Unterstützt von Senad „Retrokram“ Palic lud André „VSG“ Eymann vergangenen Samstag zum zweiten Mal ins Flipper- und Arcade-Museum im hessischen Seligenstadt (FAMS). Mehrere Dutzend Blogger und andere (Retro-)Games-Begeisterte aus ganz Deutschland waren dem Ruf gefolgt. In ungezwungener Atmosphäre durfte gespielt, gefachsimpelt und einander kennengelernt werden. Und anders als bei der Premiere im letzten Jahr klappte es diesmal auch bei mir. Hier lest ihr meine Eindrücke vom Event, aber auch von den im Museum ausgestellten Arcade-Maschinen. Viel Spaß!


Meet & Greet

Nach etwa fünfstündiger Zugfahrt von Leipzig über Frankfurt ins kleine Seligenstadt und einen kurzen Sparziergang durch den Ort, war das FAMS schnell ausgemacht. Bereits im Foyer wartete neben anderen Gästen auch die eine oder andere Hardware auf die Besucher. Nach einer kurzen Ansprache von André und Senad öffneten sich gegen 13 Uhr endlich die heiligen Hallen, in denen ein in allen Farben des Regenbogens blinkendes Lichtermeer schon auf die Gäste wartete. Auf zwei Etagen durften Dutzende Geräte bestaunt und im Free-Play-Modus bespielt werden. 

Im Erdgeschoss fanden sich vor allem Arcade-Videospiel-Automaten. Das Sammlung reichte dabei von frühesten Modellen wie Asteroids (1979) und auch einigen analogen Spielautomaten, bis hin zu Automaten von um die Jahrtausendwende herum, wie Gauntlet Dark Legacy (2000). Weit verbreitete Klassiker wie Donkey Kong (1981) fanden sich darunter ebenso wie rare Exoten. Daneben gab ein Reihe von Flippern einen Vorgeschmack auf das, was die Besucher zusätzlich im Kellergeschoss erwartete: Dutzende weitere Flippertische nämlich, mit denen sich Enthusiasten wohl Wochen, Monate, Jahre beschäftigen könnten.

Bei so viel Auswahl kam es nie zu Wartezeiten oder gar Gedränge. Eher schon hätte ich mir noch etwas mehr Betriebsamkeit gewünscht, da das Arcade-Erlebnis für mich auch viel vom „Publikum“ und vom Miteinander lebt – andererseits war es ganz und gar verständlich, dass die Besucher den Nachmittag nicht allein an den Geräten verbringen wollten: Unter anderem sorgte eine Anzahl von Vorträgen für Abwechslung und dafür, dass die Stunden zwischen zwölf Uhr mittags und Mitternacht nicht zu gleichförmig verliefen. In Bild und Ton aufgezeichnet von den fachkundigen Game Gladiators, beschäftigten sich die Vortragenden meist auf der Basis eigener Projekte und Erfahrungen unter anderem mit den Gründen für die Faszination „Retro“ (Pretty Old Pixel), mit MIDI-Musik (Jens Sommerfeld) und der Entwicklung von VR-Games oder ließen im Textadventure-Workshop einen nackten Mann mit einer Fackel durch den Wald laufen (Stefan Vogt). Ich selbst nutzte die Gelegenheit, um SPIELKRITIK.com vorzustellen und dabei den einen oder anderen Hintergrund aus der Frühzeit der Seite zu verraten.

Lootboxen Deluxe

Ein weiterer Höhepunkt im zunehmend improvisierten Tagesplan war ein gelungenes „Retro-Wichteln“, bei dem jeder, der ein Geschenk mitgebracht hatte, sich am Abend eines der anderen Geschenke vom Tisch nehmen durfte. Ich entschied mich in meiner Unentschlossenheit für ein in neutralem grauen Papier eingeschlagenen Päckchen und fand – ich hätte es mir denken können – ein PC-Spiel in einer Big Box vor. Ein exzellent erhaltenes Exemplar von Anno 1602 um genau zu sein, dass ich in Ermangelung einer Windows-Installation zwar so einfach nicht spielen kann, das aber auch als Sammlerstück einiges hermacht: Mit seinen vielen kleinen Beilagen und der ellenlangen, farbig illustrierten Spielanleitung könnte man fast meinen, ein Brettspiel auszupacken. Auch die anderen Gäste durften die eine oder andere Rarität mit nach Hause. Unbedingt allein schon für seine Existenz erwähnenswert: Ein NES-Nachbau im N64-Look. Das schlägt sogar noch den NES-Klon im SNES-Design, den ich als Kind hatte.

Kleinode, buchstäblich, kamen auch zum Vorschein, als Senad gegen Mitternacht seine Sammlung modulbasierter Handhelds auspackte, darunter viele Raritäten, die ich noch nie zuvor in Händen gehalten hatte. Vom klobigen Sega Nomad, über den schmucken Neo Geo Pocket, über GameBoy-Nachbauten, dem eleganten GameBoy Light oder dem inzwischen rar gewordenen GameBoy Advance Micro – bis hin zu echten Kuriositäten, deren Namen ich nie gehört hatte und die mir längst wieder entfallen sind. Aber auch Atary Lynx oder Gizmondo… Oft brauchte man die gescheiterten Systeme nur kurz in den Händen zu halten, um zu wissen, warum das nichts werden konnte, aber interessant waren sie allemal. Und das Pokémon Mini hat doch tatsächlich eine Modulverriegelung. Wow.


Bei all dem Kennenlernen, dem Lauschen von Vorträgen, dem Fachsimplen und Begutachten von Retro-Schätzen musste ich fast schon aufpassen, dass ich darüber nicht das Spielen vergaß. Das wäre nämlich ein Fehler gewesen. Glücklicherweise hatte ich gerade in den Abendstunden noch einige Gelegenheiten, konnte aber trotzdem nur einen Bruchteil dessen ausprobieren, was interessant schien. Meine persönlichen Lieblinge möchte ich gern ein wenig näher vorstellen:

Impressionen: Daytona USA

Ein prominent platziertes Highlight des FAMS ist zweifellos die 8er-Batterie Daytona USA (1993). Ich kannte das Spiel schon von daheim, wo es Bestandteil meiner kleinen Sega Saturn-Bibliothek ist, allerdings ist die authentische Arcade-Erfahrung doch eine erheblich andere. In der gebotenen Form ist Daytona USA ein unheimlich intensives Spiel, was vor allem zwei Aspekten zuzuschreiben ist: Zum einen der kräftigen Gegenwucht des Lenkrads, die zwar physikalisch nicht immer ganz nachvollziehbar ist, allerdings für eine auch körperlich sehr intensive Spielerfahrung sorgt. Das andere Highlight im FAMS ist allerdings der 8-Spieler-Netzwerkmodus, bei dem vier Doppel-Automaten zusammengeschaltet werden. Das Alter des Spiels zeigt sich hier zwar in mitunter sehr deutlichen Lags und mangelnder Synchronität, sodass es schon einmal vorkommt, dass man auf dem eigenen Bildschirm gerade in den Spielnachbarn crasht, während man selbst auf dessen Bildschirm gar nicht zu sehen ist; aber da dieses Problem alle Spieler gleichermaßen betrifft, trübt es den Spielspaß und den Wettbewerbsaspekt kein bisschen. Mit acht Spielern ist Daytona USA ist ein unglaubliches Erlebnis und die ein oder zwei Siege, die ich davon getragen habe, fühlten sich auch wirklich wie erarbeitete Erfolge an. 

Impressionen: OutRun

Noch vor Daytona USA hatte allerdings OutRun (1986) mein Interesse auf sich gezogen. Das lag daran, dass ich bereits das famose OutRun 2 (2003) aus einem Arcade in London recht gut kannte, wo ich es vor rund einem Jahrzehnt über zwei Wochen hinweg intensiv gespielt hatte und pünktlich vor der Rückreise noch den bislang größten „Erfolg“ meiner umständehalber sehr limitierten Arcade-Karriere feiern durfte. Unterstützt von den Klängen von Night Flight (einer der besten und „sega-igsten“ SEGA-Songs aller Zeiten) hatte ich damals auf der leichtesten Route die Ziellinie erreicht – und wurde dafür sogar von zwei zufällig dazugestoßenen Zuschauern beglückwünscht; eine schöne Erfahrung, wie man sie nur in den Arcades machen kann.

Im FAMS fand sich nun aber das Original-OutRun – in einer Sit-Down-Variante mit hydraulisch bewegtem Cockpit! – welches ich bisher nur aus Yakuza Zero und Shenmue II kannte. Anders als OutRun 2 hat mich das Original auf der Konsole allerdings nie sonderlich begeistern können. Aber siehe da, auch in diesem Fall bot die Arcade-Fassung eine überraschend andere Spielerfahrung und brachte das vergleichsweise simple Gameplay weitaus intensiver rüber. Die Bewegungen des Cockpits fand ich dabei in den ersten Minuten zunächst noch etwas seltsam. Instinktiv erwarte ich wohl ein Sich-in-die-Kurven-Legen wie auf einem Motorrad oder wie ein Schnellzug das tut, und so fühlte es sich anfangs irgendwie falsch an, wie die Hydraulik das Cockpit etwa bei einer Linkskurve nach rechts kippen ließ. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine interessante Simulation von Fliehkräften, die nach kurzer Eingewöhnung viel zur körperlich intensiven Erfahrung beiträgt und in Anbetracht des Alters des Spiels mehr als überzeugen kann.

Nach einer guten Stunde musste ich mir dann auch eine Pause gönnen, tat das allerdings ruhigen Gewissens: Anders als bei OutRun 2 schaffte ich es beim Original im FAMS zwar nie ganz zum Ende einer Route, sondern stets nur maximal bis knapp über die Mitte, konnte mir aber immerhin einen Eintrag in die Highscore-Liste erarbeiten: Platz 18. Die Fahrt nach Seligenstadt hatte sich damit also schon am frühen Nachmittag gelohnt.

Impressionen: Crisis Zone

Hinter Vorhängen entdeckte ich zu fortgeschrittener Stunde schließlich noch die 18er-Ecke des Museums und ein Spiel, welches ich im ersten Moment für Time Crisis hielt, da ich genau wie OutRun 2 vor einigen Jahren während eines Besuchs in England schätzen gelernt hatte. Bei näherer Betrachtung fielen mir dann aber doch ein paar Unterschiede auf. Die Lightgun war größer und schwerer und nur für einen Spieler vorhanden und meine Spielfigur ging beim Loslassen des Fußpedals nicht hinter einer Wand oder Barriere in Deckung, sondern hinter einem schweren Schild. Und tatsächlich, es handelte sich um ein etwas martialischeres Spin-Off der Reihe, betitelt Crisis Zone, das 1999 in die Arcades kam und 2004 auch auf die PS2 umgesetzt wurde. Neben den bekannten spielerischen Qualitäten stach vor allem die Präsentation positiv hervor, bei der sich fast alles in den Umgebungen zerlegen ließ. Kein Wunder: Laut Wikipedia läuft Crisis Zone auf der letzten und höchstentwickelsten Version der letzten von Namco selbst entwickelten (nicht von einer Konsole abgeleiteten) Arcade-Hardware. Mit immerhin 200 MHz ist der Prozessor des Super System 23 Evolution 2 Boards getaktet.

Version 2 (1)


Und sonst…

Neben diesen Spielen, denen ich im Rahmen der Möglichkeiten viel Zeit widmete, hatte ich Gelegenheit, einige weitere Automaten zumindest einmal anzuspielen. Eine überraschende Entdeckung war für mich etwa Enduro Racer, das ich bereits vom Sega Master System kannte und in dieser Form zu meinen ersten Spielerfahrungen überhaupt gehörte. Bisher war mir allerdings nicht klar gewesen, dass auch dieser Sega-Klassiker seinen Ursprung in den Arcades hat. Andererseits: Vergleichen lassen sich die beiden Fassungen kaum. Steuert man das Motorrad auf dem Master System nämlich aus isometrischer Sicht, nutzt der Automat ähnlich wie Hang-on die Verfolgerperspektive. Der spielerische Schwerpunkt liegt allerdings auf dem korrekten Ausführen der Sprünge. Dafür muss man das „Motorrad“, auf dem man Platz nimmt, nach hinten reißen. In Kombination mit dem etwas schwergängigen Gasgriff wird das Spiel so durchaus zu einer schweißtreibenden Angelegenheit!

Ebenfalls aus dem Hause Sega und mir ebenfalls schon aus Shenmue II flüchtig bekannt, ist After Burner (1987), dessen Spielmechanik mir zwar auch im FAMS eher rätselhaft blieb, dessen effektgeladenen Grafiken aber auch heute noch ganz famos aussehen. Das weniger bekannte Indy 500 (1995) wiederum, ebenfalls von Sega, war ein weiteres Rennspiel, dass vor allem ob seiner Geschwindigkeit Laune machte und anders als OutRun und Daytona USA einen gewissen Realismusanspruch hatte.

Dass alle der bisher genannten Spiele mit Ausnahme von Crisis Zone von Sega stammen, sagt viel über die einstige Bedeutung der Firma – auch in europäischen Arcades. Aber natürlich bleiben im FAMS auch andere Hersteller nicht außen vor. Mit Galaga und Parodius spielte ich zwei Vertreter aus einem meiner Lieblings-Genres. Da sich die Spielerfahrung bei diesen klassischen Shmups von der auf der Heimkonsole aber nicht grundlegend unterscheidet, verbrachte ich nicht allzu viel Zeit an diesen Geräten. Ich machte außerdem einen Stopp bei Pac-Man, das im Original, dicht vorm großen Vertikalbildschirm stehend, erstaunlich viel Spaß machte, sowie bei Asteroids aus dem Jahr 1979, das mich vor allem mit seinen zeitlosen Vektorgrafiken begeisterte (vgl. auch meine Zuneigung zum Vectrex). Auch mit Gauntlet Dark Legacy verbrachte ich einige Minuten, weil ich das Spiel dem Namen nach vom GameCube kannte. Allein war das Spiel leider genauso öde, wie ihm zeitgenössischen Spieletests attestierten, aber in der Gruppe dürfte es viel Potential haben.

Für die im nächsten Jahr hoffentlich kommende Fortsetzung des Treffens hab ich mir auf jeden Fall schon einmal Paperboy ausgeguckt, und auch Donkey Kong möchte gern ich einmal auf der Original-Hardware spielen. Und vielleicht funktioniert bis dahin ja auch Namcos Aqua Jet (1996) wieder, bei dem man auf einer Jet Ski-Nachbildung stehend durch die Wellen reitet; das Spiel erschien im selben Jahr wie Wave Race 64. Ganz bestimmt werde ich dann aber auch mehr Zeit mit Flippern verbringen. Aber das wird eventuell noch einmal Extrathema für einen kleinen Blog-Beitrag.

Ich denke man spürt es – ich hatte viel Spaß und danke den Organisatoren noch einmal für die tolle Veranstaltung! Faszinierend war vor allem die Vielfalt der Retro-Community, die von den Anwesenden in ganz unterschiedlichen Spielarten abgebildet wurde und tatsächlich alle Altersklassen umfasste. Nicht zuletzt ist das FAMS eine wunderbare und wunderbar treffende Location und lohnt auch sonst den Besuch: Jeden ersten Samstag eines Monats ist das Museum für die Öffentlichkeit geöffnet; mehr Informationen gibt es auf der Website des Museums. [sk]


Mehr zum Thema: