Die Games-Lesetipps von SPIELKRITIK.com – Ausgabe 134.

Heute sind wir einmal ganz pünktlich im 2-Wochen-Rhythmus. Das gibt mir das die Chance, den einen oder anderen älteren Artikel unterzubringen, der im Schatten aktuellerer Artikel bisher unter den Tisch gefallen war.

Den Anfang allerdings macht ein Artikel, der aktueller nicht sein könnte: James Batchelor für Nintendo Life mit einem großartigen Special zum heutigen(!) 20. Geburtstag von Perfect Dark. Aus Gesprächen mit vielen verschiedenen damaligen Rare-Mitarbeitern destilliert er eine Fülle von bislang kaum oder gar nicht bekannten Infos und Hintergründen zum Spiel und seiner Entwicklung.

In weiteren Meldungen: Kein Trauerspiel – Ingo Redenius‘ Artikel über ebensolche Spiele, die sich mit dem Tod beschäftigen. Longread von der kuriosen Sorte – Conker’s Bad Fur Day aus christlich-theologischer Sicht. Der Tod des Flaneurs im Videospiel und sein Ursprung – in Artikeln von Arvid Kammler und Robert Baumgartner. Leichter Snack mit tollen Artworks: Artist Christopher Bretz über seine Mitarbeit am N64-Klassiker The New Tetris. Mit zehn Jahren Abstand: zwei wirklich alte Blog-Posts von magaziniac.de, einem leider nicht mehr aktiven Blog über Games-Printmagazine, den ich erst kürzlich im Rahmen meiner Recherche zur Fun Vision entdeckt habe. Gar nicht mal so polemisch: Matthias Kreienbrinks Polemik zum Gamer-Selbstverständnis. Blick über den Tellerrand: Christian Neffe zur Geschichte des Autokinos und seinem Revival in Coronazeiten.

Für Freunde der Bewegtbilder hat Pascal neue Video-Empfehlungen im Gepäck, die er unten selbst vorstellt. Noch weiter unten erwarten euch wieder einmal ein paar Hörtipps von meiner Seite – und zwar ausnahmsweise nicht nur Podcasts, sondern, Rainer Sigl sei Dank, erstmals auch Musik.

Damit viel Spaß und bis nächste Woche im Quest-Log #14. [sk]


Lesenswert

Feature: Perfect Dark Turns 20 – The Definitive Story Behind The N64 Hit That Outclassed James Bond
(nintendolife.com, James Batchelor)

[…] Edmonds explains that this is part of the reason there were no job titles in the end credits […]. This did lead to problems for one member of the team. Beau Ner Chesluk, who actually programmed the credits, had to provide official identification to Nintendo to verify his name was legitimate – his job title of ‘Guns and Visual Orgasms’ combined with his first two names sounding like ‘boner’ aroused suspicions back in Japan. More interestingly, Chesluk reveals that the first collection of names in the credits always appear in a random order. This was a team consensus; since everyone played an equal part in designing the game, random would be more fair than alphabetical. […]

Trauerspiele? – Warum Games zum Thema Tod wertvoll sein können
(gameskultur.com, Ingo Redenius)

[…] Grundsätzlich bietet gerade die Interaktivität von Games eine Chance. Spieler*innen gestalten die Geschichte aktiv mit. Sie entscheiden, wie lang sie an einem Ort verweilen, wie genau sie sich umschauen oder welche Handlungsoptionen sie nutzen. Diese Einflussnahme erinnert mich an die vier Traueraufgaben des amerikanischen Psychologen James William Worden. Die Trauernden bewältigen die Aufgaben selbst oder holen sich bei Bedarf Hilfe. Dies räumt Freiraum und Handlungsmöglichkeiten ein, die bekannte Phasen-Modelle in der Form nicht bieten, da sie Trauernde passiv darstellen und einen Trauerverlauf vorgeben. […]

Der Tod des Flaneurs
(ilinx.space, Arvid Kammler)

[…] Was aber in der Herleitung über Dear Esther usw. und besonders durch die oben zugespitzte Beschreibung der kuratierten Inhalte deutlich wird, ist, dass spätestens mit Assassin’s Creed Origins das Flanieren selbst zur Handlungsaufforderung geworden ist. Die Subversion wurde dem Flaneur wie der Teppich unter den Füßen weggezogen und er selbst als Konzept in den Spielraum inkorporiert. Vorbei scheint die Zeit des eleganten Widerstands. […]

Der Flaneur im Computerspiel
(paidia.de, Robert Baumgartner)

[…] Der Typus des Flaneuers ist ein primär literarisches Phänomen des neun­zehn­ten Jahrhunderts […]. Das meist männliche, intellektuelle Individuum durchwandert als unbeteiligter Beobachter ohne festes Ziel seine urbane Umgebung und macht ästhetische Beobachtungen, die sehr oft in Erzählungen verarbeitet werden können und den Flaneur zum narrativen Pol des urbanen Lebens machen. […] Ist es überhaupt möglich bzw. sinnvoll, ein zeitlich und medial so spezi­fisches Phänomen wie den Flaneur mit einem Medium zu vergleichen, das so vollkommen unterschiedlich entstand und rezipiert wird wie das zeit­genössische Computerspiel? […]

The New Tetris: Building blocks
(christopherbretz.ca, Christopher Bretz)

[…] The New Tetris was to be the first of a next generation of titles which would carry the franchise into the 21st century. The publishers wanted to have a high quality game with visuals worthy of the new N64 platform, and I wanted to really give the franchise a facelift. […] I tried to choose scenes which represented a diversity of global cultures. It was obvious we would need to include Russia, but that every continent should be represented in some way. The final ones were Africa, Celtic, Egypt, Greek, Japan, Mayan, Russia with the bonus Industrial level. To the left is my attempt to write Tetris in the level specific languages. […]

Spielepresse in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme
(magaziniac.de, Kim Trank)

[…] Interessant wäre an dieser Stelle auch mal die Frage an die Verlagsleitung: Würdet ihr die Hefte noch kaufen, die ihr produzieren lasst oder lest ihr sie noch gerne? Manchmal beschleicht einen das Gefühl, die Führungsetage hätte jeglichen Bezug zur Leserbasis komplett verloren. […] Beim ehemaligen BriStein Verlag ist […] nicht die Qualität das Problem, sondern die Bekanntheit. Aus unerfindlichen Gründen kriegen es die wirklich netten Menschen dort, nicht auf die Reihe selbst die popeligste Webseite zu erstellen. […]

Es war einmal… XBM
(magaziniac.de, Kim Trank)

[…] Mit der Ausgabe vom Februar/März 2004 ist im Prinzip die komplette Redaktion verschüttgegangen. Sie hat sich wohl mehr oder weniger im Streit aus dem Staub gemacht, um mit Raptor Publishing einen eigenen Verlag hochzuziehen. Den gibt es im Gegensatz zum Pro Verlag auch heute noch und von der Strategie mit den britischen Lizenzheftchen ist man auch abgerückt. […]

The List: Conker’s Bad Fur Day
(theologygaming.com, Zachery Oliver)

[…] Now, what is interesting here is that Berri stays dead. The mouse who explodes because he eats too much cheese and becomes filled with flatulent gas? He’s stitched back together for the finale. Anybody Conker didn’t like? All shoved into a room with him, attached to him only now that he’s become the King of the land. Now he has all the money in the world. Everything he wanted throughout the game and acted selfishly to get. And now he can’t get the one thing in the world he wants: Berri. […]

Der Mythos „Gamer“
(grenzgamer.com, Matthias Kreienbrink)

[…] Noch immer ist es einem nicht Videospiel-affinen Menschen kaum möglich über Videospiele zu sprechen. Es gibt keinen lauten gesellschaftlichen Diskurs, in dem gemeinschaftlich die Begriffe gefunden werden, mit denen wir Videospiele beschreiben können. Videospiele sind noch immer in der sprachlichen Nische, in der sie seit jeher waren, sein sollten. Weil die Gesellschaft nun mal dem Mythos Gamer Glauben schenkt. Erst wenn wir aufhören, von Gamern als Gemeinschaft zu sprechen, zu denken. […]

Freiheit und Isolation: Der Corona-Boom der Autokinos
(kino-zeit.de, Christian Neffe)

[…] Das utopische Gefühl von Freiheit, das das Autokino einst verkörperte, wich erst dem nostalgischen Kult und ist nun, in Corona-Zeiten, zum verheißungsvollen Versprechen von Sicherheit geworden: Das Auto ist jetzt privater Schutzraum in der Öffentlichkeit, vereint Isolation und Entertainment mit einem Hauch von Mobilität. […]


Sehenswert

Disco Elysium – All Hobocops Are …
(youtube.com, Renegade Cut, 01:09:09)

Eine spannende (und extrem gut recherchierte) Kritik an den fundamentalen Schwächen des modernen Polizeisystems – angelehnt an einen faschistischen Spieldurchlauf in Disco Elysium. Der Politikanteil überwiegt den Spielanteil, aber das macht das Video nur spannender. [pg]

Global Warming, as Depicted by 30 Years of Strategy Games
(youtube.com, Super Bunnyhop, 00:30:35)

Welche Bedeutung hatte die globale Erwärmung in den Strategiespielen der letzten 30 Jahre? Ausgerechnet die vergleichsweise „primitiven“ Simulationen der 1990er bilden das Thema vermehrt hab. Heute gibt es nur noch wenige Ausnahmen, die sich trauen, ein solch „kontroverses“ Thema anzufassen. [pg]

Mega Man Legends retrospective: Ten true summers | NES Works Gaiden #12
(youtube.com, Jeremy Parish, 00:19:41)

Mega Man Legends ist eine Anomalie in seiner Franchise. Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr scheint sich die Liebe für dieses wirre Kind der frühen 3D-Ära zu verbreiten. Umso beeindruckender scheint heute, was Mega Man Legends 1997 aus der PlayStation herauskitzelte. In vielerlei Hinsicht ist es technisch beeindruckender als das im selben Jahr erschienene Final Fantasy VII. [pg]


Hörenswert

Gamespop – Musik aus Videospielen #01
(Gamespop; 14.05.2020; 00:56:30)

Rainer Sigl sagt sehr oft „Videospiele“ und präsentiert dann eine feine Auswahl von Musik aus ebensolchen. Keine piepsenden Klassiker, auch keine orchestralen Stücke, und nur selten elektronische Klänge – sondern Pop, Folk und Jazz. Gattungen also, die in Videospielen noch immer eher die Ausnahme sind, die sich dort, wo sie auftauchen, vor konventionellen Genre-Veröffentlichungen aber häufig nicht verstecken müssen – wie diese erste, sehr hörenswerte und außerordentlich hörbare Ausgabe einer hoffentlich langlebigen Reihe zeigt. [sk]

Leisure Suit Larry (SF 98)
(Stay Forever; 29.04.2020; 02:06:39)

Gunnar und Christian haben den vermutlich längsten… Podcast über die berühmt-berüchtige Leisure Suit Larry-Reihe in die Mikrofone geflüstert. Über mehr als zwei Stunden hinweg beweisen sie Ausdauer und betrachten vorrangig den 1987 erschienen ersten Teil der Reihe. Der spannende Abriss der Vorgeschichte des Spiels, angefangen bei Softporn Adventures aus dem Jahr 1982, ist dabei ebenso hörenswert, wie die Diskussion des im Spiel präsentierten Frauenbilds. [sk]

Runde #265: Es war einmal in Russland
(Gamespodcast; 03.05.2020; 02:06:37)

Ein Revolver im Kofferraum und ein Einschussloch in der Windschutzscheibe bilden den Auftakt für diesen wodkageschwängerten Ritt durch den wilden Osten. Eine in erster Linie unterhaltsame Episode, bei der Auf-ein-BierStammgast Ralf Adam von seinen Geschäftsreisen als Game Producer in die Ukraine und nach Russland erzählt. Aller Gastfreundschaft zum Trotz kommt dabei schon einmal der Gedanke auf: „Oh Gott, wir werden alle grausam sterben.“ [sk]


Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt jeden zweiten Freitag auf SPIELKRITIK.com. Die vergangene Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.