Sekiro: Shadows Die Twice, das neue Spiel von From Software, macht so einiges anders als seine Vorgänger. Um geschicktes Parieren kommt man in diesem Titel nicht herum. Zudem wurde der gesamte Aspekt des Multiplayers aus dem Spiel verbannt – ein Aspekt, der in früheren Titeln jenes Studios, das sich mit Dark Souls und Co. einen Namen machte, nicht nur gemeinschaftliches Spielen erlaubte, sondern auch als potenzielle Hilfestellung in besonders knackigen Passagen diente.
Sekiro muss also anders verstanden werden. Schnell wurde im Internet-Diskurs das Narrativ angenommen, dass das Spiel durch die fehlende Koop-Komponente deutlich schwerer sei als seine geistigen Vorgänger. Es dauert nicht lange und: Tada, da war sie wieder, die altbekannte Diskussion über Schwierigkeitsgrade und der Frage nach Zugänglichkeit von Game Design. Twitter diskutierte eifrig und hitzig, doch wirklich vorankommen mochte das Thema, wie beispielsweise Daniel Ziegener in leicht polemischem Tonfall anmerkte, nicht wirklich:
Also, stellen wir uns einfach mal die grundlegende Frage: Über was genau reden wir hier eigentlich? Oberflächlich betrachtet erscheint der Diskurs wie folgt: Auf der einen Seite steht die Deutungshoheit der Spiele, deren Intentionen und aufgedrängte Spielweisen. Auf der anderen Seite der Wunsch, möglichst vielen Menschen jene Erlebnisse im gleichen Maße zukommen zu lassen, kurz, für Barrierefreiheit zu sorgen. Ist es wirklich schon so simpel? Wahrscheinlich nicht. Meiner Ansicht nach steht ein spezielles Dilemma ganz zentral im Mittelpunkt all dieser Diskussionen:
Was ist eigentlich DAS Spiel, von dem wir reden? Wie lassen sich Werke überhaupt in einer objektivistischen Sichtweise als intendiert und für eine Analyse berechenbar und statisch betrachten? Noch mehr als beispielsweise in der Literatur, bei der sich schon die Frage stellen lässt, ob eine nachträglich auf den Markt gebrachte und abgeänderte Fassung oder die Anpassung der Form (beispielsweise durch das Format des Hörbuchs), einen Einfluss auf das Konsum-Erlebnis haben, entzieht sich das Medium Spiel durch seine Andersartigkeit beinahe schon jeglichen Vergleichen mit anderen Kunstformen.
So haben wir nicht nur das Problem unterschiedlicher Versionen, Updates, Patches und DLCs, sondern auch ganz zentral die Komponente der spielenden Person, die hier, noch stärker als sonst, eine Autorenrolle einnimmt. Das „Kunstwerk“ Spiel kollidiert in dieser Verschmelzung mit etlichen verschiedenen Leben, die in ihren persönlichen Erfahrungen, kulturellen Einflüssen und individuellen Fähigkeiten unterschiedlicher nicht sein könnten. Darum vorweg: Es scheint mir der falsche Ansatz zu sein, sich eine Erscheinungsform von Entwicklerseite zu wünschen, die sich in exakter Form der eigenen Person anpasst.
Besonders interessant ist auch die Betrachtung des Aspekts der intendierten Spielerfahrung aus Entwicklerperspektive. Auch wenn ich eben von der Schwierigkeit eines Vergleiches mit anderen Medienformen sprach, so möchte ich hier kurz erwähnen, dass diese Vormachtstellung der Autorenfigur in der Literatur schon seit Jahrzehnten infrage gestellt wird. Anders als in Spielen jedoch hat dieser Paradigmenwechsel keine Veränderung der Rezeption hervorgerufen (Lesen ist immer noch Lesen) sondern vielmehr ein weiteres Feld im Bereich der Analysemöglichkeiten geöffnet. Wenn sich beispielsweise die Soulsborne-Spiele der letzten Jahre einen Ruf für forderndes Gameplay erarbeitet haben, das eine gewisse Einarbeitung abverlangt, dann zieht diese Lesart ihre Legitimation meiner Ansicht nach vielmehr aus der (kollektiven) Rezeption seitens der Spielenden, als aus irgendeiner Entwicklerabsicht. Auch hier gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen.
Auch wenn viele vielleicht schon mit dem Kopf schütteln werden, die Omnipräsenz dieses Themas mittlerweile satthaben und für sich selbst bereits die finale Antwort für all diese Fragen fanden, so lässt sich für mich dennoch festhalten, dass das Dilemma, um das es hier geht, keineswegs simpel und die Diskussion dringend notwendig ist. Dabei geht es jedoch weniger um die Frage nach Schwierigkeitsgraden, sondern mehr um die Eigenschaft der Performanz des Mediums selbst. Die vermeintliche Statik von Spielen wird schließlich schon seit Ewigkeiten auf die Probe gestellt – die globale Modding-Community ist dafür nur ein besonders herausstechendes Beispiel. Die Frage ist, wie wir in Zukunft mit dieser Essenz von Variabilität und Adaption des Spielprozesses umgehen werden, und inwiefern diese im Spannungsfeld einer tatsächlichen Statik und „Geplantheit“ seitens der Spiele steht. Genau diese, daraus entstehenden und teils sehr arbiträren Sichtweisen auf das Medium und seine Spiele erfordert noch exaktere Diskussionen und „Erfahrungsberichte“ als bei anderen Kunstformen.
Wichtig für all das ist zweierlei: Zum einen, dass die Spiele, um welche es im Diskurs gehen soll, die Chance auf eine gerechte und faire Analyse, sowie sachliche Einschätzung bekommen – das schließt mitunter ein, dass immer von Fall zu Fall diskutiert und jedem Einzelfall (idealerweise) auch genügend (Spiel-)Zeit gewidmet wird. Zum anderen ist eine Art des Diskurses essentiell, die nicht zur Flucht in das eigene Ego führt und sich nicht verschließt vor dem Infragestellen der eigenen grundsätzlichen Positionen.
Wenn wir über Spiele reden, dann sollten wir uns zudem möglichst davor hüten, einzelne Aspekte, wie die Frage nach der Schwierigkeit, als isoliertes, der Gesamtheit des Spiels entrissenes Faktum zu betrachten. Ich würde sogar soweit gehen, dass das Konzept eines auswählbaren Schwierigkeitsgrades sich selbst bereits im Weg steht. Stattdessen sollten wir vielleicht unsere Analysen von der Frage ableiten, was genau die Verantwortung eines Entwicklers gegenüber der Spielerschaft im Kern eigentlich definiert. Das Minimalziel, das ein Spiel erreichen sollte, kann möglicherweise folgenderweise dargestellt werden: „Ein Spiel muss gespielt werden können.“
Eine objektive Sichtweise auf Spiele ist innerhalb der Qualitätsdebatte nicht möglich. Genau so wenig umsetzbar ist eine perfekte, generelle Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Spieler. Was bleibt, sind lediglich die eigenen subjektiven Sichtweisen der Spieler auf das Spiel, das „gespielt werden können“ muss, und das als ganzheitliches Design-Produkt mit der individuellen Empfänglichkeit der Spieler zu wechselwirken hat.
Lasst uns diskutieren, ob Spiel X als fair, in sich kohärent und in seiner eigenen Art besonders wahrgenommen werden kann. Aber lasst uns Zeit nehmen für unsere Spiele, und dann auch wirklich mit Argumenten diskutieren, die in nachvollziehbarer Weise genau die Konzepte beschreiben, die ein gewisses Spiel darbietet. Lasst uns über die Wirkung von Sekiro sprechen und darüber wie ein ganzheitliches Spielgefühl erzeugt und empfunden wird, welches Frustration und vielleicht sogar das „Verschlossenbleiben“ an dem ein oder anderen Punkt miteinbeschließt. Und dann lasst uns darüber austauschen, ob wir dieses Spiel-Erlebnis als bereichernd empfunden haben oder nicht. Für all das brauch es keine generalisierten „Easy-Modi“ – lediglich (subjektiv) „gute“ oder „schlechte“ Spiele. [ja]
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Nicht ganz „einfach“ ist passenderweise auch dein Artikel, der sich mir erst nach mehrmaligem Lesen und längerem Nachdenken so richtig erschloss. :D Aber da stecken unheimlich viele interessante Denkanstöße drin und ich freue mich darauf, eine Diskussion über Schwierigkeitsgrade zu führen, die über diese werturteilende Gut-Schlecht-Dichotomie hinausgeht. Im Unterschied zu manch anderem Artikel zu Thema, die sich die Sache viel zu einfach machen (etwa https://behind-the-screens.de/2019/04/02/sekiro-easy-mode-warum-ist-leicht-so-schwer/) hat mich dein Text auf viele neue Gedanken gebracht, die ich dir teilweise ja schon im Lektorat mit dir geteilt habe.
Gerade der Punkt, dass es keine Patentlösung für alle Spiele geben kann, scheint mir aber einer der wichtigsten zu sein, und in diesem Zusammenhang finde ich auch das neue Format Git Gud von The Pod sehr spannend, das Nina Kiel und Dennis Kogel dort machen. Das geht nämlich ebenfalls über diese allgemein werturteilende Dimension hinaus und legt den Fokus darauf, auf welche Weise ein Spiel „schwierig“ ist und wie sein Schwierigkeitsgrad das Spielerlebnis beeinflusst.
Besonders faszinierend finde ich aber auch solche Spiele, die eine Bandbreite von Schwierigkeitsgraden mit sich bringen, ohne aber den Schwierigkeitsgrad als simple Einstellungsmöglichkeit vor Spielstart zu begreifen (was in 99% aller Fälle zumindest nicht de beste, oft sogar eine sehr defizitäre Lösung ist, meine ich). Ich denke, dazu werde ich tatsächlich anhand von einigen Fallbeispielen mal etwas schreiben, sobald die Zeit es zulässt.
Ein anderer Punkt, den ich besonders unterstreichen möchte, ist der, dass „Spielen“ in der aktuellen Diskussion Schwierigkeitsgrade oft mit „Durchspielen“ gleichgesetzt wird, als ob ein Spiel nur dann tatsächlich erfahren werden könnte, wenn der Spieler in der Lage ist, es komplett (oder zu überwiegenden Teilen) durchzuspielen. Dass aber auch ein fortwährendes Scheitern im zweiten Level eine Art von Spielerfahrung ist, bleibt dabei meist auf der Strecke. Dieses bedeutungstragend, sinnhafte Scheitern ist aber für sich ein so interessantes Thema, dass ich da zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal separat drauf eingehen mag.
Im Übrigen sehe ich auch keinen tiefgreifenden Unterschied zu anderen Medien, dessen Existenz ja immer mal wieder behauptet wird. Was in Videospiele das Meistern bzw. Bewältigen ist (und dabei oft an motorische Fähigkeiten gebunden), ist im Film oder in der Literatur das Begreifen (und dabei eher an kognitive Fähigkeiten gebunden). Und medienübergreifend immer auch eine Frage des Geschmacks und anderer Dispositionen, die an sich schon den Zugang zu bestimmten Werken verhindern können. Mir scheint, dass das oft gerade von gebildeten Leuten übersehen wird, die das Problem der kognitiven und emotionalen Nichtfassbarkeit kaum kennen, vermeintlich zu schwierige Spiel aber schon.
Es gäbe noch viel mehr zu sagen, aber das soll reichen für den Moment. Schwierigkeitsgrad in Videospielen – in superspannendes Thema, wenn man es denn richtig angeht! :D
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Freut mich, dass dich der Text selbst inspiriert hat und danke für das Lob!
Das neue Format von The Pod gefällt mir auch sehr gut – mir kommt es nämlich in diesem Schwierigkeitsgrad-Diskurs oft so vor, als würde man da einfach von einem „magischen“ Faktum ausgehen und den (spielmechanischen) Ursprung dieses Gefühls ein wenig unterschlagen und marginalisieren. Deswegen finde ich die ganze Debatte um Easy Modes auch so schwachsinnig, da sich diese Diskussionen einfach beim besten Willen nicht generalisiert führen lassen.
Den Schwierigkeitsgrad als simple Einstellungsmöglichkeit zu Beginn eines Spiels halte ich tatsächlich ein wenig für ein „historisches Überbleibsel“, außer einer Zeit, von der sich Spiele inzwischen eigentlich größtenteils emanzipiert haben. Mittlerweile sind Spiele so weit, dass sie Mechanik und Narration immer mehr verweben und ihre diegetische Welt mehr ausnutzen denn je. Am liebsten hätte ich diesen Gedanken im Artikel noch ein wenig konkreter ausgeführt, denn: In meiner ganz persönlichen Vorstellung von gutem Design ist dieser „extradiegetische“, also sich außerhalb der Welt befindende Auswahlmodus von Schwierigkeit der Möglichkeit einer geschickten Anpassung dessen durch die Mechaniken INNERHALB des Spiels deutlich unterlegen.
Das faszinierendste Argument in deinem Kommentar ist für mich tatsächlich die Bemerkung dazu, dass für viele scheinbar nur das tatsächliche Komplettieren (oder zumindest das „Durchspielen“) als sinnreiche Spielerfahrung gewertet wird. Ich kann dich da nur ermutigen, tatsächlich etwas darüber zu schreiben, denn ich glaube, das Thema wäre tatsächlich eine Goldgrube für interessante Reaktionen.
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Dem kann ich mich nur anschließen. Es ist natürlich nicht so, dass ich es nicht auch Spiele und Genres gibt, die mit einer simplen Auswahlmöglichkeit des Schwierigkeitsgrades sehr gut funktionieren. Einige erweitern auf diese Weise auch ihren Wiederspielwert ganz deutlich, wenn etwa ein besonders hoher Schwierigkeitsgrad es möglich macht, die frühen Levels eines Spiels auf einem Herausforderungsniveau zu spielen, das dort zunächst unangebracht wäre. Und selbst wenn es bei einem Spieldurchgang bleiben soll, ist eine solche Option eine angenehme Art, festzulegen, wie viel Zeit man mit einem Spiel verbringen möchte. So wähle ich heute immer häufiger den Easy-Mode, gerade dann, wenn ich mir nicht sicher bin, ob ein Spiel etwas für mich ist, und ich gern möglichst viel davon in möglichst kurzer Zeit erleben wollte. Als Jugendlicher wählte ich hingegen oft direkt den Hard-Mode, weil ich mich direkt möglichst tief in ein Spiel reinarbeiten und möglichst viel Zeit damit verbringen wollte. Allerdings zeigt sich auch dabei schon das Problem, dass sich in vielen Fällen einfach nicht abschätzen lässt, wie schwierig die einzelnen Schwierigkeitsstufen tatsächlich sind und ob etwa der Normal-Mode tatsächlich der Modus ist, der die am besten feingestimmte Herausforderung bietet?
Ich will aber nicht noch weiter bzw. nicht schon wieder über Hard-Modes und Easy-Modes sprechen, da wir auf diese Weise eigentlich nur ein Design-Element austarieren, das in meinen Augen (und so verstehe ich auch deinen Kommentar) ohnehin eine zweitklassige Lösung der Problematik Schwierigkeitsgrad ist: Es gibt unzählige weitaus bessere Möglichkeit, ein Spiel – auch ein in Relation zu anderen Spielen vermeintlich besonders schwieriges Spiel – a) sehr zugänglich und b) für unterschiedlich versierte Spielergruppen herausfordernd zu gestalten. Einige dieser Möglichkeiten werde ich, wie gesagt, vielleicht einmal in einzelnen Beiträgen vorstellen. Aber generell fallen mir zwei Prämissen ein:
a) Das Spiel sollte auch dann „spielenswert“ sein, wenn an vollständiges Durchspielen kaum zu denken ist. Wenn ein Spiel nur dann Vergnügen bereitet bzw. nur dann ein erfüllendes Spielerlebnis bietet, wenn der Spieler darin möglichst konsequent voran und bis zum Ende kommt, dann versagt das Spiel auf einer zentralen Ebene. Gute Spiele motivieren auch dann, wenn ihre Spieler über das zweite Level nie hinauskommen.
b) Das Spiel sollte Zugänglichkeit als effektive Vermittlung seiner Regeln und Herausforderungen verstehen. Ich stehe seit ein, zwei Konsolengenerationen immer häufiger vor (AAA-)Spielen, die auf der einen Ebene so „einfach“ sind, dass ich fast nie sterbe und wenn doch, dann an fast derselben Stelle wieder neu starten kann – auf einer anderen Ebene aber so komplex und „schwierig“, dass sich mir ihre Spielmechaniken einfach nicht ausreichend erschließen. Und wenn ich solche Spiele dann von Anfang bis Ende durchspielen kann, ohne dass ich in diesen 20-40 Stunden z.B. ihr Kampfsystem wirklich verstanden habe – weil das weder notwendig war, noch jemals eine ausreichende Erklärung erfolgte – dann ist das kein maximal erfüllendes Spielerlebnis. Wenn diese Spiele besser darin wären, uninformierten Spielern ihre Mechaniken und Möglichkeiten zu vermitteln (oder sie besser dosiert einzuführen), dann bräuchten sie nicht so „einfach“ zu sein.
Im Moment erlebe ich das gerade wieder bei GTA V. Ich verstehe kaum, was ich eigentlich tue oder tun muss, kann die Missionen aber trotzdem erfolgreich abschließen. Doch viel Spaß macht das nicht. Und kein Schwierigkeitsgrad-Schieberegler könnte dieses Problem lösen.
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Vielleicht kannst du näher beschreiben, inwiefern du findest, der Text mache es sich zu einfach? Das kann ich insofern zunächst nicht nachvollziehen, als dass das Gefühl für mich komplett umgekehrt ist: Der Text macht es sich sehr schwer, eine einfache Aussage zu verdeutlichen: Ich sehe keinen Schaden durch anpassbare Schwierigkeitsgrade.
Der „Easy-Mode“ ist ein Buzzword in der Diskussion, das erstmal leicht zu verstehen ist, offenbar aber auch zu Missverständnissen führt. Es geht dabei nicht um die von Johannes heraufbeschworenen, ‚extradiegetischen‘ Schieberegler. Das ist schließlich nur eine von vielen Möglichkeiten von ‚Anpassbarkeit‘. Wie man so etwas realisiert und welche Mittel man dazu nutzt, ist natürlich eine andere (interessante) Frage. Diese wiederum lässt sich nicht beantworten, ohne sich mit der spezifischen Ästhetik eines Spiels zu befassen, wie Johannes ja auch vorschlägt. Das wäre ein nächster Schritt in der Kette.
Johannes argumentiert, dass die subjektive Rezeption im Vordergrund steht und man deshalb nicht objektiv oder generalisiert über (die Empfindung von) Schwierigkeit sprechen kann. Aber genau an der subjektiven Empfindung knüpft die Idee von Anpassbarkeit an: sie trägt der Tatsache Rechnung, dass es sehr unterschiedliche Empfindung zur selben Sache gibt und sehr unterschiedliche Rezeptionsformen. Ein Kernargument für Anpassbarkeit ist deshalb, dass gerade beim Medium Spiel viel weniger als bei anderen Medien im Vordgerund steht, dass man sich auf das Objekt einlassen muss; die Vielzahl von Rezeptionsformen spricht dafür, dass Rezipierende sich gerade digitale Spiele besonders zu eigen machen.
„Ich spiele so.“ – „Ich habe das so gemacht“ – „Ich spiele Skyrim nur mit Mods“ etc.
In diesem kulturellen Kontext kann ich die Abwehr von Anpassbarkeit des Spielerlebnisses nicht nachvollziehen.
Ich denke durchaus, dass man generell über das Konzept einer solchen Anpassbarkeit sprechen kann – unabhängig vom konkreten Spiel. Es ist ja eben nicht der Schieberegler gemeint, das ist schon viel zu spezifisch (wie der Begriff Easy-Mode leider auch suggeriert..) Wenn ihr Undertale gespielt habt, könnt ihr euch in diesem Kontext vermutlich vorstellen auf welche anderen interessanten Weisen man ‚Anpassbarkeit‘, auch im Sinne von Schwierigkeit, realisieren kann.
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Noch eine letzte Anmerkung zu etwas anderem: Ich glaube nicht, dass digitale Spiele im Hinblick auf Rezeptionshürden / Gatekeeping mit anderen Medien gleichzusetzen sind. Das Bewältigen in Spielen ist eben nicht das Begreifen in anderen Medien. Deshalb nicht, weil auch Spiele mit dem Begreifen beginnen. Sei es das Begreifen der Mechaniken oder das der Narrative. Auf der Ebene des Begreifens kann ich Let’s Plays schauen und nachvollziehen. Um ein Match League of Legends mitzuverfolgen, muss ich auf dieser Ebene verstehen, was dort passiert. Ich muss die Regeln und Mechaniken, die Abläufe und Prozesse des Spiels verstehen. Kafka oder Bach nicht zu kapieren, ist wie eine Übertragung von LOL oder Fußball nicht zu kapieren. Wir alle kennen den Unteschied zwischen „besser wissen“ wie man den Ball jetzt kicken sollte und es tatsächlich auch selbst zu können.
Wenn es um das Spielen geht, muss ich nicht nur die Prinzipien kapieren, sondern auch selbst aktiv werden. Hier folgt der Rezeptionsebene eine Performanzebene, die völlig neue und andere Anforderungen stellt. Natürlich weiß ich bei Plattformern, dass ich all die Abgründe übespringen muss. Ob ich es aber auch schaffe, erfordert ganz andere Fähigkeiten (z.B. motorische). Insofern ist es vergleichbar damit, ein Stück von Bach (auf einem Instrument) zu spielen oder an einem Fußballspiel teilzunehmen, ansttatt an einer Fernsehübertragung.
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In allererster Linie möchte ich die Art und Weise dieser Diskussion rund um den Buzzword-Begriff Easy-Mode kritisieren. Ich möchte mich nicht kategorisch für die eine oder andere Seite „entscheiden“, sondern lediglich einen anderen Ansatz vorschlagen. Mein Ausgangspunkt hierbei wäre eine, sagen wir mal „ästhetische Kritik“, die sich das Spiel und seine Möglichkeiten zur „Spielgestaltung“ anschaut und aus dem subjektiven Betrachtungspunkt heraus eine Bewertung stattfinden lässt. Eine gewisse „Spielbarkeit“ und „Fairness“ könnte dabei als Qualitätsmerkmal gesehen werden, das ein gewisses Spiel (aus einer subjektiven Sicht heraus) erfüllen muss. Denn absolut niemand findet Gefallen am Gefühl der Zeitverschwendung und der Unfairness. Spiel X liegt nun vor uns, und wir bewerten anhand unserer Spielerfahrung, inwiefern die Möglichkeiten des Spiels eine Spannweite für spielinterne Anpassungsmöglichkeiten bieten.
Sowas fängt ja nicht bei einem integrierten Easy-Mode (wie auch immer dieser aussieht) an, sondern beinhalt beispielsweise auch schon ganz simple Dinge wie gewisse Items, die kurzzeitige Vorteile verschaffen können. Oder es handelt sich eben doch um den simplen Schieberegler, den wir zum Start vieler Spiele eben zu sehen bekommen. Auch hier ist das völlig subjektiv, wie man es findet, wenn Schwierigkeitsunterschiede „nur“ daraus bestehen, Feinde schwächer und die eigene Figur stärker zu machen. Ich selbst würde beispielsweise vorziehen, dass mehr Spiele diese Anpassungen in ihre Spielwelt verlagern.
Der Ansatz, dem Spielstil jedes einzelnen potentiellen Spielers gerecht zu werden, scheitert im Grunde schon im Kern in seiner Umsetzbarkeit. Im allerbesten Fall ist vielleicht eine Annäherung an Manche möglich, während Weitere dennoch „auf der Strecke“ bleiben und keinen (spielerischen) Zugang finden werden. Deswegen finde ich es auch falsch, von Spielehersteller-Sicht eine solche individuelle Anpassung zu erwarten – eine Anpassung an eine sich ständig verändernde und sich entwickelnde Spielerschaft, die zu (be)greifen wahrscheinlich viel schwieriger ist, als es dieser Ansatz von sich behauptet.
Die Modding-Community ist für mich da etwas ganz anderes. Die Werkzeuge, um Spiele zu adaptieren, sie umzubauen und zu modifizieren gehörten schon immer zum Medium. Dem weltweiten Ideenreichtum und Ansprüchen einer globalen Modding-Community kann ein einzelnes Entwicklerstudio niemals gerecht werden. Wenn sich eine gewisse Spielerschaft um einzelne Modding-Communities und ihre Erzeugnisse schart, dann wurde hier in meinen Augen auch etwas „Neues“ erschaffen, das wieder einer neuen Rezeption bedarf.
Ich möchte keine „Abwehr von Anpassbarkeit des Spielerlebnisses“ betreiben, sondern stelle aufgrund der – in meinen Augen – Unumsetzbarkeit dieses Ansatzes das Spiel in seiner vorliegenden Form und unter Einbeziehung seiner Möglichkeiten in den Mittelpunkt einer subjektiven Kritik. Deswegen wäre mein Plädoyer: Fordert mehr (subjektiv) gute Spiele, und nicht generalisiert gewünschte Gesetzmäßigkeiten.
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Einen kurzen Nachsatz habe ich noch: Die Frage nach Accessibility ist für mich tatsächlich noch mal eine andere. Wenn jemand beispielsweise durch eine spezielle körperliche Beeinträchtigung entweder gar nicht oder nur mit großer Anstrengung ein Spiel spielen kann, ist das ein Problem, bei dem ich mich natürlich auch freuen würde, wenn Entwickler von Soft- und Hardware sowie die Modding-Community gemeinsam daran arbeiten würden, um für Lösungen zu sorgen. Hier scheitert das Spielen ja auf dem Weg von der Person zur Eingabe: Es müssen also Lösungsmöglichkeiten gesucht werden (ein Beispiel wäre der Adaptive Controller von Microsoft), um eine Eingabe zu ermöglichen, die dann ungefähr der des Großteils der anderen Spieler ähnelt.
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Das sehe ich auch als eigenständigen Themenkreis, der zudem in seiner Vielfältigkeit erst recht nicht durch eine einfache Forderung nach einem „Easy-Mode“ gelöst werden kann, sondern stellenweise regelrechte Adaptionen erfordert, die dann auch stets nur auf einen Teil der potentiellen Spieler zugeschnitten sein können.
Diese Diskussion allerdings am Beispiel eines bewusst schwierigen und exklusiven Spiels wie Sekiro führen zu wollen, während bei den meisten anderen, für Menschen mit körperlichen Behinderungen kaum weniger exklusiven Spielen kaum ein Gedanke auf diesen Aspekt verwendet wird, scheint mir aber auch äußerst widersinnig. Vor allem, wenn sie dann auch noch mit der um einen Easy-Mode vermischt wird, der etwa auch Spieler ansprechen soll, denen es schlicht nicht liegt, besonders viel Zeit und Frust mit einem einzigen Spiel zu verbringen.
Dabei werden Geschmack, Skill im Sinne von antrainierter Spielerfahrung und unterschiedlichste Formen körperlicher Beeinträchtigung gemeinsam in einen Topf geworfen, als ob das alles dasselbe wäre und auf dieselbe Weise gelöst werden könnte (oder mit derselben Dringlichkeit gelöst werden müsste). Schon der Genauigkeit bzw. Trennschärfe wegen böten sich andere Spiele als Fallbeispiele beim Thema Accessibility viel besser an. Vielleicht ist es aber gerade diese Möglichkeit zur Vermischung, die die Diskussion am Beispiel von Sekiro reizvoll macht, weil man sich so der Unterstützung durch Spieler sicher sein kann, die an der Frage nach Accessibility ansonsten kein besonderes Interesse haben…
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Kurze Antwort auf die erste Frage: Weil dein Artikel voller falscher Analogien ist und die Frage auf eine Schwarz-Weiß-Debatte reduziert, die der Komplexität des Themas nicht gerecht wird. Die Antwort, zu der du schließlich gelangst, ist deshalb auch keine Lösung für irgendetwas. Das liegt auch daran, dass die Auswahl der Gegenargumente, die du im Artikel dann nacheinander widerlegst, sehr selektiv ist, und Argumente darunter sind, die sich sehr leicht widerlegen lassen, wie etwa das überholte Ideal der „künstlerischen Vision“.
Für sich betrachtet mag deine Argumentation deshalb zwar schlüssig erscheinen, hat im Kern aber das Problem, dass sie die Rezipienten zum Maßstab eines Urteils macht, statt das Werk zu betrachten und aus diesem eine Antwort abzuleiten. Deshalb ließe sich die Argumentation auch ebenso leicht umkehren, wenn man sich nur drei Argumente für einen leichteren Schwierigkeitsgrade herausgreifen und diese auf dieselbe Weise widerlegen würde.
In weiten Teilen ließen sich dazu sogar dieselben Theorien heranziehen, die du in deinem Artikel nutzt, um für einen Easy-Mode zu argumentieren. Was du ohnehin auf, wie ich finde, oftmals sehr „kreative“ Weise tust (etwa im komplette Missverstehen von Ecos Theorie vom offenen Kunstwerk). Doch wie dem auch sei, ich sehe keinen Sinn darin, dieses binäre Denken in Fronten noch weiter zu verfolgen.
Im Sinne einer persönliche Präferenz ist der Wunsch nach einem Easy-Mode natürlich nicht weniger legitim als das Sich-Aussprechen dagegen, aber auf dieser Ebene macht die Diskussion für mich keinen Sinn, bzw. ist auf Dauer einfach nicht sehr interessant oder fruchtbar, weil sie über subjektive Vorlieben nicht hinauskommt; daran ändert auch die passiv-aggressive Einschränkung im Schlussabsatz deines Artikels nichts.
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Rein rational stehe ich bei der Debatte ein wenig zwischen den Stühlen. Ein Easy Mode tut absolut niemandem weh, der das Spiel lieber auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad spielen will… oder tut er es doch?
Es ist immer schwierig, bei so einer Argumentation nicht als „git gut“-dude rüberzukommen, aber ich würde die gesamte Soulsbornesekiro-Reihe DEUTLICH weniger lieben, hätte Bloodborne mir damals bei meiner ersten Berührung mit From Software nicht so deftig in den Arsch getreten.
Ich hing damals ÜBER ZEHN STUNDEN im Bereich VOR dem ersten Boss fest (bedingt durch einige extrem dumme Fehler) und war unmittelbar davor, das Spiel fallen zu lassen oder gar zu verkaufen.
Aber wie es halt so ist, habe ich irgendwann gemerkt, wie Bloodborne gespielt werden will (und auch, dass ich meine Waffen nach einiger Zeit reparieren muss…) – long story short: Heute gehört es zu meinen absolut liebsten Spielen aller Zeiten.
Ich bezweifle, dass Bloodborne dieselbe Wirkung hätte entfalten können, hätte es mir anfangs auch nur die Option gegeben, Samthandschuhe über die haarigen Krallen der Viecher auf der ersten Brücke zu stülpen.
Ich denke, es ist vor allem die Verlockung des Easy Mode, der viele Verfechter des singulären Schwierigkeitsgrades auf ihren Standpunkt beharren lässt… zumindest die, die keine elitären Douchebags sind.
Und gerade diese „Angst vor der Verlockung“ kann ausgerechnet von denen, die sich einen Easy Mode wünschen, nur schwer nachvollzogen werden. Klingt nun wieder nach elitärem Gehabe, aber es ist wirklich nicht so gemeint. Hätte Activision From Software dazu gezwungen, einen Easy Mode in Sekiro einzubauen, wäre meine Heugabel trotzdem im Keller geblieben. Meine Meinung zu dem Thema ist nicht allzu stur, aber WENN ich mich positionieren müsste, würde ich einen Standpunkt für den einheitlichen Schwierigkeitsgrad in dieser bestimmten Art von Spiel einnehmen – selbst wenn dadurch bedauerlichweise ein gewisser Gatekeeping-Aspekt entsteht.
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Gute Beobachtung, Pascal! Die „Verlockung des Easy Mode“ ist neben den ganzen Nebelkerzen eines der wenigen Argumente, die immer wieder aufkommen und ich finde es total faszinierend.
Hier lohnt es sich wirklich, nochmal darüber nachzudenken, was genau das bedeutet. Ich empfinde es zwar selbst nicht, aber es scheint ein Ding zu sein. Ich habe in DMC5 keine goldenen Orbs benutzt, weil ich es ohne diese Hilfe schaffen wollte – um es mir selbst zu beweisen und vor mir selbst nicht zu „schummeln“. Ob andere goldene Orbs benutzt haben, ändert für mich nichts daran.
Dennoch kann ich die Idee der Verlockung mittlerweile nachvollziehen. Das würde aber bedeuten, dass weniger die Schwierigkeit die entscheidende Ästhetik des Spiels ist, sondern die Kompromisslosigkeit und der Zwang. Das Spiel verlangt, dass man es nimmt wie es ist, nur und ausschließlich nach seinen Regeln und zwar auch noch ohne diese zu erklären. Aus einer Perspektive auf Spiele als Kunst kann am ehesten verstehen, diese Ästhetik bewahren zu wollen. Auf der anderen Seite klingt „Ich möchte meine Entscheidungsfreiheit abgeben, weil ich mir nicht zutraue mich richtig zu entscheiden“ auch etwas albern.
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