Beschauliche Landschaften, putzige Dörfer und kleine Boote auf malerischen Seen – »Dorfromantik« sieht so einladend aus, wie es der Name verspricht. Das Erstlingswerk des Berliner Studios Toukana Interactive, bestehend aus vier Game-Design-Studenten, lädt zum Bau kleiner Welten ein. Nachdem die während des Steam-Festivals zugängliche Demo-Version schon viele Menschen begeistert hat, ist nun auch eine weit umfangreichere Early-Access-Version verfügbar, die noch mehr entspannenden Aufbau-Spaß verspricht. Kann sie ebenfalls überzeugen?
Das Spielziel in »Dorfromantik« ist denkbar einfach: Mithilfe vorgegebener sechseckiger Landschafts-Kärtchen (»Tiles«) gilt es, eine kleine Welt aufzubauen. Wir starten mit einem leeren Spielfeld, auf dem nur ein einzelnes dieser Tiles platziert ist. Nun ist es an uns, aus diesem Grundstein eine zusammenhängende Landschaft zu gestalten. Unser wichtigster Verbündeter dabei ist der Stapel an Tiles im rechten unteren Bildschirmrand. Das jeweils oberste Tile steht uns zum Bau zur Verfügung und kann Feld, Wald, Wiese, Fluss, See, Bahngleise, Häuser oder eine Kombination mehrerer dieser Elemente beinhalten. Die Reihenfolge der Tiles auf dem Stapel ist zufällig.
Ähnlich wie bei einem Puzzle gilt es nun, eine passende Nachbarschaft für das eben gezogene Tile zu finden: Habe ich ein Wald-Tile gezogen, tue ich gut daran, es in der Nachbarschaft anderer Wald-Tiles zu platzieren – je mehr Kanten des aktuellen Tiles an Tiles des gleichen Typs angrenzen, desto mehr Punkte erhalten wir. Selbstverständlich sind alle Tiles bequem drehbar. So entstehen zusammenhängende Wälder und Felder, Flüsse und Seen, Dörfer und Städte und vieles mehr. Kleine Animationen wie die auf Bahngleisen fahrenden Lokomotiven sorgen dafür, dass die Welt von »Dorfromantik« lebendig wirkt.
So weit, so gut. Ganz so einfach bleibt es aber nicht, denn wir haben Aufgaben im Spiel: Manche der Tiles sind mit einer Quest verbunden. So möchte das eben gezogene Kornfeld-Tile zum Beispiel gerne mit mindestens 15 weiteren Kornfeldern verbunden sein. Es ist wichtig, diese Quests zu erfüllen, da das Abschließen einer Quest den Vorrat an Tiles um einige Exemplare auffüllt. Gehen die Tiles nämlich aus, ist das Spiel beendet und wir müssen von vorn beginnen.
Herausforderungen in Sicht
War die Demo-Version noch recht übersichtlich, da nur eine sehr begrenzte Anzahl an Tiles verbaut werden konnte, gestaltet sich das in der Early-Access-Version schon deutlich komplexer: Plötzlich will da ein Wald mit 600 Bäumen gepflanzt werden oder ein Dorf mit über 80 Häusern entstehen. Selbstverständlich liefert ein Häuser-Tile häufig gleich mehrere Häuser und ein Wald-Tile immer einige Bäume, aber dennoch benötigen wir zur Erfüllung einer solchen Aufgabe mitunter sehr viele Tiles.
Nun habe ich womöglich schon 60 Häuser für meine Dorf-Quest miteinander verbunden und ziehe ein weiteres Häuser-Tile mit der Quest, exakt 40 Häuser miteinander zu verbinden. Nun muss ich entscheiden: Baue ich an anderer Stelle parallel noch ein Dorf und riskiere, dass mein Tile-Stapel nicht genug Häuser für beide Quests hergibt? Oder lasse ich die Quest verfallen und nutze die Häuser für die 80-Häuser-Quest? Oder gelingt es mir, die beiden Dörfer in ausreichender Nähe zueinander aufzubauen und zum richtigen Zeitpunkt miteinander zu verbinden?
Je weiter wir in einer Spielrunde vorankommen, desto häufiger begegnen uns diese Situationen und desto komplexer wird das Gesamtgefüge. An allen Ecken und Enden warten Quests auf ihre Erfüllung – eine Bauentscheidung, die vor einer Viertelstunde noch sinnvoll erschien, kann sich im Nachhinein als Fehler herausstellen. Das Gute: Man lernt aus seinen Fehlern und es gelingt nach und nach immer besser, künftige Szenarien zu antizipieren und entsprechend zu handeln.
Verändertes Spielgefühl
Die eben schon erwähnte Demo-Version sorgte bei mir für pure Entspannung: Ich wusste, ich habe nur eine kleine Anzahl an Tiles zur Verfügung. Egal, wie gut oder schlecht ich mich anstellte, sehr weit konnte ich ohnehin nicht kommen. So freute ich mich daran, den kleinen Lokomotiven und Booten zuzusehen, wie sie über Bahngleise und Gewässer fuhren. Unaufhörlich baute ich neue kleine Welten. Immer wieder entstanden so heimelige Dörfer, beschauliche Seen und weite Kornfelder. Dazu rieselte im Hintergrund angenehme Musik. Es gab nicht viel zu gewinnen und nicht viel zu verlieren. Nur viel Hübsches anzusehen, da die liebevoll gezeichneten Tiles in verschiedenen Farbpaletten kommen, die das Landschaftsbild prägen.
In der Early-Access-Version veränderte sich dieses Spielgefühl für mich: Plötzlich erkannte ich, dass das Ende dieser kleinen Welt von meinen Entscheidungen abhängig ist. Erfülle ich nicht genügend Quests, gehen mir die Tiles aus und mein Spieldurchlauf ist beendet. In einer Demo-Version, die nach einer Viertelstunde zu Ende ist, ist das zu verschmerzen. Sitze ich aber schon mehr als eine Stunde an meiner kleinen Welt und sehe dann, dass mir meine Tiles ausgehen, setzt mich das unter Druck: Hoffentlich kommt jetzt noch ein Zwei-Häuser-Tile, dann kann ich eine Quest abschließen und mir zumindest nochmal vier neue Tiles erspielen – mit denen ich womöglich eine weitere Quest beenden kann. So kann ich doch noch »die Welt retten«. Zumindest vorläufig.
»Nur noch eine Runde!«
Glücklicherweise setzt dieses Gefühl erst im letzten Viertel einer Spielrunde ein. Bis dahin bildet die liebevoll gestaltete Landschaft zusammen mit der unaufdringlichen Musik einen entspannenden Erlebnisteppich. Da kommt tatsächlich ein Gefühl von ›Dorfromantik‹ auf!
Langweilig wird das Bauen dabei nie – dafür sorgen nicht zuletzt besondere Tiles, die in der Spiellandschaft verstreut sind: Bauen wir uns einen Weg zu ihnen, stellen sie uns eine Quest. Erfüllen wir diese, haben wir eine Challenge freigeschaltet. Eine solche Challenge kann beispielsweise darin bestehen, einen bestimmten Highscore zu erreichen oder eine vorgegebene Anzahl an Tiles besonders geschickt zu verbauen. Das Erfüllen dieser Challenges schaltet schließlich spezielle Tiles oder Varianten von bereits vorhandenen Tiles frei. Eines der ersten dieser speziellen Tiles ist ein Wasser-Bahnhof, der von allen Seiten sowohl Gleis- als auch Fluss-Tiles erlaubt – im Spielverlauf manchmal sehr nützlich und obendrein schön anzusehen.
Diese mitunter recht anspruchsvollen Challenges üben dabei eine andere Art von Reiz aus, als es die Demo vermochte. Die zusätzlichen Tile-Typen machen neugierig auf Weiteres: Was hat das Spiel noch zu bieten? Wie kann ich meine kleine Welt noch schöner – und an manchen Stellen womöglich effizienter – gestalten? Ach, einmal probiere ich es noch – wäre doch gelacht, wenn es diesmal nicht klappt! So hält sich der Frust über das Ende einer Spielrunde in Grenzen, auch wenn er nach mitunter weit mehr als einer Stunde Spielzeit durchaus schmerzhaft bleibt.
Sandkastenmodus: Das Paradies kommt
Wer ganz auf derlei Stress und negative Gefühle verzichten möchte, wird sich über einen bereits im Spielmenü sichtbaren, aber noch nicht spielbaren Modus freuen: den Creative Mode. Der wird eine Art Sandbox sein, in der wir ohne Sorge um zu erfüllende Quests oder ausgehende Tiles nach Herzenslust bauen und unsere Welt gestalten können. Hier lockt dann die vollkommene Entspannung. Laut den Entwicklern soll dieser Modus in den kommenden Wochen implementiert werden.
Allen, die Spaß an einem ruhigen und nicht zu komplexen Aufbauspiel haben, sei Toukana Interactives »Dorfromantik« schon jetzt ans Herz gelegt. Wer allerdings die absolute Kontrolle über das Spielgeschehen haben möchte, sollte vorerst die Finger vom Indie-Projekt lassen: Das Zufallselement kann einem ungünstig in die Karten spielen. Vor allem solange der Sandbox-Modus noch nicht implementiert ist, sorgt das mitunter für kleinen Frust. Die liebevoll gestalteten Spielelemente und die Belohnungen für erreichte Aufgaben versöhnen aber auch damit. »Dorfromantik« macht viel Freude und hat – im positiven Wortsinn – Suchtpotenzial. [jk]
Dorfromantik
Toukana Interactive
Windows PC (25. März 2021)
Luca Langeberg, Sandro Heuberger, Timo Falcke, Zwi Zausch
Quelle Bilder: eigene Screenshots
Der Steam-Key wurde uns von Toukana Interactive kostenlos zur Verfügung gestellt.
Dorfromantik würde ich irgendwann auch mal ausprobieren, wenn es auf anderen Plattformen erhältlich werden sollte. Mir ist das allein schon sympathisch, weil es so vertraut wirkt: Ein bisschen wie Civilization, ein bisschen wie Die Siedler von Catan, ein bisschen wie das Brettspiel Machi Koro. Aber dann ist doch alles ganz anders, weil das Gameplay halt viel eher an ein Puzzle-Game erinnert.
Und ich kann mich täuschen, aber ich glaube, diese Kombination ist auch ziemlich neu? Also ein Quasi-Puzzle-Game, das nicht nur strategische Überlegung erfordert (wie viele andere Puzzle-Games auch), sondern das so weit geht, als Aufbaustragie mit ausgeprägtem Schönbau-Faktor zu funktionieren!
Ich bin mir nicht sicher, wie viel Langzeit-Appeal das haben wird. Also weniger auf die eigene Spielerfahrung bezogen, sondern darauf, dass derzeit ja fast schon ein kleiner Hype um das Spiel existiert. Mal schauen, wie lange der anhält, und ob das fertige Spiel dann ähnliche Erfolge feiern kann.
Unabhängig davon gibt es wohl wenige Spiele, denen eine Switch-Portierung so gut stehen würde, wie Dorfromantik.
Ein anderes Spiel, an das mich Dorfromantik entfernt erinnert, ist das ebenfalls im März erschienene Loop Hero. Dort ist das Spielziel zwar ein vollkommen anderes, und auch das düstere Setting könnte sich kaum stärker von Dorfromantik unterscheiden. Aber in beiden Spielen gilt es, Welten zu bauen, aus mehr oder weniger zufälligen Landschafts-Kärtchen.
So wirken Dorfromantik und Loop Hero ein wenig wie die helle und die dunkle Seite einer gemeinsamen Spielidee! Über diesen einen Aspekt hinaus hören die Gemeinsamkeiten dann zwar auf, aber falls dir konkret dieser Teil der Spielmechanik gut gefällt, könnte auch Loop Hero einen Blick wert sein. (Davon existiert auch eine umfangreiche Demo, die sich auf leicht umständliche Weise herunterladen lässt.)
Ebenfalls interessant finde ich die Idylle, die das Spiel evoziert, auch durch den deutschsprachigen Titel, der klugerweise auch international beibehalten wird. Die Romantisierung(!) des Dörflichen, die das Spiel betreibt, ist aus einer Ecocriticism-Perspektive sehr spannend.
Berge und Küsten gibt’s im Spiel btw keine, oder?
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