In letzter Zeit hätte ich gerne mehr gespielt. Ich kam jedoch nicht wirklich dazu, und obwohl man beileibe nicht von einer Spiele-Flaute sprechen kann (ein kurzer Blick auf den Releasekalender der letzten Monate reicht aus, um sich vom Gegenteil zu überzeugen), hat mich die Mischung aus mangelnder Zeit, einem stetig wachsendem Berg an potentiell interessanten Spielen und der ungenügenden Lust, mich mit einem umfangreichen Titel zu beschäftigen, in einen Zustand der zeitweisen spielerischen Immobilität versetzt.

Aber auch ohne die fokussierte Beschäftigung mit vereinzelten AAA-, AA- oder Indie-Hits lässt sich das liebste Hobby eben doch nicht ganz abstellen. Ich bin wirklich kein Smartphone-Spieler (zum einen kenne ich den Markt nicht gut genug, zum anderen empfinde ich selten die Lust, das Objekt, auf das ich eh schon oft genug starre, als eine weitere Spiele-Plattform zu benutzen), aber manchmal gibt es dann doch den ein oder anderen Titel, der mein Interesse weckt. Das waren in der Vergangenheit beispielsweise Lifeline, Monument Valley oder auch das fantastische My Child Lebensborn.

Seit mehreren Monaten jedoch befindet sich auf meinem Smartphone lediglich ein einzelnes Spiel. Ich glaube, es handelt sich um den hirnlosesten und gleichzeitig befriedigendsten Titel, den ich seit langem gespielt habe. Wenn es, sofern man den Argumentationen mancher Kritiker glauben darf, tatsächlich Kulturprodukte zum „Hirn ausschalten“ gibt, dann geht besagter Titel noch einen Schritt weiter: Er lässt das Gehirn und alles Geistige abdriften in einen Zustand völliger Mediation und gleichzeitig völliger Nichtigkeit. Das Spiel, von dem ich rede, ist das 2014 erschienenen Desert Golfing.

In Desert Golfing golft ihr in einer Wüste. Das ist schon alles. Euer Ball liegt am linken Ende des Feldes, das zu erreichende Loch irgendwo am rechten. Versenkt ihr den Ball, scrollt das Spiel einen Bildschirm weiter. Das war es. Was sich mit jedem geschafften Loch verändert, ist lediglich die minimalistisch gestaltete geometrische Beschaffenheit des Feldes. Es gibt kein Menü und keine Einstellungsmöglichkeiten. Startet ihr die App, landet ihr einfach immer direkt beim letzten Loch. Als wollte das Spiel euch bereits damit mitteilen: „Es gibt keinen Anfang, es gibt kein Ende, aber es gibt Golf.“ Desert Golfing zelebriert den Moment des Spielens und klammert alles „Weltliche“ aus. Es gibt keine Highscore-Statistiken, es gibt keinen expliziten, vom Spiel vorgeschriebenen Fortschrittsgedanken. Es gibt nur die eigene Person und die jedes Mal von Neuem auf null gesetzte Konfrontation mit dem Spielfeld.

Die einzigen beiden Anzeigen, die das Spiel enthält, sind die Gesamtzahl eurer Schläge und die Nummerierung des jeweiligen Lochs. Und selbst diese blendet man irgendwann aus. Es entsteht kein Frust, denn es geht um nichts. Es gibt keinen Ehrgeiz, denn ihr konkurriert mit nichts. Es existieren nur ihr, der Ball, und die sanfte Ziehbewegung eures Fingers auf dem Touchscreen; und das so lange, bis ihr einige Zeit später verträumt aus der Spiel-Meditation aufwacht, und euch fragt, was ihr die letzten Minuten eigentlich getan habt. Desert Golfing bietet ein Spielerlebnis, das mehr mit einem zeit- und ambitionslosen Spielzeug aus Kindheitstagen verglichen werden kann. Mit schnöden Holzbauklötzen zum Beispiel, aus denen man einen Turm baut, nur um ihn einzureißen und kurze Zeit später von neuem zu errichten. Es bietet die reinste paidia, das sorgenlose, spontane Spielen ohne Hintergedanken, die durchdringendste aller Eskapismusformen (sofern man eine Empfänglichkeit für eigensinnige meditative Golf-Erfahrungen hat). Es ist vor allem die absolute Zeitlosigkeit dieser minimalistisch gestalteten Erfahrung, die mich dann doch immer wieder für die ein oder andere Viertelstunde zurück in die monochrome Wüste von Desert Golfing zieht. Es ist dieses eine Spiel zum unbeschwerten Abschweifen, dass wir alle gelegentlich brauchen. Und diesen Zweck erfüllt es für mich vorzüglich. [ja]