Hattet ihr schon mal einen Job, für den ihr durchaus qualifiziert, aber in der Praxis viel zu planlos wart? Gerade für Quereinsteiger heißt es manchmal „fake it till you make it“. Doch waschechte Digital Natives arbeiten sich mit wenig Zeitverlust in solche Situationen ein. Man wühlt sich durch Software, weiß genau, wo man nicht klicken sollte und wo man ungefähr das Ziel der aktuellen Aufgabe vermutet. Notfalls hilft eine flotte Google-Suche oder eine Frage an die kompetenteren Kolleginnen und Kollegen. Observation, das neue Spiel der Stories Untold-Entwickler No Code, ist entgegen des ersten Eindrucks kein Horror-Spiel. Es ist ein Spiel über Medienkompetenz.

In Observation steuern wir die wohl inkompetenteste Raumschiff-KI seit Douglas Adams’ Hitchhiker’s Guide to the Galaxy. Wieso die abtrünnige KI von Observation so inkompetent ist? Nun, die Antwort liegt in der Prämisse des Spiels: Denn welcher Mensch kann schon denken wie eine Maschine? Durch die Irrungen und Wirrungen des menschlichen Gehirns ist der Weg von Befehl zu Ausführung nur selten geradlinig. Was passiert also, wenn Astronautin und Protagonistin Emma Fischer ihrer Bord-KI SamOS eine Aufgabe erteilt? Das Gameplay beginnt!


„Können Sie den Befehl nochmal wiederholen?“

Als SamOS schalten wir uns über verschiedene Kameras und Drohnen quer durch die dutzenden Räume der Raumstation. Mittels Zooms und Hacks interagieren wir mit dem Schauplatz. Meist bedeutet das die Bedienung von Soft- oder Hardware mittels kurzer Puzzles. Sowohl die Puzzles als auch die Fortbewegung durch die authentisch gestaltete Raumstation sind überaus stimmig. Nur sind sie letztendlich nichts anderes als ein glorifiziertes Point and Click-Adventure. Und was machen wir in Point and Click-Adventures? Herumprobieren, bis wir die Lösung finden! (Oder frustriert in einen Walkthrough spähen…)

Da dauert eine simple Aufgabe wie „Sam, suche die Koordinaten für XYZ!“ durchaus etwas länger. Das erste Problem ist das Finden des gewünschten Zielortes. Die Station ist eng und verwinkelt. Durch die Schwerelosigkeit rotieren und bewegen wir uns auf sämtlichen erdenklichen Achsen. Die First-Person-Kamera ist entweder langsam, unpräzise oder beides. Grund dafür ist unter anderem die authentische Simulation der Drohnenphysik in Schwerelosigkeit – immersionsfördernd, aber spielhemmend.

Haben wir ein Ziel gefunden, interagieren wir meist mit uns völlig unbekannten Schaltflächen. Die Unwissenheit der Spielenden und somit auch der KI wird diegetisch dadurch erklärt, dass SamOS nach einem Schiffsunglück an digitalem Gedächtnisverlust leidet. Besser als gar keine Erklärung für den lethargischen Computer. Dennoch sollte eine Bord-KI, quasi das Gehirn der Raumstation selbst, nicht so planlos durch den Cyberspace stolpern wie zumindest ich es häufig tat.

Trotz der ludonarrativen Dissonanz funktioniert die Erzählung über die letzten Überlebenden einer Raumstation und ihre abtrünnige KI ausreichend gut. Die KI ist deutlich behäbiger als Stanley Kubricks und Arthur C. Clarkes HAL 9000, aber die Spannung ist vorhanden. Spannung, kein Horror! Denn wie soll Horror entstehen, wenn wir selbst das Monster spielen?


Das User Interface als Grafikblender?

Highlight des Spiels sind das visuelle Design der Raumstation und vor allem die Gestaltung der spielinternen Nutzeroberflächen. Dass bei Observation Mitglieder des ehemaligen Alien Isolation-Teams am Werk waren, wird sofort deutlich. Das UI Design ist charmant und stimmig ans ikonische und minimalistische Analog-Design des ersten Alien-Films angelehnt. Es lädt uns auf immer wieder neue Art ein, mit Knöpfen und Schaltflächen zu experimentieren; leider auf häufig sehr eindimensionale Weise.

Die Lösung der meisten Rätsel besteht schlicht darin, das richtige Knöpfchen zu finden oder die richtigen Symbole und Zahlen in der richtigen Reihenfolge auszuwählen. Observation fordert uns primär dazu heraus, uns blitzschnell an immer wieder neue Nutzeroberflächen anzupassen. Selbst das reguläre Pause-Menü des Spiels, in welchem wir diverse Funktionen des Schiffes kontrollieren, ist bewusst komplexer aufgebaut als gewöhnliche Spiel-Menüs.

Letztendlich sind all diese Ideen aber „nur“ interessant statt wirklich mitreißend oder anregend. Die größten Stärken des Spiels sind sein atmosphärisches Design und seine Originalität in Prämisse und Ausführung. So lobenswert dies auch ist, so unbeeindruckt ließ Observation mich zurück. [pg]


Observation
No Code / Devolver Digital, 21. Mai 2019
PS4, Xbox One, PC
Director / Writer / Art Director / UI Designer: John McKellan
Lead Designer: Graeme McKellan