Genau eine Woche bevor Geoff Keighley in Los Angeles die Game Awards 2021 verleihen und erwartungsgemäß vor allem internationale Großproduktionen mit Preisen bedenken wird, ist am 02. Dezember in Leipzig erstmals der Games Innovation Award Saxony 2021 – kurz GIAS – vergeben worden. Preisträger waren kleine und kleinste Spiele, denen der Award ein Quäntchen von dem bescherte, woran es im Zeitalter des multimedialen Überangebots oft am dringendsten fehlt: Aufmerksamkeit.

Pandemiebedingt fand die von Marcus Richter moderierte Preisverleihung rein digital statt und wurde im virtuellen Beisein einer überschaubaren Zahl von Zuschauern am Donnerstagabend bei Twitch übertragen. Eine Aufzeichnung des Streams kann dort auch weiterhin abgerufen werden. Ausrichter der Verleihung sind der Branchenverband Games & XR Mitteldeutschland sowie die Sächsische Staatskanzlei, die auf diese Weise „ein medienwirksames Zeichen für das Potential der regionalen Gamesbranche setzen“ möchte, so die Pressemitteilung.


Sachsen und Games? Da denkt man an Leipzig als Geburtsstätte der ersten relevanten Spielemesse Deutschlands, und vielleicht auch an Dresden und Umgebung – das sogenannte Silicon Saxony – als Zentrum der europäischen Halbleiterindustrie. Sachsen durfte also seinen Teil zur Entwicklung des Mediums beitragen. Als ein Zentrum der deutschen Spieleentwicklung ist der Freistaat bislang aber eher nicht bekannt; noch nicht einmal bei mir, obwohl ich hier wohne.

Da verwundert es nicht wirklich, dass unter den nominierten Spielen offensichtliche Hochkaräter fehlen. Kleine und kleinste Spiele dominieren die Nominierungslisten und selbst in der Königsdisziplin „Bestes Spiel“ tummeln sich Titel, von denen vermutlich nicht nur ich mehrheitlich noch nie gehört hatte. Wie sinnvoll und wie relevant ist ein regionaler, sächsischer Award also? Ist die Entwicklerlandschaft des Bundeslandes dafür schon groß genug?

Fakt ist, dass der GIAS Aufmerksamkeit schafft, oder neudeutsch „awareness“ bzw. „visibility“. Das konnte ich bei mir selbst und an den Nominierten in der Kategorie „Bestes Spiel“ am besten beobachten:

Selbst ich, der ich in dem Bundesland zuhause bin, wusste nicht, dass „The Wizard or: How I Learned to Stop Worrying About My Face and Love the Tactical Dungeon Crawl“ – das einzige nominierte Spiel, das mir im Vorfeld schon begegnet war – ganz bei mir in der Nähe, in Taucha bei Leipzig entstanden ist. Oder dass in Chemnitz mit „On The Road – The Truck Simulator“ ein Konkurrent zum tschechischen Euro Truck Simulator entwickelt wurde. „pixelBOT EXTREME!“ entstand buchstäblich bei mir um die Ecke und ließe sich sogar auf meiner PlayStation spielen – im zumeist PC- und mobile-orientierten Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Auf meine Vormerkliste habe ich sogleich „Dome Romantik“ aus Dresden gesetzt, das charmant minimalistisch aussieht und mich auf den ersten Blick an einen Mix aus Kingdom: New Lands und SteamWorld Dig denken lässt.

Den Hauptpreis in der Kategorie „Bestes Spiel“ konnte jedoch „Portal Golf“ vom Leipziger Studio PandaBee für sich beanspruchen, das auf den ersten Blick am unscheinbarsten, um nicht zu sagen generischsten aussah. Da die Entscheidungsfindung in dieser Kategorie zu gleichen Teilen auf einem Juryvoting als auch auf einem Publikumsvoting mit immerhin 1294 Stimmen fußte, will ich dem Titel seine Qualitäten aber gern glauben, auch wenn er auf Screenshots nicht unbedingt wie ein Aushängeschild aussieht.


Dass es dem von der Sächsischen Staatskanzlei unter Aufwendung von Steuergeldern finanzierten Preis nicht allein um die Förderung von Videospielen als Kunstform respektive Unterhaltungsmedium geht, lässt sich mit Blick auf die weiteren Kategorien schon erahnen: Beste Innovation, Bestes Serious Game und Beste Gamification sind Kategorien, die tendenziell auf die Schnittstellen zwischen Games und anderen Branchen abzielen. So gingen diese Awards dann auch ausnahmslos an Titel, bei denen es sich nicht um Videospiele im klassischen Verständnis handelt.

Noch am ehesten in Richtung große, kommerzielle Entwicklung tendiert der Preisträger der Kategorie Best Newcomer. „Highrise City“ ist eine neuartige Städtebausimulation aus Dresden, die im kommenden Jahr von Deck13 vertrieben werden soll.

Etwas aus dem Rahmen fällt die Kategorie „Persönlichkeit des Jahres“, die ohne öffentliche Nominierungsliste auskam. Stattdessen wurden aus einer Zahl von eingereichten Vorschlägen eine Person oder eine Gruppe von Personen ausgewählt, die „sich in den vergangenen Jahren, einschließlich 2021 in besonderer Weise für die Region eingesetzt und diese geprägt haben“. Eine sinnvolle Ergänzung zu den spieltitelbezogenen Awards, die das Potential mitbringt, Videospielkultur in ihrer Gesamtheit wertzuschätzen. Gewonnen haben schließlich eine Institution respektive deren Vertreter: „Die Lange Nacht der Computerspiele“ an der HTWK Leipzig. Seit eineinhalb Jahrzehnten wird die Veranstaltung ausgerichtet, die sich auch in Zeiten der Corona-Pandemie nicht geschlagen gibt und inzwischen auch überregional Beachtung findet. Eine verdiente Auszeichnung.


Unterm Strich konnten mich Konzept und Urteile des ersten Games Innovation Award Saxony überzeugen. Für eine Erstausgabe mutete der Award erfreulich fachkundig (aufseiten der Jury und Gastgeber) und professionell (mit Blick auf Online-Auftritt und Kommunikation) an, auch wenn der Stream der Preisverleihung mit einigen technischen Holprigkeiten zu kämpfen hatte und leider viel zu langatmig geriet. Vor dem Hintergrund der Pandemie und einer kurzen Vorlaufzeit verzeiht man diese Kinderkrankheiten gern. Im Falle einer Fortsetzung im nächsten Jahr wären die Ausrichter jedoch gut beraten, das pitch-artige Konzept der Selbstvorstellung der Spiele durch ihre Macher zu überarbeiten (und idealerweise durch pointierte Jury-Begründungen zu ersetzen) – oder zumindest deutlich zu verkürzen.

In jedem Fall hoffe ich, dass der GIAS keine Eintagsfliege bleibt und auch im kommenden Jahr an den Mann oder die Frau gebracht wird, um der erwiesenermaßen lebendigen sächsischen Entwicklerlandschaft Sichtbarkeit zu verschaffen.

Nachfolgend die vollständige Liste der Preisträger und Nominierten. Ich gratuliere allen Gewinnern und freue mich darauf, mehr von den Studios zu hören und den einen oder anderen Titel in Zukunft selbst zu spielen! [sk]


Bestes Spiel
  1. Platz: Portal Golf (PandaBee Studios UG, Leipzig)
  2. Platz: The Wizard or: How I Learned to Stop Worrying About My Face and Love the Tactical Dungeon Crawl (Hypnotic Owl UG, Taucha)
  3. Platz: pixelBOT EXTREME! (PlayHeart Games, Leipzig | FusionPlay GmbH, Leipzig)

Ebenfalls nominiert waren:

  • Dome Romantik (Bippinbits UG, Dresden)
  • On The Road – The Truck Simulator (tox² interactive GmbH, Chemnitz)
Beste Innovation
  1. Platz: Mitmalfilm (Mitmalfilm UG, Leipzig)
  2. Platz: Dome Romantik (Bippinbits UG, Dresden)
  3. Platz: RECONNECT – The Heart of Darkness (RobotHeart Lab, Leipzig)
Bestes Serious Game
  1. Platz: ENC#YPTED – An Educational Game for Programming in the Unity Engine (Vincent Schiller – Fachhochschule Dresden, Dresden)
  2. Platz: Katze Q – ein Quanten-Adventure (Exzellenzcluster ct.qmat, Dresden-Würzburg)
  3. Platz: Gezeichnet – Unsere Flucht 1945 (PandaBee Studios UG, Leipzig)
Beste Gamification
  1. Platz: Heartucate Demoformat „Arktis“ (Heartucate UG, Leipzig)
  2. Platz: AstoriaVR (hug films GbR, Halle | blendFX GbR, Leipzig)
  3. Platz: Virtuelles Umspannwerk – Ausbildungstraining (OVRLAB GmbH, Leipzig)
Best Newcomer
  1. Platz: Highrise City (Fourexo Entertainment GmbH, Dresden)
  2. Platz: Portal Golf (PandaBee Studios UG, Leipzig)
  3. Platz: Delightfyl – First person Story driven Stealth game (Felicitas Brämer – Studio Yogensha Naiche, Leipzig)
Persönlichkeit des Jahres
  • Das Team der Langen Nacht der Computerspiele

Quelle Bilder: Games & XR Mitteldeutschland e.V.