Schluss, aus, vorbei: Unsere extralange Dreamcast-Geburtstagswoche ist an ihrem Ende angekommen. Ich freue mich über jeden, der bis zum Ende dabei geblieben ist! Heute präsentiere ich euch ohne lange Vorrede noch einen Beitrag von mir selbst, in dem ich einfach einmal rekapituliere, wie und warum ich eigentlich an meine Dreamcast und meine heutige – eher kleine, aber feine – Dreamcast-Collection kam.

Ich hoffe, es unterhält, und würde mich sehr freuen, im Kommentarbereich auch von euren Dreamcast-Sammlungen und Gebrauchtkauf-Erfahrungen zu lesen.


Meine Dreamcast-Geschichte
(von Sylvio Konkol)

Ich habe meine Dreamcast 2003 bekommen. Mitten im zweiten Jahr das GameCube, hatte ich das dringende Bedürfnis, endlich Shenmue zu spielen. 

Es mag verwundern, dass ich mir gerade dann die Dreamcast kaufte, als der technisch fortschrittlichere GameCube seit kaum einem Jahr in meinem Zimmer stand. Nintendos neue Konsole hatte ein famoses erstes Jahr hinter sich und erlebte er im Frühjahr 2003 einige seiner besten Monate überhaupt. Doch weder First-Person-Samus, noch Cartoon-Link, noch Zombies vor Renderhintergründen hielten mich in jenen Tagen davon ab, mehr und mehr auf die Dreamcast zu schielen.

Es gab einen Komplizen in dieser königsmordenden Intrige: Seit eineinhalb Jahren nannte ich einen Gaming- und Internet-tauglichen PC mein Eigen. Der eröffnete nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch ganz neue Horizonte. Mit Erscheinen des GameCube im Mai 2002 büßte er seinen Status als bevorzugte Games-Hardware nach wenigen Monaten zwar schon wieder ein. Doch seine Internettauglichkeit sollte noch ein Nachspiel haben: Wie das Internet es gerne tut, hatte es mich in die Fänge eines obskuren Mythos getrieben. Ein Mythos, der mir einige Jahre zuvor allenfalls beim entgeltlosen Durchblättern von Bravo Screenfun, Maus Klick Co. an der Zeitschriftenauslage beim Bäcker begegnet war. Ein Mythos namens Shenmue.


„He shall appear from a far eastern land across the sea, A young man who has yet to know his potential, This potential is a power that could either destroy him or realize his will, His courage shall determine his fate…“ Dieses sagenumwobene Spiel, das samt seiner Konsole stets außerhalb meiner Reichweite zu liegen schien, präsentierte sich durch das Internet und sein damals gerade boomendes Online-Auktionhaus plötzlich greifbar.

Und das heißt vor allem: bezahlbar.

GameCube-Games waren 2003 noch immer ziemlich teuer, gerade auf dem Land, wo es mit Schnäppchen oder Gebrauchtangeboten stets mau ausschaute. Bald stellte ich fest: Für das Geld eines einzigen neuen GameCube-Titels konnte ich mit etwas Glück und Geduld nichts weniger als eine voll ausgestattete Dreamcast mit einer ansehnlichen Spielesammlung bekommen. Bereitwillig hätte ich diese Summe auch für Shenmue allein bezahlt; und anfangs ging es mir quasi nur darum. In einer Phase des Lebens, in der Geld rarer war als Zeit, war die Aussicht darauf, dermaßen viele Spiele so günstig zu kommen, allerdings auch sehr verlockend.

Im Übrigen hielt die Spiele-Bibliothek der Dreamcast Titel für mich bereit, oder ganze Genres, die mir als Nintendo-Besitzer stets entgangen waren und die es auf dem N64 oder dem GameCube einfach nicht gab. Und die noch immer ganz famos ausschauten. Neben Shenmue etwa Metropolis Street Racer. Und außerdem: Online-Spiele! Dachte ich. Denn so gut war ich dann doch nicht informiert…

Ich suchte mir also „meine“ Dreamcast bei Ebay. Und das, was ich ein paar Wochen später dann genau bekam, kann ich getrost als besten Ebay-Kauf meines Lebens bezeichnen.


Es geschah im Sommer 2003. Den genauen Monat weiß ich nicht mehr. Es muss allerdings vor der Games Convention 2003 im August gewesen sein, weil ich das Theme aus Shenmue, das beim dortigen Eröffnungskonzert gespielt wurde, zu diesem Zeitpunkt schon kannte. Andererseits muss es nach der Veröffentlichung von Zelda: The Wind Waker im Mai gewesen sein. Dessen kontrovers diskutierten Grafikstil liebte ich vom ersten Trailer an, doch das fertige Spiel war für mich eine dicke Enttäuschung. Vermutlich trug die Erfahrung dazu bei, dass ich gewillt war, mich einmal an anderen Ufern umzusehen.

Einige Tage nachdem ich meinen bis dahin vermutlich teuersten Ebay-Kauf getätigt hatte, erhielt ich eine wahre Wunderkiste. Und damit meine ich nicht die Dreamcast-Konsole, sondern das Paket, in dem sich neben der Konsole noch weitaus mehr befand: Natürlich ein Controller und eine Visual Memory Unit, aber auch ein Tremor Pak des Drittherstellers Performance, sowie das wichtige Scart-Kabel, das eine weitaus bessere Bildqualität bot, als das standardmäßig der Konsole beigelegte Antennenkabel. Sogar eine originale Dreamcast-Tastatur war mit im Paket!

Und natürlich Spiele über Spiele. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie viele es waren, und meine Email-Historie reicht leider nicht ganz so weit zurück. Es war wohl mindestens ein Dutzend. Mehr, als ich für den GameCube damals hatte, und vermutlich fast so viele wie meine N64-Sammlung damals umfasste. Lässt man den PC einmal außen vor, dem ich gleich zu Beginn Play the Games Vol. 4 spendierte, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie einen „Pile of Shame“. Dazu kamen fast genauso viele DreamOn-Demo-CDs, deren (wenige) Demos und (viele) Trailer ich in den Zeiten von 56k-Internet ebenfalls zu schätzen wusste.

Und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, habe ich für das gesamte Paket nicht mehr als knapp über 50 Euro bezahlt. Anfang 2003 dürfte der Gebrauchtpreis der Dreamcast ziemlich nahe an der Talsohle gewesen sein.


Unter den Spielen waren Vorzeigetitel wie Metropolis Street Racer, Crazy Taxi und Sonic Adventure, die mir einen hervorragenden Einstieg in die Welt der Dreamcast boten. Virtua Fighter 3tb konnte mich zwar nie so sehr begeistern wie der zweite Teil der Reihe, den ich auf dem PC kennengelernt hatte, und auch den Reiz von Sega Rally 2 verstand ich erst viel später. Virtua Tennis hingegen war Liebe auf den ersten Blick und sollte sich ein paar Jahre später sogar noch zu einem der beliebtesten Multiplayer-Spiele in meinem Freundeskreis entwickeln: Wir maßen uns in frenetischen Turnieren mit bis zu zwölf Teilnehmern und führten über mehrere Monate hinweg eine „Weltrangliste“. Eigentlich müsste ich die sogar noch irgendwo haben… F355 Challenge mocht ich ebenfalls und kaufte mir dafür später sogar ein Lenkrad und Pedale.

Einige (vermeintliche) Rohkrepierer waren natürlich auch im Paket, die ich im Laufe der Jahre dann auch wieder verkaufte. Den Launchtitel Incoming zum Beispiel. Oder Star Wars Episode 1: Jedi Power Battles, das ich damals zu den schlechtesten Spielen zählte, die ich je gespielt hatte. Tomb Raider IV: The Last Revelation verkaufte ebenfalls. Ich hatte mich darauf gefreut, erstmals die berühmte Lara Croft spielen zu können, allerdings machte mir das Spiel überhaupt keinen Spaß. Heute hätte ich vermutlich eher die Geduld, mich in seine Spielmechanik einzuarbeiten; und so ist es einer der Verkäufe, die ich im Nachhinein bereue.

Das Actionspiel Red Dog fand ich eigentlich recht unterhaltsam, als ich einige Zeit später aber einen guten Preis dafür erhielt, verkaufte ich es dennoch. Mortal Kombat Gold macht mir eigentlich überhaupt keinen Spaß. Weil es konsolenübergreifend aber das einzige Mortal Kombat in meiner Sammlung ist, will ich es (noch) nicht hergeben. Das Rennspiel Vanishing Point hätte ich mehrere Male fast verkauft, doch weil es ohnehin kaum etwas wert ist, besitze ich es bis heute. Das okaye Ready 2 Rumble Boxing behielt ich ebenfalls.

Irgendwann verkaufte ich, sehr zu meinem Bedauern, leider auch The Nomad Soul. Das kuriose Frühwerk von David Cage war schwer zugänglich und technisch eine mittelschwere Katastrophe, sollte dem Vernehmen nach aber ziemlich außergewöhnlich sein. Ich gab es deshalb nicht sofort her, auch wenn der erste Eindruck ernüchternd war. Nach ein paar Jahren machte ich dann ernst und gab dem Spiel eine mehrere Spielstunden währende faire Chance. Bis ich mir sagte, dass jegliche Qualitäten die Quälereien mit Steuerung und Framerate nicht wert sind. Im Übrigen waren die Gebrauchtpreise für das Spiel inzwischen in die Höhe geschossen, sodass ich mich zum Kauf verleiten ließ. Und was soll ich sagen: Da kannte ich David Bowie noch nicht, der Stücke für den Soundtrack beigetragen hat und im Spiel sogar auftaucht! Heute würde ich The Nomad Soul auf keinen Fall mehr hergeben. Vielleicht hole ich es mir irgendwann wieder.


Ich weiß nicht mehr genau, ob auch das eigentliche Objekt meiner Begierde, Shenmue mit im Paket war. Ein Teil meines Gedächtnisses meint ja, ein anderer meint, ich hätte es mir für um die 15 Euro separat geholt…

Definitiv noch nachkaufen musste ich Shenmue II und das war schon damals nicht ganz günstig. Ich meine, ich hätte fast 40 Euro dafür ausgegeben? Ich spielte es deshalb auch nicht direkt im Anschluss an Teil 1, sondern ein paar Monate später. Glaube ich. Ein zweiter, unendlich genussvoller Durchlauf, einige Jahre später, sollte mir als eine meiner intensivsten Spielerfahrungen für immer in Erinnerung bleiben. Aber davon erzähle ich ein andermal.

Danach kaufte ich nur vereinzelt weitere Spiele. Bis heute kommt hin und wieder ein Titel dazu, sodass meine Sammlung nun auch Dead or Alive 2, Dino Crisis, Ecco, MDK2, Resident Evil: Code Veronica, und einige andere mehr umfasst. Ein paar Must-Haves habe ich auch heute noch auf meiner Liste. Und natürlich kamen im im Laufe der Zeit auch ein zweiter Controller und eine zweite und dritte VMU dazu.


Nur auf dieses Internet muss ich noch einmal zu sprechen kommen… Ein Bestandteil des Angebots fehlte in dem Paket leider. Das Internetkabel, um die Dreamcast mit der Telefonbuchse zu verbinden. Der Verkäufer hatte vergessen, es beizulegen. Wenn ich mich recht erinnere, meldete sich der nette Mensch kurz nach dem Versand sogar von sich aus und bot mir an, das Kabel kostenlos nachzusenden, falls ich es dann bräuchte. Ich brauchte es. Allerdings nicht aus bloßer Gier, sondern weil ich mich aufs Onlinespielen freute – und zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass die Server längst abgeschaltet waren.

Entsprechend konnte ich ChuChu Rocket, das ebenfalls Teil des Pakets war, nur offline spielen, und Planet Ring gleich gar nicht. Auch ein Teil der Bonus-Inhalte auf der vierten Disc von Shenmue blieb mir für immer verwehrt. Als ich das realisierte, war ich schon ein wenig enttäuscht. Mein erstes Online-Game auf einer Konsole sollte dann zwei Jahre auf sich warten lassen. Mario Kart DS war das.

Das nachgesendete Kabel war trotzdem noch von Nutzen und kam immer mal wieder zum Einsatz, wenn ich meine Oma besuchte. Der Dreamcast sei Dank hielt das Internet Einzug in ihrem Wohnzimmer. Daheim surfte es sich mit meinem PC natürlich besser. In Zeiten meist statischer Website machten die Dreamcast und ihr Browser aber auch 2003 noch immer eine gute Figur. Übrigens eine weitaus bessere, als der PS4-Browser heute.

Ich erinnere mich, wie ich bei einem Besuch bei meiner Oma eines Abends Shenmue spielte und an einer Stelle einfach nicht weiterkam. Also das zehn Meter lange Internetkabel ausgerollt, eingestöpselt und mich mit dem Arcor-Login eingewählt (oder welcher Provider je nach Uhrzeit eben gerade der günstige war). Das können sich die jungen Leute von heute gar nicht mehr vorstellen. Dann habe ich eine Komplettlösung aufgerufen und nachgeschaut, was ich denn nun zu tun habe. Nur trödeln durfte ich nicht, denn jede Minute kostete meine Oma Geld.

Diesen Artikel muss hoffentlich keiner von euch mit Blick auf die Uhr im Schnelldurchlauf lesen. Trotzdem ist es Zeit, zum Ende zu kommen.

Falls der nette Verkäufer von damals das liest: 16 Jahre später schnurrt „deine“ Dreamcast noch immer wie ein Kätzchen und beschert mir weiter schöne Stunden. Auch meinen ersten Artikel, den ich je für ein Printmagazin schrieb, schrieb ich letztlich über einen Dreamcast-Titel. Über das Spiel mit der Nostalgie: Shenmue. Vielen Dank! [sk]


Falls ihr unser Feature bislang verpasst habt: Zum ersten Teil unseres geht es HIER. Einen kleinen Recap unserer Geburtstagswoche gibt es in wenigen Tagen.