Die Bundesliga hat wieder begonnen, bald erscheint ein neuer FIFA-Ableger. Und auch andere Sportarten wiederholen ihren alljährlichen Rhythmus: Neue Saison, neue Spiele, altes Spielprinzip. Es ändert sich fast nichts. Bei einigen Sportkonsumenten dürfte sich bereits Lethargie eingestellt haben – sowohl auf dem virtuellen, als auch auf dem realen Spielfeld. Ich habe mir seit Jahren kein neues Sportspiel zugelegt. Doch es gibt ein älteres Golfspiel, das meine virtuelle Sportbegeisterung wiedererwecken konnte.
Als vor einigen Monaten der Trailer zu »Mario Golf: Super Rush« erschien, hatte ich sofort Lust auf das Spiel bekommen. Die ersten Kritiken haben mich anschließend eines Besseren belehrt. Aus einem innovativen Spielkonzept geht noch lange kein großartiges Spiel hervor. Die Entwickler haben den Golfsport anscheinend zu stark verändert. Auf dem Rasen Münzen hinterherzujagen und seine Mitspieler mit Power-ups zu schwächen klingt erst einmal interessant, doch entpuppt sich das Konzept letztendlich nur als nettes Gimmick. Daneben kann auch die geringe Zahl der Golfkurse nur wenig begeistern. Ich habe mir »Mario Golf: Super Rush« letztendlich nicht geholt. Mein Verlangen nach Golf musste dennoch gestillt werden. Darum habe ich noch einmal den Klassiker »Mario Golf« (1999) für das Nintendo 64 gespielt.
Simulationsanspruch
Die ersten Abschläge im Spiel wirken mehr als bodenständig. Es liegen weder Münzen auf dem Rasen, noch werden mein Ball oder meine Spielfigur vom Blitz getroffen. Ich bekomme ein geerdetes Golfspiel zu sehen, statt das übliche Item- und Levelchaos aus anderen Mario-Sportspielen. Wäre da nicht die Auswahl an Mario-Charakteren, könnte ›Mario‹ eigentlich aus dem Titel gestrichen werden. Denn es stehen ebenso viele menschliche Golfspieler zur Auswahl, die nicht dem Pilzkönigreich entspringen. Einige Mario-Schergen – darunter Piranha-Pflanzen und Shy Guys – sind zwar auf den Kursen vertreten, sie haben aber keinerlei spielerische Funktion, sondern schmücken lediglich den Hintergrund.
Im Vordergrund steht eine anspruchsvolle Golfsimulation. Es gilt, natürlichen Wetter- und Bodenbedingungen zu trotzen. Wind, Regen oder Sand erschweren den Abschlag. Sowohl Flugkurve als auch Schlagkraft müssen genauestens berechnet werden, um den Ball erfolgreich – mit so wenigen Schlägen wie möglich – einzulochen. Obwohl das Spiel einige Jahre auf den Buckel hat, ist die Ballphysik überaus glaubwürdig. Jeder Abschlag und jeder Putt legt nachvollziehbare Wege zurück. Der hohe Simulationsanspruch ist aber definitiv nicht das Alleinstellungsmerkmal von »Mario Golf«: Andere Golfspiele bieten realistischere Simulationsansätze – vor allem die »Tiger Woods PGA Tour«-Serie. Doch »Mario Golf« zeichnet etwas aus, das vielen modernen Sportsimulationen fehlt: ein gesunder Abstand zur Realität.
Kreativer Spielspaß
Es ist vor allem die Mischung aus Fantasie und Realismus, die mich begeistert. Mir stehen zwar keine Items zur Verfügung. Dafür kann ich taktisch eine begrenzte Anzahl von Powerschlägen einsetzen, die lediglich für mehr Reichweite sorgen, aber mit ihren Grafikanimationen dezent vom Realismus abweichen. Ein perfekt getimter Powerschlag lässt je nach Charakter einen Regenbogen oder einen Feuerball entstehen. Die Siegerposen sind ebenso kreativ animiert worden. Mario holt bei einem Eagle einen Powerstern hervor, Donkey Kong wirft ein Fass nach vorn, und bei einem gezielten Pinshot rutscht ein Schimpanse die Fahne herunter.
Der eigentliche Star von »Mario Golf« sind aber die abwechslungsreichen Kurse. Dabei gibt es weder einen Regenbogenkurs noch die üblichen Eis- und Lavawelten. Alle Hindernisse orientieren sich an der Realität. Mehr als Wasser, Sand und hohes Gras gibt es nicht zu sehen. Dennoch langweilt das Spiel nie mit einem zu realitätsnahen, monotonen Design. Es geht auf Golf-typisch weitläufige Wiesen, aber auch in die Wüste. Dort gilt es, die zahlreichen Sandbunker und Kakteen zu meiden. Der Abschlag erfolgt aber auch von verschiedenen Inselgruppen und in Canyons, die jeweils eigenständige Herausforderungen darstellen. Es handelt sich bei den Löchern immer um reale Terrains, die aber fantasievoll zusammengesetzt sind.
»Mario Golf« verzichtet auf allzu ausgefallene Spielmodi, die das Kursdesign auf den Kopf stellen. Realitätsferne Herausforderungen dürfen dennoch bestritten werden: Auf abgedrehten Minigolf-Bahnen verbessere ich meine Putting-Fähigkeiten. Der Ring-Shot-Modus hat mir persönlich am meisten Spaß gemacht. Hier gilt es, den Ball präzise durch Ringe zu schießen, ihn aber auch zum Par einzulochen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Geschick erfordert. Sie wäre in einem streng realistischen Golfspiel undenkbar.
Die nächste Sportspiel-Innovation
Der erneute Ausflug auf den Rasen hat mich gefordert und unterhalten. Mario ist in vielen Sportarten vertreten. Er missachtet leider viel zu oft die Spielregeln – ein Spielfeld verkommt so oft zum Schlachtfeld. Sportsimulationen hingegen überzeugen mit anspruchsvollem Realismus. Sie werden jedoch schnell monoton, mangels kreativer Erweiterungen ihrer realweltlichen Vorlagen. Ich hätte gerne ein Basketball-, Fußball- oder eben Golfspiel, das mich genauso unterhalten kann wie »Mario Golf« für das Nintendo 64. Ein Spiel, das dem jeweiligen Sportgenre etwas hinzufügt, ohne dabei zu absurd zu werden. Ich wünsche mir ein fantasievolles Simulationssportspiel. [dg]
Mario Golf
Camelot Software Planning / Nintendo
Nintendo 64 (14. September 1999)
Producers: Shinji Hatano, Hiroyuki Takahashi, Shugo Takahashi, Hidetoshi Endo
Director: Haruki Kodera
Quelle Screenschots: Eigene Screenshots des Nintendo-64-Originals.
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Du weißt es ja schon, aber für alle anderen, die hier mitlesen: Mario Golf auf dem N64 ist auch eines meiner Lieblingssportspiele. Den Ableger für den Game Boy Color finde ich in Anbetracht der technischen Möglichkeiten des Handhelds ebenfalls großartig. Dort fügen sich nicht zuletzt die RPG-Elemente hervorragend ins Gameplay ein und man kann die so trainierten Charaktere sogar in die N64-Version importieren.
2003 erschien Mario Golf dann auch auf dem GameCube, aber mit dieser Version bin ich nie richtig warm geworden. Hast du da mal reingespielt? Es fällt mir schwer, genau zu sagen, woran es liegt, aber irgendwie steuert sich das Spiel im Vergleich zum N64-Vorgänger schwerfälliger. Außerdem fehlten mir einige der feinen Details, die das Original auszeichneten, wie zum Beispiel den allmählichen Wechsel der Tageszeit. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich die GameCube-Version von Mario Golf erst mit einigen Jahren Verspätung gespielt habe, als sie technisch bereits veraltet war. Das trübt zwar meinen Spaß mit der N64-Version auch nicht, aber eventuell hätte mich das Spiel auf dem GameCube eher gepackt, wenn ich es 2003 gespielt hätte, als GameCube-Spiele noch neu und aufregend waren.
Kennst du den indirekten Vorgänger von Mario Golf, den Camelot 1997 für die PlayStation entwickelt hat? Everybody’s Golf. Die Reihe gibt es sogar heute noch, von einem anderen Entwickler natürlich, und sie soll wohl noch immer ziemlich gut sein. Ich kenne das Spiel nicht aus erster Hand, aber es geht wohl ähnlich wie Mario Golf den Mittelweg zwischen Spaß und Simulation.
Hast du auch Mario Tennis auf dem N64 gespielt? Fragen über Fragen. ;)
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Ich habe tatsächlich nur ein einziges Mario Golf gespielt. Die anderen Ableger sahen zwar interessant aus, haben mich letztendlich aber doch nicht gereizt. Die GBA-Fassung mit ihren RPG-Elementen klingt für mich am vielversprechendsten. Eventuell schaue ich mir diese mal bei Gelegenheit an. Ansonsten war Golf für die Wii damals eine Offenbarung. Tiger Woods PGA 09 (leider nicht 10) und das Wii-Sports-Minispiel haben mir dank Motion-Control viel Spaß bereitet. Ich hätte gerne einen Mario-Golf-Ableger mit intuitiver Motion-Control Steuerung gehabt, nur leider soll sich Super Rush mit den Joy Cons miserabel steuern. Darum muss ich weiterhin auf mein ultimatives Golfspiel warten.
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Das Golf von Wii Sports finde ich auch ganz interessant, aber schlussendlich stand der geringe Umgang da einer längeren Beschäftigung im Wege. Außerdem ist mir die visuelle Darstellung zu aseptisch, was übrigens auch für die die neueren Everybody’s Golf-Teile gilt. Ich muss aber unbedingt das Wii Golf in Wii Sports Club auf der Wii U noch ausprobieren. Erstens dürfte das durch Wii-Motion-Plus noch etwas fordernder sein, und zweitens legt man dort ja das Wii U Gamepad auf den Boden und sieht dann dort im Screen den Ball. Das finde ich zumindest von der Idee her ganz fantastisch und bin gespannt, ob sich das auch gut spielt.
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