Lesenswert Nr. 135 – die handverlesenen Games-Lesetipps im Juni.

Es hätte sich einiges angesammelt in den letzten vier Wochen. Aus Zeitgründen musste ich es bei einer kleinen aber feinen Auswahl belassen, und die steht diesmal ganz im Zeichen von The Last of Us Part II.

Doch nichts mit Hype: es geht auch differenzierter. Jannick Gänger ist für mich noch immer dann am besten, wenn er die ewig gleichen Floskeln der sprachlich armen deutschen Spielepresse bloßstellt – diesmal am Beispiel der Reviews zu The Last of Us II. Dem folgt ein sieben Jahre alter Artikel von Rainer Sigl zum ersten The Last of Us, dessen Argumentation sich problemlos auch auf den zweiten Teil anwenden lässt. Der nächste Beitrag zum Thema ist ein Artikel, auf den mich freundlicherweise meine Kollegin Jessica hingewiesen hat, und der zeigt, dass die schlechteste Figur einige Gamer selbst abgeben. Famos, wie Rob Fahey das Thema in Worte fasst. Sprachlich nicht ganz so eloquent, aber inhaltlich genauso richtig und wichtig: Jörg Luibls Kommentar zum selben Thema.

Daneben gibt es einen Text zu Deus Ex: Mankind Divided, den ich schon im Lesenswert Spezial: „Black Lives Matter“ empfohlen habe, der der Vollständigkeit halber aber auch in einer regulären Ausgabe zu Ehren kommen soll. Auf all den harten Tobak noch etwas Leichtes: Florian Auer über RPGs und die Liebe. Auch diesmal endet meine Auswahl mit einem Blick über den Tellerrand: 40 Jahre Teletext.

Pascal hat für Sehenswert eine extragroße Auswahl zusammengestellt und legt euch unten nicht weniger als neun(!) Video-Empfehlungen ans HerzZwei Hörtipps von meiner Seite schließen diese Ausgabe ab – der eine ernst, der andere poppig.

Damit viel Spaß und bis in zwei, drei(?) Wochen – oder bis nächste Woche, zu unserem Quest-Log im Juni. Über Feedback in den Kommentaren freuen wir uns selbstverständlich auch. [sk]


Lesenswert

The Last of Us 2 und die Spielepresse: Mit der Achterbahn in die Magengrube
(medienbiene.com, Jannick Gänger)

[…] Drunter und drüber geht es also in der Geschichte des Spiels. Falls sich jemand ob der Verwendung von „Achterbahnfahrt“ wundert, das schon mal gehört zu haben, dem sage ich: ja. Einfach ja. Für GamePro ist Uncharted 4 etwa eine „packende und emotionale Achterbahn“, genau wie Star Wars 7, und der Vorgänger The Last of Us ist ein „Emotions-Achterbahn-Simulator“, ganz genau wie die „emotionale Achterbahnfahrt“ in Tribute von Panem Mockingjay, die ähnlich emotional ist wie die von Evolve, und um das vorwegzunehmen ist natürlich auch The Order 1886 eine Achterbahn, die allerdings nicht an den „Nervenkitzel wie bei einer Achterbahnfahrt“ heranreicht, die GamePro bei Resident Evil 4 erlebt hat – und Metal Gear Solid 4, denkt hier jemand auch mal an Metal Gear Solid 4, die „unglaubliche Achterbahnfahrt der Gefühle“?! […]

The Very Last of Us
(videogametourism.at, Rainer Sigl)

[…] Da drängen sich doch mehrere Fragen auf: Welchen Sinn hat ein Day-0-Testjournalismus, wenn er die nachfolgende berechtigte Kritik nicht selbst zu äußern imstande ist? Warum dürfen sich auch oder ausgerechnet Hochglanzprodukte derartig offensichtliche Schwächen leisten […] und diese wird zum Launch nirgends thematisiert? Wie kann es sein, dass der Disconnect zwischen Gameplay, Story und Atmosphäre im ersten Überschwang von der gesamten Presse achselzuckend hingenommen wird? […]

Gaming’s lost boys embrace their inner censor | Opinion
(gamesindustry.biz, Rob Fahey)

[…] The disapproval of a small but noisy minority of extremely online culture warriors isn’t likely to summon even the tiniest of shrugs from Sony. Yet it’s still worth stopping for a moment to admire the sheer brass-necked hypocrisy of a group who normally scream about censorship at the first sign of a developer changing a female character’s costume […]. Now, it seems, we’ve got people who feel entitled to make demands for gigantic changes to a game that hasn’t even been released yet, and rejoice in seeing it being censored by oppressive regimes because it has made the unimaginable decision to include characters they can’t masturbate to. […]

Die digitale Hexenjagd
(4players.de, Jörg Luibl)

[…] Die Vorverurteilung von The Last of Us Part 2 hat auf hässliche Art gezeigt, wie politisiert die Spielewelt ist – da wünscht man sich als Zocker alter Schule jeden Konsolenkrieg zurück. […] Aber das Differenzieren ist einigen zu anstrengend. In ihrem Aufregungspotenzial sind sich extrem Linke und Rechte manchmal ähnlich. Beide attackieren in ihrer ideologischen Empörung letztlich die Kunstfreiheit – aber kein Buch, kein Film ist ästhetisch wertvoll oder als Spiel per se cool, nur weil es die eigene Weltanschauung abbildet! […]

How Deus Ex: Mankind Divided nails the personal side of prejudice
(pcgamer.com, Xalavier Nelson Jr.)

[…] Despite the dystopian sci-fi trappings, when I play Deus Ex: Mankind Divided, I see a familiar world—but in this life, I’m not Adam Jensen. I’m a young black kid on a train in a foreign country, keeping my head down, because I see a monster reflected in the eyes of the people around me. A monster I think Adam Jensen knows all too well. […]

RPGs und die Liebe
(videospielgeschichten.de, Florian Auer)

[…] Nachdem ich in den letzten Jahren auch viele westliche Spiele gespielt habe, konnte ich einen großen Unterschied zwischen japanischen und westlichen Rollenspielen erkennen, was die Themen Liebe, Beziehungen und sogar Sex angeht. Ich habe mich über dieses Thema mit einem guten Freund ausgetauscht, der seit langem im Spiele-Business ist. Dabei hatte er mir erzählt, wie erstaunt er ist, dass Spiele Gefühle wie Wut, Hass, Angst und Begeisterung vermitteln können, aber oft daran scheitern, „Liebe“ realistisch darzustellen. […]

Das analoge Medium Videotext lebt auch im digitalen Zeitalter weiter
(ueberstrom.net, Uta Buttkewitz)

[…] Medien verschwinden, sobald ein neues Medium entwickelt wurde, das die Funktion eines alten Mediums aufgreift, verbessert und schließlich ersetzt. Der Videotext erfüllt immer noch eine ganz spezielle Funktion, die sich bewährt hat und existiert deshalb immer noch. […]


Sehenswert

Talking Anthropology, Creation Myths, & Religion with Ancestors: The Humankind Odyssey
(youtube.com, Super Bunnyhop, 00:20:46)

In einer Welt voller austauschbarer Open World Games verfolgt Ancestors das vielleicht interessanteste Konzept, das ich in dieser Strömung seit langem gesehen habe. George Weidman erklärt, was so faszinierend daran ist, eine Spezies über tausende Jahre in der Evolution voranzutreiben und dabei sogar Aktionen wie das Benutzen eines Gegenstandes mit zwei Händen erst lernen zu müssen. [pg]

Die unglaubliche Geschichte des Angry German Kid
(youtube.com, Simplicissimus, 00:09:49)

Hinter dem vielleicht bekanntesten deutschen Meme des (sehr) frühen YouTube-Zeitalters steckt eine tragische Geschichte voller Missverständnisse und Mobbing. Wer die anderen Videos des »echten Gangsters« geschaut hat, konnte schon damals erkennen, dass wir es sich bei dem Content um Comedy handelt, die ihrer Zeit vielleicht ein bisschen zu sehr voraus war. [pg]

Life in the Shadow of Midgar
(youtube.com, Jacob Geller, 00:20:03)

Schon wieder Jacob Geller, sorry. Nicht meine Schuld, wenn er sich mit jedem Video erneut selbst übertrifft. Als FFVII-Newbie erklärt er die Faszination der Stadt Midgar und zieht dabei einige schmerzhafte Parallelen zur echten Welt, die nur allzu häufig unserer Aufmerksamkeit entgehen. [pg]

Who’s Commanding Shepard in Mass Effect?
(youtube.com, Game Maker’s Toolkit, 00:53:36)

Wenn Mark Brown ein so langes Video rausbringt, dann muss er was zu sagen haben. Hier behandelt er die Wirkmacht der Spielenden auf den Charakter Commander Shephard im Verlauf der gesamten Mass Effect-Trilogie. Wieso funktioniert Shephard so gut, obwohl unser Einfluss auf die Entscheidungen im Spiel – im Vergleich zu anderen RPGs – häufig begrenzt ist. [pg]

The Touch Generation
(youtube.com, BriHard, 00:15:53)

Einige Systeme, wie der Nintendo DS und die Wii, haben Spiele hervorgebracht, die sich ohne die Originalhardware nicht mehr authentisch replizieren lassen. Die Verluste beim Versuch, dies dennoch zu tun, kritisiert BriHard in diesem charmanten Nachruf. [pg]

Permadeath is Pointless
(youtube.com, Chaz Aria LLC, 00:17:24)

Permadeath in Fire Emblem ist eine der wenigen Diskussionen zum Thema Schwierigkeitsgrad, in die ich auch selbst gerne einsteige. Lasst euch von der extravaganten Produktion dieses Videos nicht in die Irre führen – hier gibt es eine der interessantesten und intelligentesten Thesen zum Thema Permadeath, die ihr bisher gehört habt. [pg]

The Evolution of Villagers in Animal Crossing
(youtube.com, Tama Hiroka, 00:58:10)

Wem die Inselbewohnerinnen und -bewohner im neuen Animal Crossing etwas leblos und langweilig vorkommen – es liegt nicht an eurem Alter oder eurer Aufmerksamkeitsspanne. Ihr habt recht! Im Verlauf der Reihe hat die Vielschichtigkeit und Autonomie der NPCs in Animal Crossing zunehmend abgenommen. Der Kontrast zwischen Wild World und New Horizons ist geradezu erschütternd. [pg]

Frogger the Great Quest
(youtube.com, Nitro Rad, 00:24:45)

Wusstet ihr, dass Frogger nach den Arcade-Hits eine ganze Wagenladung seltsamer Handheld- und Konsolen-Experimente über sich ergehen lassen musste? Einige waren besser, andere (viel) schlechter – NitroRad untersucht sie aktuell alle der Reihe nach. Stellvertretend gibt es hier also seine Kritik zum unsäglichen Machwerk Frogger: The Great Quest für PlayStation 2. [pg]

Defining Roguelike
(youtube.com, Chariot Rider, 00:35:39)

Neben »Metroidvania« und »Souls-like« ist »Roguelike« der vielleicht meistdiskutierte Genrebegriff. (Oder ist es überhaupt ein Genre?) Dieses Video findet eine überraschend überzeugende und progressive Antwortoption auf diese Definitionsfrage, die sich nicht an den prähistorischen Namensgeber »Rogue« klammert. [pg]


Hörenswert

Weltherrschaft: Auf Wiedersehen, Papa
(Gamespodcast; 24.05.2020; 01:16:23)

Es mag ungewöhnlich erscheinen, André Peschkes Gedanken zum Tod seines Vaters als besonders hörenswerten Podcast zu empfehlen. Doch gerade wegen dieser ernsten Thematik ist Andrés Verabschiedung exakt das: große Podcast-Kunst, die nicht nur regelmäßige Hörer von The Pod schätzen werden. Weniger ein Nachruf als eine einnehmende Reflexion über die persönliche Biographie vor dem Hintergrund der Beziehung zum Vater. Erinnerungen, geerdet und zusammengehalten von immer wiederkehrenden Begegnungen mit Spielen. Und damit – ganz nebenbei – auch eine Zeitreise vom Saba Videoplay bis in die Virtual Reality. [sk]

Gamespop – Musik aus Videospielen #02
(Gamespop; 10.06.2020; 00:57:32)

Orchestrale Videospielmusik kann mich nur selten begeistern. Tracks aus anderen Genres dafür umso mehr. Aus diesem Grund hab ich mich schon sehr auf die zweite Folge von Rainer Sigls neuer Reihe Gamespop gefreut, in der er uns erneut ein gutes Dutzend Stücke aus unterschiedlichen Musik-Genres auf die Ohren gibt: Weniger Pop diesmal – dafür düsteren Hip-Hop, sphärische Klangteppiche… [sk]


Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt jeden zweiten Freitag auf SPIELKRITIK.com. Die vergangene Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.