Schwer zu glauben, aber fast 20 Jahre hat die Onimusha-Reihe nun schon auf dem Buckel. Der Erstling erschien 2001 zunächst für die PlayStation 2 und war das erste Spiel auf der damals brandneuen Konsole, das mehr als eine Million Exemplare absetzen konnte.

In gerade einmal fünf Jahren brachte es die Reihe danach auf drei direkte Fortsetzungen und zwei Spinoffs. Alle vier Hauptreihenteile wurden mit hervorragenden Kritiken bedacht, die in Wertungen meist in den hohen 80ern mündeten, und trotz der schnellen Folge der Veröffentlichungen war kreativer Stillstand nie ein Thema. Jean Reno hatte einen denkwürdigen Aufritt in Teil drei und sogar eine Verfilmung der Reihe durch den Regisseur Christophe Gans (Der Pakt der Wölfe, Silent Hill) stand unmittelbar bevor, scheiterte dann aber an terminlichen Schwierigkeiten.

Doch auch als Videospiel-Franchise beschränkte sich Onimushas Ruhm auf eine einzige Generation. Bereits 2006 war wieder Schluss. Onimusha: Dawn of Dreams, der vierte Hauptreihenteil, verkümmerte im Schatten der damaligen Next-Gen-Konsolen. Der Sprung auf die PlayStation 3, die Xbox 360 oder auch die Nintendo Wii gelang der Serie nie und wurde noch nicht einmal ernsthaft versucht. So loderte die Flamme von Onimusha zwar hell, verlosch aber auch schnell wieder, und Capcoms Ankündigung eines HD-Remasters im vergangenen Sommer kam nach der jahrelangen Stille durchaus überraschend. Nun ist Onimusha: Warlords für alle aktuellen Heimkonsolen und den PC als Download neu erschienen.


Samurai in der Dämmerung

In der Rolle des Samurai Samanosuke Akechi folgen wir – Super Mario 64 lässt grüßen! – dem postalisch zugestellten Ruf einer Prinzessin in Nöten, und stolpern kurz nach unserer Ankunft auf Burg Inabayama in eine abstruse Geschichte um einen zurück ins Leben geholten Nobunaga Oda und Dämonen verschiedener Couleur. Von Zeit zu Zeit steuern wir auch die weibliche Ninja Kaede – ein gelungener und willkommener Sidekick – und erleben vorübergehend zwei Handlungsstränge parallel. 

Um Illusionen gar nicht erst aufkommen zu lassen: Das Alter der Vorlage ist dem schlichten, aber rundum kompetenten HD-Remaster in allen Bereichen anzumerken. Ähnlich wie Sega bei der HD-Neuveröffentlichung von Shenmue, beschränkt sich auch Capcom auf das Notwendige und hat zuvorderst die Grafiken hochgerechnet und die Steuerung modernisiert: Letzteres äußert sich darin, dass wir unsere Helden nun auch mittels Analogstick durch die heute wie damals vorgerenderten Umgebungen manövrieren dürfen. Befremdlich mutet dabei an, dass wir mit einem Klick auf den linken Stick die Levelkarte aufrufen, was in der Hitze der Gefechte allzu leicht und deshalb vor allem ungewollt geschieht – eine Möglichkeit, die Tastenbelegung anzupassen, bleibt uns das Optionsmenü leider schuldig.

In visueller Hinsicht ist vom einstmals so empfundenen Fotorealismus nicht viel geblieben und dass wir hier eine PlayStation 2-Umsetzung vor uns haben, ist stets offensichtlich. Mit modernen Spielen kann Onimusha: Warlords deshalb nicht konkurrieren. Trotzdem ist das grafische Gesamtbild in sich sehr stimmig. Die hochskalierten Umgebungen fand ich auch nach heutigen Maßstäben noch düsterschön und atmosphärisch. Die Polygonmodelle der Figuren sind ansprechend animiert und die Gesichter der Helden realitätsnah, ohne aber ins berüchtigte „uncanny valley“ abzurutschen. Vor allem ihre präzise Mimik hat mir gefallen. Seit jeher fiel die Onimusha-Reihe außerdem dadurch auf, einige ihrer Figuren nach realen Schauspielern zu modellieren. Im Falle von Onimusha: Warlords betrifft das den Protagonisten, für den Takeshi Kaneshiro Modell stand, welcher euch aus Chungking Express oder House of Flying Daggers bekannt sein könnte.

Die japanischen Stimmen aller Figuren wurden neu eingesprochen und tragen durch ihre Professionalität viel zum angestrebten Ernst der Geschichte bei. Das lässt sich auch über den orchestralen Soundtrack sagen: Aus urheberrechtlichen Gründen konnte Capcom den Originalsoundtrack nicht verwenden und ließ neue Stücke komponieren. Deren Qualität übersteigt das, was man von einer solchen Ersatzlösung erwarten durfte, und ist für mich ein heimliches Highlight des Spiels.


Zwischen Resident Evil und Devil May Cry

Spielerisch ist dagegen alles beim Alten: Onimusha war auch nach damaligen Maßstäben eher konservativ und kommt deshalb heute recht archaisch daher. Es orientiert sich eng an der Formel, die die klassischen Resident Evils etabliert hatten und die 2001 auch schon wieder fünf Jahre alt war. Das tat auch das famose Dino Crisis, das deshalb als Resident Evil mit Dinosauriern verschrien war. Onimusha hingegen unterscheidet sich von seiner Blaupause nicht nur kosmetisch, sondern auch spielerisch, und zwar in Hinblick auf den deutlich höheren Actionanteil, zu dessen Gunsten die Survival-Elemente reduziert wurden.

Der Reiz des Gameplays liegt aber genau wie bei Resident Evil in seinem angenehmen und motivierenden Spielfluss – einem fein balancierten Mix aus Kämpfen, einfachen Rätseln und Erkundung. An die Stelle des Ressourcenmanagements treten Rollenspielelemente, die überdies dafür sorgen, dass Onimusha ein sehr zugängliches Spiel ist: Wenn es euch an Geschicklichkeit fehlt, dann levelt ihr einfach eure Schwerter. Das dauert nicht lang und geschieht durch das Einsaugen der Seelen besiegter Dämonen, von denen die meisten erneut auftauchen, nachdem wir ein Areal verlassen haben. Allerdings ist das Kampfsystem ohnehin nicht sehr komplex und so braucht es neben den normalen Angriffen eigentlich nur die Blocktaste und den gelegentlichen Einsatz eines waffenspezifischen Spezialmanövers. Etwas zu umständlich gestaltet sich lediglich der Gebrauch der beiden Fernwaffen – Langbogen und Gewehr – die deshalb nur in wenigen Situationen wirklich nützlich sind.

Eine andere Gemeinsamkeit mit Resident Evil ist das hohe Wiederspielpotential: Onimusha ist sehr kurz und nie künstlich in die Länge gezogen. Mehr als fünf Stunden dürften die wenigsten für ihren ersten Spieldurchlauf benötigen, eher weniger, zumal ein leichter Schwierigkeitsgrad diesmal vom Beginn an ausgewählt werden darf. Bei nachfolgenden Durchläufen könnt ihr von etwa drei Stunden ausgehen. Das ist nicht viel, doch immerhin ist Warlords heute auch kein Vollpreisspiel mehr – und wer es nur einmal spielt, der verpasst eine stattliche Anzahl von Geheimnissen, die zum Wiederspielen und Erkunden einladen. Weniger einladend, sondern tatsächlich richtig ärgerlich, ist allerdings der Umstand, dass die meisten Videosequenzen sich auch beim erneuten Durchspielen nicht überspringen lassen.


Fazit

Zur Hochzeit der PlayStation 2 hatte ich als GameCube-Besitzer auf kaum eine Reihe so neidisch geschielt, wie auf Onimusha. Fast zwei Jahrzehnte später bot sich mir nun endlich die Gelegenheit, mit Samanosuke gegen Fürst Nobunaga und seine Dämonenarmee ins Feld zu ziehen – und es kommt wahrlich nicht oft vor, dass ich ein Spiel direkt am ersten Abend komplett durchspiele. Und am folgenden Abend gleich noch einmal. Und innerhalb derselben Woche auch ein drittes Mal. Daran zeigt sich, wie fesselnd Samanosukes Abenteuer auch heute noch ist – aber auch, wie auffallend schnell es doch vorbei ist, was für viele Spielerinnen und Spieler wohl der größte Kritikpunkt sein dürfte. Die höchst kompetente technische Umsetzung rundet das Gesamtbild ab: Die kann das Alter des Spiels zwar nicht kaschieren, bietet aber auch nie Anlass zur Kritik. Ich für meinen Teil freue mich auf hoffentlich kommende Remaster der Fortsetzungen! [sk]


Diese Kritik erschien zuerst im April 2019 in Ausgabe #9 des GAIN-Magazins. Ein kostenloser Download-Code wurde mir bzw. dem GAIN-Magazin vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

Für die aktuelle Print-Ausgabe #10 des GAIN-Magazins schrieb ich den Artikel „Fleischeslust – Pandora’s Tower zwischen Mythos und Misogynie“ und spreche darin unter anderem über das ambivalente Frauenbild des Wii-Geheimtipps. 

Das Heft ist am 30. Juni erschienen und kann auf gain-magazin.de bestellt werden. Es kostet 5 Euro oder 8 Euro für die Förderausgabe und umfasst 94 Seiten.


Onimusha: Warlords
Capcom, 25. Januar 2019
Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, Windows PC (Steam)
Director (des Originals): Jun Takeuchi
Producer (des Originals): Keiji Inafune


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