Die handverlesenen Games-Lesestipps der Woche – Folge 124. Diese Woche: Ein Interview mit dem leitenden Übersetzer der Yakuza-Reihe. Ein echter Kriminalbeamter über Ermittlungsarbeit in L.A. Noire, Obra Dinn und Co. Jörg Langer über GamersGlobal. Ein professioneller Blick hinter die Diagnose „Schizophrenie“ im Daedalic-Adventure Harveys neue Augen. Die Evolution des Dungeons in Geschichte, Literatur und Games. Und Momente des Glücks in Videospielen – in 65 Gastbeiträgen.
Eine Auswahl sehenswerter Videos und hörenswerter Podcasts darf natürlich auch nicht fehlen. Pascal und Johannes stellen euch ihre Favoriten weiter unten vor.
Und ich, ich bin bereits in Berlin und mache mich in wenigen Minuten auf den Weg zur EGX, wo ich hoffe, möglichst viele von euch zu sehen. Allen anderen wünsche ich viel Freude beim Lesen, Schauen, Hören und Kommentieren. Bis später! [sk]
Lesenswert
„Harveys neue Augen“: die (Spiel)Welt durch die Brille einer Psychotikerin
(tiefengaming.blog, Jessica Kathmann)
[…] „Harveys neue Augen“ gelingt es auf fantastische Weise, eine Spielwelt mit der Welt einer Psychose so zu verweben, dass lange Zeit nicht klar ist, ob es sich um „Eigenheiten des Spiels“ oder eine manifeste Psychose der Spielfigur handelt. Durch den Split zwischen dem, was wir kognitiv durchdringen und unserer Protagonistin offenbar vorenthalten ist, baut das Spiel ein äußert interessantes Spielerlebnis auf. Lillis Symptome können aller Wahrscheinlichkeit nach einer schizophrenen Psychose zugeordnet werden. […]
Interrogating detective mechanics with a real-life detective
(eurogamer.net, Sean Martin)
[…] L.A Noire reflects a pretty positive balance between these elements of realism and the embellishments of its namesake genre. But it is also one of the best game representations we have of a key aspect of detective work: talking. „We aren’t cranking the necks of murder victims like Cole does, but talking to people is a fundamental part of the job. While the rules on how we do this have changed, the task remains the same. If you can’t talk to people, you aren’t going to succeed as a detective.“ […]
Spiele und der Terror – Was zu kurz kommt, ist der Diskurs
(crossmediaculture.de, Johannes Alvarez Lopez)
[…] Das punchline-fähige Schubladen-Tweeting, das nur in seltenen Fällen auf andere Plattformen ausgelagert und im Verbund tiefgreifender bedacht wird, hat meist nur einen Effekt: Es verhärtet die bereits bestehenden Fronten nur noch weiter. Die einzelnen Parteien wissen genau, welche kommunikativen Äußerungen ihnen die Bestätigung der eigenen digitalen Peer-Group verschaffen. Twitter-Kommunikation ist nicht auf Schlichtung und auf Lösungen aus, sondern auf die Affirmation des status quo, auf Selbstbestätigung und Belohnung statt auf gesamtthematische Betrachtungen in differenzierter Atmosphäre. […]
Learning the Secrets Behind Yakuza Remaster’s Localization & Series Success
(crunchyroll.com, Nicole Mejias & Jon Riesenbach)
[…] Yakuza 4 presented a unique challenge for us: not only were the main story portions of the game significantly larger in terms of text volume, but […] split across multiple protagonists each with their own distinct voices. The way we mitigated this was by having four different editors handle the four different characters (I handled Kiryu myself), before I came in and did my own editing pass on the entire main story. This let each character sort of branch out a little further tonally than you sometimes get if you have a single person writing all the lines for every protagonist, and the result definitely shines in this regard—I’m excited to see fans’ impressions when the game launches on October 29 in the collection! […]
Redaktion mit User-Boost
(grimme-game.de, Jörg Langer)
[…] Als ich das Heft 2004 bei einer IVW-Auflage von 340.000 Heften verließ, war das wohl der Höhepunkt des Print-Markts. Der Vertriebs- und Anzeigenumsatz damals: sehr groß. Die Rolle der Leser: reine Rezipienten. Natürlich beantworteten wir bei GameStar Offline-Leserbriefe und Online-Kommentare, natürlich hielten wir Zielgruppen-Events ab oder holten Leser in die Redaktion, um etwa mit der Vorsitzenden der BPjM zu diskutieren. Aber das waren Ausnahmen von der Regel: Hier die Journalistinnen, die Profis – dort die Spielefans, die Kundinnen. Nie hätten wir letztere als Mitgestalter bezeichnet oder gar in unsere Arbeitsabläufe eingebunden. […]
Mein Augenblick des Glücks in Videospielen
(videospielgeschichten.de, diverse)
[…] Videospielgeschichten feiert Jubiläum! Vor 20 Jahren wurde mit der Webseite „Atari-Spielanleitungen“ der Grundstein gelegt. Vor 10 Jahren gründeten wir die Seite “Videospielgeschichten”. Mittlerweile haben wir 299 Beiträge von 79 Autoren veröffentlicht. Der 300. Beitrag sollte etwas ganz Besonderes sein. Deshalb haben wir am 10. Juli 2019 zu einem Gemeinschaftsbeitrag mit dem Thema „Mein Augenblick des Glücks in Videospielen“ aufgerufen. […] Die Resonanz der Aktion hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Über 65 (!) persönliche und bewegende Geschichten sind bei uns eingegangen. […] Voller Stolz und Dankbarkeit präsentieren wir hier das Ergebnis dieses einmaligen Projektes, das es so noch nirgends gegeben hat. […]
The creepy allure of video game dungeons
(eurogamer.net, Andreas Inderwildi)
[…] Dungeons are omnipresent and mundane; so overused that the very word has become a near-meaningless thing, an amalgam of vaguely associated concepts. They are an ancient cliché, as smothering and suffocating, as dusty and cobwebbed as any window-less prison cell. The secret real horror of the video game dungeon, perhaps, is that even in a hundred years, we’re still going to run up and down the same grey, featureless corridors, like confused characters from some Kafkaesque nightmare. Of course, it doesn’t have to be that way. There’s a reason the dark fantasy of the dungeon has been sticking around for hundreds of years. But perhaps it’s time to renovate these crumbling structures. […]
Sehenswert
Outer Wilds: A Seven-Year Struggle
(youtube.com, GameSpot, 00:11:32)
Beim Spielen von Outer Wilds dachte ich mir häufig: Wie ist dieses simulierte Universum überhaupt möglich? Der Entwicklungsgeschichte nach zu urteilen haben die EntwicklerInnen sich diese Frage lange Zeit selbst gestellt. Outer Wilds wurde erst spät im Entwicklungszyklus das Zeitschleifen-Spiel, das uns heute so sehr beeindruckt. [pg]
Is it Possible to Beat Pokemon FireRed/LeafGreen with Only Magikarp? – Pokemon Challenge
(youtube.com, Jrose11, 01:19:12)
Schon die erste Karpador-Challenge in Pokémon Rot/Blau ging viral, weil das Video die Prämisse so spannend, unterhaltsam und informativ präsentiert hat. Letztendlich scheiterte das Experiment aber an den Geistern in Lavandia. Diesmal geht es um die Remakes der ersten Pokémon-Generation, in der Karpadors Verzweifler wirksam gegen Geister ist und es auf Level 30 Dreschflegel lernt. Wenn der letzte Satz für euch Sinn ergeben hat, müsst ihr dieses Video sehen! [pg]
Why You Keep Playing Brutally Tough Games | Psych of Play
(youtube.com, Daryl Talks Games, 00:12:59)
Dieses Video beleuchtet nicht nur die Psychologie hinter unserem irrationalen Durchhaltevermögen in schwierigen Spielen. Es erklärt außerdem, wie diese Sturheit unsere Ausdauer bei Herausforderungen im echten Leben beeinflusst. [pg]
Hörenswert
Archiving the Queer History of Video Games
(Away from Keyboard; 03.10.2019; 00:24:21)
„Rainbow Arcade“: So lautete der Titel einer vor mehreren Monaten zu Ende gegangenen Ausstellung des Schwulen Museums in Berlin, die erstmalig die Geschichte einer LGBTQ-Spielekultur in kuratierter Form zusammentrug. In diesem Feature kommen die Aussteller und Ausstellerinnen Jan Schnorrenberg, Sarah Rudolph und Adrienne Shaw (Gründerin des LGBTQ Video Games Archive) zu Wort und philosophieren unter anderem über den Wert von physischen Kurationen, die „unsichtbare“ Präsenz von LGBTQ-Themen in mittlerweile vergessenen Titeln der Spiele-Geschichte, und wieso die Zeit (und Forschung) vielleicht gerade jetzt reif für eine solche Ausstellung war. [ja]
Polyneux spricht, Vol. 61 (Nazis-raus-Edition)
(Polyneux; 29.10.2019; 01:06:22)
Urs, Pascal, Aurelia und Marc diskutieren über den aktuellen Themen-Dauerbrenner: Rechtsextremismus und seine Einflüsse auf, sowie Verknüpfungen mit Spiele-Communities. Ein stärkeres Eingreifen seitens Entwicklerstudios und der reichweitenstärksten „Sprachrohre“ aus dem Videospielbereich; das scheint das Gebot der Stunde zu sein, um faschistischen und toxischen Tendenzen im Gaming (und im Internet allgemein) zumindest in Teilen entgegenzuwirken. Die Perspektive von Gast Marc, der auf biographische Erlebnisse und Erfahrungen mit Rechtsextremismus aus seinem Berufsleben sowie auf ähnliche Probleme in der Musikbranche rekurriert, macht die Folge besonders hörenswert. [ja]
Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt jeden zweiten Freitag auf SPIELKRITIK.com. Die vergangene Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.
Ich möchte diesen Beitrag als Gelegenheit nutzen, mich einmal ausdrücklich für die „Lesenswert“-Ausgaben im Allgemeinen zu bedanken. Wie viele schöne Texte und interessante Informationen konnte ich dank Deines Formats schon lesen? Unzählige vermutlich. Danke für Deine Mühe, Liebe zum Detail und Offenheit. Ohne „Lesenswert“ wäre unsere Blogkultur nicht die gleiche Sylvio!
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Herzlichen Dank für das Lob, André! :)
Ich selbst bin auch sehr glücklich über das viele hundert, vermutlich bald tausend Artikel umfassende Archiv, das im Laufe der Jahre im Rahmen von Lesenswert entstanden ist. Und das ich ebenfalls immer wieder gern durchstöbere und dabei Artikel (wieder)entdecke, die ich in der Zwischenzeit schon vergessen hatte.
Ich freue mich aber auch sehr über Hörenswert und Sehenswert und wie sie meine eigene Wahrnehmung erweitert haben. Bis Daniel damals Hörenswert startete, wusste ich nicht einmal, dass diese Podcasts auch nur existieren und heute bin ich selbst ein begeisterter Hörer von Auf ein Bier und Co. Youtube-Essays habe ich mir vor Pascals Sehenswert praktisch auch nie angesehen, und obwohl mich dieses Medium noch nicht so gepackt hat, wie Podcasts das schafften, habe ich so doch schon interessante Dinge gesehen und eine zweifellos einflussreiche Plattform von einer seiner besseren Seiten kennengelernt. Johannes schließlich interpretiert Hörenswert noch einmal ganz anders als Daniel tat, und stößt mich so zum Beispiel auf Radiobeiträge, denen ich zuvor nie Aufmerksamkeit schenkte.
Bei Lesenswert ist es eigentlich ganz ähnlich. Vermutlich hätte ich in den letzten Jahren nicht auch nur halb so viele Artikel selbst gelesen, nicht auch nur halb so vielen Seiten Aufmerksamkeit geschenkt, wenn mir nicht diese Rubrik den Anlass dafür geboten hätte. Kurz gesagt: Lesenswert (und seine Schwesterrubriken) erweitern Horizonte. :D
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Dem kann ich mich uneingeschränkt anschließen! Herzlichen Dank für diese tolle Rubrik, bin darüber auch schon auf viele spannende Artikel gestoßen!
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