Dass Geschäfte schließen, das sind wir in Zeiten der Covid-19-Pandemie ja gewohnt; die Schließung eines digitalen Spielestores hingegen ist auch im Jahre 2021 noch etwas Besonderes – zumal dann, wenn sie dauerhaft und ohne Hoffnung auf Umkehr erfolgen soll.

In Kürze trifft es die digitalen Stores der ausrangierten PlayStationen-Systeme, also der PlayStation 3, der PlayStation Portable und der PlayStation Vita. Bereits gekaufte Spiele gehen dadurch nicht verloren, doch der Kauf weiterer Spiele wird nach dem 2. Juli 2021 (nach dem 27. August 2021 im Falle der PS Vita) nicht länger möglich sein. Was Anlass für angeregte Diskussionen, Unmutsäußerungen und Last-Minute-Käufe ist, ist nicht die erste Schließung dieser Art: Auch Nintendo hat in den letzten Jahren digitale Shops geschlossen, wobei der Aufschrei etwas leiser war.

In einem kommenden Beitrag will ich das geplante Aus der PlayStation-Stores den Schließungen der Nintendo-Stores gegenüberstellen und vergleichen, was die beiden Plattforminhaber anders oder auch identisch machen. Dem vorausschicken will ich hier einige grundsätzliche Gedanken zur Frage der langfristigen Verfügbarkeit von Spielen in digitaler bzw. physischer Form. Auf geht’s.


Die Spiele müssen raus!

So an und für sich ist die digitale Verfügbarkeit von Spielen eine feine Sache. Auch oder gerade dann, wenn sie die Veröffentlichung einer Einzelhandelsversion begleitet. Um eines gleich vorwegzunehmen: Um die mannigfaltigen Vor- und Nachteile des digitalen bzw. physischen Spielebesitzes wird es hier nicht gehen, und auch nicht um die Frage, wie lange ich ein gekauftes Spiel nach dem Kauf noch spielen kann. Stattdessen geht es darum, ob die Verfügbarkeit in digitalen Stores langlebiger ist als die Verfügbarkeit in Geschäften des Einzelhandels. Um die Frage also, wie lange nach seiner Veröffentlichung ich ein Spiel noch kaufen kann.

Gerade weniger erfolgreiche Spiele sind in der Regel nicht dauerhaft im Einzelhandel zu finden. Zum einen haben die Händler nicht den Platz, sämtliche Titel – also auch solche, die kaum noch nachgefragt werden – dauerhaft vorrätig zu haben (von den größten Online-Händlern vielleicht abgesehen). Zum anderen macht es auch für den Hersteller eines Spiels keinen Sinn, über Jahre hinweg auf größeren Lagerbeständen zu sitzen: Verkauft sich ein in großer Stückzahl produzierter Titel schlechter als erwartet, wird er gern auch mal verramscht, was zur Folge hat, dass auch die Spiele, die in hinreichender Menge produziert wurden, nicht zwangsläufig in den Geschäften bleiben. Ladenhüter will man loswerden.

Nachproduktionen oder komplette Neuauflagen sind natürlich möglich, lohnen sich für Hersteller und Händler aber nur, wenn man davon ausgehen kann, eine stattliche Anzahl zu verkaufen (zu Preisen, die die Nachproduktion lohnen). In der Regel wird das spätestens dann nicht länger der Fall sein, wenn auch die zugehörige Hardware nicht mehr vertrieben wird. Klein- und Kleinstauflagen, wie bei Büchern, kennt die Spieleindustrie kaum, von flexiblen On-Demand-Lösungen ganz zu schweigen.

Das fortwährende Anbieten eines Spiels in digitalen Shops (auf den Konsolen sind das quasi ausschließlich die Shops der jeweiligen Plattforminhaber, also Microsoft, Sony und Nintendo) ist im Vergleich mit sehr viel weniger Aufwand und somit auch mit geringeren Kosten verbunden. Weder eine besonders hohe, noch eine besonders niedrige Nachfrage stellt für die Erhältlichkeit als solche ein Problem dar. So spricht in aller Regel nichts dagegen, auch betagtere Spieltitel, deren monatliche Verkäufe sich an einer Hand abzählen lassen, im Verkauf zu behalten.


Die Preise: stabil?

Für Spielerinnen und Spieler ist das praktisch, niemand muss sich sorgen, dass ein Spiel ausverkauft und ein, zwei Jahre nach seinem Erscheinen schon kaum noch zu kriegen sein könnte (die Möglichkeit des Gebrauchtkaufs einmal außen vor, dazu kommen wir später). Doch nicht nur die Verfügbarkeit als solche ist sehr verlässlich, auch die Preise sind es. Digital angebotene Spiele sind nach oben hin fast vollkommen preisstabil. Ganz egal, wie erfolgreich oder erfolglos ein Titel ist oder war, in den Digitalstores wird er in 99,99 Prozent aller Fälle nicht mehr kosten, als er zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung kostete.

In der Regel sinken die Preise sogar viel ungehinderter, da bei der Preisgestaltung weniger kostentreibende Faktoren berücksichtigt werden müssen (also keine Produktions-, Transport- und Lagerkosten, keine Margen für Zwischen- und Einzelhändler). Somit können die Preise auf Niveaus sinken, auf denen sich der Vertrieb physischer Kopien weder für den Publisher noch für Einzelhändler lohnen würde, mithin bis in den Cent-Bereich.

Ist hingegen die physische Version eines Spiels nicht mehr regulär im Handel, und ist eine Nachproduktion nicht lohnenswert oder nicht mehr möglich, dann steigen die Preise für die bereits im Umlauf befindlichen physischen Kopien nicht selten ganz erheblich. Zwar ist es in Zeiten der universellen Verbreitung des Internets nicht schwer, auch die seltensten Titel noch irgendwo zu finden – ob man sie sich allerdings auch leisten kann, steht auf einem anderen Blatt. Ob es nun Restbestände bei Videospiel-Fachhändlern sind, Gebrauchtware von Geschäftlich oder Privat, oder Neuware von Resellern, die auf genau solche Preissteigerungen spekulieren: Ist ein Spiel selten oder sehr begehrt, oder schlimmstenfalls beides, können schnell Preise erreicht werden, die die ursprünglichen Einzelhandelspreise weit übersteigen.


Blick in die Glaskugel

Ob und in welchem Umfang es zu solchen Preissteigerungen kommen wird, lässt sich dabei schwer vorhersagen: Ein Titel, der gerade noch verramscht wurde, kann sich einige Jahre später als echte Wertanlage entpuppen, wogegen manche Limited Edition offenbar nicht limitiert genug war. Und ich habe es selbst schon oft genug erlebt, wie ich darauf gewartet habe, bis Spiel XY endlich noch ein wenig günstiger zu haben sein würde – was allerdings nie eintrat, und das Spiel heute das Doppelte, Dreifache des ehemaligen Neupreises kostet.

Gerade in solchen Fällen darf man froh sein – als jemand, der ein Spiel einfach nur spielen und nicht notwendigerweise auch ins Regal stellen will – wenn ein Titel zumindest in digitaler Form noch angeboten wird. Vielleicht nicht im Sonderangebot, aber doch zumindest zu einem Preis, der den regulären Verkaufspreis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht übersteigt. Selbst dann, wenn ich physische Spiele bevorzuge, wird ein Kauf so weniger dringlich: Ich weiß schließlich, dass ich im Fall des Falles noch immer auf die regulär bepreiste digitale Version zurückgreifen kann, um das Spiel zumindest zu spielen, wenn ich es mir schon nicht leisten kann, es physisch zu besitzen.

Daran sehen wir auch schon, dass der zusätzliche Digitalvertrieb natürlich auch Auswirkungen auf die Preise physischer Versionen hat, nachdem die aus den Geschäften verschwunden sind. Er fungiert dabei als eine Art Überdruckventil, wobei die mengenmäßige Unbegrenztheit des Digital-Releases dafür sorgt, dass die Preise der Einzelhandelsfassung nicht noch extremer steigen. Denn solange ein Spiel zumindest in digitaler Form leicht verfügbar und bezahlbar ist, werden allenfalls begeisterte Sammler bereit sein, deutlich höhere, mitunter dreistellige Summen in Kauf zu nehmen, um eine physische Version zu besitzen. Otto-Normalspielern genügt zumindest im Falle solcher eklatanter Preisunterschiede die digitale Version, weshalb auch Sammler von der digitalen Verfügbarkeit profitieren, da so nicht noch mehr Spieler den wenigen physischen Exemplaren nachjagen.

Umgekehrt bedeutet ein paralleler Digitalvertrieb allerdings auch, dass von Vornherein weniger physische Exemplare in Umlauf geraten, weil nur noch in Teil des Publikums nach solchen verlangt. Das wiederum hat zur Folge, dass auch nach Einstellung der Produktion weniger Exemplare im Umlauf sind, als das unter anderen Umständen der Fall wäre. Solange ein Spiel auch digital erhältlich ist, ist das kein großes Problem. Ist mit der digitalen Verfügbarkeit jedoch Schluss, so steht der Nachfrage ein umso geringeres Angebot an physischen Exemplaren gegenüber (was noch dadurch verschärft wird, dass nun auch diejenigen Spieler den Gebrauchtmarkt unsicher machen, die eigentlich lieber digital kaufen). Besitzer der alljährlichen FIFA-Updates werden sich freuen, wenn sie eine fünf Jahre alte Version für mehr als zwei Euro loswerden können. Bei anderen Titeln ist die Sache problematischer.


War nie wirklich weg – hab mich nur versteckt

Und da haben wir es nun schon mehrfach erwähnt: Dass nämlich auch der Digitalvertrieb irgendwann an sein Ende kommen kann, ja kommen wird. Sinken die Umsätze, weil die alten Shops immer weniger genutzt werden, ist es wirtschaftlich irgendwann nicht mehr lohnenswert, die digitale Infrastruktur aufrechtzuerhalten (wozu im Übrigen mehr gehört, als der bloße Weiterbetrieb eines Servers). Obendrein können technische (neue Internet- und Sicherheitsstandards) und rechtliche Entwicklungen (neue Jugend- und Datenschutzbestimmungen, ablaufende Lizenzen) den Weiterbetrieb erschweren.

Und dann stellt sich plötzlich die physische Verfügbarkeit als dauerhafter dar. Denn auch, wenn ein Spiel schon längst nicht mehr hergestellt wird und nicht mehr regulär im Handel ist, existieren die bestehenden physischen Kopien doch weiter und können weiterhin gehandelt werden. Teils zu horrenden Preisen, ja, und teils kann es schwierig sein, einen Titel in gutem, vollständigen Zustand zu finden. Aber immerhin, die Möglichkeit zum Kauf besteht. Oder nicht?

Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Sprechen wir über Verfügbarkeit, dann sprechen wir immer auch über Bezahlbarkeit. Gerade physische Versionen sind nie wirklich nicht erhältlich, wenn wir nur bereit und in der Lage sind, genügend Geld hinzulegen. Doch können wir wirklich von Verfügbarkeit sprechen, wenn es eine Verfügbarkeit für Wenige ist? Ich denke nicht.

Davon ausgeschlossen sind ohnehin all die Spiele, die von vornherein nur digital erhältlich waren, was längst auf die Mehrzahl aller Neuveröffentlichungen zutrifft. Verschiedene Kopierschutzmaßnahmen verhindern, dass bereits erworbene digitale Spiele nicht einfach weiterverkauft werden können. Möglichkeiten zum Erwerb gibt es dann fast gar keine mehr, sofern man nicht eine komplette Konsole auf dem Gebrauchtmarkt kaufen will, auf deren Festplatte P.T. oder (das kürzlich dann doch wiederveröffentlichte) Scott Pilgrim schlummern. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Preise in diesen Fällen erst recht ein horrendes Niveau erreichen, das für den überwiegenden Teil der interessierten Spielerinnen und Spieler in keinem Verhältnis zum gewünschten Spiel mehr steht.

Hinzu kommt, dass man sich darüber im Klaren sein sollte, dass auch die Lebensdauer physischer Versionen nicht unbegrenzt ist, ganz egal ob es sich dabei Module, Discs oder eben um eine Konsole mit auf der Festplatte installierten Spielen handelt. Selbst die pfleglichste Behandlung kann unvermeidliche chemische Zerfallsprozesse nicht aufhalten und irgendwann ist Schluss. Daher taugen physische Spiele (oder Konsolen-Hardware mit darauf gespeicherten digitalen Downloads) auch nur bedingt als wirklich dauerhafte Wertanlage. Es sei denn natürlich, das Sammlerinteresse gilt dem physischen Gegenstand als solchem – also der Box, dem Datenträger und der Spielanleitung – und weniger einem funktionierenden Spiel.


Nun mag vieles von dem, was ich bis hierher gesagt habe, offensichtlich sein, wenn man nur einen Moment darüber nachdenkt. Trotzdem scheint es mir sinnvoll, dass Ganze einmal aufgeschrieben und die diversen Abhängigkeiten in Worte gefasst zu haben. Denn oftmals ist es ja gerade das mangelnde Bewusstsein für das Offensichtliche, das einem den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen lässt und Diskussionen ins Leere laufen lässt. Und die Diskussion um Spiele, die sich nicht länger kaufen lassen, wird so schnell wohl nicht enden.

Im meinem nächsten Beitrag werde ich schließlich die kommende Schließung der diversen PlayStation-Stores den vergangenen Schließungen der Nintendo-Stores gegenüberstellen. Lasst mich in der Zwischenzeit gern wissen, wie euch dieser Beitrag gefallen hat, und was ich möglicherweise noch vergessen habe. [sk]


Mehr zu ähnlichen Themen:

Beitragsbild: Screenshot aus Deus Ex: Mankind Divided (Square Enix, 2016). Nachbearbeitet und zugeschnitten.