Eine Kolumne von Jannick Gänger

Eine Ankündigung ohne Inhalt ist ein Problem für die Spielepresse. Einzige Lösung: Sie machen aus null Details hundert Spekulationen. Doof nur, dass sie sogar das nicht können.


Bethesda kündigte im Rahmen der Spielemesse E3 ein neues Rollenspiel an: The Elder Scrolls 6, der Nachfolger von Skyrim. Diese Infos stammen aus einem 36-sekündigen Video, das lediglich den Schriftzug vor einer bergigen Landschaft zeigt. Weitere Details gibt es nicht. Null, keine, überhaupt gar keine.

Außer für die Spielepresse.

Die mutmaßt über den neuen Elder Scrolls-Teil wie ein Horoskop über den Karriereweg eines Neugeborenen. Nichts ergibt Sinn, geschrieben oder gesagt werden muss es dennoch.

So wie bei der GameStar. In dem Video „Das lange Warten aufs nächste Skyrim“ reden sie 199 Sekunden über ein Video, das 36 Sekunden lang ist.

Legendär schon jetzt die Frage der GameStar-Redaktion:

„Was erwartet uns also im sechsten Teil der legendären Rollenspiel-Reihe?“

Bestimmt viel Tolles, oder? Wozu sonst produziert man so ein Video, wenn man nichts erzählen kann?

Natürlich nur des Geldes wegen, denn: „Keine Ahnung“, gibt auch die Redaktion zu, „es gibt einfach noch keine handfesten Infos zum Spiel.“ Woran das liegt? Da kommt der einzige Fakt ins Spiel, den die GameStar vortragen kann: Die Entwickler befinden sich noch in der Konzeptphase, also sind nur wenige Menschen am Spiel beteiligt.

Im Klartext heißt das: Nicht einmal die Entwickler wissen, wie The Elder Scrolls 6 im Detail aussehen wird.

Das GameStar-Video besteht also aus zwei Hälften: In der ersten fassen sie zusammen, dass sie nichts wissen, in der zweiten salzen und würzen sie in der Gerüchteküche. Einige Spieler, so heißt es, vermuten ein Szenario in „High Rock“, andere sagen: nee, gar nicht, dann wieder: dohoooch! Und die GameStar-Redaktion: reibt sich die Hände. Journalismus wie im Kindergarten.

Nicht ganz so gierig verhält sich die PC Games, die einer dreiteiligen Doku-Reihe über die Ankündigung widerstehen konnte; nicht aber den in der Spielepresse typischen Hype, schließlich heißt es in der News zur The Elder Scrolls-Ankündigung:

„Atemberaubend – der Mini-Teaser-Trailer von der E3 2018“

Es braucht nur 36 Sekunden mit Bergen und Buchstaben, bis der erste Superlativ fällt.

Auf zu jenen, die mit Versprechungen in Headline und Einleitung eine Erwartungshaltung aufbauen, die nicht erfüllt werden kann.

Wie Gamona.de, die bereits in der Überschrift ekeln:

„The Elder Scrolls 6 – Setting und Story: Was der Trailer verrät“

Nichts. Der Trailer verrät nichts. Für die Gamona-Redaktion ist Nichts nicht nichts, sondern verdammt viel.

Sie nehmen Bezug auf die Spekulationen von einigen Reddit-Usern und schreiben über die vermeintliche Spielwelt „High Rock“. Durch „Fakten“ wie „Stand der Sonne“ oder „Geografie der restlichen ESO-Welt“ habe man die übrigen Regionen als Schauplatz eliminiert, heißt es.

Absurd wird es, wenn die Gamona-Redaktion bereits in so einem willkürlichen Artikel die grobe Qualität des Spiels einordnet. So schreiben sie:

„In Sachen Größe und Story-Vielfalt dürfte hier also genug Auswahl sein.“

Anmerkung: The Elder Scrolls 6 befindet sich in der Konzeptphase.

In dem Teaser-Video von Bethesda ist kurz – wie eigentlich alles – ein Krater zu sehen, der laut Gamona durch „unkontrollierbare Magie“ entstanden sein könnte, und ohnehin kann das „Stoff für neue Legenden liefern“.

Immerhin schreiben sie abschließend: „Natürlich könnte das auch völliger Quatsch sein“, ja ganz bestimmt ist das alles völliger Quatsch, den ihr da redet. Aber womit sonst klickt es sich gut? Mit Nichts nicht. Natürlich baut die Überschrift eine überzogene Erwartung auf, die Gamona nicht einhalten kann. Ein vermutlich großes Interesse der Leser berechtigt nicht zur realitätsfernen Berichterstattung über 36 Sekunden Videomaterial, sollte man meinen.

Schnitt, Widerspruch: Spieletipps.de! Der bestimmt irrsinnigste Artikel über ein 36-sekündiges Video kommt von Spieletipps und ist, Moment, das muss für sich alleinstehen:

1.021 Wörter lang.

Anmerkung: The Elder Scrolls 6 befindet sich noch immer in der Konzeptphase.

Es handelt sich nicht um eine News, die Theorien aus Communitys wie Reddit zusammenträgt, im Gegenteil suggeriert die redaktionelle Aufmachung und der Schreibstil einen Vorschau-Bericht.

Der Text ist keine Sekunde des Lesens wert, er basiert ebenso auf Mutmaßungen wie auf Unsinn. Wenn da nicht folgende Sätze stünden:

„Und dennoch hat die Ankündigung gereicht, um die Community auf der ganzen Welt durchdrehen zu lassen! Damit keine Missverständnisse aufkommen: Da zählen wir uns natürlich dazu.“

Wenn der allgemeine, der große Journalismus schon in der Krise steckt, ja dann fault sich der Spielejournalismus als Zehnagel vom Chef des Axel-Springer-Verlags in die Ekstase. Das mag ja durchaus der Anspruch sein von Spieletipps, eher Marketing statt Recherche, nur sollte man das präsenter formulieren, damit auch der 16-jährige Lukas weiß, dass der Wikipedia-Eintrag „Pressekodex“ auf den PCs der Redaktion gesperrt ist.

Ärgerlich ist zudem der im Artikel genutzte Ist-Zustand, der nicht auf The Elder Scrolls 6, sondern auf der Spielmechanik des Vorgängers basiert, wie im folgenden Absatz:

„Die Charakterentwicklung basiert vermutlich wieder auf einem „Lernen durch Anwendung“-Prinzip. Sprich: Je öfter ihr eine Fertigkeit oder Fähigkeit anwendet, desto besser wird eure Spielfigur darin. Das gilt sowohl für aktive als auch für passive Fähigkeiten. Beispiele:

Ihr setzt mit Vorliebe Feuerzauber gegen eure Gegner ein. Dadurch steigt eure Fertigkeit für Feuerzauber und ihr könnt nach und nach verbesserte Fähigkeiten dafür freischalten, wie niedrigeren Magie-Verbrauch, höheren Schaden oder doppelte Anwendung mit beiden Händen.“

Anmerkung: The Elder Scrolls 6 befindet sich tatsächlich noch immer in der Konzeptphase.

Wer eilt Spieletipps zur Hilfe? GIGA Games, die auf der Übersichtsseite des Spiels 907 Wörter brauchen, um nichts zu sagen.

Komplett irre wird es, wenn die Redaktion am Beispiel anderer Spiele von „offensichtlichen Features“ sprechen:

„Eines der offensichtlichsten Features wird dabei wohl ein umfangreiches Crafting- und Housing-System darstellen, schließlich wurde dieses als eines der großen Neuerungen in Fallout 4 eingeführt.“

Wie viel von Spekulationen und Erwartungen aus der Spielepresse zu halten sind, zeigen die Redaktionen am Beispiel von The Elder Scrolls 6 sogar selbst: Spieletipps hat für die E3 2015 einen kleinen Teaser für den sechsten Teil erwartet, die PC Games hoffte auf eine Ankündigung auf der E3 2016 – mit der Überschrift:

„Bethesda auf der E3 2016: Was wir wissen, was wir erwarten – Elder Scrolls 6?“

Knapp daneben.

Bereits im Februar 2016 redete sich die GameStar-Redaktion um Kopf und Kragen in einem 14-minütigen Video über The Elder Scrolls 6 mit Halbwahrheiten, Spekulationen und „Ich glaube“-Sätzen auf Basis von Halbwahrheiten, Spekulationen und „Ich glaube“-Sätzen.

Und GIGA Games schrieb Anfang 2018 über das Gerücht, The Elder Scrolls 6 solle noch in diesem Jahr erscheinen und untermauerte die These mit einem eigenen Kommentar:

„Dennoch ist ein Release des lang erwarteten Rollenspiels gegen Ende dieses Jahres nicht ganz unrealistisch. So kündigte Bethesda auf der E3 2017 sowohl Wolfenstein 2: The New Colossus als auch The Evil Within 2 an, die beide wenige Monate später im Oktober 2017 veröffentlicht wurden.“

So viel Blabla, so viel Hanswursterei für ein einziges Spiel. Es ist befremdlich.

Pünktlich zum Stichwort „Blabla“ (und „Hanswursterei“ und „befremdlich“): Gameswelt.de, die im Vorfeld der E3 2017 ein Gerücht weiter verbreiteten über, nein: nicht The Elder Scrolls 6, sondern The Elder Scrolls 7, das angeblich 2030 erscheinen soll.

Zwischen Flunkerei und Gerüchten schreiben die Redakteure routiniert über die absurdesten Spekulationen. Es ist alltägliches Geschäft in der Spielepresse. Die Klicks rattern in die Höhe, während das große Irreführen am Leser absurde Ausmaße annimmt; vornehmlich bei Spielen, die sich gut klicken.

Am Beispiel Cyberpunk 2077 offenbart sich die Frechheit erneut: Die GameStar nimmt jedes Gerücht, jede Aussage mit. Faktenlage: grauenvoll. Schulterzucken: doll. Reichweite: toll? Folgende „Infos“ veröffentlichte GameStar über Cyberpunk:

2012 hieß es, es soll 2013 erscheinen.
2015 hieß es, es soll 2016 erscheinen.
Ende 2016 hieß es, es soll noch vor 2019 erscheinen.
Und man werde einen Polizisten spielen.

Nichts davon stimmte.

PC Games beweist ähnliches Unvermögen und schreibt im Fall Cyberpunk 2077 über jede noch so vage Aussage von angeblichen „Leaks“:

2012 hieß es, ein Release vor 2014 sei unwahrscheinlich. 
2016 hieß es, ein Release Mitte 2018 sei wahrscheinlich. 
2017 hieß es, ein Release Mitte 2019 sei wahrscheinlich. 

Der regelmäßige Hinweis, es handele sich um unbestätigte Gerüchte, macht es nicht besser. Im Wissen um den Quatschinhalt dieser Meldungen schreiben sie ja dennoch die irrsten „News“ zusammen.

Auch Gameswelt, Spieletipps und Gamona haben eines oder mehrere dieser Gerüchte verbreitet oder Spekulationen aufgestellt, die der Realität ferner sind als die Titelseiten der BILD.

Da tränen mir ein bisschen die Augen, wenn ich einen Tweet über The Elder Scrolls 6 von Bethesdas PR-Chef Pete Hines aus dem Jahr 2016 lese: „Ich will nicht, dass Menschen in die Irre geführt werden.“

Was für ein hehrer Wunsch.

Was für ein aussichtsloses Unterfangen.


Über PRESSEKRITIK: Die Spielepresse ist eine versöhnliche, eine lahme Sparte im Journalismus; und wird für offensichtliche Fehler kaum kritisiert – sagt Jannick Gänger, selbst ehemaliger Spieleredakteur, und möchte das ändern. Deswegen steckt in seiner Kolumne PRESSEKRITIK auch stets die Leidenschaft für Videospiele und das Schreiben.


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