Es gibt ein Kirby-Metroidvania? Ein Vier-Spieler-Koop-Metroidvania? Für den Game Boy Advance? Wieso redet niemand über dieses Spiel? Dafür gibt es mehrere Gründe…
Kirby and the Amazing Mirror (2004) widerspricht dem Ruf der Reihe, nur aus kinderleichten Platformern zu bestehen. Auch in den jüngsten Kirby-Ablegern für Wii, 3DS und Switch gilt: Möchte man aus den Spielen zumindest ein Quäntchen Anspruch herauskitzeln, sollte man die Augen nach den hunderten optionalen Sammelgegenständen offenhalten.
Das lineare Durchspielen der Kirby-Titel mag immer noch ein dösiger Spaziergang sein. Doch vor allem der 3DS-Ableger (und Serienhöhepunkt) Kirby: Planet Robobot (2016) bietet mit seinen etlichen Collectibles spannende Abzweigungen vom roten Faden. Die Geheimgänge und Puzzles sind kein Enigma, bieten aber genau die richtigen kreativen Impulse, um unterforderte Spieler aufzuwecken.
Kirby and the Amazing Mirror für den GBA packt diese Erkundungselemente und dreht die Regler auf Anschlag. Dadurch wird es zum vielleicht anspruchsvollsten aller Kirby-Spiele… auf seine sehr eigene Weise.
Die Spielwelt von Amazing Mirror ist komplett non-linear. Jeder zweite Raum beinhaltet zwei oder mehr mögliche Ausgänge in komplett verschiedene Areale. So besteht der Anspruch dieses Kirby-Spiels nicht daraus, plump von Level A bis Level Z zu schweben. Stattdessen müssen Spieler den verschlungenen Weg zum Boss jeder der sieben Welten finden. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Die sieben Welten sind an allen Ecken und Enden wild miteinander verknüpft – teilweise durch Einbahnstraßen. Das Resultat dieses wirren Leveldesigns ist eine erstaunlich frische, andererseits aber auch frustrierende Kirby-Herausforderung. Auch wenn die Areale sich in ihrer visuellen Thematik stark voneinander abheben, fällt die Orientierung häufig schwer. Auch die minimalistische Ingame-Karte liefert bestenfalls passable Unterstützung.
So interessant das Konzept von Amazing Mirror ist – irgendwann kommt der Punkt, an dem man sehr lange buchstäblich im Kreis rennt. Türen, die sich nur zu einer Seite öffnen, waren schon in der Metroid-Reihe keine gute Idee, wurden dort aber immerhin nur äußerst selten eingesetzt. Die Navigation von Kirbys Spiegelwelt ist eine Aufgabe, die mehr als einen Kopf erfordert.
Ein nie kopiertes Metroidvania-Konzept?
Das andere große Alleinstellungsmerkmal von Amazing Mirror ist der Koop-Modus für bis zu vier Spieler. Gleich vorweg: Ich habe diesen Spielmodus nie selbst ausprobieren können. Denn wer hat schon vier GBAs, ein Gamelink-Kabel UND vier Kopien von Kirby and the Amazing Mirror? Das Spiel war schon damals nicht unbedingt Mainstream.
Dass kaum jemand diese GBA-Perle komplett ausreizen konnte, ist unglaublich ärgerlich. Denn der Koop-Modus nutzt die Stärken der Handheld-Plattform auf lobenswerte Weise. Kirby and the Amazing Mirror erfordert keinen Splitscreen. Die vier Spieler müssen sich aber auch nicht stets im selben Bildausschnitt aufhalten. Dadurch, dass alle Spieler ihre eigenen GBAs und Spiele benutzen, können sie die gesamte Spielwelt uneingeschränkt und völlig unabhängig voneinander erkunden.
Kirby 1 erkundet gerade Welt 5? Da wäre es doch ineffizient, noch drei andere Kirbys dasselbe Areal durchforsten zu lassen. Also reisen Kirbys 2, 3 und 4 auf eigene Faust in komplett andere Winkel des Spiels. Sollte jemand etwas Interessantes finden, lassen sich die Mitstreiter blitzschnell per Walkie-Talkie herbeiteleportieren.
Es ist so simpel, aber gleichzeitig so genial. Man stelle sich nur vor: Hollow Knight, Axiom Verge oder – man darf ja noch träumen – ein neues Metroid mit einem Koop-Modus, in dem alle Spieler die Welt autonom erkunden können.
Kirby war seiner Zeit voraus
Würden wir in diesem fiktiven Szenario erneut vor kleinen Handheld-Bildschirmen kleben? Wohl kaum. Das Konzept von Kirby and the Amazing Mirror passt perfekt zur Online-Infrastruktur moderner Konsolen. Alle Spieler haben ihren eigenen Bildschirm und ihre eigene Hardware, welche die Spielwelt unabhängig von den Aktivitäten der anderen Spieler berechnen kann.
Vielleicht könnte man sogar darauf verzichten, dass alle Spieler darauf angewiesen sind, ihr eigenes Exemplar von „Hollow Knight: Four Nails“ zu kaufen. Schließlich gaben uns bereits andere Koop-fokussierte Spiele wie A Way Out oder Far Cry 4 die Option, eine digitale „Gastkopie“ unseres gekauften Spiels mit Freunden zu teilen. Im Falle von A Way Out und Far Cry 4 beinhalten diese Gastkopien das gesamte Spiel. Allerdings kann der Gast seine Kopie nur starten, wenn er vom Originalkäufer zu einer Koop-Partie eingeladen wird.
So wäre die hohe Einstiegshürde von Kirby and the Amazing Mirror geschickt umgangen. Nun müssen die Entwickler nur noch auf Einbahnstraßen in einer 2D-Open-World verzichten und dem geselligen Erkundungsspaß stünde nichts mehr im Wege! [pg]
Kirby & the Amazing Mirror (dt. Kirby & die wundersame Spiegelwelt)
HAL Laboratory, Flagship, Dimps / Nintendo, 15. April 2004
Game Boy Advance, Wii U Virtual Console
Director: Tomoaki Fukui
Quelle Titelbild: offizielles Promobild von nintendo.co.uk
Screenshots: eigene Screenshots der Wii U Virtual Console-Version
Das klingt echt nach einem spannenden Spiel. Und auch wenn man das nicht 1zu1 vergleichen kann, musste ich an Triforce Heroes denken. Ich denke aber, dass so ein Kirby doch heute auf der Switch nochmal rauskommen könnte. Würde mit den Joycons ja eigentlich gut passen.
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Das herausragende an dem Spiel ist ja, dass es eben nicht umsetzbar ist, indem man einfach einen zweiten Controller an die Konsole koppelt.
Okay, auf den heutigen Fernsehergrößen wäre sowas wie Amazing Mirror in seiner Pixeloptik sicherlich auch im Splitscreen möglich, ohne die Übersicht zu verlieren.
Triforce Heroes oder selbst Four Swords Adventures sind da auch nicht ganz so laissez-faire wie Amazing Mirror. Hier werden die Spieler immer noch zu sehr beieinander gehalten.
Das wahrhaft bahnbrechende an Amazing Mirror ist ja, dass alle Spieler zu 100% autonom das Spiel erkunden können und dafür bräuchte wahrscheinlich jeder Spieler seine eigene Hardware und seinen eigenen Bildschirm.
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Ich habe immer das Gefühl, dass über die Kirby-Spiele sowieso allgemein wenig bis gar nicht geredet wird, nicht nur speziell bei diesem Vertreter.
Klingt jedenfalls sehr interessant, ich bin sowieso eher derjenige, der die experimentelleren Kirbys wie Magic Garn eher mag, und von den konservativen Vertretern wie Adventure Wii eher leicht gelangweilt ist. Wobei es jetzt eher so klingt, als wäre es leicht nervig, wenn man alleine versucht das Spiel zu erkunden.
Aber eine Neuauflage für Switch könnte ich mir auch vorstellen, immerhin hat Nintendo doch kürzlich ihren kostenpflichtigen Online-Dienst gestartet, da braucht man dann auch Spiele, die jene Gebühren rechtfertigen :D
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Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass es viele Kirby-Spiele tatsächlich kaum wert sind, dass darüber geredet wird, weil doch viel nach Schema F entwickelt wird und wurde, gerade auch auf den Handhelds. Unter der Masse dieser Titel ist es für etwas anspruchsvollere Spieler schwer, den Überblick zu behalten wenn dann doch einmal ein besserer Titel darunter ist – siehe das ziemlich gewöhnliche Kirby’s Adventure auf der Wii und Kirby Star Allies auf der Switch jetzt, wer die kennt, wird einem gelungenen Planet Robobot jetzt nicht unbedingt viel zutrauen. Auf der anderen Seite denke ich aber, dass Kirby gar nicht so sehr Nische ist, sondern auf seine Weise sogar recht nah am Mainstream – halt nur nicht die Art von Mainstream, die die Fachpresse bedient und über die „Vielspieler“ im Internet reden. Das letzte Mal, dass ich den Eindruck hatte, das wirklich Interesse da war, war bei Kirby’s Epic Yarn auf der Wii. Aber das war halt auch auch wirklich extrem hübsch anzuschauen.
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Oh ich möchte es Kirby auch gar nicht absprechen beliebt zu sein, sonst würden nicht so regelmäßig neue Einträge erscheinen. Ich finde es sowieso immer sehr interessant, was es da so an Franchises gibt, die nie Erwähnung finden, aber scheinbar doch munter gespielt werden.
Die Sherlock Holmes oder Nancy Drew Adventure Game Reihen beispielsweise, die über ein Dutzend Einträge haben, welche konsequent vom normalen Spieler und der Gaming Presse weg ignoriert werden. Oder das sehr lukrative Genre der Hidden Object Games. Oder um eine monetär sehr erfolgreiche Reihe zu nennen, Nintendos Style Savvy/Boutique, die regelmäßig an die 3 Millionen Einheiten kratzen, aber ob ihrer Thematik und Zielgruppe nie Erwähnung finden.
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Aber gerade die Handheld-Ableger sind doch meist die aufregenden Spiele (jetzt mal davon abgesehen, dass es seit dem N64 eh nur zwei Konsolen-Ableger gab).
Tilt n Tumble (2000) für den Game Boy Color war, sofern ich weiß, das erste Nintendo Handheld-Spiel mit Gyrosteuerung. Amazing Mirror… steht oben.
Das Spielkonzept von Canvas Curse (2005) für den DS wurde bis heute nur von Kirby’s Rainbow Curse (2015) auf der Wii U kopiert. Canvas Curse wurde damals, glaube ich, auch ordentlich von der Kritik gelobt.
Mass Attack (2011) für den DS ist ähnlich einzigartig und hat großartige Levelideen in Hülle und Fülle.
Auf dem 3DS gab es neben den Hauptteilen zig eShop-Spinoffs, die sich auf verschiedenste Weisen vom Kerngameplay der Reihe entfernt haben. Diese erweiterten größtenteils die zwei, drei Minispiele, die üblicherweise mit jedem Ableger der Hauptreihe als Bonus geliefert werden. Die eShop-Spinoffs waren zwar eher unspektakulär und ich habe selbst auch nur einen dieser Ableger gespielt (Blowout Blast), aber trotzdem war das immer zumindest neue Ansätze.
Die einzigen Experimente auf Konsolen waren wahrscheinlich Kirby’s Dream Course auf dem SNES (dieses Golf-ähnliche Spiel) sowie das grandiose Kirby Air Ride für den Gamecube.
Kirby’s Adventure Wii fand ich aber tatsächlich ziemlich gut. Die Kirby-Hauptreihe hat sich seit dem SNES augenscheinlich kaum verändert, aber gerade was optionalen Content und einzigartige Level Designs angeht, hat sich da viel getan. Deswegen sind Planet Robobot, der Wii-Ableger und Triple Deluxe auch meine drei liebsten Kirby-Spiele, während sich gerade solche Fan Favourites wie Super Star oder Nightmare in Dreamland ziemlich basic anfühlen.
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