Was macht man, um ein ganzes Jahr allein zu Hause zu überstehen? Man spielt mindestens zwei neue Spiele pro Woche.

Man merkt, dass ich mir im Januar 2020 meinen ersten (richtigen) Gaming-PC zugelegt habe. Und es ist genau so ausgeartet, wie ich es befürchtet hatte… In der Liste sind noch mehr, noch obskurere Indie-Titel als sonst. Umgekehrt bin ich selbst überrascht, wie sehr extrem populäre Titel diesmal das obere Viertel dominieren. Man kann mir zumindest nicht vorwerfen, eine Hipster-Liste geschrieben zu haben.

Wie gehabt: In der Liste sind nur Neuerscheinungen des Jahres 2020 (europäischer Release). Keine Remaster, keine Ports. Und – natürlich – ist die Liste stark beeinflusst von meinem Geschmack. Have fun!


106. Bleeding Edge

Was sollte das überhaupt sein? Eine Fingerübung für Devs, während der Rest des Teams den Nachfolger zu Hellblade konzipiert? Bleeding Edge hängt jeglichen Trends im Multiplayer-Bereich Jahre hinterher. Generische Ästhetik, cringy Tonalität und ein weiterer Beweis, wieso Nahkampf in teambasierten Multiplayer-Spielen schwer umzusetzen ist.

Bleeding Edge Screenshot Gizmo
105. Mortal Shell

Das einzige Spiel dieser Liste, in das ich nur den Fuß gehalten und direkt gemerkt habe: Nope. Ich gab Mortal Shell nach umfangreicher Recherche euphorischer Kritiken die Chance, mir zu beweisen, dass es mehr als der bisher dreisteste Dark Souls-Klon ist. Schnell merkte ich: Mortal Shell fühlt sich gar nicht an wie Dark Souls! Es fühlt sich viel behäbiger, indirekter, unpräziser an als Dark Souls! So verließ ich das kontrastarme Anfangsareal, in dem ich einen Pfad im Wald nicht vom anderen unterscheiden konnte.

mortal shell
104. Gonner 2

Der einzige Grund, wieso ich Gonner 2 angespielt habe, ist, um zu erfahren, womit Gonner 1 einen Nachfolger verdient hat. Wie sein Vorgänger schaut Gonner 2 exzellent aus, bleibt aber auch sackschwer. Es gibt harte Spiele und dann gibt es Spiele, deren absurde Schwierigkeitsspitzen gleich zu Beginn einfach nur ein Witz sind.

gonner 2
103. Little Orpheus

Narrative Platformer im Stil von Limbo oder Inside ermüden mich mittlerweile bereits, selbst wenn sie gut gemacht sind. Little Orpheus hat ein winziges Papierboot voll Charme, das in einem See aus Kitsch und Russenklischees aufweicht wie eine Brausetablette. Natürlich alles nur ironisch! Aber witzig oder unterhaltsam ist es allenfalls für Kinder – ohne das per se negativ zu meinen. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

little orpheus
102. Promesa

Promesa abzuwatschen, macht mich sofort zum Grinch. Das Soloprojekt eines Entwicklers über seinen verstorbenen Großvater. Reviews beschreiben Promesa als langsam, aber ich hätte nie erwartet, WIE langsam. Everybody’s Gone to the Rapture wirkt dagegen wie Doom Eternal. Es ist, als schöbe ich eine Steady Cam durch einen Sandkasten. Der Fokus ist die Spielwelt als begehbare Installation. Wieso aber die Spieler*innen zwingen, sich jeden Winkel anzuschauen? Fehlte hier das Vertrauen in die eigene Spielwelt und die (sehr) lose damit verknüpften Erzählfetzen?

promesa
101. Treachery in Beatdown City

Ich liebe Experimente! Je subversiver, desto besser! Aber „Streets of Rage, but with turn-based combat”? Da hätte man vielleicht doch nochmal ans Reißbrett gemusst. Kurios ist auch, wie schnell dieser eigentlich langsame und methodische Ansatz stressiger und unkontrollierbarer wird als ein Prügler in Echtzeit.

treachery in beatdown city
100. Reky

Ein solides, aber endgültig belangloses Puzzle-Game, das in eine ähnliche Kerbe schlägt wie Echochrome oder Monument Valley: Minimalistische Perspektivrätsel. Wenig Neues, wenig Schlechtes, nichts Beeindruckendes.

reky
99. One Step from Eden

Ich war mal bei einem Pianokonzert, bei dem ein Künstler eine 20-minütige Prokofiev-Sonate so schnell gespielt hat, dass seine Finger verschwanden. Dieser Mann könnte sicherlich auch One Step from Eden bewältigen! Beim Multi-Tasking und extremen Reaktionsvermögen, die dieses Roguelike im Stile von Mega Man Battle Network benötigt, kam ich nie über die ersten paar Kämpfe hinaus. Der Pianist hieß übrigens Boris Giltburg. Shoutout an Boris!

one step from eden
98. Panzer Paladin

Mittlerweile beginnt selbst bei mir die Ermüdung für Spiele in austauschbarer Pixel-Optik. Erschwerenderweise sind die Pixel in Panzer Paladin mehr als nur austauschbar: Häufig erkannte ich wesentliche Level-Elemente nicht – wie zum Beispiel Stacheln, die den sofortigen Tod bedeuten. Tolle Kombi zum altertümlichen Checkpoint- und Leben-System! Hört einfach den Soundtrack auf Spotify.

panzer paladin
97. I Am Dead

War ein Annapurna Game je so niedrig auf einer meiner Listen? Ein herzliches, warmes Spiel, aber einfach nicht mein cup of tea. Diese Wattebausch-Heizung-auf-Fünf-Hygge-Ästhetik hat mir einfach zu wenige Ecken und Kanten. Da muss das Gameplay mehr bieten als milde Klick-Untermalung zum Schwank aus der Jugend.

i am dead
96. Cruel Bands Career

Wirkt wie ein aufgeblähtes WarioWare-Microgame – ein originelles Microgame mit charmantem Stil. Der Tiefgang, der in Cruel Bands Career steckt, entsteht leider fast ausschließlich durch unintuitives Chaos-Management und verzweifelte Verrenkungen im Gehirn und am Controller.

cruel bands career
95. No Straight Roads

Rock versus EDM! Klingt wie ein Pitch, der auf der Anti-Hip-Hop-Area-Fußmatte meines Jugendzimmers entstanden ist. Im Detail ist die Erzählung viel charmanter als ihre AC/DC-inspirierte Prämisse. Der grandiose Rock-/EDM-Soundtrack lässt vermuten, dass auch das Studio nicht nur Musik mit „echten Instrumenten“ hört. Nun müsste nur das Spiel kein unterdurchschnittlicher – wenn auch prunkvoller – 3D-Platformer der frühen 2000er sein.

No-Straight-Roads-247704
94. Kunai

So ein einfacher Pitch: Ein Metroidvania, in dem du schwingen kannst wie Spider-Man! Diese Hauptmechanik, in der beide Schultertasten jeweils einen Arm simulieren, fühlt sich erstaunlich gut an. Leider wird das Schwingen in der Praxis eher zum Beiwerk. Laufen und Springen reichen in der Regel aus und der Fokus liegt auf abgedroschenem Nahkampf. Welt, Erzählung und Map-Layout laden ebenfalls nicht zum Erkunden ein.

kunai
93. Double Kick Heroes

Wieso klingen 90 Prozent aller Videospiele über Musik, als hätte Jack Black sie geschrieben? Auch die Macht der Heavy Metal-Götter \m/ \m/ hilft Double Kick Heroes nicht, mehr zu sein als ein spielerisch belangloses Rhythmusspiel mit einer noch belangloseren Prämisse. (Zombies, again!) Nach Spielen wie Thumper wirkt stumpfes Knöpfchendrücken nur noch faul.

double kick heroes
92. The Longing

Konzeptuell das Spiel auf dieser Liste, das „most out there“ ist. Fairerweise muss man sagen: Die 400 Tage von The Longing ließen sich im Jahr 2020 gar nicht angemessen betrachten. The Longing schenkt dem Genre der Idle Games eine neue narrative Daseinsberechtigung, die ich rein theoretisch wertschätzen kann. Am Ende weiß ich aber immer noch nicht, was ich mit einem Idle Game machen soll. Ich verspürte kein „longing“, das Spiel zu beenden, sondern nur das Spiel auszuschalten. Hat die Grundidee des Spiels deshalb versagt? Ist die Karotte, die vor der 400 Meter langen Nase baumelt, zu unattraktiv?

the longing
91. Ultra Hat Dimension

Ultra Hat Dimension ist so low-budget, dass die Entwicklerin alle Soundeffekte mit dem Mund erzeugt hat. Das ist so based, dass ich es nur loben kann. Deutsche Spieleredakteure über 40 würden an dieser Stelle den Sokoban-Vergleich auspacken – Ultra Hat Dimension ist nicht mehr und nicht weniger als zuckersüße Schieberätsel mit Hut.

ultra hat dimension
90. Evan’s Remains

Die Sci-Fi-Erzählung über paranormale Ereignisse auf irgendeiner einsamen Insel flog mitsamt ihrer ungreifbaren Charaktere himmelhoch über meinen Kopf. Was bleibt, sind solide, aber wenig beeindruckende Plattformrätsel, die ich sogar optional überspringen kann… was in diesem Fall Fluch und Segen zugleich ist.

evans remains
89. Star Renegades

3D-Pixelart, die so sexy ist, dass sogar Octopath Traveler Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Abgesehen davon scheitert dieses Roguelike mit potentiell fünf bis sechsstündigen Runs (habe nur über die Länge gelesen – so weit kam ich nie ansatzweise) bereits in seiner grundlegenden Struktur. Sogar die einzelnen rundenbasierten Kämpfe schaffen es, gleichzeitig zu simpel und zu verkopft zu sein.

star renegades
88. Resolutiion

Dass Resolutiion sich so viele Vergleiche mit Hyper Light Drifter gefallen lassen musste, ist nicht ganz fair. Wie viele andere Spiele gibt es, die sich visuell gleichen wie ein FIFA-Ableger dem anderen? Dann wiederum… Resolutiion erinnert wirklich sehr stark an Hyper Light Drifter. Gleichzeitig setzt es stärker auf gnadenlose Kämpfe und zielloses Durchforsten verwinkelter Areale. Die beiden Elemente, die mir an Hyper Light Drifter am wenigsten gefallen haben.

resolutiion
87. Fae Tactics

Fae Tactics wurde mir als „Final Fantasy Tactics, aber für Einsteiger“ gepitcht. Das klang erstmal ganz toll! Entspannte Strategie ohne viel Ballast für kurze Runden am Abend. Relativ schnell wird das Ganze dann aber doch ziemlich komplex – unter anderem, weil das UI so unübersichtlich ist. Ohne signifikante Erzählung hatte ich einfach null Motivation, mir diese mentale Gymnastik anzutun.

fae tactics
86. Ghostrunner

Wie können die Parkour-Abschnitte so geil, aber die Kämpfe so scheiße sein!? Ich bin ja ein Sucker für kitschigen Cyberspace und Mech-Ninjas mit Katana. Aber eine First-Person-Bullethell auf Speed, bei der ich seitlich und hinten nicht sehe, wann Gegner mich zerlöchern… mit sofortigem Tod bei jedem Fehler? Alles unter einem Field-of-View von 120 ist bereits beim Parkour der inoffizielle Hard-Mode. Die Kämpfe waren für mich schon im vierten von zwanzig Leveln eine Hürde, die ich meinen Nerven lieber ersparen wollte.

ghostrunner
85. Noita

Das Kernkonzept von Noita pitcht sich praktisch von selbst: Jeder Pixel hat seine eigene Physik. Die 2D-Welt zerbricht, verbrennt und explodiert komplett dynamisch. Eine Szene im Debüt-Trailer reicht, um zu überzeugen. Hinter dieser beeindruckenden Physik steckt ein generisches Roguelike, das 2010 in der Versenkung der Xbox Live Arcade hätte verschwinden können. Perlen vor die Säue.

noita
84. Biomass

Ich hätte gern mehr Spiele mit düsterer Science-Fantasy-Western-Kulisse à la Stephen Kings Dark Tower. Irgendwo zwischen Metroidvania und Narrative Adventure der Sorte Flashback steckt hier ein grandioses Epos. Die Souls-inspirierten Kämpfe sind für mich leider eine unüberwindbare Hürde. Unresponsive Steuerung, schlecht lesbare Pixelgegner und harter Level-Grind ergeben einen brutalen Schwierigkeitsgrad, den Biomass nicht gebraucht hätte. Zudem ist Biomass ein weiteres 2D-Spiel, das von einer Karte profitiert hätte. Orientierung in 3D ist nicht vergleichbar mit 2D-Welten, in denen jede Ecke gleich aussieht.

biomass
83. Carto

Erneut eine großartige Grundidee: Ein Adventure in Vogelperspektive, bei dem wir die einzelnen Kacheln der Weltkarte frei verschieben – häufig begleitet von Puzzles in der Umwelt. Die drangepappte Erzählung ist so süß wie einschläfernd, nimmt im Verhältnis zu viel Platz weg und bremst die tolle Spielidee, ihr Potential zu entfalten.

carto
82. Paperball

Wann habe ich das letzte Mal ein Hauptmenü in Ringform gesehen? They don’t make them like these anymore. Alles an Paperball schreit PlayStation 2 und GameCube. Vielleicht ist es da nur konsequent, dass es kaum mehr ist als das moderne Indie-Gegenstück zu Super Monkey Ball. War die Kamera dort auch schon so hektisch und wackelig? Murmelspiele sind eines der wenigen Konzepte, die mit Wiimote präziser funktionieren.

paperball
81. PHOGS!

Ein witziges Koop-Spiel, in den zwei Personen die Enden einer Hundewurst kontrollieren. Soweit nichts Neues für Koop-Spiele mit Chaospotential, aber nett! Was mich überraschte, war die Liebe zum Detail, die in der Welt dieses Kaugummitraums steckt.

phogs
80. Raji: An Ancient Epic

Raji genießt den Exotenbonus. So viele namhafte indische Indie-Games gibt es schließlich auch nicht. Raji suhlt sich in seiner eigenen kulturellen Historie. Die erzählerischen Tropes und die Ikonographie wirken auf orientalistisch-verklärte Europäer*innen ausgelutscht, aber das macht die prunkvolle Umsetzung nicht weniger faszinierend. Als Actionspiel ist Raji geradezu beeindruckend durchschnittlich und selbst über seine wenige Stunden ermüdend.

raji an ancient epic
79. Beyond Blue

Wenn Lernspiele sexy wären, wie sähe wohl unser Bildungssystem aus? Beyond Blue ist die Premiumdoku unter den Edu-Games; es nutzt sein BBC-Budget für eine beeindruckende Unterwassersimulation mit Bildungsanspruch. Ziemlich cool, aber den sterilen Geschmack einer pädagogischen Auftragsarbeit wird es trotz aller Mühen nicht los.

beyond blue
78. In Other Waters

Das andere Extrem zu Beyond Blue: Wahnsinnige Atmosphäre – dafür, dass die Unterwasserwelt nur aus Menüs, Karten und Symbolen besteht. Bloß nicht drüber nachdenken, dass man nur auf blinkende Punkte starrt! Der Kartenklicker ist zu entspannend für sein eigenes Wohl. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

in other waters
77. The Signifier

Ist es eine Illusion von Intellekt, wenn das Werk meinen vollen Einsatz will, ohne mir den geringsten Anreiz zu geben? The Signifier beginnt einsam im sterilen Labor und sagt: „NPC Y, die du noch nie getroffen hast, ist gestorben. Falte dein Hirn, um den Fall in verschiedenen Bewusstseinsdimensionen zu lösen. Höre dir dazu als erstes 20 Minuten Worldbuilding-Monolog an.“ Irgendwo in diesen coolen Glitch-Welten steckt ein Geniestreich. Drei Stunden später wartete ich noch immer auf die Motivation, meine Energie in diesen Sci-Fi-Krimi zu stecken.

the signifier
76. Umurangi Generation

Bekenne mich schuldig, zu basic für dieses Spiel zu sein. Fotos schießen in einer dystopischen Jugendkultur zwischen Krieg und Kapitalismus klingt extrem cool. Dass die Kameras technisch so akkurat simuliert werden, macht es für mich nur unzugänglicher. Die freie Struktur mit offenen Miniwelten mag knipsende Freigeister inspirieren; mir wurde Umurangi Generation ohne den Selbstanspruch zum perfekten Schnappschuss zu schnell zur Checkliste – trotz des exzellenten Environmental Storytelling.

umurangi generation
75. Death and Taxes

Papierkram, der über Menschenleben entscheidet. Wer soll leben? Wer soll sterben? Sind Wissenschaftler mehr wert als Sexualstraftäter, wenn es darum geht, sie mit einem Mausklick ins Jenseits zu befördern? Moderat originelle ethische Fragen mit bewusst trockenem Beamtensetting. Wir dürfen aus der Reihe tanzen, aber alles in allem ist Death and Taxes beinahe zu konsequent staubig.

death and taxes
74. Dreams

Die vielleicht schwierigste Platzierung dieser Liste. Dreams ist absolut beeindruckend; ebenso wie viele der unzähligen Fan-Kreationen. Dreams ist gleichzeitig der wilde Westen des Amateur-Game-Designs und eine Grabbelkiste voller mittelmäßiger Werke, die ich in meinem Leben nicht gebraucht hätte. Konzept, Charme und Novelty Factor sind hier alles – ohne das allzu böse zu meinen.

dreams
73. Battletoads

Animationen und Spielgefühl sind absolut on point – wieso scheitert es dann am (vermeintlich) einfacheren Handwerk? Der Wille zum experimentellen Exkurs springt ins Gesicht, doch trotz aller Minigames bleiben die Level belanglos. Die Erzählung könnte sich selbst nicht weniger ernst nehmen, löst aber trotzdem mit jeder Zeile Fremdscham aus. Das größte Manko: Fast alle Kampfarenen sind hoffnungslos überladen und versinken in einem Chaos aus Projektilen und gegnerischen i-Frame-Angriffen, sodass kein Flow aufkommen will. Wirkte der Ausweichknopf anfangs wie eine Gnade, offenbart er sich später als Krücke.

battletoads
72. Paper Mario: The Origami King

Witz in jeder Zeile, eine halbwegs originelle Handlung und eine Welt, die ihren Namen (endlich wieder) verdient. Origami King hat alles, was ein charmantes Action-Adventure braucht… und ein nerviges Pseudo-RPG-Kampfsystem. Oder Puzzle-System? Jedes Gefecht hat eine optimale Lösung für einen Sieg ohne Schaden. Diese Ideallinie ist nur selten schwer versteckt; häufig wiederholen sich sogar dieselben Muster. Sind die Kämpfe also noch Puzzles, wenn sie mich nicht stetig fordern? Was auf den ersten Blick raffinierter wirkt als übliche JRPG-Filler-Fights, nervt schnell dank umständlicher Bedienung und fehlendem Zweck. Die vermeintlich höhere Komplexität des Kampfsystems offenbart nach wenigen Stunden ihren schleifenden Fuß, der den starken Rest des Spiels zurückhält.

paper mario origami king
71. Tonight We Riot

Eine quirlige linke Machtfantasie. Tonight We Riot ist so konsequent und übertrieben in seiner Darstellung politischer Handlungen, wie es sich sonst nur obskure Neckbeard-Machwerke aus der rechten Ecke trauen. Unter der politischen Haube ist es ein durchschnittlicher Brawler mit Mob statt Einzelkämpfer*in. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

tonight we riot
70. Kentucky Route Zero

Kentucky Route Zero ist ein wenig wie diese Traumsequenzen in Murakami-Romanen, bei denen ich jedes Mal wegdöse – allerdings über fünf mehrstündige Episoden. Das Spiel ist zweifelsohne faszinierend, doch die Faszination selbst ist ungreifbar. Dialogoptionen sind kein Werkzeug für Immersion; selten scheinen sie überhaupt Konsequenzen zu haben. Kentucky Route Zero ist wie ein massives interaktives episches Gedicht, dessen Zeilen wir selbst mitgestalten, aber nicht verstehen.

kentucky route zero
69. Arrest of a Stone Buddha

So viel Gewalt. So stumpf, dass sie nicht nur mich, sondern auch den Protagonisten nachdenklich macht. Ohne den Anspruch, es jemals durchzuspielen, ist Arrest of a Stone Buddha eine wunderbar morbide, melancholische Erfahrung mit hartgekochter Textur. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

arrest of a stone buddha
68. Synergia

Nur eine weitere „was, wenn Androiden wie Menschen wären“-Geschichte? Neben den üblichen Konflikten dieses Tropes stellt Synergia vor allem die Frage, ob naive, heitere Androiden nicht eigentlich die besseren Menschen wären, wenn die Menschheit den Cyberpunk-Bach runtergeht. Die überambitionierten Twists zum Finale machen diesen intimen Grundkonflikt zwischen zwei Charakteren unnötig kompliziert. Außerdem erwarte ich bei meinen Visual Novels zumindest ein minimales Maß an Interaktivität neben dem Klicken von Textboxen.

synergia
67. Iris and the Giant

Die Rahmenhandlung über Mobbing in der Schule und den Abstieg ins Reich der Ängste ändert wenig daran, dass mir bei Deckbuilder-Roguelites spätestens im dritten Anlauf die Wiederholung zu hart wird. Dabei balanciert Iris and the Giant viele spannende Entscheidungen pro Zug: Wie greife ich an, wo greife ich an, was greife ich an? Wie beeinflusse ich das Areal? Investiere ich in Status-Upgrades oder neue Karten? Generell kenne ich kein anderes Spiel, das gespielte Karten nicht einfach wieder unter den Stapel mischt. Einmal gespielt ist jede Karte weg. Neben der Lebensenergie gilt es also auch diese Zahl im Blick zu behalten. So entsteht eine ganz andere Dynamik.

iris and the giant
66. Hylics 2

Bei aller Liebe für ausgefallene Spiele – irgendwann wird der Jank zum Schmerz. Dass ich die Hälfte der Zeit nur ein Viertel von dem verstehe, was passiert oder was ich tun muss, gehört gewissermaßen zum Programm. Trotz der sagenhaften Ästhetik, die ich in diesen wenigen Zeilen nicht genug loben kann, ist Hylics 2 aber einfach zu anstrengend für seine happige Spieldauer.

hylics 2
65. Metamorphosis

Ein (treffenderweise) kafkaesker Remix nicht nur des titelgebenden, sondern diverser Kafka-Werke. Als traditionelles Action-Adventure mit Platforming im Stile der frühen 2000er funktioniert diese (wie man es damals genannt hätte) Versoftung (kotz) besser als manch andere Adaption von Schrift zu Spiel. Es brilliert in der latenten Verwirrung, für die Kafka bekannt ist, doch am Ende bleibt wenig hängen. Ohne meine Excel-Liste hätte ich vergessen, Metamorphosis gespielt zu haben.

metamorphosis
64. Signs of the Sojourner

Signs of the Sojourner gamifiziert Kommunikation und Sprache mit wortlosen Mechaniken. Das Kartenspiel gegen verschiedene Varietäten, Temperamente und Klassen simuliert erstaunlich akkurat, wie es sich anfühlt, aneinander vorbei zu reden. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

signs of the sojourner
63. Scourgebringer

Scourgebringer fühlt sich so gut an! Bei einem Roguelite hoffe ich immer, die fiesesten Hürden durch Ausdauer ausgleichen zu können, aber hier stand ich (wie zu häufig) nach wenigen Stunden vorm Berg. Dafür, dass Scourgebringer für wenig Belohnung sehr viele Anläufe fordert, sind die prozedural generierten Level nicht abwechslungsreich genug. Es ist die frustrierende Art von Zufallssystem, wo Glück zu sehr über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Außerdem: Wie viele zusätzliche Synapsen benötigt mein Hirn, um das Mikromanagement der Projektilmunition im Eifer des Gefechts zu verkraften? Die großzügigen Accessibility-Optionen schaffen einen willkommenen Ausgleich.

scourgebringer
62. The Last Campfire

Sieht auf den ersten Blick kitschig-putzig und belanglos aus, doch der Charme fesselt. Die ruhige Kinderbuch-Erzählstimme und sanfte Optik sind mitreißend beruhigend. Die Oberwelt ist auf Dauer einschläfernd; zu weitläufig, zu langsam, zu anspruchslos. Die Haupträtsel in abgetrennten Arealen sind im Vergleich umso intelligenter. So ähnlich hätten wohl die Zelda-Titel für den Nintendo DS ausgesehen, wären sie tatsächlich gute Spiele.

last campfire
61. Hyrule Warriors: Age of Calamity

Ein Musou-Spin-Off mit Story als Hauptaugenmerk!? Natürlich konnte das nichts werden! Selbst wenn Breath of the Wild ein Prequel gebraucht hätte – der revisionistische Zeitreiseansatz von Age of Calamity unterwandert die Kontinuität und Relevanz dieses Beiwerks. Der Fokus auf wenige handlungsrelevante Charaktere in distinkten Kulissen tut der Action gut. Vielleicht ist Age of Calamity sogar eines der bestdurchdachten Musou-Spiele. Jetzt würde ich es gerne noch einmal auf Hardware genießen, auf der das Monster-Konfetti nicht zum Daumenkino wird.

hyrule warriors age of calamity
60. Omori

Ein weiteres Spiel wie Earthbound. Kein Grund für Zynismus! „Zuckersüßes JRPG trifft auf düsteres Sujet“ funktioniert auch 26 Jahre nach Earthbound und fünf Jahre nach Undertale. Nur ist Omori mechanisch lange nicht so ausgefeilt und intelligent wie letzteres Referenzwerk. Gleichzeitig habe ich nach Undertale keine Lust mehr, zwanzig Stunden durch generische Kämpfe zu grinden. Es fehlt der Fokus. Zu viel generisches JRPG-Gameplay, vor allem im Auftakt.

omori
59. What Comes After

Obwohl What Comes After im Kern lebensbejahend sein möchte, scheinen die Verstorbenen im Zug ins Jenseits sehr zufrieden mit ihrem Schicksal zu sein. Es gibt nicht viel Handfestes fernab der Plattitüde „das Leben ist besser als der Tod“. Die Erfahrung des anekdotischen Dialogs mit den Toten könnte jedoch inhärent eine Erfahrung sein, die das eigene Verhältnis zum Suizid beeinflusst. Schwer zu sagen, ob What Comes After seine eigene Materie missversteht oder einfach nur more wholesome sein möchte.

what comes after
58. Milky Way Prince – The Vampire Star

Diese Visual Novel löst audiovisuell extremes Unwohlsein aus – genau das, was sie wahrscheinlich versucht. Die Darstellung einer toxischen Beziehung funktioniert für mich auf dieser Ebene, ist mir aber textlich zu abstrakt. Einzig das erratische Verhalten des zentralen Charakters unterstrich effektiv die Vision.

milky way prince the vampire star
57. Animal Crossing: New Horizons

Ich bewerte Spiele gerne anhand meiner Erinnerung: Wie lange erinnere ich mich noch gern daran zurück? Wie stark, positiv oder warm sind die Erinnerungen? Bei Animal Crossing sollte man meinen, wohlige Erinnerungen seien geschenkt. Der Zeitgeist zu Beginn des Lockdowns, in dem alle Welt in Animal Crossing eine stabile Brücke fand, war einzigartig. Soziale Medien haben New Horizons geprägt, wie es beim Vorgänger New Leaf anno 2012 schlicht nicht möglich war. Damals schwappte Instagram gerade eben nach Deutschland – heute wird es zum definierenden Motivator fürs Spiel. Der Community-Aspekt in New Horizons war offenbar auch Nintendo bekannt, denn sie bevorzugten diesen gegenüber den traditionellen Stärken der Reihe. Allein zwischen den Dialogen mit NPCs in Wild World von 2005 und New Horizons liegen Welten! Damals war Animal Crossing ein Spiel für Eremiten, heute eines für Influencer.

animal crossing new horizons
56. The Suicide of Rachel Foster

Diese Mystery-Geschichte in einer verlassenen Villa ist so superb inszeniert; ich kann immer noch nicht glauben, dass Daedalic dahintersteckt. Keine Spur von drögem Point-and-Click – stattdessen freie Erkundung in First-Person und eisiger Atmosphäre. Kulisse, Voice-Acting und Spannungsbogen würden eine höhere Platzierung rechtfertigen. Der Nachgeschmack jedoch ist bitter: Unterschwellige Glorifizierung einer pädophilen Vaterfigur… kann man nicht mehr vergessen, wenn man zu viel drüber nachdenkt.

suicide of rachel foster
55. Wasteland 3

Trotz seiner Qualität verfestigt Wasteland 3 meine These: Ein gutes Rollenspiel – auch ein komplexes – sollte ohne umständliche Menüs und Excel-ähnliches Mikromanagement auskommen. Optimieren der Ausrüstung und Statuswerte hat mit Narration wenig zu tun – siehe Disco Elysium. Das Kampfsystem ist zum Glück weniger kleinteilig als bei Divinity, strauchelt jedoch aufseiten der Gegner: Mechaniken sind schnell erlernt, aber für strategisches Kalkül agieren die Feinde zu unvorhersehbar. Wasteland 3 spielt in einer generischen Postapokalypse mit Fallout-Sarkasmus. Aber: In den Momenten, in denen ich tatsächlich Rollen spielen durfte, war es sehr unterhaltsam. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

wasteland 3
54. Huntdown

2D-Deckungsshooter in atemberaubendem Pixelbombast. Inszenierung ist King – was nicht bedeuten soll, dass das Gameplay schwach wäre. Die Darstellung diverser Stereotype der 80er-Popkultur schrammt haarscharf an der Messlatte für bedenklichen Content vorbei. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

huntdown
53. Infini

Wenn ein Spiel so abstrakt und konfus ist wie Infini, greift nur eine Interpretation: Wir haben es mit radikalem Nihilismus zu tun. Jederzeit bevorzuge ich ein hässliches Spiel mit unkonventionellem Stil über einem ansehnlichen Spiel, das aussieht wie jedes andere. Ist ein solches Spiel dann überhaupt noch hässlich? Oder ist Infini wunderschön in seiner verstörenden Wirkmacht? Sogar das endlose Fallen – also das Gameplay – ist überraschend raffiniert und sauber, wird aber sehr schnell sehr hart. Repetition, die Albträume verursacht.

infini
52. Super Crush KO

Oberflächlich brilliert Super Crush KO einzig durch sein extrem poliertes, minimalistisches Combo-Kampfsystem. Die fluffige urbane Ästhetik mit Zeichnungen und Sounds so weich wie Zuckerwatte trägt aber mehr zur Faszination bei als sofort ersichtlich.

super crush ko
51. Tell Me Why

Ein intimes Kammerspiel, dessen Substanz Spiele häufiger mit so viel Fingerspitzengefühl anfassen sollten. Nach dem übernatürlichen Life is Strange wurden Dontnods Spiele zunehmend langsamer und boten seltener spannende Interaktion. Wenige Charaktere, wenige Schauplätze, Konflikte, die hauptsächlich in den Köpfen der Charaktere stattfinden – mit seinem kleinen Erzählrahmen und seiner üppigen Länge hätte Tell Me Why noch stärkeres Writing benötigt, um diese Spannungsdefizite aufzuwiegen.

tell me why
50. Phoenotopia Awakening

Hätte ich mir als Kind ein Spiel ausgedacht, hätte es exakt so ausgesehen. Retro-romantisch verklärt, aber mit modernem Bewusstsein vermischt Phoenotopia Einflüsse von Zelda II bis Earthbound. Es platzt nahezu vor Charme und Liebe zum Detail. Doch Phoenotopia ist beinahe zu ambitioniert für sein eigenes Wohl: Dungeons sind weitläufig und verwirrend. Ressourcen sind rar, aber wichtig. Obendrein wirken ausgerechnet die Kampfmechaniken zu reduziert und unbefriedigend. Phoenotopia sieht nicht aus wie ein Spiel, in das man derartig viel Zeit investieren muss.

phoenotopia awakening
49. Haven

Der gelungene Versuch, eine Liebesgeschichte im einsamen Weltraum durch Spielmechaniken zu erzählen. Haven verbindet seine Charaktere weniger aufdringlich als Brothers: A Tale of Two Sons. Dennoch stolpert auch Haven über den Fallstrick, schwache Mechaniken durch narrative Bedeutung zu legitimieren. Für zwei bis drei Stunden hätte das wunderbar aufgehen können. Danach wird das Survival-Abenteuer schnell eintönig – trotz der (für Spiele) ungewohnt authentischen Beziehung der Charaktere. Vielleicht gibt es deshalb so wenige Spiele über Liebe.

haven
48. 10mg Collection

Kein Spiel, sondern eine Sammlung winziger Spiele unter zehn Minuten Spielzeit. Wenn die Rolling Stone bei ihrer jüngsten „Top 500 der besten Alben aller Zeiten“ Best of-Alben und Sampler aufnimmt, landet auch 10mg hier als Bundle. Schließlich sind die Spiele als Teil dieses Bundles konzipiert und das Konzept ist felsenfest. Deswegen lobe ich 10mg auch primär für seine Grundidee: Spiele können nur zehn Minuten lang sein und dennoch begeistern. Vor allem, wenn ich meine Begeisterung in „Wow pro Minute“ umrechne.

10mg
47. Jet Lancer

2D-Jet-Action mit gleißendem Sonnenlicht in den Rauchschwaden der Pixelflieger. Exzellenter Flow, exzellentes Feeling. Mit abwechslungsreichen Challenges statt generischer Arcade-Action per Zufallsprinzip. Bis Jet Lancer zu schwer wird und sich gegen Ende doch leicht abnutzt, hat es die perfekten SEGA-Summer Vibes.

jet lancer
46. Hotshot Racing

Noch mehr chunky SEGA-Ästhetik! Ihr wisst hoffentlich, was ich meine. Hinter dem generischen Namen Hotshot Racing verbirgt sich eine kurzweilige Perle, die uns so nah an ein Premium-Outrun bringt wie wenige andere Titel in jüngster Zeit.

hotshot racing
45. Risk of Rain 2

Ich sagte es schon letztes Jahr bei Void Bastards: Wie super, dass Indie-Devs mittlerweile so coole 3D-Roguelikes zaubern können. Die zusätzliche Dimension haucht Roguelikes für mich neues Leben ein. Besonders, wenn die Welt so atmosphärisch und das Gameplay so rund ist. Das Abwägen von Upgrade-Sammeljagd versus kontinuierlich steigendem Schwierigkeitsgrad sorgt für dauerhafte Spannung ohne Stress.

risk of rain 2
44. Crash Bandicoot 4: It’s About Time

Crash 4 kehrt zurück zu den Platforming-Wurzeln ohne Minispiel-Gimmicks und liefert einige der bestgestalteten Level der Reihe. Gleichzeitig sitzt der Schwierigkeitsgrad zwischen den Stühlen: Die Hauptlevel von vorn bis hinten durchzuspielen ist bis kurz vor Schluss Kindergeburtstag. Zum Ausgleich dreht Crash 4 die Sammelwut auf Anschlag. 100 Prozent in einem Level zu erreichen, ist (außer zu Beginn) nahezu unmöglich. Crash 4 mag keine Loser. Alle, die nur 50 oder 99 Prozent in einem Level erreichen, gehen komplett leer aus. Wieso also überhaupt versuchen? Unterm Strich: größtenteils anspruchslose Hauptlevel mit potentiell spannenden Bonusherausforderungen, die ich – im Sinne meiner geistigen Gesundheit – lieber gleich ignoriert habe.

crash bandicoot 4
43. Spiritfarer

Ein Boot mit Sitzheizung und Hamsterrad an Bord. Der Gameplay-Loop dieser Aufbausimulation scheint erst befriedigend, stellt sich aber schnell als Beschäftigungstherapie mit Leerlauf heraus. Spiritfarer gibt mir nicht annähernd so viel zurück, wie ich reinstecke. Schade, wo doch das erzählerische Korsett so gelungen für ein grindiges Game ist.

spiritfarer
42. Star Wars: Squadrons

Ziemlich genau das, was ich mir von einem geistigen Nachfolger zu Rogue Squadron gewünscht hätte. Die Ästhetik der Weltraumschlachten ist ohnehin das Coolste an Star Wars. In VR fetzt das Ganze gleich noch mehr. In der Regel endet der Spaß immer dann, wenn die Action richtig einsetzt. Kaum eine Mission ist länger als eine Viertelstunde und die lahmen Pausen im Hangar nehmen der Kampagne jeglichen Fluss. Selbst, wenn es darum geht, das Spiel für VR (buchstäblich) leichter verdaulich zu machen: Gebt mir weniger Gelaber und die Option, einfach weiterzufliegen. Ich esse doch auch keine Chipstüte, indem ich nur alle paar Minuten reingreife. Die Bauchschmerzen setzen erst ein, wenn die Völlerei endet und ich merke, was gerade mit meinem Körper passiert.

star wars squadrons
41. Call of the Sea

Eine schöne Mischung aus narrativ getriebenem Walking Simulator und Myst-ähnlichem Rätselabenteuer im Südpazifik. Lovecraftian Horror, in dem die authentische Repräsentation der indigenen Inselkultur die Angst vor dem Fremden ersetzt. Nicht einmal der Horror ist schwarz-weiß – das macht Call of the Sea umso frischer.

call of the sea
40. Yakuza: Like a Dragon

Die vielen Neuerungen des siebten Teils sollten meine allmähliche Ermüdung mit der Yakuza-Reihe aufwiegen… oder? Die größte Stärke der harten JRPG-Struktur ist das Party-System. Die Verfügbarkeit einer ganzen Gruppe aus Charakteren in (fast) jeder Szene ist ein echter Gamechanger für die Erzähldynamik. Auf den JRPG-üblichen Grind hätte ich jedoch verzichten können. Vermeintliche Taktik macht die Standardkämpfe nicht spannender, sondern nur länger. Und wenn Yakuza nach den letzten Ablegern eines nicht brauchte, ist es noch mehr Streckung. Schade, denn ohne diesen Ballast wirkt Yakuza: Like a Dragon wie der stärkste Teil neben Zero.

yakuza like a dragon
39. Coffee Talk

Eine Visual Novel, die kaum mehr Novel sein könnte. Bei minimaler Interaktion wickelten mich die gemütlichen Café-Vibes und Lo-Fi-Beats im Fantastik-Seattle in eine beheizte Decke mit Ärmeln. Die offensichtlichen Analogien zu realen Konflikten sind aufregend – und doch bleibt Coffee Talk angenehm unaufgeregt. Auch im herrlichen Duft von Tee und Kaffeebohnen verliert die Sozialkritik nie ihren Biss.

coffee talk
38. Through the Darkest of Times

Ganzheitlich betrachtet ein grandioses, lobenswertes Werk. Visueller Stil und Erzählung vermitteln das Gefühl einer Widerstandsbewegung in Nazideutschland – auch interaktiv. Ein rudimentäres Strategiespiel mit viel Planung passt perfekt zur riskanten Geheimarbeit damaliger Widerstände. Leider kranken die Systeme in vielen spielerischen Details und machen Through the Darkest of Times zäher als es sein müsste – auf eine Art, die den prekären Widerstand nicht immer glaubwürdiger macht.

through the darkest of times
37. The Pedestrian

Die Pixar-Kurzfilm-Ästhetik und die aufregenden Kamerafahrten durch Szenen einer Großstadt gehören zum Charmantesten, was wir im Jahr 2020 sehen durften. Spielerisch zweckmäßig, aber dennoch einer der besseren Style-over-Substance-2D-Puzzle-Platformer.

the pedestrian
36. Journey to the Savage Planet

Was wollten uns die Autoren damit sagen? Der krampfhaft selbstironische Humor ist absolut nicht meins; er unterwandert die eigentlich aufregende Sci-Fi-Welt und nimmt ihr das Gewicht. Als Quasi-3D-Metroidvania ist mir die Progression in Journey to the Savage Planet ein wenig zu offen und zu verliebt in Sammelkram. Dennoch empfange ich jede derartig kompetente Hommage an Metroid Prime mit Kusshand.

journey to the savage planet
35. Carrion

Carrion hat weniger Splatter und mehr Puzzles als erwartet. Nach kurzer Akklimatisierung funktioniert dieses Monster, das nicht nur erschreckend stark, sondern auch smart ist, wunderbar als selbstgesteuerte Terrorfantasie. Zwar sind die Areale äußerst gleichförmig und ihr Layout zuweilen verwirrend, doch zum Glück weiß Carrion, wann es aufhören muss. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

carrion
34. If Found…

Eine intime Geschichte über Selbstfindung und Identität. If Found leuchtet mit Momenten der Hoffnung in einem Meer zermürbenden Leids. Statt Textboxen und Standbildern nutzt If Found Wischbewegungen, um seine aufregenden, eklektischen Animationen greifbar zu machen. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

if found
33. Mafia: Definitive Edition

Die Namensgebung „Definitive Edition“ irritiert; diese Neuauflage ist eine vollwertige Neuinterpretation des Klassikers von 2002 und somit berechtigt für diese Liste. In vielerlei Hinsicht ist Mafia eine formelhafte Gangstergeschichte. Wie kompromisslos es aber seine beeindruckende Open-World für ein lineares, minutiös getaktetes Drama verheizt – denn die Stadt ist kaum mehr als eine Kulisse – bewundere ich. Der Mehrwert der Freiheit und der Illusion von Non-Linearität rechtfertigt die Open-World auch ganz ohne optionale Quests oder Sammelaufgaben. Die hübschen Grünflächen und detaillierten Seitenstraßen sind zwar Perlen vor die Säue, wenn 98 Prozent der Reisen bei über 40 mph im Auto stattfinden, aber das macht Mafia doch nur realitätsnäher.

mafia definitive edition
32. Sakura Wars

Japanische Nachkriegszeit. Dating mit Teenagern. Ein Theater, dessen Darstellerinnen nebenberuflich gegen Dämonen kämpfen… in riesigen Mech-Suits? Verschiedene Dimensionen? Zeitreisen!? Sakura Wars hat es alles! Der Cocktail aus entspanntem Adventure, Dating-Sim und Dynasty Warriors-Schlachten wird von Anfang bis Ende selten langweilig. Sakura Wars ist anime as heck; das kilometerdick aufgetragene J-Drama stolpert dennoch selten über die Fallstricke dieser Art von Erzählungen. Dadurch wird es zur echten Feelgood-Bombe ohne scharfe Ecken und Kanten – was nicht bedeuten soll, dass ich nicht dennoch analysiert hätte, wie dieses im Verborgenen militarisierte Theater ein Verlangen des entmilitarisierten Japans der Nachkriegszeit symbolisiert.

sakura wars
31. Resident Evil 3

Ohne das Original selbst gespielt zu haben: Schwächeres Ausgangsmaterial führt unweigerlich zu einem schwächeren Remake, im Vergleich zum grandiosen Resident Evil 2. Insbesondere der Zelda-Dungeon-artige Ansatz, der mich am Leveldesign von Resident Evil 2 begeisterte, geht in Resident Evil 3 nahezu komplett verloren. Dass der (damals titelgebende) Nemesis nach Mr. X nicht verstärkt, sondern entschärft wurde, wirkt ebenfalls wie eine Entscheidung mit Konsequenzen in beide Richtungen. Resident Evil 3 ist immer noch Survival Horror-Action hoher Güteklasse, doch wirkt es weniger einzigartig und feingeschliffen als Resident Evil 2.

Resident Evil 3
30. Shivering Hearts

Die Menüs dieses RPG-Maker-Spiels bieten standardgemäß noch Optionen zur Anpassung der Kämpfe… aber es gibt gar keine Kämpfe. Shivering Hearts hat die Seele eines JRPGs, umfasst aber nur eine kompakte Stadt und weniger als zwei Stunden Spielzeit. Beides reizt das Spiel völlig aus. Die Witze spielen clever mit den Erwartungen an JRPGs und der zentrale Konflikt über ein toxisches Familienverhältnis mit übernatürlichem Spin schlägt wie ein Presslufthammer in die Magengrube. In einem vollwertigen JRPG wäre Shivering Hearts die mit Abstand beste Nebenerzählung. Die charmanten Protagonistinnen sind nur auf der Durchreise; als würden sie nicht erkennen, was für ein Highlight diese spielgewordene Tangente ihres Abenteuers ist.

shivering hearts
29. Disc Room

Eines dieser Spiele, die aus einer simplen Grundidee alles rausholen: Wir weichen in quadratischen Räumen Sägeblättern aus. Vielleicht holt Disc Room sogar zu viel aus dieser Idee raus, denn ich erinnere mich an wenige Räume, in denen das Ausweichen selbst tatsächlich im Mittelpunkt stand. Das mag daran liegen, dass Puzzles und das „Sammeln“ neuer Sägeblätter deutlich mehr Zeit brauchen, als zwanzig Sekunden in einem neuen Raum zu überleben. Die Puzzles im non-linearen Säge-Dungeon sind der Zucker im Ingwertee, aber ein wenig mehr Würze hätte ich im Verhältnis vertragen.

disc room
28. Röki

Röki ist ein Point-and-Click-Adventure (ohne Point-and-Click), das mir tatsächlich gefiel – sogar die Rätsel! Wie, ich muss noch mehr sagen? Auch mit nordischer Folklore kann man mich normalerweise jagen. Der Ansatz „Märchen statt Bärtchen“ hebt Röki jedoch angenehm von den Wikinger- und Götterepen der Popkultur ab. Hier bekommen weniger bekannte fantastische Kreaturen ihren Platz im Rampenlicht. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

röki
27. Art of Rally

Der Look täuscht – Art of Rally ist (sogar mit Fahrhilfen) eine fordernde Rally-Simulation. Es trifft ein Herausforderungsniveau, das in Kombination mit der weichen, sonnengetränkten Lo-Fi-Optik Zen-Gaming par excellence einleitet. In Kurven und auf Abhängen fühlen sich die Karren an wie Hotwheels, aber sonst stört nur wenig diese entspannte Rennerfahrung.

art of rally
26. Necrobarista

3D-Umgegung, große Charaktermodelle, viele Kameraperspektiven – das macht Necrobarista nicht weniger statisch, aber zu einer aufregend frischen Visual Novel. In diesem letzten Café-Besuch vorm Jenseits verarbeitet Necrobarista viele verschiedene Perspektiven zum gewiss bevorstehenden Tod. Die Interaktivität beschränkt sich auf ein Minimum, aber Charaktere, Setting und die quirlige Tonalität machen Necrobarista einzigartig melancholisch und hoffnungsvoll zugleich.

necrobarista
25. Immortals Fenyx Rising

Kein Spiel kam seit Breath of the Wild so nah an Breath of the Wild heran. Umso ironischer, dass Immortals die mit Abstand listigste Checkliste der drei diesjährigen Ubisoft-Open-Worlds bietet. Mit einer Karte voller Symbole und rigiden Hauptquests ist die Formel auf der Makroebene plötzlich nicht mehr so breath-of-the-wild. Auch, dass wir viele Puzzles später durch überlegene Skills aushebeln können, untergräbt die Grundidee der Formel. Schalterrätsel sind keine Rätsel mehr, wenn wir jederzeit einen beschwerten Klon unserer eigenen Figur beschwören können. Für ein Mainstream-Open-World-Spiel ist Immortals frischer Wind, der zum Teil aus der Vergangenheit kommt. Wenige moderne Titel großer Publisher pfeifen so sehr auf Realitätsanspruch und suhlen sich in ihrer Freiheit. Die PS2-Unschuld ist derart markant, Ubisoft hätte Immortals einfach als Beyond Good & Evil 2 vermarkten sollen. Nur hätte es dafür eine Erzählung benötigt, die nicht zeilenweise meine Hirnzellen abtötet. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

immortals fenyx rising
24. The Pathless

Mein häufigster Gedanke beim Spielen: Hätte Immortals Fenyx Rising doch diese Atmosphäre gehabt! Wahnsinn! Und das, obwohl ich The Pathless in Miniatur auf Apple Arcade gespielt habe. Die Journey- und Abzû-Formel verlässt mit The Pathless zuweilen ihre pazifistischen Wurzeln, doch das Ico-Gefühl wächst. Die für einen Open-World-Titel ungewohnt reduzierten Mechaniken und der kompakte Umfang ergeben einen angenehmen Fokus. Die Sprints und Flüge durch Wälder und Berge sind bis zum Ende imposant.

the pathless
23. Cyberpunk 2077

Eine viel zu einfache Zielscheibe für Kritik an ausgelutschter, regressiver Cyberpunk-Repräsentation. Cyberpunk 2077 hat – auch ohne Bugs – mehr als nur ein paar Probleme. Doch im Verlauf des Spiels behandelt es viele Themen, die anfangs heikel erscheinen, mit überraschendem Fingerspitzengefühl. Insbesondere die Interaktionen zwischen den Charakteren sind in ihren Nuancen exakt die Evolution von The Witcher 3, die alle gewünscht haben. Als RPG ist Cyberpunk 2077 viel zu überladen, als Shooter zu belanglos, als Open-World-Spiel komplett redundant und nichtig. Die Geschichte und die absurd detaillierten Animationen tragen – zumindest, wenn alles rund läuft – über die Schwächen hinweg.

cyberpunk 2077
22. Watch Dogs: Legion

Statt generischer Open-World-Action bietet Watch Dogs: Legion einen Sandkasten mit etlichen Werkzeugen fürs spielerische Problemlösen. Wenngleich dominante Strategien wie die Spinnendrohne dieses Konzept unterwandern, bleibt Legion – zumindest bis zu seinem übermäßig actionreichen Ende – immer wieder überraschend. Die Erzählung ist nicht nur deutlich flotter als in vergleichbaren Spielen; es ist unheimlich erfrischend, ein großes Spiel zu erleben, das so schamlos politisch ist und Probleme wie Rechtspopulismus beim Namen nennt. Die „Jeder nimmt am Widerstand teil“-Prämisse passt in der Praxis nicht immer zur implizierten Härte des vermeintlich allgegenwärtigen Faschismus. Wie ein weniger mutiges Tonight We Riot spielt Watch Dogs: Legion so aber umso effektiver mit unseren Fantasien einer Welt, in der jede Person das Herz am rechten Fleck trägt und nach dem nötigen Impuls den Protest ergreift. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

watch dogs legion
21. Bugsnax

Bugsnax ist der Beweis, dass auch Nintendo tolle Geschichten erzählen könnte. Exzellente Sprecher*innen wie aus einem Samstagmorgen-Cartoon liefern Performances, wie wir sie in dieser speziellen Form und Qualität in Spielen selten hören. Die Geschichte über parasitäre Snacks sollte nicht so mitreißend sein, wird aber durch ebendiese exzellenten Figuren verstärkt. Dass die Parabel auf Maßlosigkeit und Gier gleichzeitig der ambitioniertere Nachfolger zu Pokémon Snap ist, vollendet das Gesamtpaket.

bugsnax
20. Ghost of Tsushima

Ein Open-World-Spiel voller Klischees – Klischees, die funktionieren. Klischees über Japan, Klischees im Game-Design, aber die Mischung ist reibungslos. Für ein Open-World-Spiel dieser Art beweist Ghost of Tsushima ungewöhnliche mechanische Tiefe. Die Gefechte – so simpel sie im Kontext anderer Samuraispiele sein mögen – bleiben bis zum Ende (und übers Ende hinaus) spannend. Sogar die formelhafte Erzählung und ihr Konflikt über die Balance zweier inkompatibler Philosophien funktioniert. Auch wenn die Insel Tsushima strukturell wenig aufregend ist, verzaubern ihre fast schon greifbaren Windböen und die bunten Baumkronen in strahlendem HDR jede Reise.

ghost of tsushima
19. Stilstand

Stilstand macht das Abkauen von Fingernägeln zur Mechanik. Das Leid der Protagonistin ist so banal, aber auch so allgegenwärtig und schmerzhaft, dass jede Person ohne perfektes Leben (falls es sowas gibt) ihre Probleme versteht. Grotesk und gruselig verzerrt Stilstand Ereignisse, die außerhalb des eigenen Gefühlskosmos keine Rolle spielen; dadurch trifft es umso härter. Kurz und kraftvoll.

stilstand
18. Sakuna: Of Rice and Ruin

Deep. Rice Farming. Mechanics. So deep, dass die Website des japanischen Ministeriums für Agrarkultur als bester Walkthrough fürs Spiel gilt. Verbannt aus dem Reich der Götter pflegen wir ein Reisfeld und jagen Ressourcen, bis die Götter uns wieder akzeptieren. Farming und Sidescrolling-Action reichen sich in diesem wirren Mix die Hand und verhindern, dass eine der beiden grind-lastigen Hälften langweilig wird. Ein geniales Konzept, getränkt in traditioneller japanischer, shintoistischer Kultur.

sakuna of rice and ruin
17. Post Void

Auch wenn Post Void für mich als Maus- und Tastatur-Rentner viel zu schnell sein sollte: Dieser grotesk überzeichnete Fiebertraum des Shooter-Genres packte mich an den Augäpfeln und warf den Mixer an. Die einzelnen Sessions dauern kaum länger als ein paar Minuten; es ist, als ließe Post Void Gnade walten, um unsere Sinne nicht komplett zu ertränken.

post void
16. Final Fantasy VII Remake

Weitaus besser als ich es Square Enix je zugetraut hätte. Das FFVII Remake setzt neue kreative Impulse, die mehr aus dieser bekannten Geschichte herausholen. Sogar das Kampfsystem ist in jeder Hinsicht aufregender als damals. Ironisch, dass ausgerechnet die Spielabschnitte und Dungeons aufgebläht sind und letztendlich die Gesamterfahrung träge machen. Auch das Ende ist – so beeindruckend, wie es sein mag – eine Spur too much und macht mir Sorgen um die Zukunft dieser Neuinterpretation.

final fantasy vii remake
15. Streets of Rage 4

Streets of Rage 4 sieht so gut aus, fühlt sich so gut an. Auch die Details scheinen zu stimmen, wenn ich mir anhöre, was Menschen sagen, die sich tatsächlich mit Spielen wie Streets of Rage auskennen. Doch sogar ohne Highscore-Daumen spürt man diese Exzellenz in jedem Hieb und Tritt.

streets of rage 4
14. Ori and the Will of the Wisps

Für den Kontext: Den Vorgänger fand ich so überbewertet, dass ich Will of the Wisps erst gar nicht spielen wollte. Doch Will of the Wisps zeigt binnen Minuten, dass es aus sämtlichen Schwächen des Erstlings gelernt hat: Doppelsprung und Wandsprung sind fast sofort verfügbar und machen die Fortbewegung unmittelbar flott; Kämpfe werden durchs Schwert zwar konventioneller, aber deutlich direkter und befriedigender. Neben diesen großen, sofort spürbaren Verbesserungen ist auch das Leveldesign – im Detail wie im Ganzen – kreativer und eleganter. Die dynamisch animierte Fauna, die Beleuchtung und der Soundtrack stecken obendrein nicht nur den Vorgänger in die Tasche, sondern fast sämtliche anderen Spiele dieses Jahres. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

ori and the will of the wisps
13. Assassin’s Creed Valhalla

Ist ein Spiel zu lang, wenn ich jede Stunde mag, aber nicht jede Minute? Assassin’s Creed Valhalla beseitigt die Sidequests der Vorgänger und stopft diese Masse in die Hauptquest. Eine Idee, die aufgeht! Wenn alle Missionen einem roten Faden folgen, gibt es weniger Filler. Die episodenhaften Handlungsstränge treffen eine ideale Balance aus modernisierter Mittelaltersage und Chaucer-esken Kurzgeschichten. Die Wälder und Wiesen atmen; jeder Ritt durch dicke, goldene Sonnenstrahlen wärmt mir durch den Bildschirm das Gesicht. Die Natur des mittelalterlichen Englands war Balsam für dunkle Abende im Lockdown. Dörfer und Ruinen verbergen unzählige Mikro-Herausforderungen, die weitaus länger frisch bleiben als die Banditenlager der Vorgänger. Einfach das HUD ausschalten und schauen, wo der Adler das nächste Ziel erspäht. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

assassins creed valhalla
12. Cloudpunk

Cyberpunk in Videospielen neigt gern dazu, dystopische Städte im Neonlicht zu romantisieren. Cloudpunk durchbricht diese Anbiederung, indem es eine Außenseiterin zur Protagonistin macht, die das Herz am rechten Fleck trägt und gerade erst in der korrupten Metropole ankommt. Exzellent geschrieben, exzellent gesprochen – zahllose intelligente Dialoge, die unsere gegenwärtige Gesellschaft reflektieren und gleichzeitig unterhalten. Die kleine Lieferantensimulation erschafft eine monumentale Stadt, die unser Fahrzeug begräbt. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

cloudpunk
11. The Red Lantern

Wenn ich im echten Leben aus Verlegenheit einen Hund (oder ein anderes Tier) streicheln muss, wasche ich mir danach fünf Minuten die Hände. Doch sogar mir sind die Schlittenhunde in The Red Lantern ans Herz gewachsen! In diesem Survival-Abenteuer zählt jede Hand und Pfote beim beschwerlichen Weg durch die Eiswüste. Die beschleunigte Roguelite-Progressionskurve schwenkt binnen sechs Stunden von unbezwingbar zu idiotensicher. So verbindet The Red Lantern intensives Survival-Gameplay mit einer gemütlichen Erzählung, bei der jede*r früher oder später das Ende sieht. Ein signifikanter Paradigmenwechsel für Hardcore-orientierte Roguelites, der narrative Potentiale offenbart.

the red lantern
10. The Last of Us Part II

Eine wunderbare, interaktive Veranschaulichung verschiedener empathischer Perspektiven. Einzig an den Schnittstellen, an denen sich die Erzählstränge überschneiden, strauchelt The Last of Us Part II und durchbricht plötzlich die perfekte Illusion, in der Haut zweier Charaktere zu stecken. Hätten doch mehr große Spiele den Mut, ihrem Publikum so rücksichtslos vor den Kopf zu stoßen… Wieso ist The Last of Us Part II also nicht höher in der Liste? Es ist viel zu lang; geradezu absurd, wie sehr es sich in der Gewissheit suhlt, dass wir es ohnehin durchspielen – egal, wie sehr es sich zieht. Das Gameplay ist besser als im Debüt, trägt aber nicht ansatzweise über die doppelte Spiellänge. Letztendlich zerstörte mir mein Desinteresse am Gameplay das Ende der Erzählung. (Mehr im Artikel auf Spielkritik. (Spoiler))

the last of us part 2
9. Welcome to Elk

Welcome to Elk balanciert meisterhaft zwischen heiterem Klamauk (und Suff) und einer der ungewöhnlicheren Darstellungen des Todes im Medium Spiel. Wie die Farbkleckse im Schwarz-Weiß-Grafikstil ergänzen die spaßigen und traurigen Momente sich perfekt. Welcome to Elk zeigt den geradezu exotischen Verdruss des einfachen Dorflebens. Die schlaksigen Animationen wärmen mein Herz, doch die eingestreuten Video-Interviews über reale Erfahrungen mit dem Tod sind der effektivste Weg zum Boden der Tatsachen.

welcome to elk
8. Doom Eternal

Wurde das ursprüngliche Doom-Reboot für seine kompromisslose Action und nahtlose Action-Mechaniken gelobt, setzt Doom Eternal in jeder Hinsicht noch einen drauf. War der Vorgänger nahtlos, so überlappen in Eternal die einzelnen Komponenten des Kampfsystems, ohne einander die Show zu stehlen. Sogar die kontroverseren Neuerungen wie weniger Munition oder exzessives First-Person-Platforming sind gelungen. Lediglich der berüchtigte Marauder kann mir gestohlen bleiben. Doom Eternal ist so kathartisch, dass meine Smartwatch in jedem Kampf einen leichten Pulsanstieg misst. Doch auch wenn Eternal insgesamt abwechslungsreicher ist als sein Vorgänger, dessen größte Schwäche die Eintönigkeit war – die Bandbreite der Emotionen bleibt begrenzt: Stress, Überlegenheit, Erleichterung… ja, das war es so ziemlich. Das macht Doom Eternal nicht zu einem schlechteren Spiel, führt aber dazu, dass es schon kurz nach dem Spielen aus meinem Kopf verschwindet. Dafür beansprucht es während des Spielens jede Faser meines Bewusstseins.

doom eternal
7. 13 Sentinels: Aegis Rim

Auf dem Papier sollte 13 Sentinels unter seinen verworrenen Erzählsträngen einbrechen: Mechs, Kaiju, Zeitreisen, Klone, Weltraumkolonien, High-School-Liebe… Eine Geschichte, wie wir sie sonst nur Hideo Kojima zutrauen würden – aber kompetent erzählt. Zum Ende der 40-stündigen Odyssee verursachte jede neue Wendung physische Abwehrreaktionen in meinem Kopf. Dass ich die unzähligen losen Fäden bis zu diesem Punkt überhaupt verknüpfen konnte, spricht fürs erzählerische Fingerspitzengefühl von 13 Sentinels. Dass wir selbst Regie führen dürfen, welche der 13 Erzählstränge wir in Fetzen nacheinander verweben, macht es nur noch beeindruckender. Am Ende fesselte mich sogar das überraschend komplexe Strategie-Gameplay, das den Visual Novel-Anteil (ebenfalls nach unserer Regie) ergänzt. 13 Sentinels vereint Größenwahnsinn und relative kognitive Bekömmlichkeit.

13 sentinels
6. Fuser

Das neueste Spiel des Studios hinter Rock Band und Guitar Hero, das leider keine Sau kennt. Ich hatte nie den Traum, DJ zu werden. Doch „DJ werden“ ist viel zu kurz gegriffen, um Fuser zu beschreiben. Fuser ist ein mächtiges Tool zur spielerischen Modifikation von Musik – ähnlich, wie Dreams es für Spiele versucht, aber ohne Lernhürden. Anders als bei Guitar Hero und Rock Band (oder DJ Hero) werden wir in Fuser selbst kreativ, statt nur Notenabläufe zu reproduzieren. Fuser ist interaktive YouTube-Mashup-Kultur für jede Person, die einen Controller bedienen kann. Sogar Meme-Songs wie All Star oder Old Town Road erzeugen magische Remix-Momente, wenn wir selbst die Fäden ziehen.

fuser
5. Fall Guys

Welch ein kathartisches Erlebnis, sich nach einem halben Jahr Social-Distancing in einer Traube aus 100 Jelly Beans durch ein Tor zu quetschen. Fall Guys ist so bunt und wabbelig, dass sogar das Scheitern Spaß macht. Endlich ein Battle Royale, das komplett ohne Gewalt auskommt. Noch dazu ist Fall Guys der vielleicht erste gelungene kompetitive 3D-Platformer. Die schlechtesten Minispiele sind immer noch drollig, die besten sind Präzisionsübungen voller Nervenkitzel. Aus dem Finale, bei dem sich verschiedene Plattformebenen von oben nach unten auflösen, würde ich am liebsten ein eigenes Spiel machen.

fall guys
4. Desperados III

Nie aufhören, neue Genres zu probieren! Das lehrte mich Desperados III erneut mit Nachdruck. Isometrische Stealth-Strategie im (augenscheinlich) generischen Western-Setting klingt wie ein schwacher Pitch. Doch sind die Gameplay-Zahnräder in Desperados III so knalleng verzahnt, dass wir sie selbst mit einer entführten Dampflok nicht auseinanderreißen könnten. Jede Mission ist ein Quell für Mikroherausforderungen und anschließende Aha-Momente. Und ja, sogar das Western-Setting überzeugte mich letztendlich – den charmant geschriebenen Charakteren sei Dank. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.) (…und in noch einem weiteren.)

desperados iii
3. Paradise Killer

Oberflächlich ist Paradise Killer die Revolution der Visual Novel für Leute mit niedrigem Blutdruck. Riesige Open-World-Insel, vertikales Level-Design, Doppelsprünge!? Doch das Freerunning ist nur der Ingwer im Milchreis mit Honig. Die verquere Jenseits-Dimension ist so bizarr, so vertrackt, so sexy, dass sie auf dem Papier nicht funktionieren dürfte. Solch wirre Welten führen in Spielen normalerweise zu meterhohen, matschigen Lore-Deponien. Paradise Killer macht jede Zeile schmackhaft, jedes Detail wertvoll. Die Ermittlung des Mordfalls zwischen den markanten Arealen der Insel erfolgt komplett nach unserer eigenen Regie. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem wir uns nicht die Frage stellen: „OK, wenn das so ist, was ist dann mit diesem Charakter dort drüben?“ Dass der Weg zum Gerichtsverfahren weitaus nuancierter ist als das Ziel, passt zur Verkommenheit dieser klassistisch verdorbenen Welt, aus deren System es nur einen möglichen Ausweg gibt. (Mehr im Artikel auf Spielkritik.)

paradise killer
2. Half-Life: Alyx

Half-Life: Alyx öffnete meine Augen, indem es mir eine Pistole reichte. In jedem anderen Spiel hätte diese Bewaffnung für Verdruss gesorgt: „Ah, so ein Spiel ist das also…“ Im Falle von Half-Life: Alyx, mit beiden Füßen in einer der mitreißendsten VR-Kulissen, klingt dieser Satz anders. Intuitiv schloss ich ein Auge und zielte mit wackeliger Hand über den Lauf. Es ist genau so ein Spiel. Ohne Abstriche. In VR. Und noch viel mehr. Plötzlich wirken Spiele vor flachen Bildschirmen, in denen ich nicht alles mit meinen Fingerchen anpatschen kann, erschreckend limitiert. Der Unterschied, mit einer echten Wurfbewegung Flaschen hinter einen Gegner zu werfen, um diesen abzulenken… Ein Trick aus tausend anderen Survival-Horror-Spielen, mit neuer, buchstäblicher Tiefe. Half-Life: Alyx vereint unzählige frische und bekannte Ideen geradezu mühelos zu einem AAA-Abenteuer in VR. Der einzige Grund, wieso es nicht die Nummer 1 belegt, ist, dass ich bereits jetzt die Haarrisse sehe, die Half-Life: Alyx in 25 Jahren in die Position von Super Mario 64 rücken werden. Und ich dachte, ich mag Half-Life nicht…

half life alyx
1. Hades

Wie Millionen andere Fans begeisterte Hades mich mit seinem fließenden und befriedigenden Kampfsystem, der meisterhaft präsentierten Erzählung und seiner vielseitigen, endlos motivierenden Progressionsspirale. Insbesondere wie diese Aspekte ineinandergreifen, ist für ein Roguelike bahnbrechend. Die unaufdringliche Narrative verleiht Hades das Gewicht, das ich in vielen anderen Roguelikes vermisse und wirkt trotz (oder gerade wegen) der flexiblen Struktur zu jeder Zeit organisch. Dass ich mit jedem Run mehr Strategien und Fähigkeiten freischalte, motiviert, ohne frühere Runs zu unterwandern. Viele Kritiker*innen fragten im Jahresverlauf: Was soll man an Hades bemängeln? Mir fällt darauf auch keine Antwort ein. Ist Hades das perfekte Roguelike? Ein Roguelike, das auch die größten Skeptiker*innen des Genres überzeugt; an dessen Ende diese Skeptiker*innen zu Tränen gerührt sind und hundert Stunden später immer noch mit Speedrun-tauglichen Builds experimentieren.

hades

Falls euch das noch nicht genug Liste war, gibt es hier noch meine Top 500 Games der 2010er und hier meine Liste der 78 Spiele des Jahres 2019! [pg]

Quelle Screenshots: Promo-/Pressematerial