Der SPIELKRITIK „slowtalk“ – der Podcast zum Lesen. ;)
Geschlagene vier Monate lang unterhielten sich Christian und ich über das vielleicht ungewöhnlichste Nintendo-Magazin der 1990er. Die Nintendo Fun Vision.
Im zweiten Teil geht es nun um den Heftaufbau der Nintendo Fun Vision, um ihren Preis im Vergleich zur Konkurrenz und darum, dass das Blättern durch alte Spielemagazine ein wirksames Mittel gegen nostalgische Verklärung ist. Damit ihr euch selbst ein Bild von der Fun Vision machen könnt, haben wir unsere Unterhaltung um eine stattliche Menge von Heftauszügen ergänzt. Ein zeitgenössischer Leserbrief darf natürlich auch nicht fehlen.
Damit wünschen wir euch auch diesmal viel Spaß beim Lesen und freuen uns auf euer Feedback in den Kommentaren! [sk]
#08: christian // Alles im Kasten
… Fortsetzung. […] In einer Antwort auf einen entsprechenden Leserbrief wird explizit auf wirtschaftliche Interessen verwiesen; mit Inserenten und Spieleherstellern wolle man es sich auch nicht verscherzen. Wie ist dein Eindruck von der Unabhängigkeit der Nintendo Fun Vision-Wertungen, Sylvio? Hat sich in den späteren Heften noch mal etwas am System geändert?
#09: sylvio // Was sind eigentlich „game guides“?
Ich denke, die Frage nach der Unabhängigkeit rückt in den Hintergrund, wenn man sich anschaut, wie die „Reviews“ der Fun Vision konzipiert waren und welchem Zweck sie dienten. Daher, lass uns diese Frage vielleicht noch zwei, drei Kommentare nach hinten schieben und uns die Reviews zuerst noch etwas näher betrachten, bzw. wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelten.
In den fünf Jahren, die zwischen „deinen“ und „meinen“ Ausgaben der Fun Vision liegen, hat sich da nämlich einiges getan. Zum einen fällt auf, dass die „Spielevorstellungen“ (wie ich sie einmal neutral nennen möchte) nicht länger als „Reviews“ betitelt sind. (Ist das nicht eigentlich eine erstaunlich moderne Formulierung für 1994? Oder machten das andere deutsche Magazine damals auch schon so?) Stattdessen werden sie nun „game guides“ genannt; das gilt für quasi alle längeren Spielevorstellungen in meinen 1999er Heften.
Das zeigt zum einen, dass man gar nicht mehr für sich beansprucht, so etwas wie klassische Reviews (oder Tests) abzuliefern, und zum anderen, dass die Hilfestellung im Mittelpunkt steht. Eine 180-Grad-Wende wurde damit aber nicht vollzogen. Den „Keim“ dieser Herangehensweise kann man in deinen Heften schon erkennen. Zu Beginn hast du von „größtenteils neutralen, beschreibenden Spieleberichten“ gesprochen, was z.B. den Beitrag zu The Empire Strikes Back (siehe unten) auch gut beschreibt, in dem die Fun Vision quasi das gesamte Spiel nacherzählt, aber nur selten Urteilte fällt.
1999 sind aus diesen „Beschreibungen“ nun ausgewachsene Tipps & Tricks-Strecken bzw. Komplettlösungen (oder Teile von solchen) geworden. Eine darüber hinausgehende Beschreibung der Spiele – die nicht gleichzeitig diesen Hilfestellungs-Charakter hat – ist noch stärker in den Hintergrund getreten, als das ohnehin schon der Fall war.
Ich persönlich kenne kein anderes Magazin, das Neuerscheinungen auf diese Weise rezipierte – das die kritische Betrachtung buchstäblich an den „Rand“ stellt und den Lesern das Spiel mit einer Lösungshilfe näherbringt, aus der sich gleichzeitig auf den Spielinhalt schließen lässt. Am ehesten tat das wohl noch das Club Nintendo Magazin, dem du zu Beginn unserer Unterhaltung schon gewisse Ähnlichkeiten attestiert hast, aber die Fun Vision des Jahres 1999 geht da doch noch einige Schritte weiter. Sie verfolgt damit auch ein grundlegend anderes Heftkonzept, als die durch die Bank weg Review-orientierte Konkurrenz in Form von big.N, N-Zone und Total!.
Und da steckt durchaus Aufwand und Expertise hinter diesen Lösungshilfen. 1994 bei Star Wars ist das, wie ich das sehe, noch eher vages Blabla: „Erhascht so viele Power Ups wie möglich“ oder „Ihr solltet auf die Umgebung achten“. Überhaupt werden die Leser nur selten so direkt angesprochen. In meinen Ausgaben hingegen sieht man dann zum Beispiel bei Jet Force Gemini und Command & Conquer sehr schön, wie die Leser der Fun Vision inzwischen durchgängig mit „ihr“ angesprochen werden und ganz konkrete, sinnvolle Hilfestellung bei der Erfüllung von Missionen usw. erhalten, mit der sich auch etwas anfangen lässt.
Dazu meine Frage an dich: Gab es 1994 noch separate Tipps & Tricks-Strecken bzw. Komplettlösungen in den Heften? Gab es da also noch eine Zweiteilung (wie sie in den Heften von 1999 in Gänze fehlt)? Oder beschränkten sich Spielhilfen auf das, was man auf deinen Scans der Reviews von Star Wars und Might and Magic II sieht?
#10: christian // Weniger Kritik, mehr Guides!
Der Begriff “Review” kommt mir auch recht modern vor für Mitte der Neunziger. Sonst kenne ich aus der Zeit nur die Bravo Screenfun, dort hießen die Spielebesprechungen “check”. Englische Begriffe schienen bei der Nintendo Fun Vision-Redaktion recht beliebt gewesen zu sein, die gab es ja für viele Rubriken, zum Beispiel “INside” oder “tell-a-tip”. Da waren sie ihrer Zeit teilweise weiter voraus als ihre Zielgruppe. Ich habe zumindest einen Leserbrief gelesen, in dem sich jemand über die unverständlichen Begriffe beschwert hat.
“Game guides” gibt es auch in meinen 94er Ausgaben, aber nur für etwa ein Viertel der behandelten Spiele. Den Rest machen zu etwa gleichen Teilen “reviews” und “previews” aus. Da gab es in den späteren Heften also schon eine starke Umgewichtung, zumindest was die Kategorien betrifft. Wie bereits von dir erwähnt, sind die Wertungen von dieser Umstrukturierung größtenteils unberührt, da diese ohnehin immer auf die Kästen am Rand ausgelagert waren. Die “game guides” sind übrigens auch in den 90er Ausgaben bereits recht ausführlich und hilfreich, nur eben noch nicht so zahlreich vertreten.
Über die Gründe, den Fokus komplett auf Lösungshilfen zu verlagern, kann ich natürlich nur mutmaßen. Vielleicht wollte sich die Fun Vision von der Konkurrenz abgrenzen. Oder einfach mehr Seiten aus jedem Spiel holen, was bei einem “game guide” natürlich einfacher ist als bei einem Test. Womöglich war das auch eine Reaktion darauf, dass für das Nintendo 64 im Vergleich zum Super Nintendo weniger Spiele erschienen? Denkbar wäre auch, dass sie sich noch weiter von ihren ohnehin zaghaften “Spielkritiken” distanzieren wollten. Ein mehr oder minder reines Lösungsheft bietet in der Hinsicht ja zu allen Seiten hin eine viel kleinere Angriffsfläche.
#11: sylvio // Anglizismen und stolze Preise
Ein ähnlicher Lesebrief ist mir aus dem Club Nintendo Magazin bekannt; 1999 dürfte das gewesen sein, als das Heft im Zuge seines Redesigns Rubriken wie die „Support Zone“ eingeführt hatte. Der Begriff “Walkthrough” tauchte auch auf. Andererseits nannten sich aber schon vor besagtem Redesign die beiden Hauptkategorien für Artikel „First Look“ und „Zoom-In“.
Ich hab mir kurzerhand die jeweils ersten Ausgaben von Total! (1993), N-Zone (1997) und 64 Power (1997) heruntergeladen, um zumindest mal die Nintendo-Magazinszene zu überblicken.
Die Total! spricht 1993 auch schon von „Previews“, ansonsten aber von „Tests“. Daneben finden sich in der gesamten Ausgabe reichlich Anglizismen. Die 64 Power spricht 1997 ebenfalls von „Previews“ und „Reviews“, nannte letztere später aber ebenfalls „Tests“. Genauso die N-Zone, die als einzige von den dreien auch auf den Begriff „Preview“ verzichtet. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass alle deutschen Nintendo-Magazine der 90er reichlich Anglizismen gebrauchten, dass der Begriff „Test“ aber sehr viel üblicher war als der Begriff „Review“. Außerdem habe ich den Eindruck, dass die Fun Vision und das Club Nintendo Magazin besonders viele Anglizismen nutzten. Möglicherweise ist das mit ihrer Genealogie zu erklären: Wie wir schon feststellten, entsprangen diese beiden Magazine nicht dem klassischen Journalismus, sondern kamen eher aus der Werbebranche.
Dann zur Fokusverlagerung auf Lösungshilfen. Um Genaueres dazu zu sagen, müsste man natürlich wissen, wann dieser Wechsel vollzogen und ob er von der Redaktion kommentiert wurde (ob es beispielsweise eine Reaktion auf die wachsende Zahl von Konkurrenzmagazinen war). Doch leider ist die Fun Vision online ja nicht abrufbar, weshalb wir nicht einfach nachschauen können.
Dass die geringere Zahl von Neuerscheinungen zu N64-Zeiten ein Grund gewesen sein könnte, halte ich allerdings für unwahrscheinlich. Zum einen erschien die Fun Vision bereits ab 1996 nur noch alle zwei Monate, zum anderen stellte sie ohnehin weniger Spiele vor, als sie hätte vorstellen können. Und selbst wenn es der Wunsch gewesen wäre, möglichst viele Seiten aus jedem Spiel „herauszuholen“, dann wäre das doch umso leichter gewesen, wenn man eine Komplettlösung und einen ausgewachsenen Test abgedruckt hätte.
Das mit der Angriffsfläche könnte ein Faktor sein, aber ich hab Zweifel, dass man das damals überhaupt so bewusst reflektiert hat (wenn ich mir gewisse andere Sachen anschaue, zum Beispiel die von dir zitierte Leserbriefantwort bzgl. Inserenten). Ich tippe eher darauf, dass die Lösungshilfen bei der wie auch immer gearteten Zielgruppe der Fun Vision besonders gut ankamen, oder dass man sich von der starken Konkurrenz abheben wollte, die sich vornehmlich auf Tests konzentrierte.
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Die Konkurrenz. Das bringt mich zum nächsten Aspekt, auf den ich das Gespräch gern lenken möchte, und der mich ein wenig verwundert zurücklässt, wieso sich die Fun Vision dann überhaupt so lang behaupten konnte: Der Preis, nicht zuletzt in Relation zur Seitenzahl.
Ich hab bereits gesehen, dass die Hefte 1994/95 stolze 6,80 Mark kosteten. Dabei blieb es auch, als das Heft ab 1996 nur noch alle zwei Monate kam. Mit Ausgabe 3/4-1999 gab es es dann offenbar ein Redesign (nicht selten ein Indiz dafür, dass die Dinge nicht mehr so gut laufen) und einen einmaligen Lockpreis von 4,90 Mark. Ab Ausgabe 5/6-1999 lag der dann bei 5,90 Mark, bis er mit der allerletzten(!) Ausgabe sogar noch einmal auf 6,90 Mark angehoben wurde.
In Anbetracht des Preises von 5,90 Mark hat meine Ausgabe 11/12-1999 aber nur vergleichsweise spärliche 68 Seiten. Bei Ausgabe 7-8/1999 sind es immerhin noch 84 Seiten, wobei diese Ausgabe überhaupt viel „runder“ wirkt und auch jenseits von Game Guides allerhand Inhalt bot.
Im selben Zeitraum (also Ende 1999) bekam man bei der Konkurrenz:
- Die Total! 12/1999 und 01/2000 kosteten ebenfalls je 6,80 Mark, boten dafür aber je 92 Seiten. Die erste Total! von 1999 bot für 6,00 Mark sogar 108 Seiten.
- Die N-Zone 12/1999 und 01/2000 kosteten jeweils nur 3,90 Mark und boten dafür 84 bzw. 92 Seiten. Die erste N-Zone von 1997 kostete ebenfalls schon 3,90 Mark, für 68 Seiten.
- Die 64 Power 11/1999 kostete auch 6,80 Mark, bot dafür aber stolze 112 Seiten. Wobei mindestens im Falle der 64 Power 8 Seiten allerdings auf das Poster entfallen, die da mitgezählt werden. Mit seiner Umbenennung in big.N hatte das Heft in den Ausgaben 12/1999 und 01/2000 „nur“ noch 100 bzw. 108 Seiten, allerdings lag zusätzlich ein kleinformatiges, schwarz-weiß gedrucktes Lösungsbuch mit über 200 Seiten bei. Der Preis lag nun bei stolzen 8,80 Mark, aber dafür bekam man halt auch einiges.
Gerade wenn man sich die schmale Ausgabe 11/12-1999 anschaut – immerhin die Weihnachtsausgabe! – muss man dann wohl konstatieren, dass die Fun Vision das teuerste Nintendo-Magazin auf dem Markt war. Wie viele Seiten haben denn deine Ausgaben von 1994? Und was könnte der Grund für den relativ hohen Preis gewesen sein; ob da wohl Lizenzgebühren an Nintendo gezahlt wurden?
#12: christian // Heilmittel gegen Nostalgie
Bei dem Preis von 6,80 Mark hatte ich mir zunächst nicht viel gedacht, weil ich die aktuelle Preislage im Hinterkopf hatte. Die N-Zone bietet etwa aktuell für 4,90 Euro knapp hundert Seiten, spezialisierte Retrozeitschriften kosten noch mehr. Aber damals war das natürlich anders. Die Bravo Screenfun etwa war für 4 DM zu haben und hatte an die hundert Seiten, wenn ich mich richtig erinnere. Die Fun Vision Nr. 3 hat 114 Seiten, die anderen beiden Hefte von 1994 jeweils 98. Das Preis-Leistungs-Verhältnis kippte dann wohl erst später, damals lag man in der Hinsicht auch im Vergleich zur Konkurrenz noch gut im Rennen.
Der Umfang älterer Videospiel-Magazine ist für mich aus heutiger Sicht relevant, weil sie in der Breite ein realitätsnahes Fenster in eine vergangene Zeit darstellen. Aktuelle Retromagazine und -Webseiten fokussieren sich ja in der Regel auf die Höhepunkte, was auch Sinn ergibt; die wenigsten Leser wollen sich mit generischen oder schlechten Spielen befassen, die oft zu Recht in Vergessenheit geraten sind. Dennoch ergibt sich so ein kondensiertes und verzerrtes Bild davon, wie die Situation früher eigentlich gewesen ist. Die Videospielsysteme der Vergangenheit werden überhöht dargestellt, und zumindest ich bekomme immer wieder den Eindruck, dass früher alles besser gewesen sein muss als heute.
Wenn ich mir, motiviert von Nostalgie, ein altes Nintendo Fun Vision-Heft zur Hand nehme, habe ich auf damals noch um die hundert Seiten im Schnitt dreißig Spiele, die in “reviews”, “previews” und “game guides” behandelt werden und bekomme zumindest das Gefühl, einen Blick auf die Nintendo-Spiele zu bekommen, die in den jeweiligen zwei Monaten im Jahr 1994 tatsächlich im Umlauf und Gespräch waren.
Auch wenn ich schon vorher wusste, dass früher nicht alles Gold gewesen ist, war ich dann doch überrascht, dass ich vielleicht 10 Prozent der damals aktuellen Spiele noch interessant und relevant finde. Bei modernen Spielen geht es mir da übrigens ganz ähnlich. Kommt natürlich auch auf den persönlichen Geschmack an. Ich konnte in der Fülle der in dieser Zeit angesagten Sportspiele, Lizenztitel, Platformer und Street Fighter II-Nachahmer zumindest wenige „Schätze“ entdecken.
So eine Schocktherapie von Nostalgie wäre sicher auch mit den damaligen Konkurrenzmagazinen möglich, aber diesen Aspekt habe ich erstmals beim Durchlesen meiner drei Fun Vision-Ausgaben erlebt. Hast du einen ähnlichen Effekt beobachten können, Sylvio?
#13: sylvio // Spaß mit zweitklassigen Spielen
Ich verstehe, was du meinst, aber bei mir hat das tatsächlich eher den gegenteiligen Effekt: Es kommt wirklich nur ganz selten vor, dass ich noch Nintendo 64 spiele, aber wenn ich so durch meine beiden Fun Vision-Hefte blättere, oder durch alte Spielemagazine generell, dann denk ich mir oft: Ach, das gab es ja auch noch! Oh, das ist aber auch interessant; warum spricht da heute niemand drüber!? Diese mittelmäßigen Spiele aus der zweiten, dritten Reihe… Tonic Trouble, Rampage, Shadowgate 64… Oft finde ich die interessanter, als die „zeitlosen“ Klassiker, von denen man ohnehin ständig hört; oft sind es gerade diese mehr oder weniger fehlerbehafteten, weniger ambitionierten Titel, die den Zeitgeist einer Epoche widerspiegeln. Unmittelbarer und ungefilterter als die Klassiker eben, die qua ihrer Qualität nicht selten in eine andere Epoche weisen, als in die, in der sie erschienen sind – in die Zukunft eben.
Ich will nicht zu weit vom Thema abschweifen, aber: Man hat ja so vieles verpasst damals. All die Spiele, die ich nicht gespielt habe, weil ich meine Qualitätsmaßstäbe auf Maximum setzen musste. Die nicht die nötige Exzellenz mitbrachten, um zu rechtfertigen, dass ich mühsam ersparte 120 Mark (oder mehr) für sie ausgebe. Heute kann ich für einstellige Euro-Beträge (oder mittels Emulatoren) auch in die Titel der zweiten, dritten Reihe reinschauen, die ich damals aussortieren musste. Natürlich ist es nicht unbedingt Gold, was man dort findet: Aber Quantität, Vielfalt und Überraschungsfaktor sind ja auch Qualitäten. Statt das vielgelobte Turok 2 nachzuholen, einfach mal dem viel gescholtenen Armorines eine Chance geben? Heute könnte ich mir das buchstäblich „leisten“.
Ein Problem mit alten Spielen ist allerdings oft, dass sie nicht sehr zugänglich sind. Man sollte die Spielanleitung besitzen und man muss viel herumprobieren, herumsuchen… Und da kommt mir die Fun Vision dann besonders gelegen, mit ihren Game Guides, die den Spieleinstieg doch erheblich erleichtern.
Den Nostalgie-Schock fühle ich allerdings auch: Nur bei mir sind da vor allem die Spielemagazine selbst davon betroffen. Einerseits habe ich mit dem Wissen von heute (und wo ich ja auch selbst ein Stück weit in der Branche drinstecke) einen Heidenrespekt dafür, was damals mit doch sehr limitierten Mitteln Monat für Monat zusammengekloppt wurde. Heute sehe ich die Arbeit, die hinter einem 100-Seiten-Heft steht. Andererseits muss ich aber sagen: Wie viel Quatsch da doch auch drin steht, den man damals nicht als solchen erkannt hat, weil man es nicht besser wusste. Diese absurden, völlig aus der Luft gegriffenen Erwartungen und Behauptungen teilweise… All die kleinen Fehlerchen. Oder auch der immer wieder durchscheinende Sexismus, den man damals so sehr internalisiert hatte, dass man ihn nicht einmal bemerkte.
Ging dir das auch so? Ansonsten würde ich einfach mal zwei, drei Beispiele anbringen…
#14: christian // Unergiebige Schatzkarten
Dass ich in alten Heften keine “neuen” Spiele mehr entdecke, ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass ich vielleicht schon zu oft online nach vergessenen Klassikern gestöbert habe. Die Beobachtung, dass die populären Klassiker über die damals üblichen Standards hinausgewachsen sind, finde ich sehr interessant, das ist auch eine gute Erklärung für die oftmals verzerrte Sicht auf die Vergangenheit. Meilensteine wie Super Metroid, Mega Man X (Vorschau in Fun Vision Nr. 4 / 94) oder Donkey Kong Country waren keine Alltäglichkeit, da sie die geltende Messlatte höher legten.
Als jemand, der gerne über ältere Spiele schreibt, bin ich auch auf der Suche nach unentdeckten Perlen. Das ist nicht immer ganz einfach, da viele “vergessene” Spiele aus heutiger Sicht eben nur durchschnittlich sind, und nicht jeder dieser Titel spannende Ecken und Kanten zu bieten hat. Action-Adventures aus der Vogelperspektive wie Lord of the Rings (Review in Fun Vision Nr. 10 / 94) oder Young Merlin (Fun Vision Nr. 3, 4 / 94) wecken etwa ein gewisses Interesse bei mir, aber ich bezweifle, ob sich ein näherer Blick wirklich lohnen würde. Shadowgate 64 hatte ich mir zum Beispiel vor Jahren aus Interesse zugelegt, aber seit dem Anspielen verstaubt es hier, da ich das Adventure dann doch nicht besonders spannend fand. Wenig hilfreich ist da natürlich, dass als Erwachsener die kritischste Ressource oft Zeit ist. Die will dann kaum jemand in mittelprächtige alte Spiele stecken.
Die Game Guides sind wirklich praktisch, um besser in die Spiele hineinzukommen. Viele wurden damals ja auch mit solchen Hilfestellungen bezwungen. Allgemein empfinde ich solche alten Magazine als angenehm entschleunigte analoge Alternative zu Online-Ressourcen. Teilweise sind die Hefte sogar fast effizienter: Statt mir Reviews, Bilder und Guides im Internet zusammenzusuchen, hat man dort alles übersichtlich zusammengefasst. Dazu im Fall der Nintendo Fun Vision auch noch in hübschen, gut lesbaren Layouts. Im Vergleich fällt das Club Nintendo Magazin zu der Zeit mit seinen oft ungünstig gewählten Hintergründen eher ab. Selbst die beschreibenden Texte und verhaltenen Wertungen der Fun Vision reichen zumindest, um sich grob ein Bild davon zu machen, worum es in einem Spiel geht und auf welchem qualitativen Niveau es sich in etwa bewegt. Wie bereits erwähnt, liefern manche Retro-Reviews von heute oft nicht großartig bessere Informationen.
Viel Mist ist mir zumindest in meinen Heften tatsächlich nicht aufgefallen. Die neutralen Spielbeschreibungen lesen sich oft wie aus einer Broschüre (aber ohne den plakativen Werbecharakter eines Club Nintendo Magazins), und wenn in den Texten “Charme” durchscheint, ist es locker-flockiger “Cringe”, recht typisch für die deutschen 90er. Fortsetzung folgt…
Inhaltsverzeichnis
- Part I: Unsere Beziehung zum Heft / Lebenszyklus / Unabhängigkeit
- Part II: Game Guides / Preispolitik / Falsche Nostalgie
- Part III: Kritikpunkte / Wertungssystem & Profi-Meter / Highlights
- Part IV: Letzte Ausgabe / Vermächtnis / Shoppingträume
Das mit der Nostalgie kann ich voll nachvollziehen. So gern auch immer wieder Die Gute Alte Zeit hervorbeschworen wird, wenn man wirklich drüber nachdenkt, war die so viel besser wie Heute nicht. Man war nur jünger und schlechter informiert. Die Highlights wurden auf den Pausenhöfen besprochen und weiterempfohlen. Man war auch noch leichter zufriedenzustellen. Damals gab es aber auch schon prozentual genauso viel Mist oder Durchschnittsware, die hat man nur entweder gar nicht oder anders in Erinnerung.
Trift übrigens auch ein Stück weit auf diese Spielemagazine an sich zu. Die hält man in der nostalgischen Erinnerung auch öfter mal als witziger, spannender und informativer als sie wirklich waren. Wenn man die heute wieder liest, merkt man auch da viel cringe und schlecht recherchierte Reviews voller nichtssagender Standardphrasen.
Früher war halt nur deswegen alles besser, weil man noch jung war :D
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Ich bin generell immer wieder überrascht, wie dünn der Informationsgehalt von damaligen Texten häufig war, nicht nur in der Fun Vision. Gerade Previews gehen über die grundlegendsten Informationen häufig kaum hinaus, während heutige Online-Magazine alles viiiieeel genauer erklären (oder viel umfassender spekulieren) würden. Entsprechend lautet das Credo heute: Je mehr Details, je umfassender die Mutmaßungen, desto besser. Damals waren dem allein schon durch die endliche Seitenanzahl Grenzen gesetzt, aber auch der tatsächliche Informationsstand der Redakteure war wohl in vielen Fällen geringer als das, was sich heute sogar ein Amateur im Internet zusammensuchen kann.
Und trotzdem ist es, denke ich, nicht nur der Nostalgie geschuldet, dass ich mit den Previews (oder Reviews) jener Zeit irgendwie mehr anfangen kann als mit manchen von heute, die mir Spiele in einem Detailgrad nahebringen, in dem ich sie vor meiner eigenen Spielerfahrung eigentlich gar nicht kennenlernen möchte. Genauso wenig hab ich das Verlangen, vorab irgendwelches Videomaterial zu sehen, außer vielleicht mal einen Trailer. Man ist heute so verwöhnt, aber auch übersättigt. Es ist faszinierend, wie viel zwei oder drei Screenshots damals ausdrücken konnten. Zeigte man mir heute zwei Screenshots aus einem realistischen Rennspiel, wäre ich genauso klug wie vorher. Damals ließ sich darauf eine Kaufentscheidung aufbauen. :D
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