Als Yooka-Laylee and the Impossible Lair auf der E3 2019 angekündigt wurde, habe ich mich darüber lustig gemacht. Mein Ersteindruck war geprägt von meinen Erfahrungen mit dem Vorgänger. Ähnlich wie damals Banjo-Tooie litt auch das erste Yooka-Laylee 2017 unter ungebändigtem Größenwahnsinn. Größere Level, mehr Collectibles, weniger Fokus. Die Lösung für den Nachfolger: Ein augenscheinlicher Rückschritt von 3D zu 2D. Da war ich erstmal zynisch.

Doch ich merkte gar nicht, wie mein scherzhafter Spott dem alten „3D ist besser als 2D“-Irrtum entsprach. Eine populäre Meinung der Jahrtausendwende, der ich mich schon als Kind nicht anschließen wollte. Und dann fiel mir ein: Moment! Die Entwickler bei Playtonic Games, die damals Banjo-Kazooie erschaffen haben, haben ja auch die Donkey Kong Country-Reihe entwickelt! Warum auch immer mich diese Erkenntnis so viel Zeit gekostet hat – plötzlich ergab alles Sinn!

Dabei sind die Parallelen doch so offensichtlich! Der spannendste Vergleich ist allerdings nicht der zwischen Yooka-Laylee and the Impossible Lair und der alten Donkey Kong Country-Trilogie, sondern der mit Retro Studios’ aktuellstem Reboot-Ableger Donkey Kong Country: Tropical Freeze – einem der (meiner Meinung nach) besten Spiele dieses Jahrzehnts.


Gekonntes Level-Recycling

Allen Ähnlichkeiten zum Trotz gibt The Impossible Lair sich redlich Mühe, eine eigene Identität zu finden. Da wäre zum einen das titelgebende finale Level, das wir von Beginn an jederzeit angehen können – sofern wir uns trauen. Ein wenig wie Schloss Hyrule in Breath of the Wild; nur dreht sich die Hauptspielprogression, die uns die finale Herausforderung erleichtert, nicht um das Erobern vierer Titanen, sondern um das Befreien von vierzig Bienensoldaten in ebenso vielen Leveln. Diese insgesamt vierzig Level bestehen aus zwanzig einzigartigen Leveln mit jeweils zwei Versionen, welche wir in der Oberwelt beeinflussen können.

Denn die Oberwelt-Karte ist das weitere große Alleinstellungsmerkmal des Spiels: Anders als in 99 Prozent aller Platformer-Oberwelten seit Super Mario Bros. 3 präsentiert The Impossible Lair uns eine frei erkundbare dreidimensionale Weltkarte, welche sich vor dem Reiz der 2D-Passagen nicht zu verstecken braucht. So gibt es auf dieser 3D-Karte mit Vogelperspektive etliche Collectibles, kleinere Puzzles und geheime Pfade. Außerdem bietet sie die zuvor erwähnten Möglichkeiten, die Gegebenheiten der Hauptlevel zu ändern. Ein Beispiel: Wir haben einen Level am Strand, dessen Eingang wir nach einem Puzzle mit Wasser überschwemmen. Dadurch wird ein zuvor trockener Level zu einem Wasserlevel.

Dieses Recycling jedes einzelnen Levels hätte schnell langweilig werden können, doch bringt The Impossible Lair genug Abwechslung ins Spiel, um vierzig Level tatsächlich wie vierzig Level wirken zu lassen – und nicht wie zwanzigmal zwei. Während die Erkundung der Oberwelt etwas simpel beginnt und den Fluss der Hauptlevel zuweilen unangenehm ausbremst, wird sie ab der zweiten Spielhälfte durchaus zu einer sinnvollen und substanziellen Ergänzung. Das seichte 3D-Abenteuer erreicht nie die Höhen eines vollwertigen Collectathons, aber auch nie die Längen. Dadurch wird es zur idealen Abwechslung zwischen den zahlreichen 2D-Leveln.


Große Platforming-Kunst

Die 2D-Level bleiben jedoch der eindeutige Star des Spiels. Einer der Gründe dafür ist das starke Fundament aus kompromisslosen 60 Frames pro Sekunde gepaart mit einem nahezu makellosen Spielgefühl in der Steuerung der Protagonisten: Yooka und Laylee sind präzise, wendig und schnell. Die Charaktere beschleunigen, rennen und springen mit einem Gewicht, das sich in allen Lagen natürlich anfühlt. Es gibt es kein Schlittern und kein Rutschen (außer natürlich auf Eis) sowie ein angenehmes Maß an Kontrolle in der Luft. Sogar die Kontrolle unter Wasser funktioniert hervorragend und macht die Wasserlevel zu einer Freude – was nicht nur an der (übrigens durchweg) zauberhaften musikalischen Untermalung von David Wise und Grant Kirkhope liegt.

Insgesamt fühlt sich die Steuerung sehr nach Tropical Freeze an; ein höheres Lob kann ich kaum aussprechen. Yooka und Laylee bauen beim schnellen Flitzen und Rollen durch die Level einen gewaltigen Schwung auf, der zum selben Flummieffekt führt, der Speedrunner an Tropical Freeze fasziniert. Einzig das Abspringen von Gegnern wirkt in The Impossible Lair deutlich schwerfälliger als bei der Donkey Kong-Familie. Ein Level wie das grandiose K-2 in Tropical Freeze, das praktisch nur aus fliegenden Gegnern und riesigen bodenlosen Schluchten besteht, wäre hier nicht möglich… zumindest nicht ohne Frust.


Herausforderung mit Komfortmechaniken

The Impossible Lair ist jedoch auch so fordernd genug. Trotz aller Herausforderung vergibt das Spiel jedoch viele Fehler. Die Checkpoints warten an jeder Ecke und ein Zurücksetzen nach dem Bildschirmtod dauert nicht länger als eine kurze Schwarzblende. Anders als Tropical Freeze verzichtet The Impossible Lair auf das archaische Sammeln von Leben und einen Game Over-Screen. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir stets mit maximaler Treffertoleranz wiederbelebt werden. Während Donkey Kong seine Kumpane nach dem Tod erst wiedererlangen muss, erscheinen Yooka und Laylee bei jedem Respawn zusammen. Steuern wir Yooka in Gegner oder Fallen, verschwindet Laylee – unser zusätzlicher Trefferpunkt – außerdem nicht sofort. Stattdessen flattert er für einige Sekunden wild über den Bildschirm, sodass wir ihn flink wieder aufsammeln können.

All diese Komfortmechaniken führen dazu, dass The Impossible Lair stets fordert, aber nie frustriert. Dabei hat besonders die zweite Hälfte der vierzig Level durchaus Biss – auch ohne jeden einzelnen Sammelgegenstand zu ergattern. Jeder Level beherbergt fünf Münzen, die unterschiedlich schwierig versteckt sind. Vor allem die Münzen, für die wir nur einen Anlauf bekommen, könnten Komplettionisten stören: Sind Gegner einmal besiegt, belebt das Spiel sie nie wieder – selbst, wenn wir sie als Trittbrett zu einem geheimen Abschnitt missbrauchen müssen. Ähnliches gilt für die Verwendung von Bomben und anderen Gegenständen, die Geheimgänge öffnen. Haben wir eine Bombe versehentlich zu früh benutzt, bringt nur ein Bildschirmsuizid sie zurück.

Die Besinnung auf überschaubare fünf Sammelobjekte pro Level vermeidet immerhin die gewohnte Repetition, die selbst Tropical Freeze und seine zahlreichen Bonusräume plagte. Dennoch sollten verpassbare Sammelgegenstände in Spielen dieser Art eine Ausnahme darstellen. Diese Stolpersteine fallen umso mehr auf, weil The Impossible Lair ansonsten so meisterhaft gestaltet ist. Die Level bleiben stets aufregend und warten immer wieder mit neuen Ideen auf. Trotz aller Kreativität dürfen wir hier jedoch nicht mit dem geradezu Uncharted-ähnlichen Bombast eines Tropical Freeze rechnen. Einzigartige Kulissen wie dessen Lorenfahrt im Sägewerk oder die riesige Obstfabrik im Urwald bietet The Impossible Lair nicht. Womöglich hat Nintendo für Tropical Freeze einfach ein ungleich größeres Budget auf den Tisch gelegt. Dass der Vergleich zwischen beiden Spielen überhaupt so naheliegt, sollte The Impossible Lair auch an dieser Stelle eher schmeicheln.


Ein unmöglich zwiespältiges Ende

Ein weiterer Bombastfaktor, an dem The Impossible Lair spart, sind die Bosskämpfe. Im gesamten Spiel gibt es nur vier Bossbegegnungen – alle mit dem Oberschurken Capital B und alle sind im finalen Level. Und was für ein finaler Level das ist…

Ich habe in meinem Leben schon den einen oder anderen harten 2D-Platformer gespielt. Man könnte sagen, meine Daumen wissen ziemlich genau, was sie in solchen Spielen tun. Ich habe in The Impossible Lair also zuerst alle vierzig Level beendet, obwohl ich es nicht hätte tun müssen – ein weiteres Zeichen dafür, wie fesselnd dieses Spiel ist. Da stand ich also vorm finalen Level und war beinahe ein bisschen traurig. Ich habe vierzig Bienen (und sieben geheime Bienen) gesammelt und hatte somit beinahe die maximal mögliche Treffertoleranz für die finale Herausforderung. Insgesamt 47-mal würde ich mich im Impossible Lair treffen lassen dürfen. Das würde doch ein Spaziergang werden, dachte ich. Schließlich hatte ich erst letztes Jahr die B-Seiten von Celeste bewältigt.

Mein erster Versuch im finalen Level: 35 Prozent Fortschritt. Das Impossible Lair hat seinen Namen tatsächlich verdient. Dabei ist das Hauptquartier der Oberbiene per se nicht signifikant anspruchsvoller als die bisherigen Level. Allerdings ist der finale Level der einzige ohne jegliche Checkpoints und noch dazu grob geschätzt fünfmal so lang. Auch die vier Bosskämpfe finden bei jedem neuen Anlauf erneut statt; einer davon gleich am Anfang – nerviger geht es kaum.

Letztendlich hat mich der finale Level „nur“ sieben Anläufe gekostet, die im Schnitt aber jeweils 15 Minuten dauerten. Motivierend sieht anders aus. Vor allem frage ich mich: Welcher Ottonormalspielende wird sich überhaupt mit weniger als vierzig abgeschlossenen Leveln und Bienen an diese Herausforderung wagen? Ich würde meine Fähigkeiten in diesem Genre ganz bescheiden einige Meter überm Durchschnitt einordnen und selbst mir sind im Impossible Lair erste graue Haare gewachsen. Selbstverständlich gibt es bereits einen Speedrunner, der das Spiel schon zum Release komplett ohne Bienen beendet hatte; aber von solchen Menschen reden wir an dieser Stelle nicht. Ein Checkpoint nach jedem Boss – gerne auch mit der bisherigen dezimierten Bienenzahl – hätte bereits Wunder getan. Doch so, wie es jetzt ist, hätte ich das Spiel womöglich sogar komplett aufgegeben, hätte es nach den nächsten zwei bis drei Anläufen immer noch nicht geklappt.

Dass The Impossible Lair auf solch einer dissonanten Note endet, ist ärgerlich. Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack für einen ansonsten fabelhaften Platformer. Die plötzliche Schwierigkeitsspitze wirkt vor allem so negativ, weil sie ein solcher Fremdkörper im Gesamtwerk ist. Rückblickend finde ich meine Tortur im finalen Level tatsächlich nicht mehr so schlimm. Rein konzeptuell finde ich die Idee dahinter sogar äußerst interessant. Der finale Level bietet die Art von Spaß, die erst spürbar wird, wenn wir wieder in Sicherheit sind. Wie ein Festivalbesuch mit Platzregen. Nur ist ein Festivalbesuch, bei dem ein ganzes Wochenende lang die Sonne scheint, eben trotzdem besser. [pg]

Ein Rezensionsexemplar für Xbox One wurde uns vom Publisher bereitgestellt.


Yooka-Laylee and the Impossible Lair
Playtonic Games / Team17, 08. Oktober 2019
Nintendo Switch, Xbox One, PlayStation 4, Windows PC