Neues Jahr, neue Lesetipps. Ausgabe 2020 gegen Ausgabe 127. Schön, dass ihr auch im neuen Jahr wieder reinschaut!
Euch erwartet eine kleine, aber wirklich sehr feine Auswahl an lesenswerten Artikeln aus den vergangenen Monaten. Ich freue mich besonders, dass diesmal so viele deutschsprachige Texte darunter sind: Die Gastautoren von VSG sind diesmal gleich doppelt vertreten, mit einem Artikel über passgenaue Hintergrundmusiken, sowie mit einer Reise durch die Erstausgabe der Computer Bild Spiele von vor mehr als 20 Jahre. Sebastian Klein schreibt über sogenanntes Binge-Gaming – der Spiele kurze Zeit im Rampenlicht, nachdem sie erst erschienen sind, und wie die Reflexion dabei auf der Strecke bleibt. Außerdem erwarten euch ein Bericht über die tschechische Entwicklerszene sowie eine Einführung in die Diskussion um „politische“ Spiele. Der einzige englischsprachige Artikel in dieser Auswahl ist besonders lesenswert: ein Nachruf auf eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des englischen Spielejournalismus. Auch wenn ihr von Jason Brookes zuvor noch nie gehört habt, ist der Artikel das Lesen mehr als wert.
Pascal hat für euch aktuelle Video-Essays zu Call of Duty, The Evil Within 2 und Undertale, sowie zu den besten Spielen des Jahres 1994. Wie üblich stellt er sie den noch Unentschlossenen unter euch weiter unten in eigenen Worten genauer vor. Die Hörempfehlung der Woche stammt diesmal ausnahmsweise von mir, denn Johannes nimmt sich eine wohlverdiente Auszeit.
Die hattet hoffentlich auch ihr. Willkommen im neuen Jahr und viel Spaß! [sk]
Lesenswert
Binge-Gaming und die Spiel-Spieler-Beziehung
(zockworkorange.com, Sebastian Klein)
[…] Auch ich bin schon in die Falle des Binge-Gaming getappt. Das früheste Beispiel, an das ich mich erinnere, ist »The Legend of Zelda: A Link to the Past«, das ich innerhalb von drei Tagen beendet habe. Tagelang nichts anderes zu tun, als sich in einer unbekannten virtuellen Welt aufzuhalten, ist aufregend. Und natürlich beschäftigte auch ich mich lieber zu viel als zu wenig mit einem neuen Spiel. Doch obwohl Videospieler den Augenblick der maximalen Beschäftigung mit dem Spiel genießen, berauben sie sich mit Binge-Gaming einer wichtigen Komponente der Spieler-Spiel-Beziehung: Emotionale Verbindung. Um ein Medienprodukt wirklich zu schätzen, genügt es nicht, es lediglich zu konsumieren. Wichtig ist auch Distanz zum Produkt und Zeit zum Reflektieren des Erlebten. […]
Under an Orange-Coloured Sky: Hintergrund-Musik im Spiel
(videospielgeschichten.de, Pascal Wagner)
[…] Wenn ich mich bei strömendem Regen durch einen zerklüfteten Canyon arbeite, vollbeladen und mit zwei Lastkarren an den Gürtel gespannt, könnte das Gefühl der Einsamkeit und die Danklosigkeit der Welt um mich herum kaum stärker sein. Wenn ich dann plötzlich eine von einer freundlichen Spielerin erbaute Brücke vor mir sehe, die mir einen schwierigen Ab- und Aufstieg erspart und bei der Überquerung die ersten Takte von Low Roars Poznan klimpert, dann fühle ich mich plötzlich für einige wertvolle Sekunden nicht mehr allein und ungedankt. Dann sind da draußen noch andere wie ich, die das gleiche durchmachen, und die teilweise noch größere Mühen auf sich nehmen, um es Leuten wie mir in Zukunft leichter zu machen. […]
Im Land der Tüftler und Erfinder
(igmonline.de, Achim Fehrenbach)
[…] Einer Studie der Czech Game Developers Association (GDACZ) zufolge gab es 2018 insgesamt 76 tschechische Entwicklerstudios, die insgesamt rund 1600 Menschen beschäftigten. 2017 lag der Umsatz der Branche bei rund 88 Millionen Euro, für 2018 wurde eine Steigerung um 34 Prozent auf rund 116 Millionen Euro erwartet. Damit belegt Tschechien hinter Polen und Rumänien […] Platz 3 der umsatzstärksten Games-Produzenten in Mittel- und Osteuropa. Die tschechische Games-Branche ist stark auf internationale Märkte ausgerichtet: Die meisten Studios erzielen zwischen 90 und 99 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 10 Millionen Menschen ist der Binnenmarkt aber auch schlichtweg zu klein. […]
Ende einer Ära: Rückblick auf die erste Computer Bild Spiele
(videospielgeschichten.de, Kevin Puschak)
[…] Und da fällt ein Begriff auf: Spiele-Tastaturen. Tatsächlich verwendete die Computer Bild Spiele alternative Definitionen. In dem Fall sind „Spiele-Tastaturen“ schlichtweg Controller. „Spieleverbesserungsprogramme“ waren Patches und „Steuerungsprogramme“ waren Treiber. Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Aber wir dürfen die Zielgruppe nicht vergessen. […] Auf S. 246/247 gibt es einen Überblick über aktuelle Treiber und Patches … ich meine natürlich Steuerungsprogramme und Spieleverbesserungs-Programme, jeweils für die Spiele-Top-50, die aktuellen Grafik- und Soundkarten. […] Auffällig ist dabei Platz 26 „Half Life: Game of the Year Edition“ mit dem Hinweis „kein jugendfreies Internet-Angebot“. Als wäre die Seite voller Pornos. Oder das mysteriöse Spiel auf Platz 40, welches nur mit „Dieses Spiel ist erst ab 18 Jahren freigegeben“ beschrieben wird. Jahrelang berichtete die Computer Bild Spiele nicht über Spiele mit USK-18-Wertung. […]
Gesellschaftskritik in Games: Wie politisch sollten Spiele sein?
(pcgames.de, Olaf Bleich & Benedikt Plass-Flessenkämper & Maria Beyer-Fistrich)
[…] Politik und Ideologien sind ein heißes Eisen; nur wenige Entwickler trauen sich, es anzufassen. Der Grund dahinter ist simpel: Studios und Publisher machen sich dadurch angreifbar. Durch eine Positionierung stoßen Entwickler automatisch einen Teil der gigantischen Zielgruppe vor den Kopf. Das Ergebnis können ein möglicher Shitstorm und in der Konsequenz sinkende Absatzzahlen sein. Infolgedessen dampft man oftmals die Botschaft auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunter: Unterdrückung ist schlecht und Rassismus erst recht. Dagegen muss man etwas tun. Also ran an die Waffen! […]
Always on Edge: my life with Jason Brookes
(eurogamer.net, Keith Stuart)
[…] Three days ago I got a call from Simon Cox who joined Edge just after me and later became deputy editor. Jason had been ill for three years – he died in the early hours of Monday morning. […] What did I learn during this fraught, tense, hilarious nights? I learned everything about writing quickly, about getting the best from poorly translated interviews, about how every sentence needs to carry a fact or idea that takes the story forward. Jason hated waffle, he hated mediocre, colourless writing. He wanted us to communicate the joy of a Treasure shooter, the technological magic inherent in a lit, textured polygon, the underlying philosophy of an executive soundbite. He thought deeply about games and how they functioned. His favourite was R-Type and to hear him break it down was to hear a Nobel prize-winning scientist explaining DNA strands. […]
Sehenswert
Does Call of Duty Believe in Anything?
(youtube.com, Jacob Geller, 00:25:29)
Eine scharfe Analyse der politischen Ideologien, die das neueste Call of Duty repräsentiert. Dass Call of Duty kritische militärische Standpunkte vertritt, sollte nichts Neues sein. Doch ist im aktellen Ableger die antiautoritäre „der Einzelne weiß mehr als die dort oben“-Narrative besonders auffällig. [pg]
1994: The Kotaku Review
(youtube.com, Kotaku, 01:08:21)
Ein Jahresendrückblick aufs Jahr 1994. Mit viel Herz stellt Tim Rogers seine 25 liebsten Titel des Jahres vor. Highlight waren für mich die vielen obskuren, aber äußerst spannenden SEGA Genesis-Klassiker, von denen ich zu meiner Überraschung noch nie gehört habe. [pg]
Warum THE EVIL WITHIN 2 eine ENTTÄUSCHUNG ist
(youtube.com, SpeckObst, 00:46:28)
SpeckObst, aka. der Mann, der eine Doktorarbeit über The Evil Within schreiben könnte, erklärt, wo The Evil Within 2 im Vergleich zum ersten Teil scheitert. Obwohl The Evil Within 2 in der breiten Masse besser angenommen wurde, fehlt dem Spiel die akribische Shinji Mikami-Behandlung, die das Original so besonders machte. [pg]
How Toby Fox Put Sans „Over“ | Psych of Play
(youtube.com, Daryl Talks Games, 00:19:00)
Undertales Charakter Sans ist nicht aus Zufall so ikonisch geworden. Toby Fox bediente sich einer dramaturgischen Technik, die auf gleiche Weise häufig im professionellen Wrestling angewandt wird. Das Video hilft uns nebenbei, die Inszenierung von (finalen) Bossgegnern im Allgemeinen besser zu verstehen. [pg]
Hörenswert
Stay Forever | Xbox 360
(Stay Forever; 21.12.2019; 01:40:24)
„Mr. Xbox“ Boris Schneider-Johne ist zu Gast in dieser Sonderfolge des Stay Forever Podcasts. Der ehemalige Spieleredakteur und spätere Produktmanager der Xbox 360 in Deutschland erzählt weitestgehend offen über die Erfolge und Probleme jener Next-Gen-Konsole, mit der Microsoft einst an der Marktführerschaft kratzte. Hin und wieder wird es apologetisch und Gunnar und Christian sind so erkennbar wie nachvollziehbar nicht auf Krawall gebürstet, doch wie Boris seine Sicht der Dinge auserzählen darf, hat einen Wert an sich. Schockierende Reveals braucht keiner zu erwarten, doch gerade für 360-Außenseiter wie mich bot das Gespräch ein Füllhorn an spannenden Informationen und Einblicken in strategische Überlegungen. [sk]
Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt jeden zweiten Freitag auf SPIELKRITIK.com. Die vergangene Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.