Fast auf die Woche genau zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit ich am 21. April 2016 die erste Ausgabe unserer Rubrik „Lesenswert“ bei SPIELKRITIK veröffentlichte. Einhundert Ausgaben, 30 Monate und Hunderte Lesetipps später ist es an der Zeit, einmal kurz zurückzublicken – und über den Kurs für die Zukunft nachzudenken.

Und neue Leseempfehlungen gibt es natürlich auch. Viele. Richtig viele.


SPIELKRITIK.com war damals noch SPIELKRITIK.wordpress.com, war vier Tage jung und zwei Beiträge reich, und Lesenswert ist somit die älteste regelmäßige Rubrik auf unserer Seite. Von Anfang an als wöchentliche Reihe geplant, darf ich mit ein bisschen Stolz über meine Disziplin sagen, dass dieser Veröffentlichungsrhythmus meist auch eingehalten wurde, auch wenn es in den letzten Monaten etwas häufiger zu Unterbrechungen kam. Die längste dieser Unterbrechungen haben wir gerade hinter uns: Diverse Veranstaltungen, Fristen für Artikel für andere Publikationen, und generell der Zeitaufwand für die Administration einer inzwischen auf fünf feste AutorInnen angewachsenen Website forderten ihren Tribut. Hinzu kam, dass Ausgabe #100 – denn die habt ihr nun vor euch – eine würdige werden sollte.

Dabei startete Lesenswert als ganz und gar spontane Idee. Mit dem ebenfalls ziemlich spontanen Start von SPIELKRITIK mit WordPress.com als Hosting-Plattform, die aber auch eine Art Community ist, wurde ich zum ersten Mal ganz bewusst auf andere Spieleblogs aufmerksam und sah mich fast schon genötigt, die besonders originellen Beiträge, auf die ich recht bald stieß, mit meiner übersichtlichen, um nicht zu sagen kaum vorhandenen Leserschaft zu teilen. Mit Perfect Dark, Tingle’s Rosy Rupeeland und Eternal Darkness waren dabei drei meiner Lieblingsspiele der Inhalt der noch immer sehr „lesenswerten“ Empfehlungen der ersten Ausgabe.

Dass die Rubrik sich in den folgenden Monaten und Jahren zu einer unserer beliebtesten und, wenn ich ein etwas hochtrabendes Wort einmal verwenden darf, „renommiertesten“ Rubriken entwickeln sollte, hatte ich da nicht unbedingt erwartet. Schon früh entpuppte sich Lesenswert allerdings als eine wunderbare Möglichkeit, Kontakte zu anderen Blogs herzustellen – Kontakte, die schließlich auch die Keimzelle für die erste Auflage von GASTSPIELER bildeten, und damit wiederum den Grundstein legten für eine Version von SPIELKRITIK.com, die mehr umfasste als meine eigenen Interessen und Sichtweisen, und die sich schließlich zu unserer heutigen mehrköpfigen Redaktion fortentwickeln sollte.

Im Rückblick hat Lesenswert aber auch dabei geholfen, Kontinuität in meine Arbeit an der Seite generell zu bringen. Gewillt, den wöchentlichen Rhythmus einzuhalten, „musste“ ich mich allwöchentlich zumindest in einem gewissen Umfang mit neuen Inhalten für die Seite beschäftigen, wollte dabei aber auch immer vermeiden nur Lesenswert um Lesenswert zu posten, sondern wollte nach Möglichkeit immer mindestens einen eigenen Artikel dazwischen haben. Lesenswert war somit auch in Hinblick auf meine selbst verfassten Artikel Motivation und Kontrollinstanz zugleich, die mich einerseits zur baldigen Arbeit an neuen Artikeln anspornte, andererseits auch dafür sorgte, dass ich (meistens) nicht Monate mit dem weiteren Verbessern eines einzelnen Artikels verbrachte.


100.1

Bad North und die Prügel in der Jugend
(polyneux.de, Jannick)

[…] Vor über 10 Jahren war meine Insel die Bücherei. Im Gegensatz zu den Szenarien in Bad North war es ein sicherer Ort, der einzige sichere Ort, den ich damals kannte, noch sicherer als mein Zuhause, weil in meinem Zuhause meine Eltern warteten, die Videospiele und laute Musik für meine allgemeine Unlust verantwortlich machten, und ich nie den Mut fand, zu beichten, zu schreien, zu wüten, dass es eben keine Unlust ist, schließlich wäre Unlust geil gewesen, weil Unlust immerhin noch „Lust“ im Wort hat im Gegensatz zu „Selbstmordgedanken“. […]

Zelda 1 – auch auf Switch ein Hit
(kritischertreffer.com, Pascal Graßhoff)

[…] Wer denkt, dass nun die Nostalgie-verblendete Schilderung einer kindlichen Nordsee-Romanze mit Zelda 1 folgt, liegt leider falsch. Mein zehnjähriges Ich fand das Spiel absolut beschissen und war höchst irritiert über das erstandene Produkt. Das war also ein NES-Spiel. Meine erste Berührung mit Software dieser Konsole. […]

Star Fox Adventures and Some Deep Thoughts
(virtualbastion.com, duckofindeed)

[…] Fifteen years have since passed.  I live in a different house, in a different state, and I know entirely different people.  I guess what I’m trying to say is…it’s a really surreal feeling when everything in your life is different, and it occurs to you that the only thing that has remained unchanged in that moment is the game you’re playing and how it makes you feel.  Replaying this game, holding the very same controller in my hands that I had in my youth, made me feel as if a connection had been made to the past, a delicate thread that reminded me of child-like joy, a fleeting illusion that broke once the credits had finished rolling and the TV had been turned off for the night. […]


Bei alledem lässt sich aber auch nicht leugnen, dass sich die Bedeutung der Rubrik im Laufe der Jahre ein wenig gewandelt hat und ich neben Arbeit und Studium leider nur so und so viel Zeit in die Seite stecken kann, und so musste Lesenswert zuletzt manchmal ein wenig zurückstehen. Daneben ist aber auch SPIELKRITIK.com auf einem etwas anderen „Level“ angekommen, sodass die Wirkung der Verlinkungen für uns, für unsere Leserinnen und Leser und nicht zuletzt für die verlinkten Seiten heute etwas anders ist als früher. Ich will deshalb mit der Rubrik erneut eine kleine Kursänderung vollziehen, und die sieht wie folgt aus.

Und zwar soll es ein Stück weit „back to the roots“ gehen: Ich will mich mit meinen Empfehlungen wieder stärker auf die „kleineren“ Publikationen konzentrieren, auf nicht-kommerzielle Blogs, auf Kleinode, die bei Twitter und anderswo nicht ohnehin schon mit Dutzenden Retweets geteilt werden, nicht ohnehin schon den Social-Media-Diskurs bestimmen oder von der Reichweite kommerzielle Magazine profitieren. In diesem Geiste hatte ich vor ein paar Wochen, in Anlehnung an die frühen Tage, schon einmal eine WordPress.com-only-Spezialausgabe zusammengestellt, die zu einer der meist-aufgerufenen der letzten Monate wurde und mit dem Feedback der verlinkten Blogs das Flair der frühen Tage wieder etwas stärker aufkommen ließ.

Ein vollständiges Back to the Roots muss allerdings niemand befürchten – und eine dauerhafte Rückkehr zur ziemlich willkürlichen Beschränkung auf WordPress.com-Blogs ist auf keinen Fall geplant – aber ich möchte einfach wieder etwas mehr abseits des (manchmal deprimierend einseitigen) Presse-Mainstreams stöbern, die Blogging-Community wieder stärker in den Mittelpunkt stellen, und schließlich auch die kleine (aber sehr feine) Reichweite von SPIELKRITIK.com nutzen, anderen kleineren Seiten etwas mehr Aufmerksamkeit zu bescheren. Denn welch eine große Motivation eine Leseempfehlung sein kann, das weiß ich insbesondere aus den Anfangstagen von SPIELKRITIK.

Die andere Neuerung betrifft den Veröffentlichungsrhythmus. Auch weil die aktive Suche nach WordPress-Kleinoden und ähnlichem mehr Zeit beansprucht als eine Kompilation dessen, was mir ohnehin in die Social-Media-Feeds gespült wird, möchte ich Lesenswert zumindest vorerst auf einen 2-Wochen-Rhythmus umstellen. Im Gegenzug soll die Rubrik nun aber wieder regelmäßig und verlässlich an jedem zweiten Freitag erscheinen.


100.2

A Comprehensive Theory of EarthBound [siehe auch hier]
(withaterriblefate.com, Max Gorynski)

[…] In a decade that gave us a library of games about orphans, EarthBound reminded us how important fathers are to their sons. […] The notion of the absent patriarch has been with us at least since Homer wrote his Odyssey. Ness’ father is a Ulyssean figure in his absence, but he can be seen to play faithfully to that archetype in other ways; like Ulysses, Ness’ father is bold, acquisitive, and full of guile, to the point of exhibiting real dishonesty. […]

Sei Deinem Kind Ein Guter Vater!
(redridingrouge.com, Jana)

[…] Das Kind niemals in die eigenen Fußstapfen treten zu lassen, ist eine Maxime, der Kratos aber auch andere Videospielväter, wie Regis aus Final Fantasy XV, Corvo aus Dishonored, Alec Ryder aus Mass Effect: Andromeda und den schon eingangs erwähnten Geralt von Riva folgen. Es gilt die eigenen Fehler und Erfahrungen dem Kind nicht mit auf dem Weg zu geben. Das Kind nicht nach seinem eigenen Abbild formen. Viele Videospielväter wollen auf diese Art ihre Kinder schützen, ohne dabei ein tiefes Verständnis für zu entwickeln, was sie ihren Kindern eigentlich zutrauen können. […]

Wie man aus der Authentizitätsdebatte etwas mitnehmen kann… oder auch nicht
(crossmediaculture.de, Johannes Alvarez)

[…] Ich habe ein Geständnis zu machen: Ich bin froh, dass es die Debatte um Kingdom Come gab! Warum? Weil ich im Zuge dessen selbst einiges gelernt habe. Ich bin kein Geschichtsstudent, mein Verständnis zu historischen Darstellungen, sei es in Fachbüchern, Filmen oder sonstigen Medienformen war wahrscheinlich so ziemlich das eines Durchschnittseuropäers. Klischees über das Mittelalter und sonstige Epochen, die seit Schulzeiten quasi internalisiert wurden, haben auch meine Vorstellungen zum Geschichtlichen bestimmt […]. Und dann? […]

Rechte Agenda unter dem Mantel „historischer Korrektheit“? – Mein Beitrag zur Debatte um weibliche Generäle in Total War: Rome II
(videospielhistoriker.wordpress.com, bdbjorn)

[…] Sind die oben vorgebrachten Vorwürfe also in gewisser Weise nicht auch korrekt? Die klare Antwort lautet hier „Nein“, denn die „historische Authentizität“ wird hier aus anderen Medien abgeleitet und nicht aus der historischen Forschung. Anstatt aber zu hinterfragen, warum Rome II nun versucht (bzw. versucht hat), etwas an diesem Bild zu ändern, wird den Machern vorgeworfen, an der „unveränderlichen historischen Wahrheit“ zu rütteln. Dass diese Wahrheit jedoch aus anderen Medien kommt, die man selbst erstmal kritisch hinterfragen könnte, kommt solchen Leuten dabei nicht in den Kopf. […]


Darüber hinaus ändert sich bei der Auswahl der Inhalte nichts. Auf dem VSG Meet & Blog 2018 wurde ich gefragt, nach welchen Kriterien ich die Artikel für Lesenswert aussuche und kann auch hier noch einmal wiederholen, dass es objektive Kriterien eigentlich nicht gibt, sondern letztlich meine persönlichen Interessen und Ansichten den Ausschlag geben. Die Rubrik sollte deshalb auch nicht als eine Art Pressespiegel mit einem irgendwie journalistischen Relevanzanspruch verstanden werden, sondern als eine Auswahl mit einer starken persönlichen Note, oft auch aus dem Bauch heraus.

Ganz auf meine Vorlieben beschränkt ist die Rubrik aber nicht: Empfehlungen von Redaktionsmitgliedern oder LeserInnen nehme ich gern auf, außerdem kuratierte Daniel für einige Zeit die Unterrubrik Hörenswert. Manchmal ist bei einer Verlinkung auch ausschlaggebend, dass ich einen (neuen) Blog oder Blogger gern unterstützen möchte. Manche Seiten sind so gut, dass ich sie immer wieder gern erwähne, andere sollten zumindest einmal dabei gewesen zu sein. Einige Themen oder Spiele tauchen auf, weil sie gerade aktuell sind (soviel Aufmerksamkeitsökonomie muss sein) – andere deshalb, weil kaum irgendwer darüber spricht.

Und dann gibt es immer wieder auch Ausgaben, die sich zumindest teilweise einem bestimmten Schwerpunkt widmen. So auch heute. Ausgabe #100 zeigt, was Spiele mit uns machen: Welche Gefühle und Erinnerungen sie wecken, wie uns Spiele mit neuen Perspektiven konfrontieren, oder wie sie uns gefangen halten. Und vieles andere mehr. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken! [sk]


100.3

Shadow of the Tomb Raider: Tu dies, tu das, tu jenes!
(thelastpixel.de, Elena Schulz)

[…] Kaum ist ein Rätsel in der Nähe kommen Sprüche wie „Ich muss einen Weg finden, die Brücke zu überqueren“ oder „Ich muss den Eimer mit Wasser füllen“ und das mit immer den gleichen Voice-Samples im energischen Sekunden-Abstand. Dabei will ich mich doch nur in Ruhe umsehen, die zahlreichen Crafting-Resourcen sammeln oder Maya-Inschriften inziffern. […] Das gesamte Design der offenen Level ist darauf ausgelegt, dass ich mich umsehe, Dinge aufsammle und Nebenaufgaben angehe. Während die Entwickler gleichzeitig alles daran setzen, genau das zu verhindern. […]

Shadows of the Empire – Remembering Star Wars’ Most Audacious Video Game Adaptation
(gameinformer.com, Kyle Hilliard)

[…] Knoles and his team looked to what had been successful in the past. The Super Star Wars games explored multiple play styles and genres and were well-liked. “We were like, ‘Hey, let’s just move this to the world of 3D!’” Knoles says. “‘This will be easy!’ Wrong.” Shadows of the Empire experimented with low-altitude flight, third-person shooting, high-speed racing, on-rails shooting, and even full space flight. “Yeah, that was my fault,” Knoles says. “I would never do that again. That was too many games in one.” […]

An Oral History of ‘GoldenEye 007’ on the N64
(melmagazine.com, Quinn Myers)

[…] Another idea we had that was never really serious: What happened was that all the N64 controllers had that slot in them […]. So it was like, “Can you use this in GoldenEye?” All of our reference for guns was watching [movies], so someone said, “Well, what if you slam in the thing to reload,” because it could detect when it was plugged in. But when we trialled the reload, it was rubbish, so we didn’t do it, and it actually became a big joke. […]

En Detail: Yakuza
(videogametourism.at, Andreas Inderwildi)

[…] „Immersion“ ist eines dieser allgegenwärtigen Modewörter, die schon längst jeglichen tieferen Sinn verloren haben. Doch wenn man durch die Strassen der «Yakuza»-Städte schlendert könnte man seinen Zynismus der Immersion gegenüber fast vergessen. […] Von den vertrauten, neon-beleuchteten Strassen Kamurochos, über das winzige aber vor Details strotzende China-Viertel, bis hin zum verschlafenen Küstenstädtchen Onomichi bietet «Yakuza 6» immens detaillierte urbane Welten, die für virtuellen Tourismus und Fotografie wie geschaffen scheinen.. […]


PS: Noch eine kleine Bitte. Falls ihr beim Stöbern durch alte Ausgaben von Lesenswert auf tote Links stoßt, wäre es super, wenn ihr uns kurz darauf hinweisen könntet, beispielsweise im Kommentarbereich. Ich hab mir zwar ebenfalls vorgenommen, alle alten Ausgaben nach und nach durchzusehen (oft hat sich nämlich nur die Domain geändert und die Artikel sind durchaus noch zu finden), aber das beansprucht viel Zeit und ist auch stets ein Wettlauf mit derselben. Vielen Dank!


100.4

Grainger Games has gone – another tragedy for the already hard hit north-east
(amostagreeablepastime.com, Lucius P. Merriweather)

[…] Grainger Games has been a north-east success story – it started out as a market stall in Newcastle and grew to a total of 67 stores, mostly in the north of England. I discovered Grainger Games for the first time last year, when I moved from Scotland to the north-east and was pleasantly surprised to discover this local chain with knowledgeable staff and competitive prices. And now, less than a year since I moved, it’s all gone. Just like that. […]

Wenn der letzte Vorhang fällt…
(polyneux.de, SpielerZwei)

[…] Ich zünde mir nach beendetem Spiel eine Siegeszigarette an. Und noch eine. Und noch eine. Dann hole ich den inzwischen gekochten Kaffee und die selbstgebackenen Plätzchen aus der Küche und zünde mir eine weitere Zigarette an. In der Zwischenzeit habe ich die Abspannmusik bis auf die letzte Note auswendiggelernt, weil sie sich mindestens fünf mal wiederholt hat, und meine Sehstärke hat ob der vielen endlos-scrollenden Namen um mindestens 1 Dioptrien abgenommen. […]

Herunterladenswert: DED LED
(dedled.itch.io, DED LED)

[…] DED LED is an independently organized collection of articles, essays, and reviews originally written between 2013 and 2016. Websites come and go, and great work dies with them. DED LED preserves a body of videogame writing created by a slate of 49 talented contributors, acting as a vertical slice of a critical scene over a 4-year period. […] Contained within this volume you’ll find a tremendous breadth of topics centered in and around the cultural sphere of videogames, including a deep dive into the world of competitive Pokémon, an investigation into the disturbing body politics of the Metal Gear Solid series, an analysis of Dark Souls‘ color theory, and so much more. […]

Sehenswert: Game On! TV
(youtube.com, Game On! TV)

[…] Game On! TV heute mit den besten Controllern für den PC für unter 300 Mark […]. Was ist der Unterschied zwischen Hasenzüchtern und Fußball? Für Hasenzüchter gibt es kein PC-Spiel. Platz 5 für den Fußball Manager. […] Der interessanteste Ego-Shooter wird in diesem Jahr wohl TimeSplitters 2 werden. […] Auf in Echtzeit berechnete Hintergründe verzichtet Capcom dagegen immer noch. […]

Lust auf mehr? Die letzte Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.