In Videospielen schlüpfen wir häufig in eher ungewöhnliche Rollen. In Laundry Bear Games‘ A Mortician’s Tale (2017), enthalten im Bundle for Racial Justice and Equality von itch.io, ist diese Rolle allerdings auch für ein Spiel ungewöhnlich: Wir spielen die junge Charlotte, die als Bestatterin in einem kleinen Familienunternehmen anheuert. Im Laufe der etwa zweistündigen Visual Novel erlernen wir die Handgriffe, die zur Bestattungsvorbereitung durchgeführt werden, nehmen an Trauerfeiern teil und klicken uns durch Newsletter und Mails von Kollegen und Freundinnen.

Wir erfahren, dass Charlotte mit Leib und Seele Bestatterin ist. Das Ausführen der einzelnen Handgriffe zum Kremieren oder zum Einbalsamieren mit Formaldehyd verkam für mich als Spielerin allerdings schnell zur lästigen Routine. Den Mails von Vorgesetzten können wir ein paar Eckdaten über die verstorbene Person entnehmen, die sich allerdings in den meisten Fällen auf das Alter und die Todesursache beschränken. In seltenen Fällen lesen wir noch ein paar persönlichere Sätze, die von Angehörigen stammen. Das trägt allerdings nur wenig dazu bei, den Körper als mehr zu sehen als nur ein Feld, auf dem ich in den nächsten zwei Minuten herumklicken muss. Ludonarrative Dissonanz lässt grüßen.

Mir scheint das Ausführen der Arbeiten auch eher als Vehikel zur Thematisierung der Schwierigkeiten im „Beerdigungsbusiness“ zu dienen: Bald wird das kleine Familienunternehmen von einer großen Kette aufgekauft. Diese arbeitet nur gewinnorientiert und reduziert die Verstorbenen auf ihre Tauglichkeit, durch eine möglichst kostspielige Bestattung möglichst viel Geld in die Kassen zu spülen. Wünschen die Hinterbliebenen eine günstigere Bestattung, müssen sie nur mit genug Nachdruck umgestimmt werden. An dieser Stelle einen Konflikt oder gar ein Aufbegehren im Spieler zu erzeugen, gelingt A Mortician’s Tale leider nur mittelmäßig. Durch die absolut lineare Erzählung ohne Entscheidungsmöglichkeiten ist der Wiederspielwert sehr gering.

Erfreulich sind allerdings die „Funerals Monthly“-Newsletter, die Charlotte empfängt und die jedes Mal interessante Informationen bereithalten. So lernen wir in einem Monat etwas über Beerdigungs- und Trauerriten in verschiedenen Religionen, in einem anderen über die ökologischen Konsequenzen der problematischen Formaldehyd-Behandlung der Leichname (in den Vereinigten Staaten üblich). Eine andere Ausgabe verschreibt sich der Thematik rund um Transsexualität. Hier liegt eine der großen Stärken des Spiels: Nicht nur in den Newslettern kommen diese Themen zur Sprache. Charlottes beste Freundin scheint bisexuell zu sein und unter den Verstorbenen und deren Angehörigen finden wir Homosexuelle, People of Colour und Menschen verschiedener Religionen.

A Mortician’s Tale verbindet somit die Thematisierung und Problematisierung von gewinnorientierter Bestattungskultur mit lehrreichen, aber eher oberflächlichen Einblicken in die Tätigkeiten eines Bestatters. Die Aufgaben im Spiel sind repetitiv und können nur bedingt durch die Geschichte getragen werden. Erst zum Ende hin habe ich mich emotional ein wenig involviert gefühlt und war dann doch erfreut über die Wendung, die das Spiel am Schluss nimmt. Ein unaufgeregtes, dem Genre entsprechend eher textlastiges Spiel, das allerdings durch seine LGBTQ+-, PoC- und Öko-Thematisierung Pluspunkte sammeln kann. [jk]


A Mortician’s Tale
Laundry Bear Games
PC (Windows) & Mac [18. Oktober 2017]