Heute vor genau 20(!) Jahren war es endlich so weit: Die damals fortschrittlichste Konsole, die den Startschuss zur sogenannten 128-Bit-Ära gab, durfte endlich auch in Europa über die Ladentheken wandern. Die Dreamcast, SEGAs legendäre, letzte Konsole. Erschienen am 14. Oktober 1999, feiert sie heute ihren 20. europäischen Geburtstag. Und natürlich feiern wir mit.
Doch was wäre eine Geburtstagsfeier ohne Gäste? Langweilig! Aus diesem Grund suchten wir auch für den 20. Geburtstag der Dreamcast wieder nach euren Gastkommentaren. Nach memorablen Anekdoten, ganz persönlichen Dreamcast-Geschichten, bald nicht mehr so geheimen Geheimtipps, aber auch nach unbekannten Seiten bekannter Spiele.
Und was soll ich sagen? Ihr habt geliefert! Es ist faszinierend, wie unterschiedlich ihr an „das Thema“ (wenn man es so nennen kann) herangegangen seid. Alle Einsendungen – ob kurz oder lang – waren auf ihre Weise interessant. Und nachdem es anfangs noch etwas mau ausschaute, was die Quantität angeht, waren sie am Ende doch auch noch so zahlreich, dass sich unsere Dreamcast-Geburtstagswoche hinter der zum 15. Geburtstag der Xbox im März 2017 nicht verstecken muss, und die für den 15. Geburtstag des GameCube im Mai desselben Jahres sogar übertreffen wird.
Das heißt: Beginnend ab heute, erwarten euch eine ganze Woche lang Gastbeiträge zur Dreamcast, daneben auch ein, zwei Beiträge aus den Reihen unserer Redaktion. Und da es schwer ist, so viel auf einmal zu verdauen, werden wir jeweils zwei bis drei Beiträge in Sammelposts bündeln, die wir im Zweitagesrhythmus veröffentlichen. Der nächste Teil erwartet euch dann also am Mittwoch.
Und damit genug der Vorrede! Vorhang auf.
Den Anfang macht ein Gastbeitrag von Rüdiger Grapatin, der das besondere Vergnügen hatte, seine Dreamcast bereits vor mehr als 20 Jahren in Händen zu halten. Denn Rüdigers Dreamcast war „rot“; er hatte sie aus Japan importiert, wie sie fast ein Jahr früher erhältlich war, als es in Europa und den USA der Fall sein sollte. Doch kann der Frömmste nicht in Frieden spielen, wenn es dem pingeligen Zoll nicht gefällt…
Danach berichten uns Rafał Londo und Morton von einem ganz besonders „intensiven“ Dreamcast-Erlebnis, das nicht etwa 20, sondern „nur“ 10 Jahre her ist, und damit zeigt, dass man mit den Spielen der Dreamcast auch viele Jahre später noch allergrößten Spaß haben kann. Im Extremfall sogar 24 Stunden am Stück.
„Dreamcast-Vorkenntnisse“ sind für den Genuss dieser Artikel übrigens nicht erforderlich. Es braucht also keine Berührungsängste zu haben, wer sich an die Dreamcast nicht aus eigener Erfahrung erinnert, weil er oder sie ganz einfach zu jung ist, oder aber seinerzeit so ganz im Nintendo- oder Sony-Lager versunken war. Spannender als ein Wikipedia-Artikel sind eure Einsendungen bestimmt!
PS: Wer Last-Minute noch einen Beitrag einsenden möchte, kann das ausnahmsweise noch tun, möge mich aber so schnell wie möglich kontaktieren, entweder bei Twitter und über die Emailadresse in unserem Impressum. [sk]
Der Dreamcast und der Zoll – ein Geduldsspiel
(von Rüdiger Grapatin)
Meine Geschichte mit dem Dreamcast ist rot und beginnt zugegebenermaßen bereits im Spätherbst 1998. Bereits seit den 1980ern sind Videospiele und deren Konsolen, darunter auch einige exotischere, aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. So war es geschehen, dass ich den Dreamcast im Herbst 1998 bei Lik Sang in Hongkong vorbestellt hatte. Wer erinnert sich nicht gern an Lik Sang. Damals bereits der Online-Shop für Videospiel-Enthusiasten.
Die riesige Vorfreude auf das Paket verlangte aber dann doch etwas Geduld von mir. Was war passiert? Das Paket wurde in Frankfurt vom Zoll zur Überprüfung und Feststellung der Einfuhrumsatzsteuer einbehalten. Per Brief forderte man mich auf, den Wert bzw. Kaufpreis nachzuweisen. Nichts leichter als das, dachte ich, ich hab ja die E-Mail-Bestätigung der Bestellung. Diese also ausgedruckt und per Post hingeschickt. Einige Tage später kam leider immer noch nicht das Paket oder der Bescheid. Die E-Mail als Nachweis wurde nicht anerkannt.
So musste ich warten, bis mir meine Kreditkartenabrechnung zuging, die als einzig möglicher Nachweis anerkannt wurde. 1998 war es noch nicht möglich, Korrespondenz mit Behörden elektronisch zu erledigen oder Buchungen des Kontos online abzufragen. So dauert es nochmal etwa zwei Wochen, bis die Abrechnung mit dem Posten „Dreamcast“ bei mir einging und ich sie an den Zoll weiterleiten konnte. Wieder einige Zeit später kam der Bescheid des Zolls über die zu entrichtenden Gebühren. Dieser enthielt aufgrund der längeren Laufzeiten bereits Lagerkosten für den Zeitraum ab dem siebten Tag. So waren nicht nur die damals gültige Mehrwertsteuer sondern auch, soweit ich mich erinnere, fünf DM pro Tag zu überweisen. Extrakosten, mit denen ich nicht gerechnet hatte.
Letztendlich bekam ich dann mein Paket mit einem Dreamcast in rot-weißer Schachtel, einem Step-Down-Konverter und dem „grandiosen“ Godzilla Generations sowie Virtua Fighter 3tb. Obwohl es mehrere Wochen gedauert hatte, war ich überglücklich und der Dreamcast hat nach diesem Erlebnis natürlich einen besonderen Platz in meinem Herzen.
Selbiges passierte mir übrigens nochmal mit dem Spiel Samba de Amigo. Weihnachten 1999 kam dann der „blaue“ Dreamcast dazu und beide Versionen sind immer noch in meinem Haushalt. Konsequenterweise bin ich seither der Xbox, als Nachfolger im Geiste, zugetan. Die ein oder andere Konsole, zum Beispiel die PC Engine GT oder die Original-Xbox, habe ich trotz diesem Erlebnis dennoch importiert. Ich mag einfach die Jagd nach dem Besonderen.
Der Autor:
Rüdiger Grapatin, aka. DJBSE72, Bayer, Ehemann, Vater und Gamer. Seit den 1980ern auf der Suche nach dem ultimativen Videospiel. Mein Motto: It’s all about the game.
Die 24 Stunden von Le Mans auf der Dreamcast – Sei legendär!
(von Rafał Londo und Morton)
Erinnerungen brauchen Zeit, damit sie wirksam im Gedächtnis bleiben. Und vor gut zehn Jahren hatten wir reichlich Zeit. Nach den Abiturprüfungen 2009 wollten wir etwas machen, das sowohl unsere physischen als auch die technischen Grenzen der Dreamcast auf die Probe stellte:
„Im Spiel 24 Stunden von Le Mans kann man im Modus „24 Stunden fahren“ wirklich 24 Stunden fahren“, so grob die Aussage von Rafał. „Was wäre, wenn wir diese 24 Stunden zusammen fahren … am Stück?“
Die Begeisterung war groß, der Entschluss schnell gefasst und die Vorbereitungen gingen leicht von der Hand: Das Zimmer herrichten; Bier, Cola, Snacks und Aufbackbrötchen besorgen sowie bequeme Klamotten anziehen. Außerdem musste ein konkreter Zeitplan erstellt werden, denn wie im Real Life galt es, sich seine Kräfte gut einzuteilen. Jeder sollte zehn Runden am Stück fahren; nach dem Fahrer-/Controllerwechsel beim Boxenstopp und bei einer Rundendauer von knapp vier Minuten waren also bis zu eine Stunde Schlaf drin, falls nötig.
Am 14. Mai 2009 war es dann soweit. Um 16:00 Uhr fuhren wir mit dem Porsche 911 GT2 und einer eigens für unser Event erstellten Playlist los, da die Rennmusik im Spiel auf Dauer monoton klingt.
Freunde und Familie waren informiert; zwischen Kopfschütteln und Staunen war alles dabei. Während unserer Fahrt auf der Dreamcast kamen sie zu Besuch, fragten nach dem Rennverlauf und schauten einige Runden zu, gespannt, ob wir das wirklich durchziehen würden. Nach der ersten Stunde waren wir auf Platz 23 von 24, nach der zweiten auf Position 22, bis wir nach vier Stunden auf Platz 20 waren. Und das für den Rest des Rennens – unser kleiner Porsche konnte einfach nicht mithalten.
Wie ging es nach den ersten 24 Stunden weiter?
Dass die Lebenswege sehr wahrscheinlich immer weiter auseinanderdriften, motivierte uns dazu, einmal im Jahr nach Le Mans zurückzukehren.
Die ersten Jahre ist das auch gelungen, wir fuhren unsere Runden in unterschiedlichen Städten, mal bei Rafał, mal bei Morton. Kauften uns sogar noch das Original-Dreamcast-Lenkrad und eine VMU (Visual Memory Unit) extra für dieses Ereignis. Wir wechselten nach den ersten beiden Jahren das Team und mit mehr PS wurden wir mit der Zeit besser und fuhren dann auch mal den 1. Platz ein.
Der tragische Unfall
Doch was wäre eine Geschichte und Erinnerung ohne Rückschläge und Verluste? So kam es auch, dass wir bei unserem vierten Rennen nach über 20 Stunden (5 Uhr in der Früh) in der 304. Runde einen Bug durch Sekundenschlaf erlitten. In der schärfsten Kurve ist Rafał zu spät eingelenkt und voll gegen die Wand gefahren, was fatal war – denn unser Fahrzeug clipte durch die Rennstreckenbegrenzung. Wir befanden uns in einer gähnenden schwarzen Leere im freien Fall und konnten die Strecke gerade noch so über uns schweben sehen, völlig unerreichbar. Da wir nicht mehr von vorne anfangen wollten, haben wir das Rennen abgebrochen und am Morgen danach unser Ergebnis analysiert. Ergebnis: Pech!
Was ist geblieben?
Die 24 Stunden von Le Mans auf der Dreamcast könnte heute auf Twitch laufen. Foreshadowing? Doch wie das Leben so seine eigenen Runden mit den Fahrer*innen spielt, konnten wir unser hoch gestecktes Ziel, jedes Jahr die 24 Stunden zu fahren nicht einhalten. War am Anfang noch der Mai-Termin ideal, verschob sich dieses Zeitfenster im Studium auf die Neujahrstage; und schließlich konnten wir, bedingt durch Umzüge und unser Beziehungsleben, keine passenden Termine mehr finden, um 24 Stunden nonstop vor der Konsole zu sitzen. Dafür kommen in unseren Begegnungen die Erinnerungen wieder hoch und die ein oder andere Anekdote lässt uns den Fahrtwind wieder spüren.
Die Autoren:
Rafał Londo ist in der kath. Kirche als Pastoralreferent im Bistum Aachen tätig – derzeit allerdings im Level “Elternzeit” zu finden. Videospiele sind spätestens seit der ersten eigenen Dreamcast im Jahr 2002 eine seiner Leidenschaften.
Morton studiert Philosophie und engagiert sich für Bildungsgerechtigkeit. Er schreibt, zeichnet und übersetzt zu Popkulturellem; die Dreamcast lernte er durch Rafał kennen.
Nicht vergessen: am Mittwoch geht’s weiter!
Finde das mit dem Bug in Le Mans unglaublich! Haben die Entwickler den 24-Stunden Modus etwa nicht ausgiebig getestet? :D
LikeGefällt 1 Person
Schon erstaunlich, dass es Le Mans zwar auch für PC und PS2 gibt, ich aber bisher immer nur von Dreamcast-Fans gelesen habe, wie sie die 24h-Challenge absolviert haben. Der Ex-Blogger @redmaker macht das übrigens auch regelmäßig und hat es zuletzt auch auf Twitch gestreamt, glaube ich.
LikeGefällt 1 Person
Ich kannte das Spiel bis zum Gastbeitrag von Rafał und Morton nicht einmal. Okay, den Namen hatte ich schon einmal gehört, aber das klang immer so generisch und ich dachte, das wäre irgendein Durchschnittstitel. Entsprechend überrascht war ich dann, als ich sah, welche phänomenalen Wertungen zumindest die Dreamcast-Fassung seinerzeit eingefahren hat! Mal schauen, vielleicht nehme ich es auch irgendwann noch in meine Sammlung auf; es ist ja glücklicherweise auch noch recht günstig zu bekommen.
LikeLike
Der (Ex-)Blogger kann das nur bestätigen und muss dringend mal wieder einen Termin festlegen… :D
LikeGefällt 2 Personen