Dieses Feature stammt ursprünglich aus dem Jahr 2019 – bevor Returnal für PlayStation 5 angekündigt wurde.

Resogun ist der einzige PS4-Launchtitel, der zum Ende der Generation auf etlichen Game of the Gen-Listen landen wird. Von Kritikern gefeiert und per PS Plus-Abo an alle neuen Konsolenbesitzer verteilt, konnte der exzellente Arcade-Shooter dennoch keinen Mainstream-Hype erzeugen. Wieso?


Das finnische Studio Housemarque entstand 1995 aus den ersten kommerziellen finnischen Spieleschmieden Bloodhouse und Terramarque. Somit ist es Finnlands ältestes aktives Entwicklerstudio. Der Name Housemarque steht seit jeher für feinste Arcade-Actionkost – seit 2007 überwiegend mit Sony Interactive Entertainment als Publisher.

Der ganz große kommerzielle Durchbruch blieb jedoch bis heute aus. Deshalb kündigte Housemarque vor kurzer Zeit an, dem Arcade-Genre den Rücken zu kehren und sich mit Stormdivers am Battle Royale-Genre zu versuchen. Viele Fans sehen diese Abkehr als einen gewaltigen Verlust für ein gesamtes Genre.


„Save the last humans.“

Der PS4-Launchtitel Resogun ist wie eine moderne Evolution von Space Invaders – nicht ganz so simpel, aber ähnlich genial. In horizontalen ringförmigen Levels bekämpfen die Spieler*innen allerlei außerirdische Raumschiffe. Sämtliche Spielmechaniken wirken bis ins letzte Detail durchdacht und ausgearbeitet. Die Angriffsmuster der Gegner, die überwältigende, aber doch übersichtliche Bildsprache, die vielseitige Boost-Funktion, die sowohl für den Angriff, als auch für die Verteidigung genutzt werden kann… Hier wackelt absolut nichts.

Der eleganteste Kniff liegt im Micromanagement, das Resogun von erfahrenen Spieler*innen fordert: Als wäre die Verteidigung des eigenen Raumschiffs nicht schon schwierig genug, treiben Sammelgegenstände dazu an, nicht nur an einer Stelle zu verweilen. Die kleinen grünen „Menschen“ – noch abstrakter hätte man den Homo sapiens nicht darstellen können – wollen zügig befreit, aufgesammelt und in Sicherheit gebracht werden. Durch den ringförmigen Aufbau der Level kennt die Action keine Sackgassen und auf einem Breitbild-TV bleibt stets alles im Blick; selbst wenn es sich nur um grobe visuelle Signale im Hintergrund des Rings handelt. Gerettete Menschen belohnen Highscore-Jäger mit kostbaren Upgrades und Bonuspunkten.

Highscores? Wer interessiert sich heute noch dafür? Offensichtlich genug Leute, dass sich aus purem Zufall gleich zwei Vertreter der weltweiten Resogun Top 10 in meine Filterblase verirrt haben. Wer diese Leute einmal spielen gesehen hat, erkennt schnell, wie hoch das skill ceiling und wie rund sämtliche Mechaniken von Resogun wirklich sind.


Nex Machina – mehr als nur ein Twin-Stick-Shooter

Mit Nex Machina erschien 2017 der nächste Kritikerliebling von Housemarque für PC und PS4. Diesmal wirkte sogar Arcade-Veteran Eugene Jarvis (bekannt durch Klassiker wie Defender, Robotron: 2084 oder Cruis’n) beratend am Spiel mit. Trotzdem fiel der kommerzielle Erfolg noch schwächer aus als bei Resogun. Das ist besonders ärgerlich, weil Nex Machina Housemarques erste große Eigenveröffentlichung war… Und weil es das bis dato beste Housemarque-Spiel ist.

Wenn Housemarques Spiele so großartig sind, wieso leben sie seit Jahren in ihrer eigenen Nische? Am Genre kann es nicht liegen. Zugegeben, Twin-Stick-Shooter sind seit den Tagen von Geometry Wars auf Xbox Live Arcade ein so breit ausgetretener Pfad, dass es schwierig ist, einen neuen Zweig zu finden. Doch Titel wie Enter the Gungeon zeigen, dass Qualität und Originalität letztlich doch belohnt werden. Ist das der Roguelike-Bonus? Ging Enter the Gungeon nur durch die Decke, weil es einem aktuellen Trend folgte? Wieso wirkt der Begriff „Arcade“ im Gegensatz zu „Roguelike“ so viel weniger attraktiv? Die Ansätze beider Genres könnten kaum ähnlicher sein.

Beide Genres setzen voraus, dass Spieler*innen immer wieder bei Null beginnen und dabei Schritt für Schritt die Mechaniken des Spiels meistern. Der größte Unterschied ist, dass Roguelikes zufallsgeneriert sind, während – im Falle von Nex Machina – jeder einzelne Level so minutiös durchdesignt ist, dass der Hochglanz beinahe blendet.

Wer in Nex Machina den höchsten Schwierigkeitsgrad beenden möchte, wird wie in jedem Roguelike ein paar hundert Anläufe mit dem Spiel verbringen. Das Preis-Spielzeit-Verhältnis, nach dem so viele Roguelike-Fans lechzen, stimmt also. Nur ist der Lernprozess in Nex Machina viel geradliniger und dankbarer als in einem prozedural generierten Spiel.

Das Lernen der groben Muster und Herausforderungen hat auch hier Priorität, wird aber von einem Lernfortschritt in unzähligen Details unterstützt. Denn wie schon Resogun verleitet auch Nex Machina die Spieler*innen mit Upgrades und anderen Sammelgegenständen dazu, im Sekundentakt neue Entscheidungen zu treffen. Jeder Fehler tut weh.

Sämtliche der dutzenden Areale von Nex Machina bergen ihre eigenen Geheimnisse. Es ist unmöglich, alle gleich bei den ersten Anläufen zu entdecken. Es gibt keinen Run, der keine neuen Erkenntnisse birgt. Nex Machina verlangt, mit jedem Winkel der Level zu interagieren… so gut dies in einer Bullethell möglich ist.

Der Verzicht auf prozedurale Generation macht jeden Abschnitt fair und jeden neuen Anlauf gleichwertig. In Nex Machina gibt es keine Situationen, in denen ein Run wegen unvorteilhafter RNG nach zehn Minuten plötzlich fruchtlos wird. Es gibt kein Arsenal hunderter Waffen, von denen nur 75 brauchbar und 5 optimal sind. Jede der Sekundärwaffen Nex Machinas, vom Raketenwerfer bis zum Schwert, hat ihre Daseinsberechtigung und ist auf verschiedene Situationen und Spielstile ausgerichtet.


So poliert, es fehlen die Ecken und Kanten

Wenn Resogun und Nex Machina so großartig sind, wieso redet dann kaum jemand über sie? An der spielerischen Qualität liegt es nicht. Es braucht keine fünf Minuten Berührungszeit, um zu begreifen, wieso Housemarque ein talentiertes Studio ist. Nur sind zu wenige Spieler*innen daran interessiert, diese Kennenlernphase zu erreichen. Auf den ersten Blick wirken Housemarque-Spiele schließlich äußerst unscheinbar, beinahe schon generisch.

Egal ob Resogun, Nex Machina, Super Stardust, Alienation, Dead Nation oder Matterfall – keines der Spiele, die Housemarque in den letzten zwölf Jahren veröffentlichte, hat Charakteristiken, die beim Stöbern im PSN- oder Steam Store ins Auge springen. Die Artworks zeigen generische Sci-Fi-Kreaturen oder – im Falle von Dead Nation – noch generischere Zombies. Auch die Screenshots lassen nicht erahnen, dass es sich hier um mehr handelt als noch einen Twin-Stick-Shooter.

Enter the Gungeon hat seine wilde „alles besteht aus Waffen“-Prämisse sowie abstrus liebenswerte Pixelart-Charaktere. Allein dadurch ist es besser für Mundpropaganda geeignet; und auf diese sind Spiele dieser Art dringend angewiesen. Auch Resogun oder Nex Machina haben ihre eigenen visuellen Charakteristiken, doch springen diese weniger ins Auge.

Beide Spiele nutzen Voxel statt Polygonen und bekommen allein dadurch einen ungewohnt frischen Look. Wenn Housemarque diese circa 200 Millionen Voxel pro Level einsetzen, um den Bildschirm mit einem Feuerwerk zu füllen, ist der Wow-Effekt garantiert. Auch die Soundtracks aus dicken Synth-Teppichen haben zumindest einen gewissen Wiedererkennungswert.

Es mangelt den Spielen leider an distinkten Charakter- oder Gegnerdesigns. Jede Franchise braucht ein Gesicht. Winzige Space Marines oder Raumschiffe wie aus der Spielzeugkiste erfüllen diesen Job leider nicht. Arcade-Spiele brauchen keine tiefgründige Erzählung, aber es gibt einen Grund, wieso Pac-Man und seine vier Geister noch heute T-Shirts schmücken.

Es bleibt spannend, zu beobachten, wie Housemarque ihre jahrelange Virtuosität in Arcade-Action auf das Battle Royale-Genre übertragen werden. Auch Battle Royales stehen für kurzweiligen und intensiven Spaß. Housemarque haben ihre Komfortzone also nicht komplett verlassen. Ob ihnen in einer von Fortnite dominierten Welt, in der sogar PUBG und Call of Duty das Nachsehen haben, hier endlich der große Erfolg ins Hause fährt…? Wohl kaum, aber es bleibt ihnen zu wünschen. [pg]


Resogun
Housemarque / Sony Computer Entertainment, 15. November 2013
PS4, PS Vita, PS3 (PS Vita- und PS3-Portierungen von Climax Studios)
Creative Director: Harri Tikkanen
Lead Programmer: Harry Krueger

Nex Machina
Housemarque, 20. Juni 2017
PS4, Windows PC
Game Director: Harry Krueger
Lead Programmer: Tero Tarklainen

Quelle Bilder: Eigene Screenshots
Quelle Titelbild: Returnal Promomaterial