Bloodstained: Ritual of the Night und Sekiro: Shadows Die Twice haben mich gebrochen; Blasphemous hat mich geheilt. Erstere haben mich an meiner Liebe für Metroidvanias und Souls-likes zweifeln lassen, Blasphemous hat sie revitalisiert. In einem Meer aus „2D-Metroidvania-Souls-likes“ befindet sich Blasphemous eindeutig am oberen Ende der Nahrungskette.


Vergleiche mit Dark Souls sind dieser Tage ein wenig verschrien, doch lassen sie sich hier nicht vermeiden. Noch stärker als bei direkten Konkurrenten á la Salt and Sanctuary sind die Einflüsse in Blasphemous zu erkennen.

Die Ähnlichkeiten beginnen bei der Erzählung des Spiels: Blasphemous‘ Texte und Dialoge füttern in erster Linie die bedrückende Atmosphäre des Spiels; die tatsächlichen Inhalte sind (außer für Lore-Fetischisten) zweitrangig. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht auf den Plot eingehen – sofern man diesen Flickenteppich überhaupt als solchen bezeichnen kann. Ähnlich wie in Dark Souls stützt die Tonalität der verwendeten Sprache die Ästhetik des Gesamtwerks. Auch die verschrobenen Darbietungen der SprecherInnen könnten im vollvertonten Blasphemous kaum näher an den From Software-Vorbildern sein.

Blasphemous präsentiert uns eine Welt des Leids. Unser Charakter leidet, alle NPCs leiden, die Bossgegner wirken schon vorm Kampf arg gequält… Das klingt oppressiv, wirkt im Zusammenspiel mit dem wahrhaft großartigen Artdesign aber geradezu majestätisch – wenn auch äußerst makaber. Blasphemous verzerrt mittelalterlich-christliche Ikonografie auf eine Weise, die extrem befremdlich, aber dennoch vertraut wirkt. Spiele versuchen häufig, Gothic Horror dieser Sorte zu schaffen; doch es gelingt nur wenigen so gut wie Blasphemous. Obwohl ich nicht immer verstehe, worum es genau in der Erzählung geht, wirkt alles wie aus einem Guss. Der Großteil der visuellen und verbalen Erzählelemente entlockt mir eine emotionale Resonanz; das ist mehr als es die meisten dedizierten Horror-Spiele vermögen.


Ein großzügiger Tod

Blasphemous bedient sich großzügig der spielerischen Ideen der Souls-Spiele, weiß diese aber angemessen zu modifizieren. Trotz etlicher Ähnlichkeiten entsteht so eine andere – häufig gar freundlichere – Herausforderung. Sterben wir in Blasphemous, gehen unsere gesammelten EXP nicht verloren. Stattdessen hinterlässt unser Leichnam ein Stück „Schuld“, welches uns bis zur Rückkehr an den Ort des Todes marginal schwächt. Auch beim erneuten Ableben vorm Aufsammeln der Schuld geht die vorherige nicht verloren. Der Effekt des erneuten Todes wird einfach auf den vorherigen addiert.

Dieser Ansatz beugt Frust vor und bestraft uns kurzfristig weniger als der Verlust sämtlicher Seelen in Dark Souls. Langfristig jedoch sorgen gerade wiederholte Tode – im späteren Spielverlauf keine Seltenheit – für einem spürbar schwächeren Charakter. Sterben wir an Stellen, an denen wir unsere verstreute Schuld nicht einfach so aufsammeln können (zum Beispiel in Stachelbetten), wird es gar unmöglich, die verlorene Kraft schnell zurückzugewinnen.

Auf der Weltkarte existieren einige wenige Statuen, an denen wir unsere verstreute Schuld gegen ein geringes Entgelt zurückgewinnen können. Nur müssen wir diese Statuen erst einmal erreichen. Blasphemous bietet zwar erstaunlich viele Checkpoints, gewährt uns aber nur wenige Optionen zur Schnellreise. Der Fokus auf eine intelligent verwobene Levelstruktur mit Abkürzungen, Aufzügen und Ähnlichem verstärkt das Gefühl einer kohärenten Spielwelt. Was im ersten Dark Souls hervorragend funktioniert, scheitert in Blasphemous an der geringen Bewegungsgeschwindigkeit gepaart mit weitläufigen Arealen – insbesondere im späteren Spielverlauf. Zudem sind viele Areale beim zweiten Besuch lange nicht mehr so aufregend wie beim ersten.

Optionale Items, wie sie in jedes Metroidvania gehören, gibt es hier und da, doch schwankt ihre Nützlichkeit. Einige der auffindbaren Items sind unmittelbar nützlich, viele dienen allerdings als Teil von mitunter kryptischen Sammelquests einer verzögerten Belohnung. Dennoch motiviert Blasphemous deutlich effektiver zum Erkunden als zum Beispiel das anfangs erwähnte Bloodstained, dessen Geheimnisse zu gefühlt 90% belanglos waren.

Blasphemous‘ Charakter verfügt über nur eine Waffe. Dadurch geraten wir nie in die Situation, Items zu finden, die für unser spezifisches Build gar keinen potentiellen Nutzen hätten. Dieser fokussierte Ansatz kommt Blasphemous hier definitiv zugute. Generell werden die Mechaniken des Spiels durch die Beschränkung aufs Schwert einsteigerfreundlicher, ohne zu viel Tiefgang einzubüßen.


7/10 – zu viele Stacheln

Sekiro ist nicht für mich gemacht, denn es wollte unbedingt, dass ich Angriffe pariere. Dieselbe Technik existiert auch in Blasphemous, funktioniert hier für mich aber deutlich besser. Die Animationen der 2D-Gegner sind perfekt lesbar und das Zeitfenster für einen erfolgreichen Konter ist angemessen groß. Doch das befriedigende Parieren spielt aufgrund einer gewissen Ambivalenz stets nur die zweite Geige: Bei einigen Gegnern stellt der Konter unumstößlich die dominante Strategie dar; andere Gegner tangiert das Parieren allerdings gar nicht. Gemessen am hohen Risiko sind die Konter dadurch schlicht zu unzuverlässig, um sich an den universellen Einsatz dieser zu gewöhnen.

Der Fokus von Blasphemous liegt deshalb ganz klar auf simplen schnellen Schwertangriffen und Ausweichrollen. In dieser Hinsicht macht das Spiel so gut wie alles richtig. Geschwindigkeit, Reichweite, Animation und Trefferfeedback der Schwertschwünge sind in ihrem Spielgefühl gleichauf mit den besten Castlevania-Titeln. Der Ausweichschritt hingegen ist zwar gelungen, aber nicht immer so zuverlässig wie er sein sollte. Nach einem erfolgreichen Ausfallschritt wird anhand der Animation des Charakters nicht ersichtlich, wann er zum erneuten Ausweichen bereit ist. Auch, dass einige Gegner wie Luft durchschritten werden können, andere jedoch nicht, ist zuweilen irritierend und führt zu ungewollten Treffern.

Doch ist es überhaupt so wichtig, Gegnern auszuweichen? Die meisten Tode starb ich nach den ersten paar Stunden schließlich in bodenlosen Löchern und Stachelgruben. Bereits in The Messenger, einem Metroidvania mit etlichen Möglichkeiten zum Soforttod stellte ich fest, dass langsames non-lineares Erkunden und Soforttod keine gute Mixtur sind. In einem Spiel wie Blasphemous wirkt solches Präzisionsplatforming noch deplatzierter, weil es im Gegensatz zu The Messenger eine eher behäbige Charakterphysik nutzt.

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Auch Dark Souls selbst hat diverse bodenlose Abgründe, doch vermeidet es (bis auf wenige Ausnahmen) Situationen, in denen versehentliches Hineintappen zum Problem wird. Allein durch die 3D-Kamera der Souls-Spiele ist stets klar, was sich unterhalb des Charakters befindet. In Blasphemous hingegen enden Sprünge ins Blaue häufig mit einem ungewollten Piercing-Termin. Und diese Sprünge lassen sich im Eifer des Gefechts manchmal nicht vermeiden.

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Dass im späteren Spielverlauf immer häufiger Gegner mit Projektilangriffen auftauchen, verschlimmert diese Situation nur weiter. Ja, ich hätte diesen Angriff kommen sehen und ihm ausweichen können. Aber sollte kurze Unachtsamkeit bei Angriffen vom Bildschirmrand wirklich so gnadenlos zum sofortigen Tod führen?

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Das klingt nun alles etwas negativ, doch ist Blasphemous alles in allem relativ frei von solch groben Schnitzern. Insgesamt ist das Spiel so, wie man sich ein gelungenes 2D-Souls-like vorstellt: Aufregend, herausfordernd, überraschend – nur eben mit gelegentlichen Abstrichen… vor allem im späteren Spielverlauf. Gehörte die erste Hälfte meines Durchlaufs zum Besten, das ich je in diesem 2D-Subgenre gespielt habe, spielte ich später zunehmend, um es einfach hinter mich zu bringen. Zu viele Stacheln, zu viele Reisen durch bekannte Areale und mehr nervige Gegner als spaßige. Inwiefern dies mit individueller Ausdauer und Sturheit zusammenhängt, wird jeder Typ SpielerIn selbst entscheiden müssen.

An dieser Stelle sei noch gesagt, dass die Nintendo Switch-Version von Blasphemous zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zwar absolut solide, aber nicht optimal läuft. Besonders im Handheld-Modus halten sich die technischen Probleme stark in Grenzen. Bläht die kleine Konsole das Spiel dann auf den TV auf, werden regelmäßige Framedrops jedoch zu einem Faktor, der ein forderndes Spiel wie Blasphemous durchaus beeinträchtigen kann. Auch die vielen kleinen Ladezeiten zwischen den einzelnen Abschnitten der Weltkarte sorgen auf Dauer für ein gewisses Störpotential. Möglicherweise sind andere Versionen des Spiels für empfindliche SpielerInnen eine bessere Alternative. [pg]

Das Rezensionsexemplar wurde uns vom Publisher bereitgestellt.


Blasphemous
The Game Kitchen / Team17, 10. September 2019
Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, Windows, Linux, Mac (GOG/Steam)
Creative Direction: Enrique Cabeza