Die Games-Lesetipps auf SPIELKRITIK.com – immer freitags neu. Am Ende einer ruhigen Wochen warten wir mit einer kleinen aber feinen Auswahl rund um das Schwerpunktthema „Verantwortung“ auf.
Im kostenlosen Captain Spirit der Life Is Strange-Macher Dontnod erleben wir einen Tag im Leben eines Jungen, der Verantwortung übernehmen muss, wo seine Eltern es nicht können. Parentifizierung nennt sich das und Merle von Behind the Screens ist von der Umsetzung dieser Problematik in Captain Spirit sehr angetan.
Für verantwortungslos hält Eugen Pfister Darstellungen des Zweiten Weltkriegs, die den Holocaust ausblenden, als sei er nicht Bestandteil des Krieges. Unser Kolumnist Jannick Gänger kritisiert auf seinem eigenen Blog das unkritische Nachplappern bombastischer Games-Versprechungen in der Spielepresse, und Philipp Arnold wünscht sich generell mehr Verantwortungsbewusstsein von den Machern von Videospielen.
Dass inklusives Game Design auch nicht-behinderten Menschen aufregende neue Spielerlebnisse bieten kann, ist eines der Themen in Cäcilias Sauers Artikel über Audio Games (einen Quasi-Vorläufer des Artikels gibt es übrigens bei uns). Und wo wir schon bei Audio-Formaten sind: Nach geraumer Zeit gibt es wieder einmal eine Podcast-Empfehlung! Die Herren von Stay Forever sprechen über eine Ikone der 90er, den dänischen TV-Kobold Hugo.
Damit bis nächste Woche – dann erwarten euch auch wieder neue Artikel auf SPIELKRITIK.com! [sk]
Tun und lassen, was man will? Kindheit und Verantwortung in Captain Spirit
(behind-the-screens.de, Merle)
[…] Dass Captain Spirit so effektiv mit unseren inneren Impulsen spielt, ist weit mehr als nur ein Kunstgriff. Hier wird gekonnt ein reales Phänomen inszeniert, mit dem Kinder in schwierigen Familienverhältnissen oft zu kämpfen haben: Wenn sie merken, dass ein Elternteil nicht mehr fähig ist, bestimmten Aufgaben gerecht zu werden, fühlen sich Kinder verpflichtet, die Funktion der fehlenden Fürsorgeperson zu übernehmen. Hier spricht man dann von einer Parentifizierung – die sozialen Rollen zwischen Elternteil und Kind werden vertauscht, wodurch das Kind jedoch langfristig extrem überfordert und sogar in seiner Entwicklung gehemmt werden kann. […]
Der Holocaust in Games: Ein ganz gewöhnlicher Krieg?
(spiegel.de, Eugen Pfister)
[…] Nicht nur der Völkermord an über sechs Millionen europäischen Juden und Jüdinnen wird ausgespart, ganz allgemein wird zumeist jeder Hinweis auf die menschenverachtende rassistische Ideologie und die Durchdringung der Zivilbevölkerung vermieden. So wird ein zutiefst ideologischer Krieg in unseren Spielen fast vollständig entpolitisiert. […] Wer unbedingt ein Spiel über genau diese Zeitspanne machen will, muss in Zukunft auch einen Weg finden, die Erinnerung an den Holocaust verantwortungsvoll miteinzubeziehen. Mit der wachsenden Reichweite des Mediums wächst nämlich auch sein Einfluss auf unsere kollektiven Geschichtsbilder. […]
Bedeutung in Videospielen. Über gesellschaftliche Verantwortung und die Rolle der Community
(introvertthegame.wordpress.com, Philipp Arnold)
[…] Videospiele sind die einflussreichste Form von populärer Ausdrucksweise in der heutigen Gesellschaft […]. Doch wie geht die Videospiel-Industrie mit dieser Verantwortung um? […] Versteht mich nicht falsch, ich liebe Videospiele zum Abschalten und Energie tanken genauso wie jeder andere auch. Auch ich ballere gerne auf Horden von Gegnern mit Waffen, die aus Bayonettas Stiefeln abgefeuert werden. Doch es muss auch einen Gegenpol dazu geben. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Videospielbranche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft übernehmen muss. Am Ende sind aber immer wir, die Konsumenten, die entscheiden, wohin die Reise geht. Was können wir also tun? […]
Umgekehrte Inklusion: Audio Games
(grimme-game.de, Cäcilia Sauer)
[…] Während „klassische“ Computerspiele durch ihren starken visuellen Fokus also immer nur in Teilen für sehbehinderte Spieler zugänglich gemacht werden können, begreifen Audio Games diesen barrierefreien Aspekt schon im Vornherein mit ein. Im Gegenteil bieten sie sehenden Spielern sogar Einblicke in ein völlig neues (auditives) Spielerlebnis, das von blinden wie sehenden Spieler*innen gleichermaßen genossen werden kann. […]
Alles soll besser werden, meinen PC Games und GameStar
(medienbiene.com, Jannick Gänger)
[…] Ubisoft verspricht ziemlich geiles Zeug, ok. Warum auch nicht, die wollen das Spiel schließlich verkaufen. Aber was hat die Spielepresse damit zu tun, warum hinterfragen sie es nicht, weshalb verweisen sie nicht auf die Katastrophe von Teil 1, wieso erinnert man nicht an Lug und Trug bei anderen Ubisoft-Spielen? Oder deutlicher: What the fuck? Weil es dem Hype schadet. Er ist Währung und Sicherheit zugleich; positive Berichterstattung bindet den Leser an jede weitere News, jeden Bericht, jedes Video, jeden Text, schließlich <<soll>> das – auch in der Hoffnung der Spielepresse – alles mega werden, megabombastisch, megakostenlos, megabesser. […]
Hörenswert
Hugo (Folge 77)
(Stay Forever; 12.04.2018; 01:22:37)
Interaktives Fernsehen ist die Zukunft – so hieß in den 90ern. Die in Dänemark erdachte, bald weltweit erfolgreiche TV-Show „Hugo“, war technische Avantgarde und ließ Zuschauer mit den Tasten ihres Festnetztelefons die Spielfigur im TV steuern. Gunnar und Christian blicken zurück auf das Phänomen, das auch für die Gespräche zwischen Moderatorinnen und Anrufern berüchtigt war. Kostprobe: „Hey, du bist etwas ganz Spezielles, erzähl mal. – Joa, speziell, ich mach halt Musik im Techno-Bereich. – Und, hast’e schon was auf’m Markt von dir? – Also im Techno-Bereich weniger, also gar nich. Letztes Jahr hab ich im Hip-Hop-Bereich ’ne CD gemacht.“ [sk]
Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt immer freitags bei SPIELKRITIK.com. Die letzte Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.
Die „Life is Strange“ Spiele gehören ja zu meinen absoluten Favoriten in meiner Steamsammlung, deshalb hat es mich auch überrascht, dass ich gar nichts von „Captain Spirit“ mitbekommen habe. Ein Titel, den ich definitiv nach holen muss.
Aber zum Thema Verantwortung:
Videospiele sind schon seit einiger Zeit rentabler und größer als Hollywoodfilme. Jedoch denke ich nicht, dass die Spieleentwickler die Verantwortung, wie mit diesem Medium umgegangen wird, alleine tragen. Wir als Konsumenten müssen uns mit den Medien, die wir benutzen, kritisch umgehen. Nicht alles einfach so hinnehmen wie es uns vorgetragen wird. Diese Verantwortung wird von beiden Seiten gleichermaßen getragen. Und zu sagen, Videospiele können Botschaften nicht so effektiv rüberbringen wie Musik, Bücher oder Filme wäre schlicht und einfach naiv.
Das im Artikel erwähnte Beispiel von Far Cry 5 ist ein gutes Beispiel für die Rolle, die Videospiele in der Meinungsbildung der Bevölkerung spielen.
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Hallo Marcel, und vielen Dank für deinen Comment! :)
Sollte meine Zeit es hergeben, schreibe ich demnächst vielleicht auch selbst einen kurzen Artikel zu Captain Spirit, das mich ebenfalls sehr beeindruckt hat – für mich allerdings der Erstkontakt mit der Life Is Strange-Reihe war. Für dich könnte evtl. auch dieser Gastartikel interessant sein: https://spielkritik.com/2018/03/21/gastspieler-erinnerungsraum-medium-in-life-is-strange-before-the-storm/
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