Ein Gastbeitrag von Dennis Gerecke
We don’t make mistakes, just happy little accidents. – Bob Ross
Der berühmte Maler Bob Ross verdeutlicht mit diesen Worten, wie ein Gemälde durch falsch gesetzte Pinselstriche zu einem neu erdachten Kunstwerk zu Ende geführt wird. Videospielentwickler machen ebenfalls Fehler. Doch welche künstlerische Konsequenz lässt sich daraus ableiten?
Da ist es passiert! Der Spieler verschiebt eine Kiste, plötzlich lässt sie sich nicht mehr bewegen. Eine Leiter wird erklommen, doch statt oben anzukommen, fällt man hinunter und versinkt im Boden. Ein Sprung über ein schmales Hindernis, schon steckt die Spielfigur fest. Der Speicherstand wird erneut geladen. Doch dann erscheint eine Fehlermeldung: „Invalid save file“. Solche Situationen hat wohl jeder Gamer schon einmal erlebt. Wenn ein Glitch oder Spielfehler sonstiger Art entdeckt wird, herrscht Frustration. Denn aus dem soeben noch spaßigen Spielareal wurde ein Schrottplatz geformt.
Nun möchte man von den Entwicklern eine recycelte Variante des Spiels. Alles vollkommen nachvollziehbar. Niemand möchte sich mit irgendwelchen Macken in der Spielphysik herumschlagen. Doch bei den umfangreicheren Titeln, mit immens vielen Interaktionsmöglichkeiten, taucht eventuell der ein oder andere Glitch auf. Solche Schönheitsfehler können in jeder Spielproduktion vorkommen. Vom aufwendigen Triple-A-Titel bis hin zur ambitionierten Independent-Kreation. Nun gut, ein sparsames Spielkonzept verursacht meistens weniger Probleme. Doch virtuelle Varianten von Schach oder Solitär, oder Neuinterpretationen von Pong und Tetris bringen einen seltener dazu, aufzujubeln: Glitchfreies Spielerlebnis, perfekt! 10 von 10 Punkten, 100 % Gesamtwertung! – Natürlich könnten Kritiker so argumentieren. Handwerklich sind diese Spiele makellos. Doch ist ein Videospiel nicht nur Handwerk, sondern auch Kunst. Und die Kunst lebt von Unreinheiten in ihrer Entstehung. Sollten Glitches also nicht entfernt, sondern würdevoll wertgeschätzt werden?
Zum größten Teil ist es spiel- und situationsabhängig. Im Multiplayer oder im eSport-Bereich sollte in solchen Fällen in der Regel nachgebessert werden. Eure Kontrahenten dürfen nicht urplötzlich über größere Hitboxen verfügen oder an bestimmten Stellen durch Wände schauen können, um im Duell gegen euch einen unfairen Vorteil zu haben. Da wäre dann sofort das Geschrei groß, wegen all den vermeintlichen Cheatern auf dem Server. Allerdings ist es nicht dieser eine Gegenspieler, der schummelt. Hier betrügt das Spiel, verursacht durch einen Glitch. Doch Mehrspielerpartien unterscheiden sich von Einzelspielerabenteuern sowohl im Aufbau als auch bei der Anwendung von Cheats.
Ein schweres Spiel wird leichter
Dass ein Glitch auch positiv aufgenommen werden kann, beweist der Klassiker Mega Man (NES, 1987) mit dem „Pause-Glitch“. Das ultimativ harte Kampferlebnis gegen die Endgegner kann mit einem clever eingesetzten Trick vereinfacht werden: Wird das Spiel beim Abfeuern des Energiestrahls wiederholt und in schneller Folge pausiert, steckt der Gegner nach jedem erneuten Spieleintritt Bonusschaden ein. Statt zum Wutausbruch, führt die Entdeckung des Fehlers zu einem Erfolgserlebnis, da der Spieler in einem brenzligen Gefecht einen Vorteil erhält. Zwar ist die Anwendung dieses Glitches auch nichts weiter als Schummelei und manch ein Gamer würde darüber meckern, dass damit der Schwierigkeitsgrad auf nicht vorgesehene Weise gesenkt oder die Immersion gebrochen wird. Doch muss solch ein Glitch wirklich entfernt werden?
Keiner der Mega Man-Schöpfer hat wohl diesen Spielvorteil beabsichtigt. Doch gerade weil der Fehler so ungewollt, ungezwungen daherkommt, wirkt dieses Ereignis wie ein integriertes Feature. Es gibt dem Spieler mehr Handlungsgewalt im Kampf und völlig andere Interaktionsmöglichkeiten. Auch wenn Mega Man linear konstruiert wurde, ein Spiel lebt immer von seinen offenen Abläufen und den Entscheidungen des Spielers. Hier hat sich das Spiel während der Programmierung, mit einer nicht ausreichend durchdachten Codezeile dafür entschieden, den Waffeneinsatz zu erweitern. So hat sich der Pause-Glitch als Aktionsfeature im Spiel und in der Spielhistorie etabliert.
Mythos einer Zufallserscheinung
Einen weiteren berühmten Fehler, der in die Spielegeschichte einging, findet man im 1998 erschienen Pokémon Rot/Blau für den Game Boy. Auf der Suche nach den 151 Taschenmonstern – inklusive dem nicht auffindbaren Mew – entdeckten einige Spieler scheinbar noch ein zusätzliches Pokémon. Der Fund des sogenannten „MissingNO.“ bot reichlich Diskussionsstoff. Die grafische Darstellung des Pokémon war mysteriös und unnatürlich. Hatte man es gefangen, vervielfältigte sich zudem die Anzahl der Items im Inventar.
Nachdem der Glitch in Printmagazinen veröffentlicht wurde, wagten sich viele Monsterjäger an das verunstaltete Pixelungetüm heran. Innerhalb der Community tauschten sich Fans darüber aus, welche Form ihr MissingNO. jeweils annahm. Dabei wurden immer wieder andere Bildzusammensetzungen, Soundgeräusche und sogar Levelfortschritte über Level 100 hinaus entdeckt. Bei dem einen Spieler erschien beispielsweise ein Mewtu Level 161, andere Spielernamen verursachten eine Darstellung in Form der bekannten Pixelwand (siehe Screenshot).
Was hatte es also mit dieser Erscheinung auf sich? Selbstverständlich wussten die meisten Entdecker, dass die Zufallsbegegnung mit MissingNO. mehr Datenunfall als ultimatives Easteregg darstellte. Später stellte sich heraus, dass der Pokéglitch bestimmte Zahlenwerte anhand von Buchstaben des Spielernamens vertauschte. Dies zog verschiedene Grafikfehler, aber ebenso interessante Anreize zur Entdeckung nach sich. Zumal diese falsch auftauchenden Codezeilen nicht aus dem Nirgendwo stammen: Das Spiel greift bei der Begegnung auf zusätzliche Pokémon aus dem Index zurück, die niemals fertiggestellt wurden. Die Daten dieser unvollendeten Monster wurden nicht vollständig gelöscht und mit der Bezeichnung „MissingNO.“ versehen.
Mit diesem Glitch konnte man also tief in den Code des Spiels eintauchen. Er ermöglicht den Blick auf einen Pokémon-Friedhof. Vergrabene Ideen von Designs, die das Licht der Spielwelt niemals sehen sollten. Spieler sind immer motiviert, Geheimnisse zu entdecken. MissingNO.“ ist ein Geheimnis, das mit seiner Unvollständigkeit an gesammelten Ideen, verborgen unter Bits und Bytes, nie komplett gelöst werden kann.

Abkürzen und Zeit sparen
Speedruns sind wohl die bekannteste Form des Spielens, in der Fehler nicht nur zufällig vorkommen, sondern willentlich verursacht werden. Jede Anwendung eines Glitches muss so präzise wie möglich sitzen, um den schnellstmöglichen Durchgang zu erreichen. Die Speedrun-Community seziert ein Spiel regelrecht auf programmiertechnische Schwächen, damit die dickste Wand durchbrochen, der höchste Sprung vollbracht oder das längste Levelsegment umgangen werden kann. So mancher sieht in solch einem Glitchfestival eine pure Spielvernichtung. Doch für andere (mich eingeschlossen) ist es eine künstlerische Neuinterpretation. Ein spielerischer Durchgang mit abweichenden Möglichkeiten.
In einem 20-minütigen Ocarina of Time-Speedrun beispielsweise, besiegt ein junger Link den ausgewachsenen Ganon mit einem Deku-Stab. Half-Life ist im schnellsten Durchgang kein Ego-Shooter mehr, sondern eher ein Hüpf-Adventure unter Einsatz von ordentlich viel Sprengkraft (Explosionen katapultieren die Spielfigur höher hinaus). Solche fehlerhaften, vom Entwickler nicht gedachten Aktionen, bekommen von der Speedrun-Community spezielle Bezeichnungen: „Zombie-Hovering“ lässt Link aus Wind Waker (GameCube, 2003) während der Sterbeanimation nach oben gleiten. Weitere Begriffe wie “Damage Boosting“, “Collision Boosting“, “Roll Clipping“ oder “Wallstrafing“ haben den allgemeinen Gaming-Wortschatz ebenfalls vergrößert.
Die Entdeckung solcher Glitches dauert oft mehrere Jahre. Die Community von Wind Waker hat den sogenannten “Barrier Skip“ als heiligen Gral des Speedruns bezeichnet. Mit diesem Glitch umgeht man eine umfangreiche Barriere, die den Zugang zum finalen Abschnitt im Spiel, Ganons Kastell, versperrt. Diese Barriere erstreckt sich vom oberen bis zum unteren Rand des Spielareals, sodass auch außerhalb der Levelgrenze ein Hineinschlüpfen unmöglich ist. Im normalen Spielverlauf lässt sie sich erst dann mit einem Schwerthieb aufbrechen, wenn alle Fragmente eines Items (Triforce) gesammelt wurden. Ohne diesen Gegenstand wird die Spielfigur zurückgestoßen.
Speedrunner haben Jahre verbracht, dieses Ungetüm zu durchdringen. Es wurden spezielle Kantensprünge, Item-Rutschpartien oder Sprengungen versucht. Doch keiner der gängigen Tricks funktionierte. Mitten in der Barriere steckte Link fest oder wurde zurückgeschleudert. Einige hielten den Skip für unmöglich, bis 2016 (13 Jahre nach der Veröffentlichung des Spiels) der Speedrunner Girtana1 die Wand durchbrach. Eine schmale Lücke in der Barriere sorgte dafür, dass Spieler ihren Durchlauf in Wind Waker von etwa vier Stunden auf etwas über eine Stunde reduzieren konnten. Es können also Jahre vergehen, bis eine herausragende Bestzeit erreicht wird.
Neben dieser Variante gibt es auch sogenannte Glitchless Speedruns. Durchläufe ohne fehlerorientierte Skipts sind aber zum einen langsamer und zum anderen oft weniger fasznierend anzuschauen, da diese dem Spiel nichts Besonderes hinzufügen.
Das vielseitige Speedrun-Game Metroid Prime (GameCube, 2003) hat hingegen durch zu viel Bugfixing seinen Show-Wert verloren. Im Original für den Gamecube gab es gewisse Kanten, die man mit Geschick als Plattformen nutzen konnte, um dadurch versperrte Orte früher als angedacht zu erreichen. Spezielle Controllereingaben lösten den Dash-Jump aus. Dieser ließ die Spielfigur Samus Aran durch das Areal schleudern, sodass es möglich war, stärkere Waffen sofort zu erlangen. Ein mächtiger Felsgegner wurde mit den früh erlangten Plasmabeam geradezu zerbröselt. Glitch-Moves haben die Spielstrukturen von Metroid Prime geöffnet.
Leider haben die Retro Studios mit der Metroid Prime Trilogy diese Freiheiten abgeriegelt. Die Wii-Fassung des Titels unterscheidet sich vom GameCube-Original zunächst nur in ihrer Steuerung. Trotz flüssiger Motion Control-Bedienung lassen sich allerdings die Dash-Moves in der Wii-Version nicht mehr ausführen. Überdies hat man sämtliche Wandkanten geglättet, um zusätzliche Vorsprünge zu entfernen. Ungewollte Alternativrouten fallen somit weg. Einerseits verständlich, da man bei manchen Passagen, die durch Glitches erreicht werden, steckenbleiben kann. Ein falsches Item zu früh eingesammelt, kann das Spiel sein fortlaufendes Ursprungsskript nicht mehr ausführen. Unter Umstände erlebt der Spieler einen Game Breaking-Glitch, der dazu führt, dass Metroid Prime nicht mehr beendet werden kann. Allerdings sind Glitch-Moves sehr schwierig auszuführen. Es ist deshalb ziemlich unwahrscheinlich, dass ein erster Walkthrough in Metroid Prime solche Exploits hervorrufen würde. Retro Studios haben mit ihrer Design-Änderung auf der Wii den Spaß an Speedruns ausgebremst. Für schnelle Durchläufe sollten Spieler also weiterhin auf die GameCube-Variante zurückgreifen.
Ein Spiel wird komisch
Ein ganz persönliches Glitch-Erlebnis bereitete mir beim Intro von TimeSplitters 2 (PS2/Xbox/GameCube, 2002) ordentlich Spaß: Mein Kumpel hatte damals einen defekten GameCube. Wir wollten eigentlich nur die Kampagne im Koop-Modus spielen. Allerdings stürzte uns das Game beim Start ab, da der Laser die Disc nicht richtig erfassen konnte. Nach ungefähr fünf frustrierenden Versuchen kamen wir ins Hauptmenü und wollten nun endlich anfangen. Auf den erfolgreich überwundenen Ladebildschirm folgte der Vorspann. Den hatten wir beide schon gesehen, nichts Besonderes, doch irgendwas war auf einmal anders:
Anstelle zweier Elitesoldaten stürmten nur noch deren Waffen einen feindlichen Alien-Raumhafen. Auf unsichtbare Protagonisten folgten herumschwebende Aliens. Bei Beschuss glitchten diese außerirdischen Wesen von einer Ecke zur anderen. Wir wussten nicht, was abging und fingen an zu grinsen. Das Laserknarren-Duo hatte nun den Aufzug erreicht. Auf der obersten Ebene angekommen, lauerten schon umherfliegende Aliens. Eine in der Luft tänzelnde Granate sorgte für zusätzliche Partystimmung. Weiter ging es zum Zeitportal, durch das Aliens durchspringen wollten, die dann jedoch daneben hopsten. Die Waffe des Soldaten ist allerdings problemlos hindurch geflogen.
Als das Intro vorbei war, hielten mein Kumpel und ich unsere Controller nicht mehr in den Händen. Denn wir mussten uns vor lauter Lachkrämpfen den Bauch festhalten. Ein einzigartiger Spielmoment dank eines Lesefehlers. Doch was an diesem kaputten Vorspann war so witzig?
Ein guter Witz erzählt oft eine gewöhnliche Alltagssituation, nur mit maßlos übertriebenem, unerwartetem Handlungsverlauf. In einem Videospiel passiert der Glitch unerwartet: Wenn gewohnte Animationen plötzlich physikalische Regeln durchbrechen, entsteht eine überraschende Wendung. Humor benötigt zudem ein Opfer, um für Lacher zu sorgen. Das war schon in klassischen Dick und Doof-Filmen allgegenwärtig, wenn beispielsweise jemand ausrutschte und auf die Nase fiel. Das verhält sich bei einem Glitch nicht anders.
Ein weiteres Beispiel hierfür: Im Schlussakt von Heavy Rain (PS3, 2010) befreit Protagonist Ethan seinen Sohn Shaun. Eine dramatische, emotionale Szene. Wenn jedoch in der Spielpassage kurz zuvor ein Glitch bei der Rufaktion getriggert wird, brüllt Ethan auch in der finalen Cutscene den Namen seines Sohnes. Per Betätigung der X-Taste wird ein heroischer Familienvater zur Lachfigur. Wenn er seinen Sohn sorgenvoll anschaut und dabei pausenlos SHAUN schreit, amüsiert sich manch ein Spieler über das geistig abnormale Verhalten seiner Spielfigur. Andere Gamer finden diesen Glitch gar nicht so lustig. Wenn sie bei dieser tiefgreifenden Szene mitfühlen wollen und sich in die Rolle des Ethan hineinversetzen, werden diejenigen schließlich selbst zum Opfer des Witzes. Humor funktioniert nicht, wenn man sein eigenes Scheitern miterlebt.
Der berühmte „Schaukel-Glitch“ in GTA IV (PC/PS3/Xbox 360, 2008), ist ebenso ein witziges Highlight. Wenn man gegen dieses Gerüst fährt und Spielcharakter Niko Bellic plötzlich meterweit in die Luft geschleudert wird, lacht man über seine missliche Lage. Wenn man jedoch gerade eine Mission absolviert und wegen dieser Fehlkonstruktion versagt, fühlt man sich durch den aufgezwungenen Neuversuch verschaukelt. Das Entwicklerstudio beantwortete seine Unachtsamkeit mit Humor: Denn Rockstar hat diesen Glitch nicht etwa entfernt, sondern die Katapultwirkung in späteren Patches noch erhöht.
Ironischerweise hat die GTA-Serie durch einen Glitch erst ihren Ursprung gefunden. Der Projektname der Reihe lautete anfangs noch Race’n‘Chase. Die Spieler sollten unbewaffnet, mit einer Reihe an Fahrzeugen, als Polizist Verbrecher jagen. Nur gab es bei den Verbündeten NPCs einen KI-Fehler, der dafür sorgte, dass sämtliche Streifenwagen in die Spielfigur reingefahren sind. Die Entwickler spürten den Nervenkitzel bei dieser Verfolgung, ausgelöst durch heranrasende Cops. Der Spielcharakter wurde zusätzlich mit Knarren aufgerüstet und das Game-Konzept neu aufgebaut. Dies war die Geburtsstunde des GTA-Franchise, eine der erfolgreichsten Videospielreihen aller Zeiten.
Ein Fehler wird wiederhergestellt
Glitches haben letztendlich Videospiele hervorgebracht, Schwierigkeitsgrade gesenkt, Geheimnisse entstehen lassen, Geschwindigkeitsrekorde ermöglicht und auch unterhalten. Auch wenn manche Spielmomente durch sie ruiniert werden können, haben sich solche Unfälle in der Gamehistorie positiv etabliert. Im kompetitiven Bereich sorgen Glitches für ein Chancenungleichgewicht, doch in einem Solo-Abenteuer führen diese unbeabsichtigen Fehler zu Bonuserlebnissen. Im digitalen Zeitalter ist es zudem kein Problem, einen Glitch durch Updates auszumerzen.
Der Koffer im aktuellen Hitman 2 (PC/PS4/Xbox One, 2018) konnte zum Release fehlerhafterweise als Wurfgeschoss gegen menschliche Ziele eingesetzt werden. Der Glitch wurde mit dem nächsten Patch entfernt. Da die Community allerdings recht viel Spaß dabei hatte, dieses Büroutensil hin und her zu schmeißen, gaben die Entwickler schließlich nach und machten ihre Korrektur rückgängig. Vor kurzem gab es ein Update, mit dem der Kofferwurf als Spielfeature wieder hinzugefügt wurde. Hitman 2 beweist, wie wichtig Fehler im künstlerischen Schaffensprozess sind. Eine Überarbeitung vermittelt nicht mehr das Gleiche, ein entfernter Fehler fühlt sich falsch an. Handwerk verlangt Verbesserungen. Wer Videospiele nur als mathematisch zusammengesetzte Gleichung versteht, möchte auch eine korrekte Lösung vorfinden. Doch Abseits der Nullen und Einsen, wird aus Game-Kreativität eine Formel mit vielfältigen Ergebnissen gebildet, die auch mit falschen Variablen „richtige“ Werte hervorbringt.
Der Autor: Dennis Gerecke
Gastautor Dennis wuchs mit dem N64 und der N-Zone auf. Er mag Kritiken, denn Kritiken sind für ihn mehr als Qualitätschecks. Eine ausführliche Spielekritik repräsentiere auch die Haltung zum Werk und fördere den kulturellen Wert von Videospielen. Darum hat Dennis sich zum Ziel gesetzt, Spielkultur weiterzutragen und ihre Errungenschaften zu analysieren. Neben seiner Leidenschaft als Gamer ist er auch als Videoredakteur aktiv. Auf seinem YouTube-Kanal Videogame Analyse verbindet er diese beiden Leidenschaften.
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Ein toller Artikel, vielen Dank. Glitches fördern (wenn man mal von der Ausnutzung für Speedruns absieht) etwas, das wir mit „analogem“, physischen Spielzeug noch leichter machen konnten: das Spiel zweckentfremden (also nicht im Sinne der Entwickler*innen verwenden) und gerade dadurch in einer entdeckenden, vielleicht auch unschuldigeren (weniger strategischen) Weise … nun, zu _spielen_, in einer ganz ursprünglichen Bedeutung.
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Interessanter Gedanke! Analoge Gegenstände lassen sich sogar noch vielfältiger zweckentfremden als digitale Medien. Ein Buch kann man bemalen, es zerreißen oder abends damit kuscheln. Mit einem Download auf einem E-Book geht nicht das nicht mehr. Eine Interaktion findet nur noch mit der Hardware statt.
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Dann möchte ich euch beiden meine Artikelreihe zu Fabled Lands ans Herz legen. Da geht es nämlich ganz zentral um die Möglichkeiten, die eine analoges Medium im Unterschied zu digitalen Medien bietet, es anzupassen, zu verändern, eigene Regeln aufzustellen, etc. Auch wenn ich es zumindest im Rahmen meines Artikels nicht bis zur Zweckentfremdung treibe. :D
https://spielkritik.com/2019/01/29/playing-by-the-books-part-i-gamebooks-und-die-open-world-der-fabled-lands/
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Das stimmt. Deswegen freue ich mich ja so, wenn durch irgendwelche Lücken sowas ungewollt möglich ist :)
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Ein sehr lesenswerter Artikel, vielen Dank!! Hatte beim Lesen selbst ganz viel Spaß. :D
Mir fiel beim Thema „Glitches“ noch das Talos Principle ein, das ja genau damit spielt: man steuert seine Spielfigur durch die Welt und entdeckt mehr und mehr „Grafik-Glitches“, die eindeutig darauf hinweisen, dass wir uns offenbar nicht in der Realität, sondern in einer Simulation (aus unserer Perspektive natürlich eine Art „Simulation in der Simulation“) befinden.
Fand ich ein sehr spannendes Spielkonzept, weil es eben bewusst die Immersion auf der Ebene der Spielwelt stört, aber gleichzeitig die Immersion quasi fördert, weil ich also weiß, dass mein Job darin besteht, die „Wahrheit“ über die simulierte Welt herauszufinden. Gleichzeitig erzeugen die Grafik-Glitches ein ganz seltsames Spielgefühl, weil einem ständig vor Augen geführt wird, dass man sich in einer künstlichen Welt befindet und weder weiß wieso, noch, ob und wie man ihr entkommen kann…
Und natürlich habe ich immer Vanellope aus „Ralph reicht’s“ vor Augen gehabt – sicher der liebenswerteste Glitch ever… :)
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Ach, ich bin jetzt einfach doch noch ganz dreist und verlinke meinen Blog-Artikel, den ich mal zum Talos-Principle verfasst habe… :D
https://tiefengaming.blog/2019/09/21/psycho-review-the-talos-principle/
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Den hab ich mir bisher noch nicht durchgelesen, aber das hole ich bei Gelegenheit noch nach. Das Spiel kenne ich leider auch nicht, allerdings hat mich deine Beschreibung an Pony Island erinnert. Kennst du das? Das treibt das Prinzip mit den absichtlich eingebauten Pseudo-Glitches auf die Spitze und stößt dabei auch in Horror-Sphären vor. Nicht ganz so chaotisch: die Visual Novel Doki Doki Literature Club. Auch das bedient sich mutwilliger Pseudo-Glitches u.a. für Schockeffekte.
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Ah, sehr spannend! Tatsächlich habe ich beide Spiele nicht gespielt. Von der Spielmechanik, Genre und Spielprinzip scheinen sie sich alle drei zu unterscheiden, aber die Gemeinsamkeit der gewollten Glitches ist auf jeden Fall gegeben. Ich schätze, dass Pony Island dem Talos Principle etwas näher kommt als Doki Doki, aber ich kann mich täuschen… danke auf jeden Fall für die Empfehlungen, sie kommen auf jeden Fall mal auf meine „To play“-Liste! … die leider auch mit jedem Tag länger wird… ^^‘
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Talos Principle steht noch auf meiner Nachholliste. Das Spielprinzip sieht vielversprechend aus und es wäre für mich mal wieder ideal ein reines Puzzle-Game genießen zu können.
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Es ist wirklich sehr empfehlenswert! Und zum Steam-Sale meist sehr günstig zu haben – hatte in einem der letzten Sales den DLC „Road to Gehenna“ mit 90% (?) Rabatt bekommen…
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