»The Last of Us Part II« und »Desperados III« – zwei Spiele, die auf den ersten Blick nicht viel verbindet. Als postapokalyptischer Western ist »The Last of Us Part II« im Genre des Action-Adventure einzuordnen, während »Desperados III« ein klassischeres Western-Setting abbildet und als Echtzeit-Taktikspiel zu betrachten ist. Trotz dieser Unterschiede steuern beide Spiele auf ein ähnliches Ende zu, bei dem sich die jeweiligen Protagonisten duellieren. Doch wie wird der Konflikt spielerisch gelöst?

Achtung! Der folgende Artikel enthält deutliche Spoiler zu den Spielenden von
»The Last of Us Part II« und »Desperados III«
.


Ein Duell auf Augenhöhe?

In »Desperados III« wird John Coopers Vater erschossen. Ellies Ziehvater Joel bekommt gleich zu Beginn des zweiten »The Last of Us«-Abenteuers einen Golfschläger in den Schädel gerammt. In beiden Spielen steuern wir Protagonisten, die sich an den Mördern ihrer Väter rächen wollen. Wir schleichen uns sowohl mit John Cooper als auch mit Ellie an Gegner heran und schalten sie mit einem Messer leise aus. Eine Gameplay-Mechanik, die in beiden Kampagnen häufig zum Einsatz kommt.

Ein Videospiel sollte uns in der finalen Konfrontation bestmöglich herausfordern, sodass wir die zuvor erlernten Mechaniken meisterhaft anwenden dürfen. »Desperados III« präsentiert genau solch ein Finale und fügt dem Ganzen überdies eine ideenreiche Wendung hinzu, in der John Cooper vom Antagonisten Frank und seiner Söldnerbande umzingelt wird. Wir können Cooper nicht länger steuern, müssen uns mit den restlichen Teammitgliedern an die Söldner heranschleichen und jeden einzelnen anvisieren. Eine Spielsituation, die sowohl clevere Taktik als auch Präzision verlangt.

Sequenz 02.2
Wir können den umzingelten Cooper nicht mehr steuern.

Der taktische Höhepunkt

Mit einem einzigen Tastendruck führen unsere Spielfiguren einen simultanen Angriff aus. Eine Spielaktion, die flüssig in eine Zwischensequenz übergeht, bei der wir unseren taktischen Erfolg genießen dürfen. Die Söldner fallen unseren einzelnen Attacken zum Opfer, John Cooper zieht seinen Revolver und schießt auf den völlig überraschten Frank, der verletzt zu Boden geht. Die Szene endet mit einem abgedroschenen Dialog. Cooper: »Ein guter Schuss, Frank. Ein guter Schuss.« – Frank: »Der muss sitzen.« Daraufhin bekommt Frank eine Kugel in den Kopf und das Spiel blendet die Credits ein.

»Desperados III« verweigert einen weiteren Gedankenaustausch zum Thema Rache. Coopers Charakterentwicklung bleibt unvollendet, sein Handeln hat ihn kein Stück verändert. Die Schlussaussage mag zwar etwas oberflächlich daherkommen, doch spiegelt sie die Essenz der letzten Spielaktion wieder. Denn es benötigt den »einen guten Schuss«, um John Cooper aus der Mexican-Standoff-Situation zu befreien. »Ein guter Schuss«, der noch einmal die Fähigkeiten aller Charaktere hervorhebt. (Wer mehr über die Spielfiguren und deren Fähigkeiten erfahren möchte, kann sich gerne mein Video auf YouTube ansehen.)

Sequenz 02
Das Team feuert den „einen guten Schuss“ ab.

Strapaziertes Tastendrücken

In Form eines klassischen Faustduells erleben wir in »The Last of Us Part II« einen völlig anderen, aber spielerisch ideenlosen Endkampf. Es gilt lediglich zwei Bewegungsmuster abzuarbeiten: Schlagen, Ausweichen, Schlagen, Ausweichen und so weiter. Die Schleich-, Deckungs- und Zielfähigkeiten, die wir uns im Spielverlauf angeeignet haben, kommen nicht zum Einsatz. »The Last of Us Part II« beschränkt seine ansonsten vielseitigen Gameplay-Mechaniken auf das absolute Minimum: einen plumpen Zweikampf, wie wir ihn schon mit unzähligen Gegnern im Abenteuer ausgetragen haben, nur diesmal gequält in die Länge gezogen.

Sequenz 03
Schlagen, Ausweichen, Schlagen, Ausweichen…

Hinzu kommt, dass zahlreiche geskriptete Sequenzen unsere Handlungsmöglichkeiten einschränken oder ihnen sogar entgegenlaufen. Wir können noch so sehr auf die Viereck-Taste hämmern; unsere Spielfigur Ellie bekommt immer wieder einen Gegenschlag von Abbey ab. Die fortlaufende Gewaltdarstellung verdeutlicht zwar den tiefen Zorn, den beide Hauptfiguren gegeneinander hegen, doch verfällt das Spiel dabei in eine regelrechte Ekstase, die uns nicht mehr direkt am Spielgeschehen teilhaben lässt. So kommt es auch, dass wir mit der letzten Spielaktion unsere Kontrahentin schlicht und einfach unter Wasser drücken. Die Rache scheint nahe. Doch eine Zwischensequenz reißt uns aus dem Spielgeschehen.

Sequenz 05
Der Angriff löst eine Zwischensequenz aus.

In der Sequenz beobachten wir, wie Ellie gewillt ist, ihre Erzfeindin zu ertränken. Doch eine harmonische Erinnerung an Joel bringt sie von der Tat ab. Viele Spieler konnten Ellies Reaktion in diesem Moment nicht nachvollziehen. Auf mich wirkt ihre Entscheidung jedoch durchaus glaubwürdig. Ellie sagt sich von ihrem gewalttätigen Wesen letztendlich los, denn sie fürchtet, was aus ihr werden könnte, wenn sie ihre Rache vollenden würde. All dies lässt sich an ihrem Gesichtsausdruck ablesen. Allerdings fehlt mir dabei eine spielerische Tätigkeit, die Ellies Motivation erfahrbar macht. Es fühlt sich einfach falsch an, wenn ich als Spieler die entgegensetzte Aktion meiner Spielfigur ausführe. Anhand meiner Controller-Eingaben wäre Abby nämlich ersoffen.


Ein wohltuender Abschluss

Nach dem Duell müssen wir aber doch noch einmal zum Controller greifen und eine weitere Aktion ausführen. Denn im Epilog von »The Last of Us Part II« sehen wir Ellie, die beim Kampf mit Abbey zwei Finger verloren hat, einsam in ihrer Wohnung sitzen, während sie versucht, ein letztes Mal Joels Gitarre zu spielen. Wir als Spieler müssen den Gitarrenanschlag betätigen. Doch wir scheitern gemeinsam mit unserer beeinträchtigten Spielfigur an dieser allerletzten Aktion, da einige Saiten nicht geschlagen werden können. Das führt zu einem sanft melancholischen Moment, der Ellies Charakter noch einmal reflektiert. So entsteht zum Abschluss doch noch eine harmonische Spielsituation, ganz ohne spielerische Herausforderung.

Sequenz 04
Ein unausführbares Gitarrenspiel.

Fazit

Obwohl »Desperados III« und »The Last of Us Part II« Gameplay-Elemente teilen und einen ähnlichen Schlussakt inszenieren, gehen die beiden Spiele in der Ausführung getrennte Wege. Wo »Desperados III« spielerisch überzeugt, allerdings eine ausgefeilte Charakterentwicklung vermissen lässt, inszeniert »The Last of Us Part II« – trotz einiger Widersprüche im Gameplay – eine vielschichtige Konfliktbewältigung. [dg]


Desperados III
Mimimi Games / THQ Nordic
PC, PlayStation 4, Xbox One [16. Juni 2020]
Creative Director: Dominik Abe

The Last of Us Part II
Naughty Dog / Sony Interactive Entertainment
Playstation 4 [19. Juni 2020]
Leitende Entwickler: Neil Druckmann; Anthony Newman; Kurt Margenau

Quelle Screenschots: Desperados III – eigene Screenschots aus der PC-Version; The Last of US Part II – YouTube „The Last of Us Part 2 – Ending“


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