Man sollte nicht glauben, welch breites Gefühlsspektrum ein etwa dreistündiges Spiel einem bescheren kann. Von Freude und Entspannung, über Ärger und Frustration, Verwirrung, Resignation und Einsamkeit, bis hin zu Versöhnung und Dankbarkeit habe ich alles durchlebt. Macht The Stillness of the Wind Spaß? Zeitweise. Sollte man es spielen? Ja. Vor allem, wenn man es ohnehin im Bundle for Racial Justice and Equality von itch.io erworben hat.

In The Stillness of the Wind steuern wir eine ungewöhnliche Protagonistin in einem ungewöhnlichen Setting: Wir spielen Talma, eine alte Bauersfrau, die eine Farm inmitten einer Einöde bewirtschaftet. Ihre – und damit unsere – Aufgabe besteht schlicht darin, die täglich anfallenden Arbeiten auf der Farm zu erledigen: Ziegenmelken und Käse herstellen, Eier aus dem Hühnerstall aufsammeln und Gemüse anbauen. Das alles tun wir mit wenigen Klicks und Mausbewegungen. Wegen Talmas Alter und Gebrechlichkeit ist es allerdings nicht möglich, alle Arbeiten an einem Tag zu bewältigen. Zeitmanagement ist gefragt.

Täglich kommt ein Händler vorbei, bei dem wir Käse, Eier und Gemüse unter anderem gegen Heu für die Ziegen und neue Samen eintauschen können. Auch bringt er jeden Tag einen Brief von verschiedenen Verwandten aus der Stadt – Besuch bekommen wir allerdings nie. Das Leben und die Dramen in der Stadt, die uns in den Briefen geschildert werden, fühlen sich seltsam weit weg an.

Zu Beginn empfand ich den Farmalltag sehr entspannend. Ich hatte richtiggehend Freude an den Aufgaben. Doch bald kam die erste Phase der Frustration: Wölfe tauchten auf und rissen Ziegen, ich fand im Dunkeln das Gewehr nicht. Plötzlich fehlten Hühner. Einmal war ich beim Melken, als der Händler kam. Als ich fertig war, ging er gerade fort und ich konnte nichts mehr tauschen. Am nächsten Tag tauchte er nicht auf, weshalb mir das Heu ausging und so weitere Ziegen verstarben. Ich war wütend und verwirrt – hatte ich etwas falsch gemacht? War das Spiel unfair?

Um diese Fragen komplett aufzuklären, müsste ich das Ende verraten, was ich hier nicht tun möchte. So viel sei allerdings gesagt: Ich habe in diesen drei Stunden viel gelernt über vermeintliche Selbstverständlichkeiten, die keine sind. Ich dachte eigentlich, ich hätte inzwischen ganz gut verstanden, dass das Leben manchmal einfach nicht fair ist. Auch beschäftige ich mich immer wieder mit dem Sinn des „großen Ganzen“, das wir da (unser) Leben nennen. Und doch hat es das Spiel geschafft, dass ich erstmal gekränkt und protestierend die Credits über den Bildschirm habe laufen sehen. Ich hatte schlicht nicht erwartet, dass mich so ein kleines Spiel mit so einer Portion Realismus konfrontieren würde. Erst als ich das begriff, fühlte ich mich versöhnt mit The Stillness of the Wind und dankbar dafür, es gespielt zu haben.

Dieser Artikel ist Teil eines kleinen Kooperationsprojekts mit Videospielgeschichten. Dort setze ich mich intensiver mit dem Ende des Spiels und den Fragen auseinander, die The Stillness of the Wind bei mir aufgeworfen hat: The Stillness of the Wind: Was mich ein kleines Spiel über die großen Fragen des Lebens gelehrt hat. [jk]


The Stillness of the Wind
Memory of God / Fellow Traveller
PC (Windows) & MacOS [7. Februar 2019] & iOS
Creator: Coyan Cardenas aka. Memory of God

Quelle Screenshots: eigene Screenshots.