Diesmal wurde mir ein Spiel vorgesetzt, von dem ich überhaupt noch nie gehört hatte: »Magus«? Das klingt nach nichts und sieht auch so aus. Das generische Artwork im PS-Now-Auswahlmenü lässt ein Fantasy-Setting und bestenfalls Mittelmaß erwarten.
Doch der Weg zum Titelbildschirm stimmte mich optimistisch: Die Logo-Animation der mir unbekannten Black Tower Studios hat Stil und mit Publisher Aksys Games verbinde ich aus Wii-Zeiten gute Erinnerungen (»Bit.Trip«-Reihe). Auch das anschließende FMV-Intro ließ mich hoffen: Nicht gerade Hollywood. Nichts, was man nicht irgendwo schonmal gesehen hätte. Aber das Produktionsniveau ist ordentlich. Die orchestrale Musik stimmig. Richtig schön sogar. So ließe sich auch heute noch ein Spiel anteasern, ohne Gelächter zu ernten.
Ist »Magus« also gar nicht die Billigproduktion, die ich erwartet hatte?
Doch mein Optimismus währte nicht lange. Der grässliche Titelbildschirm brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Das Spiel selbst noch einige Etagen tiefer.
Ein Beitrag aus der Reihe Reingestreamt: Speed-Dating mit der PS3-Bibliothek.
Drücken wir es einmal positiv aus: Wäre »Magus« ein PlayStation-2-Spiel, dann wäre es ein ziemlich schlechtes Spiel. Die Optimisten unter uns möchten vielleicht sogar von Mittelmaß sprechen. Eine Wertung im 50er-Bereich vergeben. Allerdings ist »Magus« kein PlayStation-2-Spiel, auch wenn es allen Ernstes wie eines ausschaut. »Magus« ist ein PlayStation-3-Spiel, das 2014(!) erschienen ist, und als solches kommt es der Definition von ›Vollkatastrophe‹ beängstigend nahe.
Dabei ist der Genre-Mix, auf dem »Magus« fußt, gar nicht mal uninteressant: Am ehesten lässt es sich als Mix zwischen Rollenspiel und Third-Person-Shooter bezeichnen. Es bedient sich einer vollkommen generischen, typisch westlichen Fantasy-Ästhetik, doch zwischen den Zeilen blitzt ein bisschen Japan durch: Gegner kommen in Scharen, sind aber harmloses Kanonenfutter, sodass »Magus« auch an Musou-Games à la »Dynasty Warriors« erinnert. Das Shooter-Gameplay hingegen hat mit japanischen ›Shmups‹ mehr gemein als mit westlichen Third-Person-Shootern: breit streuendes Dauerfeuer, unbegrenzte »Munition«, farbcodierte Schussvarianten.
Dieser Ost-West-Genre-Mix kommt nicht von ungefähr. Die verantwortlichen Black Tower Studios bezeichnen sich selbst als ›westliches‹ Studio, das jedoch in Tokyo ansässig ist; und »Magus« war ihr erster Konsolentitel.
Leider dauert es keine 15 Minuten, bis klar ist, dass »Magus« nicht nur visuell, sondern auch spielerisch viel weniger als Durchschnitt bietet. Dieses Spiel ist schlecht und zwar so richtig. Es fehlt an allem: an nachvollziehbarem Trefferfeedback, an Abwechslung und Spieltiefe, und an Herausforderung sowieso. Daran ändert auch der stetige Fluss von Level-Ups und neuen, mehrheitlich sterbenslangweiligen Spezialfähigkeiten nichts.
Man hört ja hin und wieder, dass bei Videospielen kein wirkliches Äquivalent zum Trash-Film existiere. Möglicherweise liegt das daran, dass schlechte Spiele leider immer noch gespielt werden wollen: Statt dass wir uns entspannt zurücklehnen und der Schadenfreude hingegeben können, bekommen wir die Macken am eigenen Leib zu spüren: störrische Steuerungen, unfaire Frustmomente, holprige Framerates… Es erfordert harte Arbeit, um ›mehr‹ vom dem zu sehen, was eigentlich zu schlecht ist, um unironisch genossen zu werden.
Doch hier landet »Magus« einen Punkt: Es mag ein echtes »Scheißspiel« sein, doch sieht man von der etwas merkwürdigen Tastenbelegung ab, ist »Magus« ziemlich reibungslos spielbar. Es ist monoton, langweilig und primitiv – es frustriert allerdings nicht. Deshalb dürfen wir uns ungestört an der lachhaften Grafik und den hanebüchenen Dialogen ergötzen; an Charakterdesigns aus den 90ern und unmöglichen Animationen. Ich kenne vielleicht kein anderes Spiel, das so sehr das Videospiel-Äquivalent eines unterhaltsamen Trash-Films ist.
Laut HowLongToBeat.com soll der »Spaß« nach gerade einmal vier Stunden vorbei sein. Ganz schön wenig für ein Action-RPG, das sein Publisher als »epic quest for power« anpries. Andererseits bin ich bei dieser Kürze fast schon versucht, »Magus« zu Ende zu spielen… Fast. [sk]
Reingestreamt-Fazit: »Magus« ist lächerlich schlecht und unfreiwillig komisch. Stellt das Bier kalt und holt euch einem leidensfähigen Kumpel ins Haus, dann könnt ihr mit »Magus« einen Abend lang mehr Spaß haben als mit so manchem »guten« Spiel.
- Spielspaß: ♥♥♡♡♡
- Zugänglichkeit: ♥♥♥♡♡
- Fortsetzungswahrscheinlichkeit: ♥♥♡♡♡
- Erkenntniswert: ♥♥♥♡♡
Magus
Black Tower Studios / Aksys Games, 2014
PlayStation 3 (via PS Now)
Producer: Richie Casper
Ich meide zwar generell schlechte bis durchschnittliche Spiele, könnte mir aber ein unterhaltsames Trashspiel durchaus vorstellen. Natürlich wäre es für mich alles andere als angenehm, ein solches Spiel zu spielen. Ich bin allerdings gewillt eine berühmte virtuelle Vollkatastrophe dieses Jahr auszuprobieren.
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Ich finde des tatsächlich ganz spannend, auch mal (vermeintliche) schlechte oder durchschnittliche Spiele zu spielen. Das kann ganz aufschlussreich sein und den Blick dafür schärfen, was an guten Spielen eigentlich gelungen, aber oft als selbstverständlich hingenommen wird.
Ich finde aber auch, dass die etwas schwächeren Spiele in vielen Fällen die interessanteren Spiele sein können, gerade für einen Kritiker. Dazu habe ich auch im ersten Absatz meines Artikels zu Pandora’s Tower schon einmal einige Zeilen geschrieben. An Magus finde ich interessant, dass bei allen Qualitätsdefiziten, die das Spiel zweifellos hat, doch so etwas wie „Liebe“ durchscheint:
Ich glaube zu erkennen, dass den Entwicklern ihr Spiel nicht egal war, und dass sie mit Herzblut bei der Sache waren, auch wenn es ganz offensichtlich an Budget, Können und Erfahrung mangelte. Das Schönste am Spiel sind tatsächlich die Credits, die erkennen lassen, dass das Team schon (auch) Spaß an der Entwicklung hatte.
Das brachte mich auch auf den Gedanken, wie im Medium Videospiele die Perfektion, die Exzellenz, der Feinschliff noch immer die höchsten Qualitäten sind, während das in der Musik, spätestens seit der Entstehung des Punk, und in der bildenden Kunst ganz anders ist.
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Der permanente Optimierungswahn ist meiner Meinung nach sogar einer der Gründe, warum Videospiele kunstkulturell zu kurz kommen. Einmal das und natürlich der erzählerische Vergleich mit Filmen und Romanen.
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