»Arrest of a Stone Buddha« ist so hard-boiled wie es nur geht. So heiß, dass man sich daran verbrüht. Der Auftragskiller, den wir spielen, braucht keine Deckung; er muss nicht einmal rennen. Dabei pflügt er durch so viele Feinde, dass die Crazy 88 aus »Kill Bill« in Verlegenheit geraten würden.

Als Nachfolger des 2018er Geheimtipps »The Friends of Ringo Ishikawa« entkräftet »Arrest of a Stone Buddha« einige der größten Schwächen – oder nennen wir sie »ambivalente Stärken« – des Vorgängers. Die Schießereien des Nachfolgers sind nicht nur spannender, sondern vor allem griffiger als die Schlägereien des Vorgängers. Durch eine rigidere Levelstruktur mit Checkpoints folgt »Arrest of a Stone Buddha« außerdem viel näher dem Vorbild klassischer Action-Spiele.

Auch die Progression der Handlung – bei »Ringo Ishikawa« noch geprägt von ziellosem Zeitvertreib – erfolgt in »Arrest of a Stone Buddha« gestrafft. Statt eines urbanen Open-World-Mikrokosmos im Japan der 1980er erwartet uns hier, im Paris der 1970er, eine strikte Aufteilung zwischen kompaktem Alltag und linearen Mordmissionen.

Die große Stärke von »The Friends of Ringo Ishikawa« war das Flanieren durch eine romantisch verklärte japanische Vorstadt in den Schuhen eines halbstarken Oberstufenschülers. Gleichzeitig jedoch blieb das stetige Suchen nach dem nächsten vermeintlichen Ziel so eintönig wie der Alltag des Protagonisten selbst.

»The Friends of Ringo Ishikawa« war ein Spiel über das Leben eines Mannes ohne Ziele. »Arrest of a Stone Buddha« ist ein Spiel über einen Mann, dessen Leben nur von Zielen bestimmt wird. Das komplette Spiel besteht aus folgender Schleife:

Schwarzer Bildschirm. Überblende zum Ort des nächsten Auftragsmordes – in medias res. Wir erschießen das wehrlose Opfer. Es kommt zu einer grotesk blutigen Fluchtsequenz – dem eigentlichen Gameplay. Später kommt der Killer nach Hause, ergibt sich seiner Schlaflosigkeit und schlendert durch Paris… Bis er Schlaftabletten einwirft, ins Bett fällt und der nächste Tag (und somit häufig die nächste Mission) beginnt.

Die Tage und Nächte in Paris sind lang und leer. Sowohl spielerisch als auch sozial. Der Killer streift ziellos durch die Hand voll Straßen. Er hat keine Kontakte, bis auf einen alten Bekannten, den er nach jeder Mission auf einer Parkbank trifft. Zum Trost bleiben ihm nur das sanft rieselnde Kino oder der einsame Whiskey an der Bar.

Unser Charakter hat vergessen, wie er ein Leben außerhalb seines kalten Jobs führen kann und ist dabei selbst kalt geworden. Er ist wie ein Kehrblech in einer Abstellkammer: Er fristet ein zweckloses Dasein, bis er für seine Aufgabe ausgekramt wird; und dann ist diese Aufgabe ungemein schmutzig.

Doch wie könnte er auch nicht abstumpfen, bei der unsäglichen Masse an Leichen, über die er mehrmals pro Woche schreitet? Im Sekundentakt löchern seine Kugeln die Körper der Feinde. Auf eine beinahe comichafte Weise, die nur im abstrakten Stil des Spiels möglich ist, laufen uniforme Männer auf ihn zu und werden wie von einer unsichtbaren Sense niedergemäht.


Als Spieler empfand ich dadurch zuerst tatsächlich Spaß. Die Action ist intensiv, der Rausch hält für einige Minuten an. »Arrest of a Stone Buddha« bedient sich einer simplen Steuerung: Zielen und Schießen nach links und rechts, Auffüllen der begrenzten Munition durch Entwaffnen naher Gegner. Es gilt, jegliche Feinde zu erschießen, bevor sie selbst ihre Waffe anlegen und zurückschießen können. Ein nach oben geneigtes Steuerkreuz aktiviert Schnellfeuer, ein neutrales Steuerkreuz ermöglicht Schießen beim Gehen nach vorne, ein nach unten geneigtes Steuerkreuz visiert gefährliche Gegner in der Ferne an. Durch das Priorisieren entfernter Gegner, die ihre Waffe bereits gezogen haben, können nähere, noch harmlose Gegner vor ihrem Tod entwaffnet werden. Ohne Munition ist schließlich auch der härteste Auftragskiller wehrlos. Was jedoch nicht bedeutet, dass er aus seinem stetigen behäbigen Trott ausbrechen würde. Auch fürs Aufheben der Waffen besiegter Gegner ist er zu cool.

»The Arrest of a Stone Buddha« errichtet sein spielerisches Gerüst auf einem simplen, aber stabilen Fundament. Doch wie bei einem Gebäude mit Betonfassade bleibt die Abwechslung vom Keller bis zum Dach auf der Strecke. Jeder Level, jeder Abschnitt ähnelt dem vorherigen. Selbst Höhenunterschiede in der Architektur machen spielerisch keinen Unterschied. Jeder Bildschirm beherbergt einen linearen Weg voller bewaffneter Anzugträger, die nie endend wie eine Flut von vorne und hinten heranpreschen.

Die Kulissen sind bei jeder Mission hübsch und neu, doch die Herausforderung bleibt dieselbe. Selten erscheinen neue Gegnertypen, stetig erhöht sich die Intensität. Die Arcade-artigen Schießereien werden vom spannenden Nervenkitzel zum nie endenden Tunnel des Stresses.

In dieser Hinsicht ist nach »The Friends of Ringo Ishikawa« auch »Arrest of a Stone Buddha« ein Meisterwerk des Erzählens durch spielerisches Leid. Auch hier wird nach wenigen Stunden der deprimierende Trott spürbar, der dem Charakter zu schaffen macht. Mit jedem neuen Kadaver, der den blutroten Weg pflastert, wuchs auch mein persönlicher Verdruss. Und doch zog der Strudel mich nach vorne, unaufhaltsam wie die uhrwerkhaften Schritte meines Charakters.

In seiner Art der Darstellung ist »Arrest of a Stone Buddha« noch gnadenloser und härter als sein Vorgänger. Nicht nur das Spiel selbst ist klarer strukturiert. Alles an »Arrest of a Stone Buddha« erscheint nackt und ungefiltert. Agierte in »Ringo Ishikawa« die Japan-Romantik als tragende Kraft, so ist »Arrest of a Stone Buddha« schmutzig und ungefiltert wie europäisches Kino. [pg]


Arrest of a Stone Buddha
yeo
PC [27. Februar 2020], Nintendo Switch [21. Mai 2020]

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