Stellt euch vor, ihr liebt eure Wii U, aber niemand kauft euch eure Begeisterung ab. Bei vielen meiner Freunde könnte Nintendo als dritter Elternteil auf der Geburtsurkunde stehen; trotzdem musste ich monatelange Missionarsarbeit leisten, um sie davon zu überzeugen, dass Pikmin 3 und Bayonetta 2 ziemlich dufte Spiele sind. Ich warte bis heute auf meine Provision für das Dutzend Wii U-Konsolen, das wegen mir über die Ladentheke gewandert ist.

Ganz anders war es bei der Switch. Mein Bruder schrieb mir unmittelbar nach dem vagen Enthüllungstrailer, er wolle sich die neue Nintendo-Konsole vorbestellen – komplett ohne meine Indoktrination! Er wollte unbedingt im Garten Skyrim spielen.


Doch nicht nur meinen Bruder hat der Switch-Hype sofort gepackt. All die Leute, deren Gehirne ich für einen Wii U-Kauf waschen musste (und welche übrigens sehr zufrieden mit den Ergebnissen waren), hatten alsbald den neuen Nintendo-Hybriden… zumindest sofern die weltweiten Lieferengpässe dies zuließen.

Meine Freundin – normalerweise extrem geizig, wenn es um Spiele geht – kaufte sich ihre eigene Switch, weil sie auch dann ihren Splatoon-Rang ausbauen wollte, wenn ich selbst meine Switch stundenlang mit Celeste oder Golf Story belagerte.

Im Vergleich zu Wii U und 3DS war die Switch einfach sexy. Seit dem DS Lite kam kein Nintendo-System so nah an den Look und das Gefühl eines modernen Trendgadgets, dessen Berührung allein Freude bringt. Der Bildschirm ist groß, hell und farbenfroh. Er entblößt außerdem – anders als der 3DS – keine briefmarkengroßen Pixel. Der Touchscreen vollzieht endlich den Sprung vom Blackberry zum iPhone und macht fummelige Stifte überflüssig. Form und Farbe sind dezent, elegant und trendbewusst – sogar beim Neon-Modell.

Die Nutzeroberfläche ist blitzschnell und bedient klar die Kernanforderungen eines mobilen Spielesystems im Jahr 2017. Allein der flexible Standby-Modus sorgte dafür, dass ich Multiplattformspiele wie Rocket League selbst am TV lieber auf meiner Switch spielte. Denn die Switch ist nicht nur schneller eingeschaltet als meine PS4, sondern sogar schneller als mein Fernseher.


Schluss mit Rentnerwerbung

Ein großer Teil der Faszination Switch entstand durch Nintendos geschicktes Rebranding im April 2016. Auf Wiedersehen, Wii und Wii U! Auf Wiedersehen, Weiß und Grau! Ab sofort sind wir wieder rot! Rückblickend scheint es geradezu absurd, dass eine so quirlige und verrückte Firma wie Nintendo jemals unbunte Farben zu ihrer Firmenidentität erhoben hatte.

Zusammen mit diesem Wandel im Corporate Design tauschte Nintendo die Kinder und Senioren der DSi-Werbespots gegen die Demographie aus, deren gesamtes Leben – ob bewusst oder unbewusst – mit Nintendo verknüpft war: Millennials.

Der Werbespot, mit dem das rote Nintendo selbstbewusst in die Halbzeit des Super Bowl 2017 vorpreschte, erreichte Millionen von Menschen und zeigte ihnen, wie coole Mittzwanziger im Hörsaal oder im Waschsalon miteinander Switch spielen.


„Sowas kommt im echten Leben doch nie vor!“

Falsch! Allein im ersten Semester nach Switch-Release fuhren wir dutzende Runden Mario Kart 8 durch die Seminarräume der Uni Essen – häufig unter Beobachtung einer kleinen Zuschauermenge, die sich schnell rund um die Tabletop-Switch bildete. Natürlich alles nur während der Pausen.

Die Nintendo Switch ist wie ein Multimedia-Hasenbaby, welches man zu jeder Zeit aus dem Rucksack ziehen kann. Begeisterung und Neugierde sind fast immer vorprogrammiert. So wunderte es mich kaum, als ich schon wenige Wochen nach Launch die ersten Pendler sah, die im RE1 von Köln nach Düsseldorf eine lautstarke Runde Mario Kart genossen.

Die Switch ist eben wirklich überall einsatzbereit. Und weil sie weder für Kinder vermarktet wird, noch in irgendeiner anderen Weise Assoziationen eines Kindergeräts ermöglicht, packt man sie auch gerne überall aus. Mir hätte es kaum egaler sein können, was andere Leute dachten, während ich täglich im Bus auf meinem 3DS Karten für Etrian Odyssey-Dungeons zeichnete. Irgendwie fühlt es sich mit der Switch aber doch besser an.

Irgendwann im Sommer 2017 spielten wir selbst Mario Kart in der S-Bahn – zu dritt und nebeneinander auf den Klappsitzen im Gang. Wer innen saß, hielt die Switch, wer außen saß, bekam einen Joy-Con. Nach jeder Runde rotierten die Sitzplätze. Es fehlte nur die Kamera zur kitschigen Switch-Werbung.


There are places I remember…

Ist es nicht das, was die besten Lifestyle-Produkte ausmacht? Immer dabei und adaptiv für jede Situation? Einen iPod kann und will man am liebsten ständig und überall nutzen. Aus diesem Grund verknüpfen wir so viele Erinnerungen an Orte oder Erlebnisse mit bestimmten Liedern oder Alben.

Sonic Mania weckt bei mir die gleichen wohligen Erinnerungen an den Italien-Urlaub 2017 wie Odessey and Oracle von den Zombies an den Italien-Urlaub 2011. Auch bei Donkey Kong Country: Tropical Freeze und Octopath Traveler denke ich heute jedes Mal an meine Gartenliege im Global-Warming-Sommer 2018.

Wo wir gerade vom Sommer 2018 reden: Aus irgendeinem Grund habe ich mir letztes Jahr FIFA 18 geladen und wurde nicht enttäuscht, als meine Switch zum Renner während der WM-Halbzeiten wurde; vor allem bei meinen jüngeren Cousins, die ansonsten hauptsächlich Call of Duty und Fortnite auf ihrer PS4 spielen.

Mein Bruder hat wegen der horrenden Preise für Portierungen zwar bis heute kein Skyrim im Garten gespielt, aber wenn Nintendo selbst Capital Bra-hörende Teenager wie meine Cousins ohne Schamgefühl zur Switch lockt, ist die Hybrid-Konsole endgültig im allgemeinen Zeitgeist angekommen. [pg]


Welche Gefühle hegt ihr für eure Switch? Behandelt ihr den Hybriden anders als andere Konsolen oder merkt ihr keinen Unterschied zu Wii U und 3DS? Verratet es uns unten in den Kommentaren oder unter unserem Tweet zum Post!