„It’s a competitive world“, wussten schon Depeche Mode zu singen. In Spielen, beim Spielen und bei der Entwicklung von Spielen, scheint sich diese Feststellung noch einmal potenziert zu bestätigen. Und damit willkommen zur 114. Ausgabe von Lesenswert, natürlich auch diesmal mit freundlicher Unterstützung von Sehenswert und Hörenswert. Anlässlich der Langen Nacht der Computerspiele nahmen wir uns letzte Woche eine Pause, sodass die heutige Ausgabe ganz besonders vollgepackt ist:

Den Anfang macht ausnahmsweise ein englischsprachiger Artikel einer großen Publikation, der allerdings so spannend und bedenkenswert ist, dass man ihn unbedingt gelesen haben sollte. In unterschiedliche Richtungen knüpfen daran an Fabian Fischers Gedanken zum Menschenbild kompetitiver Spiele und Rainer Sigls Forderung nach Games von „artgerecht gehaltenen“ Entwicklern. Einige Monate älter, aber noch immer akut lesenswürdig sind Lisa Ludwigs Eindrücke von der Arbeit bei Rocket Beans TV sowie Jan Fischers Ausflug durch die plastikglatte Welt eines Sex-MMORPG. In weiteren Meldungen: Wenn Spiele mehr über uns wissen, als uns lieb ist; eine folkloristische Erklärung für das, was bei Sekiro hinten raus kommt; und Stimmen zum 30. Geburtstag des GameBoy.

Bei Hörenswert geht es auf ein Bier um Schwierigkeitsgrade, um Workification, Hypnospace Outlaw und Return of the Obra Dinn. Bei Sehenswert geht es ebenfalls um Obra Dinn, um den GameCube-Geheimtipp P.N. 03, den N64-Geheimtipp Space Station Silicon Valley und um Star Citizen, sowie um die Fusion aus J-Pop und Jazz. Genaueres sagen euch Pascal und Johannes weiter unten selbst.

Damit viel Spaß, ein schönes Wochenende, und bis in zwei Wochen! [sk]


Lesenswert

‚I’d Have These Extremely Graphic Dreams‘: What It’s Like To Work On Ultra-Violent Games Like Mortal Kombat 11
(kotaku.com, Joshua Rivera)

[…] Eventually, the developer says they saw a therapist, who diagnosed them with PTSD. They attribute this to their work on MK11—not just the content of the game and having to process and discuss its violent cinematics frame by frame, but also being surrounded by the reference materials artists used for research. “You’d walk around the office and one guy would be watching hangings on YouTube, another guy would be looking at pictures of murder victims, someone else would be watching a video of a cow being slaughtered,” they said. “The scary part was always the point at which new people on the project got used to it. And I definitely hit that point.” […]

Das Menschenbild kompetitiver Spiele
(ludokultur.de, Fabian Fischer)

[…] Doch auch Entwickler können einiges unternehmen, um den Umgang der Spieler mit ihrem Werk entsprechend zu beeinflussen. […] Spieler müssen nicht gesondert dafür belobigt werden, ihre “Feinde” möglichst spektakulär “vernichtet” zu haben. Die dazu in aller Regel notwendigen Fähigkeiten erworben zu haben, ist bereits ein Wert an und für sich. Es müsste ja nicht immer gleich um die “Tötung” oder “Zerstörung” der Gegenspieler gehen. Deutlich weniger drastisch wirkt beispielsweise die Darstellung der Spielsituation als fiktive Sportart (Minion Masters) oder als mehr oder minder freundschaftliches Tavernen-Duell (Hearthstone). Der Ton macht die Musik. […]

100-Stunden-Woche: Her mit dem Gütesiegel „Games aus Freilandhaltung“!
(derstandard.at, Rainer Sigl)

[…] Was jedoch noch besser wäre, statt zu verzichten: jene Spielehersteller und Publisher zu unterstützen und zu bestärken, die ihre Mitarbeiter besser behandeln. Deshalb, liebe Publisher, Studios und Unterhaltungsmogule: Zeigt uns, dass ihr eure Mitarbeiter nicht wie Käfighennen haltet! Was es dazu braucht, wäre eine Kennzeichnung, die uns Konsumenten sagt, bei welchen Spielen keine Crunch-Todesmärsche, keine Erschöpfungszusammenbrüche und keine zerstörten Familien als Kollateralschaden zu ihrer Fertigstellung „nötig“ waren. […]

Eine Woche bei Rocket Beans TV: Im Internet ist nichts wichtiger als die Community
(vice.com, Lisa Ludwig)

[…] „Was wir machen, ist so strange, dass ich mich manchmal frage, was ich machen würde, wenn es das nicht mehr geben würde“, sagt Etienne Gardé und wirkt nachdenklich. Er scrollt durch Fotos auf seinem Laptop, trotz aller Erfolgsgeschichten scheint er noch immer damit zu rechnen, dass das Projekt Internetsender jeden Moment vorbei sein könnte. Endlich hat er das Bild gefunden, nach dem er gesucht hat: Ein Fan hat den Charakter gemalt, den Gardé in einem der letzten Pen-and-Paper-Rollenspiele gespielt hat. „Ist das nicht geil?“ […]

Fröhlich am Freitag 18/2019: Kühnerts kühne Konzepte
(gameswirtschaft.de, Petra Fröhlich)

[…] 80 Prozent des globalen Spiele-Umsatzes werden von gerade einmal 25 Aktiengesellschaften erwirtschaftet, allen voran Tencent. Diese 25 Firmen entscheiden darüber, was entwickelt und gespielt wird: Plattformen, Geschäftsmodelle, Genres, Budgets. Weite Teile der großen AGs – egal ob Activision Blizzard, Electronic Arts, Take-Two oder Ubisoft – befinden sich in Händen von Vermögensverwaltern, Investment- und Pensions-Fonds, Großbanken. […]

außerdem bei Gameswirtschaft: Arbeitszeit-Urteil: Die Reaktionen der Games-Branche

1000 neue Arten, Ihren Partner* zu betrügen
(wasd-magazin.de, Jan Fischer)

[…] Ich spiele 3DXCHAT mit einem weiblichen Avatar. […] Nachdem ich herausgefunden habe, wie ich die Kamera bewegen kann, lasse ich sie um Kazoo rotieren. Ihre Augen scheinen mir die Welt mit einer recht gesunden Scheißegal-Einstellung zu betrachten. Das schwarze Kleid fällt genau richtig. Ihre Haut ist plastikglatt, ein wenig glänzend, kein Fältchen irgendwo, keine Hautunreinheit. […] Das Spiel ist so gebaut, dass es sich einhändig steuern lässt. Es kennt für weibliche Avatare keine andere Kleidung als knappe, für männliche keine anderen Penisse als steife. […]

The dangers of in-game data collection
(polygon.com, Patrick Stafford)

[…] “There’s a sequence in Shattered Memories where you’re walking down a corridor, and it normally takes about 15 seconds. But there is a conversation between the main character and his wife for 30 seconds — the game tracks if you listen or ignore it,” he says. “Based on that, and some other variables, it gives you the ending that you deserve.” It’s these types of miniscule decisions that flesh out a psychometric profile of a player. While this isn’t a regulated psychological test by any means, Barlow says, the consequences of collecting the data are becoming starker. “What happens if in 10 years you don’t get a job because the game reveals you’re not a team player?” he says. […]

The folklore roots of Sekiro’s anus-ball snatching enemies
(eurogamer.net, Ewan Wilson)

[…] It’s here a particularly distressing animation plays out. Seizing you, the Headless wrenches a pale clump from your rear-end, holds it in the air victoriously, and finally reaches back behind its own arse to devour whatever it is it just removed. Accompanying the animation are various meaty groans and fleshy pulsations. […] The kappa relate to bums in more ways than one. These yōkai are the source of many an ancient horror tale. Matt tells me they’re known to „emerge from the depths to drown swimmers or passer-bys for their shirikodama (literally ’small anus ball‘)“. […]

30 Jahre Game Boy | Pressesammlung
(dmgpage.com, power_channard)

[…] Auch zum 30. Geburtstag des Game Boy möchte ich an dieser Stelle eine kleine aber feine Pressesammlung veröffentlichen. […]

Looking Back at the Brilliant Marketing of the Game Boy Advance 15 Years Later
(goombastomp.com, Ricky D. Fernandes)

[…] Whoever Nintendo hired to create the commercials for the Game Boy Advance were seriously at the top of their game. These commercials are essentially short stories that tell us the only way to secure pleasure, popularity, security, happiness and/or fulfillment is through buying more Nintendo products – and who could argue with that? In a sense, it is like an evil empire, but it sure is fun to observe. […]


Sehenswert

Space Station Silicon Valley
(youtube.com, Nitro Rad, 00:28:14)

Was haben Rockstar vor GTA gemacht? Unter anderem diesen experimentellen 3D-Platformer fürs N64! NitroRad betrachtet das Spiel in vollem Umfang – sowohl aus einer modernen Perspektive, als auch im Kontext seiner Zeit. [pg]

A Personal Exploration of Star Citizen
(youtube.com, Writing on Games, 00:21:24)

Man vergisst leicht, dass Star Citizen seit Jahren irgendwo im Hintergrund vor sich her köchelt. Hamish Black stürzte sich blind in die aktuelle Version und schildert uns aus der Perspektive eines Außenstehenden, wieso sich um das Spiel so ein Kult gebildet haben könnte. Inklusive einiger wirklich interessanter Gedanken zu unpolierten Spielen und was uns an ihnen fasziniert. [pg]

Mixing Jazz and J-Pop
(youtube.com, Adam Neely, 00:11:10)

Adam Neely hat mit Spielen eigentlich nichts am Hut. Er ist Jazz-Bassist. Letztens spielte er mit einer Band, die japanische Musik neu interpretiert und war begeistert von der einzigartigen Energie japanischer Spiele- und Anime-Soundtracks. Das Video bietet ein spannendes analytisches Interview mit dem Saxophonisten besagter Jazz-Band, welches die Musik, die wir kennen und lieben, in neues Licht stellt. Vorsicht, die Tanzbarkeit dieses Videos ist ansteckend! [pg]

P.N.03 – Eine vergessene Perle des GameCubes?
(youtube.com, SpeckObst, 00:12:52)

P.N. 03 ist der obskurste unter den fünf großen Titeln, die Capcom damals (zeit)exklusiv für den Gamecube entwickelt hat. Erfahrt, wieso der kurzweilige Action-Titel von Resident Evil- und Metal Gear Rising-Schöpfer Shinji Mikami bis heute ein zwiespältiges Relikt seiner Zeit ist. [pg]

Return of the Obra Dinn Review
(youtube.com, Matthewmatosis, 00:14:45)

Matthewmatosis erklärt, wieso das viel gefeierte Return of the Obra Dinn auf einer fundamentalen Ebene strauchelt. Was sagen die Probleme des Spiels über das Detektiv-Genre an sich aus? [pg]


Hörenswert

Lucas Pope’s Return of the Obra Dinn
(The AIAS Game Maker’s Notebook; 02.05.2019; 00:56:09)

Weniger Interview als sympathisches Gespräch ist diese Ausgabe des AIAS Game Maker’s Notebook. In entspannter Atmosphäre spricht hier Spieleentwicklerin und Produzentin Robin Hunicke mit Lucas Pope, dem Schöpfer von „Papers, Please“ und „Return of the Obra Dinn“ über sein aktuellstes Machwerk. Eine menschliche und inspirierende Unterhaltung zweier Branchenveteranen, gespickt mit netten Anekdoten. [ja]

Das Computerspiel „Hypnospace Outlaw“
(Deutschlandfunk Kultur Breitband; 04.05.2019; 00:06:04)

„Hypnospace Outlaw“ ist wahrscheinlich eine der absurderen Spiele-Neuerscheinungen der letzten Zeit. Als eine Art Content-Moderator seid ihr hier in einer abstrakten, bunten und nostalgischen Interpretation des Internets der 90er unterwegs. Wieso das Spiel auch etwas über das Netz der Jetztzeit zu sagen hat, erläutert Dennis Kogel für den Deutschlandfunk. [ja]

Runde 214: Die Kunst des Schwierigkeitsgrades
(Gamespodcast; 12.05.2019; 01:44:30)

Zusammen mit Wolfgang Walk diskutieren Sebastian Stange und André Peschke von The Pod in dieser Sonntagsfolge über das vielbeschworene Thema des Schwierigkeitsgrades. Bereichert wird dieses Gespräch vor allem durch die Doppelperspektive von Wolfgang, als erfahrener Spiele-Designer zum einen und Spieler Ü50 zum anderen. [ja]

Pixeldiskurs-Podcast #138 – Workification
(Pixeldiskurs; 05.05.2019; 01:27:22)

Tobias Klös, Stefan Heinrich Simond und Natascha Balduf widmen sich in Folge 138 des Pixeldiskurs-Podcasts der Frage nach dem Sinn und Unsinn von Elementen der Workification (Arbeitslogiken) sowie von Darstellungstypen von Arbeit im digitalen Spiel. Wann und wie macht Arbeit in Spielen Spaß, wann führt dies zu Struktur und meditativen Entspannungserfahrungen, und wann zu ablehnendem Gelangweiltsein oder sogar anderweitig problematischen Ergebnissen? [ja]


Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt jeden zweiten Freitag auf SPIELKRITIK.com. Die vergangene Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.