»Supraland« ist wie ein überraschend guter Budget-Titel der sechsten Konsolengeneration. Oder wie eine sagenhafte, geradezu magische CD-ROM aus der Corn Flakes-Packung. Es beweist handwerkliches Können im Gamedesign, aber leider nicht viel mehr.
»Supraland« bezeichnet sich selbst als 3D-Metroidvania und ist ein klassisches Action-Adventure aus der Ego-Perspektive. Wer mich kennt, weiß, dass ich alles spiele, was im Entferntesten wie »Metroid Prime« aussieht. Viele der Spielelemente von »Supraland« – hauptsächlich die zahlreichen Puzzles – sind hingegen eher von der Zelda-Formel inspiriert. Der kompromisslose Fokus auf Areale, die jegliche Logik hintanstellen und einzig dem Gamedesign dienen, ist der Hauptfaktor fürs 6th-Gen-Gefühl von »Supraland«. Frei nach der Devise: Klöppeln wir einfach Stein und Holz zusammen; alles egal, sofern am Ende gute Puzzles und nette Platforming-Einlagen herauskommen.
Diese Anarchie des Gamedesigns wird durch »Supralands« Narrative kontextualisiert. Im Vorgarten eines Einfamilienhauses hat das Kind der Familie buchstäblich eine Sandkastenwelt erschaffen, die »Supraland« als Schauplatz dient. Charmant und kreativ – einige der NPCs streiten sich sogar über religiöse Allegorien zu Schöpfungstheorien. In der Erzählung hat das Kind die Spielwelt binnen sechs Stunden erbaut. Und obwohl »Supraland« das tatsächliche Entwicklerteam zweifelsohne weitaus mehr Zeit gekostet hat, fängt die Spielwelt diese improvisierte Natur vielleicht ein wenig zu sehr ein.
Schnell wird klar, dass ein 3D-Metroidvania noch lange kein »Metroid Prime« ist, ohne dessen Atmosphäre, ohne dessen narratives Gewicht der penibel konstruierten Spielwelt. Doch selbst der konsequente spielerische Pragmatismus, auf den »Supraland« setzt, funktioniert nur für begrenzte Zeit.
Dabei hat »Supraland« durch seinen Mangel an Ballast zunächst einen wunderbaren Spielfluss. Ich konnte problemlos für Stunden am Stück spielen, weil jede Herausforderung – ob Puzzle oder Platforming – so elegant mit der nächsten verwoben ist. Gleichzeitig sind sämtliche Spielelemente herausfordernd genug, um nie zu langweilen oder zu überfordern.
Aber reicht es, dass »Supraland« mich nicht langweilt? Wo sind die Wow-Momente? Wo die spielerischen Höhen? Gerade wenn ein Spiel sein Gameplay allem überordnet, sollte an dieser Front mehr passieren. Wieso sollte ich »Supraland« spielen und nicht jedes beliebige andere Action-Adventure mit Zelda-Einschlag?
Neue Skills und Perks im Minutentakt fungieren zu Beginn des Abenteuers noch als Geschmacksverstärker. Häufiger werden hier sogar neue Mechaniken wie beschwörbare Blöcke oder ein Doppelsprung eingeführt. Doch auch diese Progressionsebene wird im weiteren Verlauf zunehmend langsamer und das Spiel dadurch weniger aufregend. Die einzelnen kleinen Hubs, durch die mich »Supraland« schickt, ermüden mich zunehmend in ihrer Eintönigkeit und ich ertrage das Spiel nur noch als Nebenbeschäftigung zum Podcastkonsum.
Insofern ist »Supraland« ein Paradebeispiel für ein exzellent gestaltetes Spiel, dem dennoch der Funke fehlt. Es beweist, dass auch ein »Super Mario 64« ohne seine zauberhaften Kulissen oder spielerische Dramaturgie innerhalb der Level nur halb so gut gewesen wäre Das Herumhüpfen in einem Sandkasten ist ein kurzweiliger Spaß; aber keiner, der ein knapp zwölfstündiges Spiel wie »Supraland« zu tragen vermag. [pg]
Supraland
Supra Games, 5. April 2019
PC (GOG / Steam)
Programmer, Designer, Concept, Art, etc.: David Münnich
3D-Modeling: Alexey Boyko
Nach dem Lesen deiner Kritik bin ich erstaunt, wie gut die Kritiken sonst doch sind: „äußerst positiv“ bei Steam, 87% von der GameStar, 85 bei MetaCritic… Seltsam, dass ich das Game trotz allem nicht einmal dem Namen nach kannte.
…was ich aber eigentlich fragen wollte: Welches wäre denn ein „überraschend guter Budget-Titel der sechsten Konsolengeneration“? :D
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