Ape Out mag auf den ersten Blick nicht so aussehen, aber es hat mehr mit echtem Musizieren zu tun als Guitar Hero. Das frenetische Gameplay dient in erster Linie als Instrument des dynamischen perkussiven Soundtracks… Was nicht bedeuten soll, dass Ape Outs rasante Stealth-Action im Stile Hotline Miamis langweilig sei.

Wir steuern einen ausgerissenen Gorilla auf seinem Weg in die Freiheit und zerschmettern dabei jeden Widersacher, der uns im Weg steht. Entweder an der nächsten Wand, durch die Kollision zweier Körper, bei der Zweckentfremdung eines Tierhassers als Schutzschild… Hauptsache, jedes Manöver wird von einem entsprechenden Soundeffekt begleitet.

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Wilde Trommeln reflektieren die stampfenden Schritte des erzürnten Gorillas – in turbulenten Momenten, wie auch während der Verschnaufpausen. Keine stilisierte Blutfontäne fließt ohne gellenden Beckenschlag. Der Rhythmus der Musik passt sich dem Puls des Spieltempos an. Doch Ape Out geht noch einen Schritt weiter: Je nach Kraft und Ausrichtung der animalischen Angriffe variiert nicht nur die Lautstärke der Beckenschläge, sondern auch welche Becken des virtuellen Schlagzeugs erschallen. Ihr schleudert einen Feind in die obere rechte Bildschirmecke? In diesem Fall erklingt das Ride-Becken, welches sich traditionell vorne rechts am Schlagzeug befindet – nur als Beispiel.

Ape Out ist kein Spiel, dessen Soundtrack auf Spotify existieren könnte. Da müssten wir uns schon die Mühe machen, unser eigenes Gameplay aufzunehmen. Jeder Levelanlauf bleibt musikalisch sowie spielerisch ein Unikat – wie eine gute Jazz-Improvisation. Da sind die prozedural generierten Level ein Übel, welches wir für maximale Variation in Kauf nehmen müssen.

Spielerisch wäre Ape Out befriedigender, könnten wir uns wie in Hotline Miami schrittweise den perfekten Weg durch eine vordefinierte Herausforderung erarbeiten. Die einzelnen Abschnitte des Spiels sind nicht nur nach jedem Tod anders, sondern häufig auch ein paar Meter zu lang. Unfaire ausgewürfelte Gegnerplatzierungen trüben immer wieder den Spielfluss und sorgen für Frust. Häufig sind Feinde nicht rechtzeitig einsehbar und somit selbst mit Affenzahn nicht zu erreichen, bevor sie dem Gorilla mit ihrem Speerfeuer das Fell durchlöchern. Besonders in den späteren, offenen Arealen des Spiels wird dies zunehmend zum Problem.

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Dann wiederum gibt es auch Stellen, an denen weit und breit kein einziger Gegner zu finden ist. Selten fühlte ich mich, als hätte ich einen Level zu 100 Prozent aus eigenem Geschick bewältigt. Ein wenig Würfelglück fließt immer mit ein.

In den schlimmsten Fällen sind Gegner so ungünstig im Startkorridor eines Levels platziert, dass ein unversehrter Respawn unmöglich wird. Der Neustart selbst dauert stets nur wenige Sekunden, weshalb solch kleine Mängel nicht allzu stark ins Gewicht fallen. Bei jedem Tod sehen wir außerdem, wie weit wir im aktuellen Level vorangeschritten sind, was je nach erreichtem Fortschritt motivieren oder demotivieren kann.

Hätten Ape Outs Entwickler die Level deshalb kürzen sollen? Wahrscheinlich nicht. Denn Ape Out ist nicht Hotline Miami. Würde Ape Out sich um Perfektion scheren, hätten die Entwickler ihren Soundtrack um ein klassisches Klavier arrangiert. Nur durch die Länge der Level sowie die damit einhergehende Fallhöhe entsteht bei jedem neuen Spurt durchs Kreuzfeuer der Rausch und die Spannung eines improvisierten Schlagzeug-Solos.

Wie ein Bebop-Konzert in den 1950ern ist Ape Out unberechenbar und ungezügelt. Nur blöd, dass es in einem rigiden Korsett aus Level A bis Z mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden feststeckt. Diese Hülle augenscheinlicher Arcade-Elemente beeinflusst unsere Erwartungen an ein subversives Spiel wie Ape Out es ist.

Dank populärer Filme wie Whiplash habe selbst ich, dessen musikalische Früherziehung aus der ZDF-Hitparade bestand, endgültig verstanden, dass Jazz mehr zu bieten hat als Kenny Gs samtiges Sopransaxophon. Ape Out reflektiert das leidenschaftliche, zuweilen aggressive Temperament solcher Hard Bop-Größen wie Charles Mingus, deren Hingabe zur Musik so intensiv war, dass Bandmitglieder bei Spielfehlern um ihr Gebiss fürchten mussten.

In Ape Outs blitzschneller Action stehen Sieg und Niederlage kontinuierlich auf Messers Schneide. Die Konfrontationen mit Bildschirmen voller bewaffneter Gegner erfordern Entscheidungen und Handlungen binnen Sekundenbruchteilen. Einzig der Mangel individueller Ausdrucksmöglichkeiten hält das Spiel davon ab, die Schwelle zu purem Jazz zu überschreiten. Das Moveset des Gorillas, bestehend aus Schubsen, Greifen und Tragen von Gegnern, hat im Vergleich zu Dantes Arsenal in Devil May Cry 5 das Improvisationsspektrum eines Triangels.

Ape Outs unbändiges Artdesign hingegen erinnert mit seinen grellen Farben, starken Kontrasten und unsauberen Filtern an die ikonischen 1950er-Jazz-Artworks von S. Neil Fujita. Es ist die visuelle Inkarnation des unerbittlichen Trommelgewitters und bleibt mit seinen Edgar Wright-esken Synergien zur Musik bis zum Ende faszinierend.

In seinen besten Momenten ist Ape Out ein fesselnder Balanceakt, dessen ästhetische Sogwirkung jegliche peripheren Reize ausblendet. In seinen schwächeren Momenten müssen wir uns einfach zwingen, wieder aufzustehen und den nächsten prozedural generierten Höhepunkt abzuwarten. Schade, dass kein Spiel nur aus seinen besten Momenten besteht. [pg]


Ape Out
Gabe Cuzzillo / Devolver Digital, 28. Februar 2019
Nintendo Switch, Windows PC (itch.io, GOG, Humble Store, Steam)
Developer / Designer / Programmer / Artist: Gabe Cuzzillo
Artist: Bennett Foddy
Composer: Matt Boch

Quelle Titelbild: Eigener Screenshot & Pixabay.com
Quelle GIF 1: Indie DB

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 21. März 2019 auf kritischertreffer.wordpress.com.