I. Geschichte ist Selektion

Seit einigen Monaten schreibe ich für das GAIN Magazin an einer mehrteiligen Reihe über die Geschichte weiblicher Protagonistinnen in First-Person-Shootern. Mehr dazu und kurze Leseproben findet ihr hier und hier. Der dritte und voraussichtlich letzte Teil der Reihe erscheint schließlich im kommenden GAIN Magazin #15.

Schon jetzt ist die Reihe das Umfangreichste, was ich über Videospiele je geschrieben habe. Gleichzeitig ist es die meines Wissens umfangreichste Darstellung des Themas, nicht nur mit Blick auf die Artikellänge, als auch mit Blick auf die Zahl der darin diskutierten Spiele. Rund 30 FPS zwischen 1992 und 2009 werden mehr oder weniger umfassend betrachtet; sogar noch einige mehr, wenn man Fortsetzungen mitzählt, die ich zwar erwähne, aber nicht separat bespreche.

Dennoch wurde mir relativ bald schon klar, dass ich selbst im Rahmen einer dreiteiligen Reihe – wie es sie in dieser Form vermutlich nur im GAIN Magazin geben kann – niemals alles würde sagen können, was es zu dem Thema, zu den einzelnen Spielen und ihren jeweiligen Protagonistinnen potentiell zu sagen gäbe. Ich musste mich also entscheiden, wo der Schwerpunkt der Reihe liegen sollte, was gerade zu Beginn alles andere als einfach war.

Schlussendlich entschied ich mich dafür, Grundlagen zu schaffen. Harte Fakten in den Mittelpunkt zu stellen und eine chronologische und möglichst vollständige Darstellung des Themas anzustreben, die außerdem als etwas andere Geschichte des FPS-Genres in seiner Gesamtheit funktionieren sollte.

So war es mein Anliegen, zu verdeutlichen, dass weibliche Heldinnen in FPS keine isolierten Phänomene sind, sondern dass die Quantität und Qualität ihrer Darstellungen mit der allgemeinen Genre-Geschichte eng verbunden ist. Auch wollte ich verhindern, dass der Eindruck entsteht, FPS-Heldinnen seien die ganz große Ausnahme von der Regel gewesen. Dieses Bild vermitteln gerade kürzere Artikel zum selben Thema, die sich auf die populärsten Vertreterinnen beschränken und diese zu Ausnahmeerscheinungen stilisieren, die sie tatsächlich nicht waren.

Beide diese Ziele erforderten eine möglichst umfassende und möglichst vollständige Betrachtung des Gegenstandes, die auch weniger populärere Titel berücksichtigt, ohne deren Bedeutung unverhältnismäßig zu überschätzen.


Eine »möglichst vollständige Betrachtung« bedeutet jedoch nicht, dass zwangsläufig alle FPS mit weiblichen Figuren in der Reihe Erwähnung finden. Gerade für die spätere Geschichte wäre das weder möglich noch sinnvoll: Die Zahl der FPS ingesamt nimmt zu. Die Genre-Grenzen verwischen. Nicht zuletzt erlaubt der technologische Fortschritt, dass Spiele immer verschwenderischer werden, was die Zahl der Figuren angeht, die sie ihren Spielern zur Auswahl stellen. Außerdem verändern sich die Relationen: Was Mitte der 1990er noch unerhört war – auch nur eine weibliche Figur in einem FPS-Mehrspielermodus! – ist eine Handvoll Jahre später schon nicht mehr der Rede wert.

Für die frühen Jahre hingegen – die Zeit zwischen »Wolfenstein 3D« und »Perfect Dark«, als die Zahl der FPS noch überschaubar und weibliche Heldinnen wirklich selten waren – war mir eine möglichst vollständige Darstellung wichtig. Bis zum Schluss war ich mir nicht sicher, ob mir nicht trotzdem der eine oder andere Titel entgangen ist. Das wäre einerseits kein riesiges Problem, dachte ich: Die Relevanz eines Titels, der selbst bei eingehender Recherche nicht auftaucht, und dessen Fehlen mehreren Probelesern nicht auffällt, darf offenkundig als gering genug eingeschätzt werden, um sagen zu können, dass er für die Genre-Geschichte ohne größere Bedeutung war. Andererseits ist die Zahl der FPS-Protagonistinnen vor 2000 so überschaubar, dass selbst vermeintlich »irrelevante« FPS mit Blick auf meinen Themenschwerpunkt relevant sein könnten.


II. Replik: Obskure Shooter der 90er und ihre vergessenen Heldinnen

Und tatsächlich sind mir ein paar Titel durch die Lappen gegangen, die ein alter Freund der Seite nun aufgespürt und in einem eigenen Artikel vorgestellt hat: Obskure Shooter der 90er und ihre vergessenen Heldinnen lautet der Name des Artikels, der zugleich den Relaunch von Polygonien.de markiert, für den ich gern die Werbetrommel rühre. Roberto Kracht ist der Betreiber des gestandenen Blogs, auf dem es in letzter Zeit eher still war. Doch im Zusammenspiel mit einem runderneuerten Layout soll sich das nun ändern und ich freue mich schon darauf, dort in Zukunft wieder spannende Artikel über wenige bekannte Spiele zu lesen. Oder, wie in diesem Fall, über wenige bekannte Spiele-Heldinnen.

Roberto war außerdem so nett, mir eine Vorabversion seines Artikels zukommen zu lassen, sodass ich mir vorab schon einige Gedanken machen konnte, wie ich selbst diese Spiele im Kontext meiner FPS-Geschichte einordnen würde. Es handelt sich demnach um die Spiele »Zero Tolerance« aus dem Jahr 1994, »Blam! Machinehead« aus dem Jahr 1995 und »Mortal Coil« aus dem Jahr 1996.

Eine allgemeine Einführung zu den Spielen spare ich mir an dieser Stelle, denn die hat Roberto in seinem Artikel bereits sehr anschaulich geleistet, sodass ich euch zunächst dorthin verweisen möchte. Für Screenshots gilt dasselbe. Was ich im Folgenden allerdings tun möchte, ist, jene »fehlenden« Spiele und ihre Heldinnen in die größere Geschichte einzuordnen und so zu hinterfragen, ob manche von meinen bisherigen Schlussfolgerungen möglicherweise revidiert werden müssen. Auf geht’s.


III. Satoe ›Soba‹ Ishii in »Zero Tolerance« (1994)

Das erste Spiel, das Roberto vorstellt, hört auf den Namen »Zero Tolerance«. Es handelt sich um einen FPS, der 1994 exklusiv für das SEGA Mega Drive erschien. Dass der Titel mir entgangen ist, ist wohl auch damit zu erklären, dass das SEGA Mega Drive nicht gerade als FPS-Plattform bekannt ist und in den meisten Darstellungen der Geschichte der First-Person-Shooter keinerlei Erwähnung findet. Für Roberto hingegen war »Zero Tolerance« eine seiner ersten Begegnungen mit dem Genre überhaupt, weshalb es ihm beim Lesen meines Artikels sofort in den Sinn kam.

»Zero Tolerance« ist ein sehr früher Genre-Vertreter, der sich technisch in etwa auf dem Level von »Wolfenstein 3D« bewegt. Ungeachtet seiner grafischen Limitierungen handelt es sich um einen durchaus ordentlichen Titel. Dass er in der Geschichte der FPS kaum mehr als eine Fußnote darstellt und eigentlich nur im Kontext des SEGA Mega Drive überhaupt erwähnenswert ist, lässt sich jedoch schwer bestreiten. Hinzu kommt, dass Satoe Ishii natürlich nicht die alleinige Heldin von »Zero Tolerance« ist, sondern die einzige Frau in einem Ensemble von immerhin fünf Figuren. Demgegenüber brachte es »Rise of the Triad«, das ich an den Anfang meines Artikels stelle, auf immerhin zwei Frauen neben drei Männern. Man könnte deshalb meinen, dass »Zero Tolerance« für die Geschichte weiblicher Figuren in FPS tatsächlich eher unbedeutend ist und mein Versäumnis in Bezug auf dieses Spiel kein Beinbruch war.

Wenn da nicht das Erscheinungsdatum wäre. Wie so oft bei Spielen aus dieser Zeit, ist aus heutiger Sicht nicht mehr exakt nachvollziehbar, wann genau im Verlauf des Jahres 1994 der von Accolade entwickelte Titel in die Läden kam. Es dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber vor dem Dezember-Release von »Rise of the Triad« gewesen sein, zumal im Dezember lediglich die Shareware-Version des Apogee-Klassikers erschien. Die beiden weiblichen Figuren im Ensemble von »Rise of the Triad« wurden allerdings erst mit der Vollversion spielbar, und die erschien sogar erst im Februar des Jahres 1995.

Mit anderen Worten: »Zero Tolerance« ist der tatsächlich erste FPS, in dem eine weibliche Figur spielbar ist. Auch wenn sein Einfluss auf andere Spiele sehr begrenzt gewesen sein dürfte: Das allein macht den Titel zu einem im Kontext des Themas relevanten Genre-Vertreter und ich bin im Nachhinein sehr froh, dass ich stets darauf bedacht war, »Rise of the Triad« nicht als den(!) ersten FPS mit weiblichen Heldinnen zu bezeichnen, auch wenn es der früheste war, den ich bei meiner Recherche finden konnte und den ich deshalb an den Anfang meiner Betrachtung stellte.

Würde ich meine Geschichte deshalb umschreiben? Nein, ich würde meine Betrachtung wohl auch weiterhin mit »Rise of the Triad« beginnen. Nicht nur, weil es das insgesamt relevantere und bekanntere Spiel ist, sondern auch, weil sie sich die Hauptlinien der Genre-Frühgeschichte dort kreuzen: »Rise of the Triad« steht sowohl zu »Wolfenstein 3D« als auch zu »Doom« als auch zu »Duke Nukem 3D« in einer mehr oder weniger direkten Beziehung. Als Einstieg in das Thema ist »Rise of the Triad« deshalb besser geeignet als das vergleichsweise obskure und alleinstehende »Zero Tolerance«. In einem Nachsatz (oder einem kurzen nachgestellten Absatz) würde ich »Zero Tolerance« aber in jedem Fall erwähnen – als den tatsächlich ersten FPS, der uns durch die Augen einer Frau blicken ließ. Und sollte es einen geben, der noch früher erschienen ist, bin ich auch in diesem Fall für einen Hinweis dankbar.


IV. Dr. Kimberley Stride in »Blam! Machinehead« (1997)

Das zweite Spiel im Bunde nennt sich »Blam! Machinehead« und war mir zumindest vom Namen her ein Begriff. Entwickelt wurde der Titel von den »Tomb Raider«-Machern von Core Design und kam tatsächlich fast zeitgleich mit Lara Crofts erstem Abenteuer in den Handel. Da sich die Heldin Dr. Kimberley Stride nicht auf ihren eigenen zwei Beinen, sondern auf einer Art Hover-Bike durch die Level bewegt, ist das Spiel ähnlich wie »Forsaken« (Acclaim, 1998) an den Rändern des FPS-Genre zu verorten. Dass ist wohl auch der Grund, weshalb es mir bei meiner Recherche entgangen ist, wogegen ich »Forsaken« aus meiner persönlichen Spielehistorie kenne.

Dr. Kimberley Stride lautet der Name der alleinigen Heldin des Spiels, die auf eine Art sexualisiert dargestellt wird, die für die 1990er nicht untypisch ist: Auch die Outfits der Heldinnen von »Forsaken« und »Quake III: Arena« erinnern eher an Tabledance-Bar als an knallharte Feuergefechte. Doch während deren Heldinnen selbstbestimmte Sci-Fi-Amazonen sind, die nicht zögern würden zu töten, wer auch nur einen Finger an sie legt, gerät Dr. Stride vom Start weg in die Opferrolle. Ein perverser männlicher Assistent zwingt sie nicht nur in ein gefährliches Abenteuer, sondern auch in ihr knappes Outfit. »Blam! Machinehead« kann deshalb als eines der wenigen klaren Negativbeispiele in Hinblick auf sexistische Frauendarstellungen in frühen FPS gesehen werden – auch wenn Dr. Stride am Ende des Spiels die Möglichkeit erhält, sich an ihrem Peiniger zu rächen.

Positiv hervorzuheben ist deshalb nur die klare Protagonistenrolle, die Dr. Kimberley Stride innehat. Ein Alleinstellungsmerkmal ist allerdings auch das nicht, da dem Titel nicht nur »Alien Trilogy« (Acclaim, 1996) vorausgeht, das ich in meinem Artikel auch vorstelle, sondern auch »Mortal Coil: Adrenalin Intelligence«, das bereits 1995 über Virgin Interactive erschien.


V. Candy Monroe aus »Mortal Coil: Adrenalin Intelligence« (1995)

»Mortal Coil« ist der dritte Titel, den Roberto vorstellt und – um das vorwegzunehmen – es ist kein gutes Spiel. Ambitioniert, ja überambitioniert sei dieser frühe Vorläufer des Taktik-Shooter-Genres, das ein paar Jahre später mit »Rainbow Six« seinen Durchbruch erlebte. Immerhin haben wir es hier mit dem vermutlich ersten FPS zu tun, in dem eine Frau nicht nur eine Spielfigur unter mehreren ist (wie bei »Zero Tolerance« und »Rise of the Triad«), sondern klar die Protagonistin. Zwar dürfen wir auch die anderen drei Mitglieder eines vierköpfigen Teams steuern (unter ihnen eine weitere Frau), doch Candy Monroe ist Anführerin und Cover-Girl.

»Candy Monroe klingt zwar mehr nach Pornostar als nach Girl Power«, schreibt Roberto, »aber sie wird in erster Linie als Superagentin inszeniert, die jedem (Mann) die Stirn bietet, kein Blatt vor den Mund nimmt und einem rücksichtslos in die Weichteile tritt. Fast ein wenig wie ein weiblicher Duke Nukem […]. Bis zur obligatorischen Duschszene und freiem Blick auf die überbordende Weiblichkeit dauert es allerdings keine zwei Minuten…«

Der letzte Punkt ist noch nett ausgedrückt, denn was im Intro von »Mortal Coil« in Sachen Sexismus abgesondert wird, ist selbst vor dem Hintergrund seiner Zeit ziemlich grenzwertig. Monroe tritt nackt aus der Dusche und nackt vors Videotelefon, was dem Spiel als Vorlage für mehrere anzügliche Kommentare ihres notgeilen Vorgesetzten dient: »You should put that mouth of yours to better use«, etc. Die kontert Monroe zwar; doch in dem Ganzen auch nur den Ansatz einer feministischen Botschaft zu sehen, würde dem Spiel mehr zutrauen, als es das verdient hat.

Dass es möglich ist, eine Frauendarstellung mit einer Duschszene zu beginnen, ohne die dargestellte Frau zum Lustobjekt zu degradieren, zeigt fünf Jahr später »No One Lives Forever«. Auch das beginnt mit einer Dusche und einem Telefonat, zeigt dabei jedoch den Anstand, seine Heldin nicht zu begaffen. Stattdessen schwenkt die Kamera über einen Badezimmersims und fängt in dieser Reihenfolge ein: eine Haarspange, Schaumbad, Parfüm, ein Glas und eine Flasche Wein, ein Handtäschchen, schließlich einen Revolver, ein Geldbündel und eine Maschinenpistole. Eine smarte Art, die Superspion Cate Archer mit visuellen Mitteln zu charakterisieren, ohne sich jedoch auf ihren Körper zu fixieren. Ein subversives Spiel mit den Erwartungen männlicher Betrachter, wie es »Mortal Coil« in jeder Sekunde seines 14-minütigen Intros fremd ist.


VI. Fazit zu »Blam! Machinehead« und »Mortal Coil«

Damit sind wir bei der Frage angelangt: Wie relevant sind »Blam! Machinehead« und »Mortal Coil« und muss ich deshalb meine Geschichte weiblicher Protagonistinnen in frühen FPS umschreiben?

Einiges spricht dagegen: Sowohl »Blam! Machinehead« als auch »Mortal Coil« sind keine herausragenden FPS. »Blam!« ist ohnehin nur an den Rändern des Genres zu verorten, wenn auch ein durchaus ordentliches Spiel. »Mortal Coil« war ambitioniert, scheiterte aber in der Ausführung. Hinzu kommt, dass die Ego-Perspektive optional ist und »Mortal Coil« ebenso gut aus der Third-Person-Ansicht gespielt werden kann. Alles in allem hinterließen weder »Blam!« noch »Mortal Coil« tiefere Spuren im FPS-Genre und würde in allgemeineren Genre-Geschichten wohl allenfalls als Fußnoten auftauchen.

Ebenso wenig können ihre Frauendarstellungen als progressive Wegbereiter gelten. Bestenfalls stehen sie exemplarisch für einen bestimmten, seinerzeit weit verbreiteten Typus von Action-Heldin, dem auch Lara Croft zugehört: Starke, selbstbewusste, kompetente, oft buchstäblich tödliche Frauen, die allerdings auch Sexsymbol sind und deren Äußerlichkeiten männlichen Wunschvorstellungen folgen. Identifikationspotential für weibliche Spielerinnen bieten beide Figuren kaum.

Kann eine vollumfängliche Geschichte weiblicher Heldinnen in FPS auf die Nennung dieser beiden Spiele deshalb verzichten? Nein, das nun auch wieder nicht. Immerhin sind Dr. Stride und Candy Monroe zwei der ersten FPS-Heldinnen, die tatsächlich Protagonistinnen ihrer Spiele sind. Das meiste von dem, was ich über »Blam!« und »Mortal Coil« gerade sagte, ließe sich außerdem auch von »Alien Trilogy« sagen, dass ich meinem Artikel allerdings erwähne. Auch »Alien Trilogy« ist kein herausragender FPS, sondern bestenfalls ein recht guter. Und auch »Alien Trilogy« hat eine alleinige weibliche Protagonistin, deren Darstellung ebenfalls nicht sonderlich gelungen ist: Anders als Dr. Stride und Candy Monroe ist Ellen Ripley natürlich nicht übersexualisiert, ist im Spiel als Figur aber so wenig »da«, dass sie ebenso gut durch einen generischen männlichen Marine ersetzt werden könnte.

Ich würde »Blam!« und »Mortal Coil« deshalb auf einer Stufe mit »Alien Trilogy« sehen. Keiner dieser drei Titel hat für sich genommen die Darstellung weiblicher Figuren in FPS vorangebracht, wie es die Spiele schließlich taten, die von 1997 an erschienen sind. Gemeinsam betrachtet zeigen sie jedoch, dass die vermeintliche Dürreperiode zwischen 1995 und 1997 ganz so trocken doch nicht war. In diesem Punkt muss ich meine Geschichte also revidieren: »Alien Trilogy« war mitnichten der einzige FPS, der zwischen Februar 1995 (»Rise of the Triad«) und August 1997 (»Hexen II«, »GoldenEye 007«) erschienen ist, wie ich in meinem Artikel noch behauptete. »Mortal Coil« erschien ebenfalls 1995 und auf »Alien Trilogy« im darauffolgenden Februar folgte gegen Ende 1996 »Blam! Machinehead«.

Dass außerdem schon 1994 »Zero Tolerance« erschien, führt mich schließlich zu dem Fazit, dass die Prominenz weiblicher FPS-Heldinnen nicht erst seit 1997 zunahm, sondern kurze Zeit nach der Geburt des Genres im Jahre 1992 schon einsetze, wenn auch auf niedrigem Niveau. 1997 kann dann als Beginn der Intensivierung dieser Entwicklung angesehen werden, die 2000 ihren bis heute unübertroffenen Höhepunkt erreichte. Aus heutiger Sicht ist die interessanteste Feststellung mit Blick auf »Blam! Machinehead« und »Mortal Coil« wohl die, dass Mitte der 1990er keine grundsätzlichen Aversionen gegen weibliche (FPS-)Heldinnen bestanden – dass diejenigen FPS-Heldinnen, die existierten, jedoch spezifisch auf ein männlichen Publikum zugeschnitten waren. Unter den Gesichtspunkten einer feministischen Spielekritik handelt es sich bei ihnen deshalb eher um Negativbeispiele.


PS: Um eine weitere Ergänzung direkt vorwegzunehmen: Mittlerweile weiß ich, dass mir noch zwei weitere Titel entgangen sind, die ich hier zumindest kurz erwähnen möchte. In »Star Wars Jedi Knight: Mysteries of the Sith« (1998), der Erweiterung zu »Star Wars Jedi Knight: Dark Forces II«, dürfen wir neben dem gewohnten männlichen Protagonisten Kyle Katarn auch die aus dem erweiterten »Star Wars«-Universum bekannte (und überaus beliebte) Mara Jade steuern. Und auch der Mehrspieler-Shooter »Starsiege: Tribes« (1998) bot weibliche Spielfiguren, ein Jahr früher, bevor sie in »Quake III: Arena« und »Unreal Tournament« vollends etabliert wurden. [sk]


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Quelle Cover Artworks: mobygames.com