sounddesign bis zum Prasseln des Regens im DualSense – wäre verschenkt, wäre die Action selbst nicht so bahnbrechend. Jeder Run ist ein hochintensiver Marathon, der als eigenes episches 3D-Metroidvania funktionieren würde. Durch seine Sperrigkeit und seinen Anspruch verwehrt sich Returnal einem breiteren Publikum. Auf der Kehrseite der Action jedoch beweist es überraschendes Fingerspitzengefühl bei Erzählung und Inszenierung seiner existenziellen Geschichte über eine verschollene Raumfahrerin, gefangen in einer Zeitschleife. Es vereint Blockbuster-Roguelike und skandinavisches Arthouse-Kino ebenso elegant wie es erst letztes Jahr Hades gelungen ist, Tretmühle und Story zu verheiraten.

1. Cruelty Squad

Cruelty Squads geradezu extremistischer Nihilismus in seiner Endstation des Kapitalismus erschütterte und hypnotisierte mich wie kein anderes Spiel 2021. Was aussieht wie Kotzpfützen nach einer Weihnachtsfeier im Silicon Valley, verfolgt eine lächerlich kohärente audiovisuelle Designphilosophie, die augenöffnend und undurchschaubar zugleich ist. Die rohe Nacktheit der messerscharfen Stealth-, Bewegungs- und Action-Mechaniken erzeugt Funken gegen die radikale Vielseitigkeit des Level Designs, die sich mit der Zeit offenbart. Der facettenreiche Subtext des dilettantisch anmutenden Jenga-Turms aus Immersive Sim, Börsensatire und existenziellem Drama verfestigt sich zum Ende und zementiert, dass das immense Selbstbewusstsein dieses Spiels kein Komplott ist, sondern wahrhaftiges Genie.


Falls euch das noch nicht genug Liste war, gibt es hier noch meine Top 500 Games der 2010er und meine Liste der 106 Spiele des Jahres 2020[pg]

Quelle Screenshots: Promo-/Pressematerial