Lesenswert, Sehenswert und Hörenswert – in diesen drei Rubriken stellen wir euch im Rhythmus von zwei bis drei Wochen Texte, Videos und Podcasts vor, die wir besonders interessant, wichtig oder qualitativ hochwertig fanden. Und das nun schon seit mehr als drei Jahren. Es folgt Ausgabe 121.
Ich muss es „leider“ schon wieder tun – einen englischsprachigen Artikel an die Spitze dieser Auswahl setzen, bzw. zum dritten Mal in Folge einen Artikel der Seite fanbytes.com verlinken. Seit ich diese Seite vor knapp einem Monat entdeckte, schafften es die Artikel ihrer Autorinnen – es waren bisher ausnahmslos Frauen – unter meinen absoluten Lieblingen des Jahres. So auch der heutige Artikel von Moira Hicks, der nicht einfach nur beschreibt, wie die Metal Gear-Reihe sich kritisch mit dem modernen amerikanischen Imperialismus auseinandersetzt (was an sich schon interessant wäre) – sondern die Frage nach dem Wie über eine Einordnung der Reihe die Kunstströmung des magischen Realismus beantwortet. Das lässt mich die MGS-Serie noch einmal mit neuen Augen sehen und könnte auch ein fruchtbarer Ansatz für die Betrachtung des kommenden Death Stranding sein.
Daneben gibt es drei Artikel (und in Sehenswert auch noch ein Video) zum neuen Remedy-Actionspiel Control, das gerade weitaus mehr diskutiert wird, als man vor Release vielleicht erwartet hätte. In weiteren Meldungen: Esports als kostenintensive Profession, der Pokémon-Trainer als Wanderer im Nebelmeer, ein nettes Porträt der GameBoy Camera, das auch den kaum bekannten, aber faszinierenden Synthesizer-Mode nicht unerwähnt lässt, sowie 10 „vergessene“ N64-Rennspiele in einem Listicle von „Flat“ Eric, der tatsächlich für jedes Spiel eine Fülle an Infos zusammenkondensiert hat, die mehr sind als das, was man eh schon weiß.
Pascal und Johannes beschreiben ihre Empfehlungen wie üblich etwas weiter unten in eigenen Worten. Und damit einmal mehr: viel Spaß beim Stöbern, Lesen, Diskutieren, und bis in zwei Wochen dann. [sk]
Lesenswert
How Metal Gear Eschewed Realism to Convey the Horror of Imperial Violence
(fanbytes.com, Moira Hicks)
[…] The Metal Gear series is older than all of them. It’s also the only piece of art I know that makes the scale and sensation of the escalating American imperialism and violence they represent comprehensible. Metal Gear is usually lumped in with military fiction and spy fiction, with games like The Division or Call of Duty. But crucially, Metal Gear does not deal in slavish verisimilitude. Instead, it embraces startling, often ridiculous fantasies. By leaning so heavily on impossible, fantastic things, Metal Gear breaks ranks with military fiction and instead becomes magical realism. In doing so, it is better able to communicate the impossible horror of war. […]
Die allgegenwärtige Präsenz des Hausmeisters in Control
(swagkultur.fail, Patrick Spiller)
[…] Von „oben“ lenkt er die Geschehnisse, rückt alles zurecht, mittels minimaler Einflussnahmen, gibt uns Anweisungen aus dem Hintergrund. Seine Machtlenkung betreibt er unspürbar übers Unterbewusstsein und erzeugt dadurch eine allgegenwärtige Präsenz, die ihn unerlässlich für ein flüssiges Treiben der einzelnen Gewerke und Abteilungen des Hauses machen. Es ist fast so, als wäre die Hausmeisterfassade nur eine Tarnung. Es ist fast so, als wäre er die Manifestation des Hauses selbst. Es ist fast so als überinterpretiere man ihn. […]
Remedy’s Control is built on concrete foundations
(eurogamer.net, Ewan Wilson)
[…] Concrete is also an immensely photographable material. […] „From a technical standpoint I would say it’s something we’ve only been able to properly pull off recently,“ Macdonald explains. „To have these sculptural spaces takes really good lighting. You look at architectural photography, it’s all about how the light washes over surfaces. That’s what makes it interesting. Before, what would happen is you would end up [placing] loads of marks, water stains, cables and pipes all over the walls… any way of adding visual interest. But because of what we can do with our technology… we now have this freedom. We can be brave and have [bare] wall surfaces, and trust the lighting artists to give it all life.“ […]
The Fonts In Control Make Its World Feel Way Creepier
(kotaku.com, Gita Jackson)
[…] These words, displayed across the screen in a bold sans serif font, continue to display in this way even as you move your character, only fading after a few seconds. Like the brutalist architecture around you, it feels alien, slightly avant garde, and deeply sixties. What really grabs me about the phrase in the screenshot above is that perfectly circular C, which echoes the O slightly above it. These words feel definitive. […]
Even Esports Is Suffering From the Wealth Gap
(vice.com, Will Partin)
[…] Haag doesn’t mince words: “The CDL is incredibly expensive. It’s so expensive. Not only are there a lot of upfront costs, but there are a lot of operational costs that we’ll be spending money and resources on for years. And we are not equipped and prepared to make that jump.” To break it down a bit: CDL is a franchise league, meaning that teams must pay a large fee ($25 million in this case) that guarantees them a permanent spot in the league, similar to how, say, Major League Baseball expands (both the Tampa Bay Rays and Arizona Diamondbacks paid $130 million to enter the MLB back in 1998). […]
The romance of Johto’s shores and Friedrich’s Wanderer
(eurogamer.net, Chris Tapsell)
[…] The joy is standing there, 20-odd years ago, in Pokémon Gold, and wondering what it means to be looking out over the edge of the world. Was this poingance put here, on purpose? Is this little moment, some way along your journey through the natural world of Johto, one placed there precisely so you can reflect on it? On what it means to have come so far, or what it means to exist in a world you, Trainer-Wanderer, have such mastery over? […]
Der Tod der Gralshüter
(grimme-game.de, Jochen Gebauer)
[…] Plötzlich wurden dahergelaufene Youtuber – gerade hatte man sie noch paternalistisch belächelt – wie Helden gefeiert und von Entwicklerstudios wie Popstars hofiert. Plötzlich bekamen irgendwelche Online-Magazine den exklusiven Zugang, den man bislang wie selbstverständlich als den eigenen begriffen hatte. Plötzlich nahmen sich Hersteller die Frechheit heraus, ihre Neuerscheinungen eigenhändig anzukündigen, live im Internet, ohne den Umweg über ein Spiele-Magazin. Plötzlich schauten mehr Menschen einem Streamer beim Spielen zu, als den eigenen Testbericht lasen. Plötzlich war man … bedeutungslos? […]
10 „vergessene“ N64 Rennspiele
(flateric.wordpress.com, „Flat“ Eric)
[…] Zu Beginn des Sommers 2000, also nochmal ein Jahr nach R4 und einen Monat nach dem Japan-Release von Ridge Racer V auf der PS2 (!) folgte dann doch noch eine Umsetzung für das N64: Ridge Racer 64! […] Technisch gibt es viel zu bestaunen: RR64 zeigt so gut wie keinen Nebel mit hoher Sichtweite, hat eine flüssige Framerate (meist 25 – 30 FPS) und eine höhere Auflösung (wobei ich bis heute nicht herausbekommen hat, welche), nutzt Motion-Blur-Effekte und bietet einen exklusiven 4-Spieler-Modus, der jedoch an seiner niedrigen Framerate zu kratzen hat; aber grundsätzlich funktioniert und selbst da eine enorme Weitsicht bereithält (auf Motorensounds wird allerdings verzichtet). […]
Game Boy Camera (MGB-006)
(dmgpage.com, Alexander Stein)
[…] Mit deinem eigenen Gesicht kannst du zu den Beispielsamples scratchen – oder auch zu einem von dir erstellten Song. Drücke im DJ-Bildschirm die Select-Taste um zum Synthesizer umzuschalten. Hier kann man sich richtig austoben: Uns stehen zwei Soundbänke zur Verfügung als auch eine Noise-Bank. Wir ändern Noten und die Wellenform des Sounds. Wir können Klänge anschwellen oder abklingen lassen. Wir verändern die Modulationstiefe, bestimmen wie lange ein Sound gehalten wird, nutzen die Loop-Funktion und springen zwischen den Geräuschgruppen Noise 1 und 2 hin und her. Der Umfang der Einstellmöglichkeiten ist grandios. […]
Sehenswert
Das PROBLEM von POKÉMON Schwert und Schild!
(youtube.com, m00sician, 00:31:35)
Ein hervorragend recherchierter Überblick über die aktuellen Probleme der Pokémon-Spiele. Die Wurzel steckt weitaus tiefer als Fan-Aufschreie es vermuten lassen und bedarf radikaler Umwälzungen auf Produktionsseite. [pg]
Abgedrehtes, realistisches Leveldesign | Control
(youtube.com, Gamesground, 00:10:01)
Jonas‘ Video replizierz ein Stück von Controls Skurrilität und beleuchtet dabei, wie das Spiel von seiner Mischung aus Unberechenbarem und Vertrautem profitiert. [pg]
An Analysis of L.A. Noire
(youtube.com, DavidOZ, 00:41:27)
Eine wunderbar interessante und anschauliche Analyse dessen, was L.A. Noire rückblickend zu einem der interessantesten Titel der letzten Konsolengeneration macht. Hinter dem AAA-Gewand steckt ungewohnt viel Serious Game. [pg]
The RETURN of Survival Horror
(youtube.com, ThorHighHeels, 00:33:55)
Eine kurze Führung durch jüngste Releases und Entwicklungen im Survival Horror-Genre. Einige mehr, anderer weniger rückwärtsgewandt. Spielerisch und ästhetisch bedient die Indie-Szene aktuell verschiedene Geschmäcker. [pg]
Hörenswert
Pixeldiskurs-Podcast #154 – Gaming Disorder: Im Schatten einer Diagnose (mit Prof. Dr. Anne Mette Thorauge & Jurriaan van Rijswijk)
(Pixeldiskurs; 08.09.2019; 02:15:45)
In dieser Folge des Pixeldiskurs-Podcasts spricht Stefan Heinrich Simond unter anderem mit Prof. Dr. Anne Mette Thorauge und Jurriaan van Rijswijk über die Einstufung einer „Gaming Disorder“ als offizielle Krankheit und die Kritik an dieser Entscheidung. [ja]
Peter Molyneux Themenwoche
(The Pod; 04.09.2019 bis 06.09.2019; diverse)
- Peter Molyneux – Die Anfänge
- Peter Molyneux – Der Zenit und der Anfang vom Ende
- En Detail: Peter Molyneux – Das (vorläufige) Ende
Trotz Paywall an dieser Stelle eine große Hörempfehlung: André Peschke und Sebastian Stange von The Pod betreiben in diesem dreiteiligen Feature Biographieforschung am Fallbeispiel Molyneux. Eine gründlichere Recherche und Einordnung des Lebens und Wirkens des großen Geschichtenerzählers werdet ihr im Internet wahrscheinlich nicht finden. [ja]
Physik in Computerspielen
(WDR 5 Quarks; 20.08.2019; 00:06:42)
Ein kleiner, hörenswerter Beitrag des WDR zum Thema Physik in Spielen. [ja]
Games gehen ins Museum
(WDR 5 Scala; 20.08.2019; 00:12:12)
Nochmal WDR, diesmal zum (musealen) Ausstellungspotential von Videospielen und derer künstlerischen Eigenschaften. [ja]
Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt jeden zweiten Freitag auf SPIELKRITIK.com. Die vergangene Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.